Читать книгу Worlds. Kapseln der Wiedergeburt I - B. L. Rámiz - Страница 3

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Kapitel 1

MISSION ILUMINUM

Unter der Amireno-Brücke, der Hauptbrücke des Flusses Fodera, der die ganze Stadt Ganterona durchquerte, bewegte sich eine vermummte Gestalt mit einem Stock in der einen Hand und einer riesigen undurchsichtigen Kristallkugel in der anderen Hand. Die Sonne war vor mehr als einer Stunde untergegangen; trotzdem waren einige »Andapflanzen« noch wach und suchten nach einem Ort, um sich zum Schlafen niederzulassen.

Die Gestalt, auf deren hölzernem Stock sich eine weiße Kugel befand, legte diese auf den Boden und suchte mit den Händen nach etwas in ihrem Umhang. Sie legte in die Kugel einen Anhänger, der ein weißes Licht ausstrahlte. Dann legte sie eine Hand auf die undurchsichtige Kristallkugel und plötzlich erschien durch diesen Kontakt ein violettes Licht. Schließlich näherte sich die Gestalt dem Flussufer, streckte den Arm aus, mit dem sie die große transparente Kugel hielt und ließ sie, von der sanften Strömung des Flusses Fodera gefangen, gehen.

Der Vermummte sprach ein paar Worte in einer fremden Sprache und schlug mit seinem Stock auf den Boden, bevor er verschwand. Die Kugel bewegte sich langsam den Fluss hinunter, jedoch schien sie über das Wasser zu gleiten. Ihre Fortbewegung sah nicht nach einer typischen Bewegung aus, die von einer Wasserströmung erzeugt wird. An den Ufern des Fodera konnte man die Stadt Ganterona sehen, das Hauptzentrum des Planeten Eurinum. An beiden Seiten des Flusses befanden sich verschiedene Gebäude in verschiedenen Farben, die ein schwaches Licht ausstrahlten, das die Dunkelheit der Nacht durchbrach.

Hakina und Tolpos Ulkrac feierten weiterhin ihre Hochzeit in einer Räumlichkeit, die am einzigen Strand lag, den der Fluss auf seinem Weg durch die Innenstadt bot. Sie waren hinausgegangen, um sich ein wenig von der Party auszuruhen und schlenderten mit einem Glas süße »Fleste« zum Ufer hinunter.

»Schatz, ich liebe dich.« Tolpos legte eine Hand auf die rechte Wange seiner Frau, bevor er ihr einen Kuss schenkte.

»Ohhh! Wie kitschig!«, scherzte Hakina über diesen zärtlichen Moment, bevor sie seinen Kuss erwiderte.

»Also... hast du Lust zu versuchen, ein Kind zu bekommen?«, fragte Tolpos.

»Es ist noch zu früh darüber nachzudenken. Außerdem weißt du, dass wir sehr komplizierte Projekte haben, die es uns erschweren können, diese mit der Familie unter einen Hut zu bringen«, antwortete sie.

»Ja, du hast Recht, vielleicht sollten wir ein bisschen warten.« Tolpos sah bei dem Gedanken ein wenig traurig aus, noch damit warten zu müssen, einen Nachkommen zu haben. Für die »Ilumni« war es sehr wichtig, Kinder auf die Welt zu bringen, um mit ihrem Erbe, ihren Forschungen, technologischen Fortschritten und Erkundungen des Universums fortzufahren.

»Aber sei nicht ungeduldig«, versuchte sie ihn zu beruhigen, als sie seine Wangen immer wieder schwach aufleuchten sah. »Wenn wir die erledigen, die wir jetzt haben, werden wir mehr Zeit haben, um über Zuwachs in unserer Familie nachzudenk... Was ist das?« Hakina zeigte mit dem Zeigefinger ihrer rechten Hand. »Schau, dort, im Fluss!«

»Es sieht aus wie eine riesige schwarze Kugel!«, rief Tolpos. »Und sie strahlt ein Licht aus ihrem Inneren aus!«

Die Kugel begann sich langsamer zu bewegen, die Strömung des Flusses setzte ihren Lauf fort, aber die Kugel schien sich so zu bewegen, wie sie es wollte. Sie begann, sich dem Brautpaar zu nähern. Die beiden sahen überrascht aus, denn die Kugel bewegte sich nicht mit der Strömung. Sie machte in der Mitte des Flusses halt, genau auf der Höhe der beiden Zuschauer, die auf das Flussufer zugingen, bis ihre Füße das Wasser berührten. Dann näherte sich die Kugel dem Ufer, bis sie ihre Füße erreichte. Tolpos und Hakina schauten sich gegenseitig ziemlich überrascht an und wandten ihren Blick nach unten, als aus dem Inneren der Kugel das Geräusch eines Niesens zu hören war. Sie bückten sich schnell und griffen nach dem Anhänger, der das weiße Licht ausstrahlte. Dann zogen sie eine kleine Decke weg und sahen darunter ein Baby mit grünen Haaren, das sie lächelnd ansah, während seine Wangen ein intensives leuchtendes Licht ausstrahlten.

* * *

Eurinum war ein Planet, der sich irgendwo im Universum befand. Blau und Grün, man musste nur von außen auf ihn schauen, um zu erkennen, dass er bewohnbar war. In der Tat war er das auch. Es war ein lebendiger Planet: Vögel flogen im blauen Himmel, Fische schwammen in Seen, Flüssen und Ozeanen. Tiere gingen und liefen auf dem Festland und die Flora hatte sich auf dem Großteil des Planeten breit gemacht. Aber Eurinum hatte eine hochentwickelte intelligente Rasse, die Ilumni und diese unterschieden sich nicht sehr von uns Menschen. Sie waren nur etwas größer und hatten einen violetten Schimmer auf ihrer Haut. Darüber hinaus besaßen sie im Vergleich zu uns eine sehr fortschrittliche Technologie.

Es gab einmal eine Zeit, in der die Ilumni begannen, ihre Entwicklung zu beschleunigen, es fand eine Industrialisierung statt und sie stellten das wirtschaftliche Interesse über das ökologische. Dadurch erlitt Eurinum eine starke Verschmutzung. Die Meeresströmungen änderten sich und das Klima des Planeten erfuhr verheerende Veränderungen für seine unterschiedlichen Ökosysteme. Die gesamte Atmosphäre verlor ihre gesunde Transparenz und wenn man nach oben schaute, war ein orangefarbener Himmel zu sehen. Mehrere Generationen konnten nie das Blau des Himmels kennenlernen. Viele Arten aus allen Reichen starben aus und beinahe wären sie an dem Punkt angelangt, an dem es durch das Zerstören des Lebens ihres geliebten Planeten, ihrer Heimat, kein Zurück mehr gegeben hätte. Eurinum geriet in einen ökologischen Kollaps.

Das alles war schon viele Jahre her. Die Ilumni »erwachten« aus ihrer wirtschaftlichen Besessenheit und schufen Gesetze für den ökologischen Wiederaufbau. Sie verboten alle umweltschädlichen Technologien, entwickelten ein Energieprojekt, das ausschließlich auf erneuerbaren Energien basierte und erfanden ein umweltfreundliches Verpackungssystem, das aus einer Reihe von kunststoffähnlichen Materialien bestand, die jedoch aus Salzen hergestellt wurden. Diese Produkte waren wasserlöslich und in nur achtundvierzig Stunden vollständig zersetzt. Kurz gesagt, sie hatten die Umweltverschmutzung und die Anhäufung von Müll aus Eurinum komplett beseitigt. Darüber hinaus genehmigten sie ein Projekt zur Rückgewinnung von Arten, die aus unnatürlichen Gründen ausgestorben waren und beschränkten die Gebiete, die zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt wurden. Sie schufen sehr produktive Anbaumethoden mit geringen Auswirkungen auf die Umwelt und beschlossen, keine Fleischprodukte mehr zu konsumieren, da der Fleischkonsum weniger nachhaltig und nicht sehr ökologisch war. Der Planet erholte sich in etwa tausend Jahren vollständig: Der Himmel wurde wieder blau, die Luft wieder durchsichtig und die ausgestorbenen Tiere besiedelten die Wälder und Urwälder, die sich selbst erholt hatten, als die Ilumni damit aufhörten, sich in die Natur einzumischen. Sie hatten es gelassen, ein Problem für ihren Planeten zu sein und sich seitdem technologisch rasant weiterentwickelt.

Ihr Stern hatte längst den Äquator seines Lebens überschritten und sie mussten einen Weg finden, zu anderen bewohnbaren Planeten zu reisen, um zu gegebener Zeit »umziehen« zu können. Diese Aufgabe stellte sich als überhaupt nicht einfach heraus, aber sie näherten sich einer Lösung. Sie hatten Raumschiffe entworfen, die es ihnen ermöglichten, nahegelegene Planeten zu besuchen und arbeiteten seit vierhundert Jahren an dem wichtigsten Projekt in der Geschichte ihrer Spezies. Es war ein Raumschiff von unglaublichen Ausmaßen mit einer Kapazität von 25000 Besatzungsmitgliedern, das sich mit fast 400 Lichtstunden pro Minute fortbewegen konnte, mit einem Lebenserhaltungssystem, das nur mit Energie funktionierte und dessen künstliche Schwerkraft sich an die unterschiedlichen Bedingungen des Weltalls anpassen konnte, mit Batterien, die mit dem Schiff bei maximaler Leistung drei Monate hielten. Kurz gesagt, sie waren kurz davor auf Planeten zu gelangen, die Leben beherbergen konnten, die aber sehr weit weg lagen. Sie mussten lediglich die Energieautonomie erhöhen und einen Weg finden, die Batterien während der Fahrt aufzuladen, ohne die Raumschiffsstruktur zu beschädigen und die Besatzung zu gefährden. Das Problem war, dass die stärkste Energiequelle, die sie kannten, die Sterne waren und das Aufladen der Batterien sehr viel Zeit in Anspruch nahm, mehr als das Entladen, was am großen Verbrauch des Raumschiffs lag. Die einzige Lösung war, sich den Sternen noch weiter zu nähern, um eine schnellere Ladung zu gewährleisten, jedoch würde das Schiff solch hohen Temperaturen nicht standhalten, die Energie-Schutzschilde würden durch die starke Strahlung zersplittern und das Schiff könnte sehr schwere Schäden erleiden und so die Besatzung gefährden. Daher bestand eine der möglichen Lösungen, an denen sie lange gearbeitet hatten, darin, die Wirksamkeit der Schilder zu verbessern, wenn auch bisher ohne Erfolg.

Nach jahrzehntelanger Forschung fanden sie eine unerwartete Lösung: Ein unglaubliches Ladesystem, das die Batterien mit Höchstgeschwindigkeit aufladen konnte, ohne sich dabei den Sternen nähern zu müssen. Tatsächlich brauchte es nicht einmal einen Stern, um zu funktionieren. Sie mussten nur ein Neutrinen-Ladegerät in das Schiff einbauen.

Sie hatten dieses Ladegerät zufällig entdeckt, als sie die Geschwindigkeit dieser Teilchen genauer erforschten. Es bestand aus sehr dünnen Membranen, jedoch aus einem sehr dichten Material und wenn Neutrinen diese durchdrangen, wurde dabei Energie erzeugt. Sie mussten nur einige dieser Membranen parallel mit einem Abstand von nur einem halben Millimeter zueinander platzieren, verbunden mit einem Mechanismus, der die Energie durch das ganze System leiten konnte, um diese schließlich in einem Energiewerfer zu sammeln. Diese Membranen wurden von Neutrinen durchquert und erzeugten in kürzester Zeit eine große Menge an Energie. Das Problem war, dass sich diese Neutrinen überall befanden und durch alles hindurchgingen, so dass die Gefahr bestand, die Batterien zu überladen und in die Luft zu jagen.

Später fanden sie die Lösung für dieses letzte Problem: Der Energieschild, der das Schiff schützte, war für Neutrinen undurchlässig und so entwickelten sie ein System, das erkannte, wenn die Batterien vollständig geladen waren, um das Ladegerät zu verschieben und es in den vom Schild geschützten Bereich zu bringen. Sobald die Batterien fünfundzwanzig Prozent ihrer Ladung erreichten, wurde das System aktiviert und das Neutrinen-Ladegerät ausgefahren, bis es sich außerhalb des Schildes befand, damit es erneut Neutrinen aufnehmen und die Batterien wieder aufladen konnte. So fungierte der Schutzschild des Schiffes als eine Art Sicherungsschalter des Neutrinen-Ladegeräts. Ingenieure des ganzen Planeten hatten jahrzehntelang zusammengearbeitet, um das Batterieladesystem für dieses Schiff zu entwickeln. Das Warten hatte sich gelohnt. Da jetzt alles bereit war, musste die Mission nur noch beginnen.

Der Zeitpunkt war bereits festgelegt, die Besatzung, mehr als vorbereitet, musste nur noch die Funktionsweise der neuesten Technologie erlernen, die dem Schiff hinzugefügt worden war. Die benötigte Zeit, um diese vor Beginn der Mission zu lernen, wurde abgeschätzt. Die Besatzung war an die Implementierung neuer Technologien an den Schiffen gewöhnt; das war so geläufig, dass Schiffe oft schnell überholt waren. Eine Reihe von Geräten wurde an den Schiffen angebracht und am Ende sahen sie aus wie ein Haufen verschachtelter Schrott. Nun, eigentlich waren sie genau das. Immer, wenn neue Schiffe gebaut wurden, wurden diese neuen Systeme implementiert, während die alten »Haufen« zu den Abteilungen für Recycling und Teile-Wiederverwertung geschickt wurden. Alles konnte wiederverwendet werden. Aber dieses Schiff war besonders, denn sie konnten nicht ohne weiteres noch solch ein Schiff bauen, da die Ausmaße enorm waren. Sie mussten sicherstellen, dass das Schiff ohne zu viele Rückschläge seine Hauptfunktion, für die es entworfen worden war, erfüllen konnte: Andere Planeten, auf denen Leben möglich war, zu erreichen.

Sie hatten längst mehrere bewohnbare Planeten ausfindig gemacht, diese lagen aber alle sehr weit weg. Die Batterien hätten dem Hin-und Rückweg zum nächsten Planeten, auf dem Leben möglich war, nicht standgehalten. Mit dem neuen Ladesystem könnte das jedoch nun möglich sein. Sie hatten noch nie mit einer anderen Zivilisation Kontakt aufgenommen und glaubten deshalb, dass sich diese sehr weit weg befinden musste, wenn es überhaupt eine geben sollte. Trotzdem mussten sie Schritt für Schritt vorangehen und der erste stand kurz bevor: Einen Planeten, auf dem Leben möglich war, zu erreichen. Es blieben nur noch wenige Tage bis zum Beginn der Mission, an die höchste Erwartungen bestanden. Alle waren aufgeregt und hofften auf Erfolg. Sie hatten sich jahrhundertelang darauf vorbereitet. Ihre Vorfahren hatten dieses Projekt begonnen; ganz Eurinum, alle gemeinsam. Milliarden von Ilumni, die an demselben Projekt arbeiteten und alle ihren Teil dazu beitrugen, jeder so wie er konnte.

Keinem war die Bedeutung dieser Ereignisse gleichgültig. Die Presse sprach nur noch darüber, alle Medien schöpften alle ihre Möglichkeiten aus, die Nachrichten bezüglich der Mission abzudecken. Eine dieser Nachrichten war der »Namenswettbewerb«, der mit Schülern der weiterführenden Schulen des ganzen Planeten durchgeführt wurde. Zwei Tage vor Missionsbeginn stimmten die Ilumni von zu Hause aus über den Namen ab, der ihnen am besten gefiel. Dort wurde alles abgestimmt; in Eurinum hatte es noch nie eine so starke Demokratie gegeben. Seit geraumer Zeit gab es keine Regierungen mehr, nur öffentliche Angestellte zur Verwaltung, außerdem wurde grundsätzlich nicht über Parteien oder Personen abgestimmt, sondern nur über Vorschläge, Gesetze usw. Es war keine leichte Aufgabe. Manchmal benötigte es eine Stunde, um über alle Vorschläge eines Tages abzustimmen und es gab fast täglich Vorschläge. Trotzdem war die Beteiligung immer sehr hoch, weil sich die Ilumni für ihre Zukunft verantwortlich fühlten. Nun, sie waren sich bewusst, Teil ihrer Welt zu sein, und dass ihr Leben nur von ihnen bestimmt war und nicht von Präsidenten oder Königen - wie das in der Vergangenheit der Fall gewesen war – bis zu dem Zeitpunkt, als der »Umweltkollaps« stattfand.

Der Tag der Abstimmung war gekommen, um den Namen der Mission zu bestimmen und wie könnte es auch anders sein, war die Beteiligung sehr hoch und die Erwartungshaltung konnte man in jeder Stadt und an jeder Ecke wahrnehmen. Es gab Vorschläge wie »Mission Neue Welt«, »Erforschungsmission« oder »Mission Zweites Zuhause« und andere weniger ernsthafte, wie »Rosa Vogel-Mission«, »Mission Honig-Wasserfall« oder »Obstwurm-Mission«. Schließlich wurde ein Name gewählt: »Mission Iluminum«. Es war eindeutig, dass dieser Name viele Hinweise darauf gab, wie sie den Planeten nennen würden, auf den sie gelangen würden. Aber zunächst einmal musste bestätigt werden, dass es möglich war, auf diesem Planeten zu wohnen.

Auf all das waren sie sehr stolz und sie hatten keineswegs die Absicht, Planeten zu erobern, sondern wollten einfach nur auf ihnen leben können. Es war ihnen bewusst, dass sie auf intelligente Rassen treffen könnten, die mehr oder weniger weit entwickelt sein konnten. In diesem Fall würden sie ihre Hilfe und Erfahrung anbieten, diese davor zu bewahren, ihre eigenen Fehler aus der Vergangenheit zu begehen, aber sie würden sich keinesfalls auf einem schon bewohnten Planeten niederlassen, selbst wenn seine Bewohner ihnen dies anbieten würden. So war das gemeinsam demokratisch abgestimmt und entschieden worden.

Die Mission Iluminum würde in Kürze starten. Alle Medien waren anwesend. Die Besatzung bestieg das Schiff und alle Anwesenden jubelten minutenlang. Das Schiff wurde »Alegria« getauft und stellte den letzten Evolutionsschritt der Ilumni bis zu diesem Zeitpunkt dar.

Die Alegria war ziemlich lang, mit einer Länge von ungefähr eintausendzweihundert Metern. Sie war dreihundertzwanzig Meter hoch und einhundertfünfzig Meter breit, mit Ausnahme des »Basiszentrums«, das sich auf halber Höhe des Schiffes befand und einen Durchmesser von sechshundert Metern überschritt. Im Großen und Ganzen konnte man drei Bereiche unterscheiden: Der obere und untere Bereich sowie das Basiszentrum. Sowohl der obere als auch der untere Bereich bestanden aus zwei riesigen mehrstöckigen Rohren, die mit dem Basiszentrum verbunden waren, dem allgemeinen Operationszentrum des Schiffes, in dem die Besatzung hauptsächlich arbeitete. In den vier Röhren befanden sich die Zimmer sowie Erholungs- und Freizeitbereiche der Besatzung, jedoch nur in der vorderen Hälfte. Die hintere Hälfte der Röhren wurde als Lager sowie für die Triebwerke des Schiffes benutzt. Das Ladegerät und die Batterien befanden sich unter dem Basiszentrum, da es über eigene, wenn auch einfachere Triebwerke verfügte, um im Falle eines Problems ohne die vier Röhren arbeiten zu können, falls sie sich von diesen trennen müssten. Das einzige Problem wäre die Verpflegung, die sich in den Lagerräumen befand, denn obwohl das Basiszentrum auch über ein kleines Vorratslager verfügte, müsste sich ein Großteil der Besatzung dem Anbau der Nahrungsmittel im Garten widmen, die sich auf einer Art Terrasse im obersten Teil des Basiszentrums befanden. So könnten sie dank des neuen Neutrinen-Ladegeräts sehr lange überleben, falls sie sich von den vier Röhren trennen müssten, aber die Geschwindigkeit würde stark reduziert werden und es könnte Jahre - sogar Jahrhunderte - dauern, einen Planeten, auf dem Leben möglich war, zu finden. Dafür müssten sie Nachkommen im Schiff bekommen, was Teil des Notfallprotokolls war.

Alles war bis ins kleinste Detail genau untersucht worden. Die Besatzung kannte alle Aspekte des Schiffes genau, auch wenn es logischerweise verschiedene Spezialisierungen gab. Grundsätzlich bestand die Besatzung aus drei Hauptgruppen: Technischen Ingenieuren, Verteidigungs- und Überwachungsteams und zivilen Fachleuten mit jeweils spezifischer Qualifikation und Vorbereitung. Jeder hatte eine klar definierte Funktion, jeder kannte genau seine Aufgaben. Die Medien verfolgten die Neuigkeiten des größten Ereignisses in der Geschichte von Eurinum.

Die gesamte Besatzung befand sich bereits an Bord des Schiffes und in wenigen Minuten würde es in Richtung eines Planeten, auf dem Leben möglich war, abheben. Sie waren sich nicht ganz sicher, was sie dort erwarten würde, aber es war auf jeden Fall aufregend.

Die Ilumni hatten eine unendliche Neugier, neue Dinge zu lernen und sie waren geborene Entdecker. Sie waren gut darin, zu suchen und zu entdecken, zu analysieren, ohne Schaden zuzufügen und daraus zu lernen. Sie hatten bereits andere Planeten erforscht, aber bisher auf keinem von ihnen Leben gefunden. Sie hatten jedoch fünf Stützpunkte auf fünf verschiedenen Planeten errichtet, um das Universum um sie herum zu erkunden. Sie hatten diese fünf Planeten und nicht andere ausgewählt, um diese Stützpunkte zu schaffen, die zur Beobachtung dienten, da sie unterschiedliche Positionen in Bezug auf Eurinum hatten, dessen Sonnensysteme sich in unterschiedlichen Richtungen befanden, um alles rund um ihren Planeten zu beobachten. Die Alegria flog zuerst zu einem dieser Stützpunkte auf einem der fünf Planeten, wo sich Felorina Ulkrac befand, die die Mission Iluminum leiten würde und somit auch Direktorin des Schiffes war. Felorina war dafür verantwortlich, das Schiff an seinen Bestimmungsort zu bringen und die gesamte Besatzung zu koordinieren, um so die Mission zum Erfolg zu führen.

Das Schiff startete endlich und alle verfolgten die Nachrichten von Zuhause aus, in Versammlungs- und Unterhaltungsorten sowie auf den Hauptplätzen aller Städte in Eurinum. An dem Ort, an dem das Ereignis stattfand, applaudierten alle und man vernahm Siegesrufe. Die Kinder spiegelten diese Euphorie wider, indem sie ihre Luftballons mit Zeichnungen des startenden Schiffes schwenkten. Die Menschenmasse hatte einen wunderbaren Farbeneffekt, da die Wangen der Ilumni aufgrund der starken Emotionen auch sehr intensive Farben angenommen hatten. Der Lärm der begeisterten Menschen war so laut, dass die Schiffsmotoren kaum zu hören waren. Die Alegria stieg weiter. Als eine bestimmte Höhe erreicht war, begann sie nach rechts zu drehen, während sich die Vorderseite noch steiler nach oben bewegte. Sie stieg immer weiter nach oben, bis sie immer kleiner wurde und plötzlich war ein lautes Getöse zu hören und ein großes Aufleuchten wie ein Blitz am Himmel zu sehen. Das Schiff verschwand: Die Mission Iluminum hatte begonnen. Die Alegria machte sich auf den Weg zu ihrer Direktorin Felorina Ulkrac, die sich auf dem Außenstützpunkt auf einem der fünf Observatorien-Planeten befand. Es handelte sich dabei um die »Basis3«. Dort würden sie sie abholen, um sich dann auf den Weg zu ihrem endgültigen Bestimmungsort zu machen.

Auch im Schiff war die Besatzung sehr aufgeregt, selbst Teil der bisher wichtigsten Mission ihrer Zivilisation sein zu dürfen. Felorina saß auf einer Bank im Garten der Basis3. Der Planet, auf dem sich dieser Stützpunkt befand, war klein, rötlich-orange gefärbt, mit sehr wenigen Gebirgszügen und im Allgemeinen ziemlich kalt. Vor ein paar hundert Millionen Jahren hatte er seine Atmosphäre verloren und es gab keine Anzeichen dafür, dass es jemals Wasser gegeben hatte. Dieser Planet hatte außer seiner Lage nichts Nützliches an sich: Er war aber der ideale Planet, um einen Beobachtungsstützpunkt zu errichten.

Felorina war noch keine siebzehn Jahre alt, jedoch war sie die geeignetste Person, diese Mission zu leiten. Trotzdem konnte sie es nicht vermeiden, nervös und etwas ängstlich zu sein. Sie war einer der klügsten Köpfe ihres Planeten und gehörte zu den zwanzig intelligentesten und gebildetsten Menschen. Trotzdem war Felorina noch ein Mädchen. Sie hatte eine schwierige Kindheit hinter sich, ihre Eltern waren auf einer Erkundungsmission verschwunden und ihr war nur ein Großvater geblieben, der sich wegen seines hohen Alters nicht um sie kümmern konnte. So wuchs Felorina in einem Heim auf, in dem sie sehr gut behandelt worden war. Ihr Großvater hatte sie fast täglich besucht, jedoch starb er, als sie sechs Jahre alt war und so hatte sie ihre ganze Familie verloren. Zu diesem Zeitpunkt war die einzigartige Intelligenz des Mädchens entdeckt worden. Darüber hinaus hatte sie eine besondere Veranlagung zum Lernen, mit eisernem Willen und dem unendlichen Wunsch, neues Wissen zu erwerben.

Jetzt befand sie sich in diesem Garten und fragte sich, ob sie dieses Schiff leiten konnte, um diese Mission zu erfüllen. Aber es schien, als sei sie fähig dazu, da sie unter allen Kandidaten, die sich für diesen Posten vorgestellt hatten, von den Ilumni gewählt worden war. Felorina kam nicht umhin zu glauben, dass die Entscheidung, für sie zu stimmen, an ihrer Geschichte und ihrer Kindheit lag, da ihre Eltern in der gesamten wissenschaftlichen Gemeinschaft zwei angesehene Ingenieure gewesen waren und ihr Verschwinden ebenso plötzlich wie rätselhaft war. Diese Nachricht hatte die gesamte Presse des Planeten überflutet.

Oft zweifelte sie, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, aber dann erinnerte sie sich sofort daran, was diese Mission bedeutete. Sie wusste, dass sie dafür geboren war, sie hatte sich ihr ganzes Leben lang auf eine Arbeit dieser Größenordnung vorbereitet. Die Mission Iluminum war für Eurinum bis zu diesem Zeitpunkt die wichtigste und verantwortungsvollste Arbeit und sie hatte die große Verantwortung, diesen Wahnsinn zu leiten.

Ihre lila Finger spielten abgelenkt mit einer Andapflanze, die etwa sechzig Zentimeter groß und sehr dünn war. Die Andapflanze hatte so etwas wie Blätter, die ihr als Arme dienten und ihr Kopf sah aus wie die Blüte einer Blume. Es war eine »Anipflanze«, von denen es in Eurinum einige gab, mit tierischen und pflanzlichen Merkmalen. Sie hatte eine Fähigkeit, die sehr lustig war: Sie konnte mit ihren Wurzeln gehen und diese selbst wieder in den Boden »einpflanzen«, wenn sie Nahrung brauchte. Beim Gehen schien sie zu tanzen, da sie ständig ihren Körper und die violetten Blätter bewegte. Die Blume hatte je nach Art der Andapflanze unterschiedliche Farben. Hier handelte es sich um eine blaue Blume mit weißen Blütenblättern. Die Andapflanzen lächelten immer, wenn sie ruhig waren und waren von den Ilumni sehr geliebte Wesen. Man konnte sie überall auf ihrem Planeten finden. Diese Andapflanze lächelte, während sie mit Felorinas Fingern spielte. Das Mädchen war tief in ihre Gedanken versunken, da am nächsten Tag die Alegria eintreffen sollte und die Mission für sie beginnen würde. Sie hatte einen riesigen Knoten im Bauch.

Das Alter der Besatzungsmitglieder der Mission war ein entscheidender Faktor bei der Auswahl gewesen. Auf der einen Seite wurden Fachleute mit Erfahrung und Bildung gebraucht, was normalerweise viele Jahre und somit ein hohes Alter erforderte. Auf der anderen Seite waren junge Leute im fortpflanzungsfähigen Alter gefragt, denn wenn sie aufgrund eines Unfalls oder einer Störung, die die Integrität des Schiffes gefährden sollte, sich von ihren Triebwerken trennen müssten, könnte es Jahre und sogar Jahrhunderte dauern einen Planeten zu finden, auf dem Leben möglich war oder wieder nach Hause zu gelangen. So war die Mehrheit der Zivilfachleute unter zwanzig Jahre alt, mehr als die Hälfte der technischen Ingenieure war älter als ein halbes Jahrhundert und das Aktionsteam zwischen fünfzehn und vierzig Jahre alt.

Auf dem Schiff befand sich eine Universität. Die Jugendlichen mussten an Bord verschiedene Ingenieurwissenschaften studieren. Wenn während der Mission ein Problem auftreten sollte und die Triebwerke zurückgelassen werden müssten, würde das »Aktive Stadt«-Protokoll aktiviert werden, wobei die Entfernung zum nächsten Planeten mit Leben berechnet, der Kurs auf diesen Planeten ausgerichtet und der übrige Schiffsteil sich in jeder Hinsicht in eine Stadt verwandeln würde, abgesehen von der Tatsache, dass es weiterhin ein Raumschiff sein würde. In diesem Fall wäre das Leben genau wie in einer Stadt. Paare könnten Kinder bekommen, diese könnten zur Schule und dann auf die Universität gehen und somit würden die Bevölkerung und Aufgabenverteilung für die folgenden Generationen erhalten bleiben.

Felorina hatte noch keinen Partner, jedoch im Falle eines Bevölkerungsmangels wäre es ihre Pflicht, sich fortzupflanzen. Dafür standen auch künstliche Mittel zur Verfügung. Sie hatte keine Angst davor Mutter zu werden, es war Teil der Mission und es war auch ein Instinkt der Ilumni, ihre Spezies zu erhalten, um sich weiterzuentwickeln und das gesamte Universum zu erforschen. Aber sie war besorgt, an einen Punkt zu gelangen, an dem die Fortpflanzung auf dem Schiff notwendig sein würde, denn das würde bedeuten, dass die Hauptmission gescheitert wäre. Ihre größte Sorge, ihre dunkelste Angst war zu versagen.

Die Gartentür öffnete sich, die Andapflanze lief schnell auf die gegenüberliegende Seite, versteckte sich hinter einem Baum und vergrub ihre Wurzeln im Boden. Der Baum schüttelte die Äste in der Nähe der Andapflanze und Hunderte von Blättern fielen auf sie, wobei sie geduckt vollständig versteckt war. Es war, als hätte der Baum die Angst der Andapflanze bemerkt und wollte sie verstecken. Hinter dem Stamm war zu sehen, wie die Andapflanze mit weit geöffneten kleinen grünen Augen den Kopf herausstreckte und zur Tür blickte. Die Person, die eingetreten war, war Kiro, Felorinas bester Freund. Kiro war ein großer, schlanker Junge. Seine gelben Wangen standen im Kontrast zu dem intensiven Violett seiner Haut, passten aber zu seinen Augen. Dass Wangen und Augen dieselbe Farbe hatten, war bei den Ilumni normal, Kiro aber hatte eine ungewöhnliche physische Besonderheit: Sein Haar war durchsichtig. Nicht, dass es tatsächlich unsichtbar gewesen wäre, aber man konnte nicht wirklich eine Farbe bestimmen. Wenn es regnete und er seinen Kopf nicht bedeckte, füllten kleine bunte Lichtstrahlen sein Haar. Es war, als würden sich Hunderte winzige Regenbogen darin bewegen. Kiro sah Felorina ins Gesicht und sie umarmten sich, sie waren beide sehr gerührt.

»Es tut mir leid, Kiro«, sagte Felorina während eine Träne über ihre Wange lief, »es war nicht meine Entscheidung.«

»Sei nicht albern, Lori!« So wurde Felorina von ihren Freunden genannt. »Ich habe gerade erst mein Studium beendet und noch keine Berufserfahrung.« Er versuchte sie zu beruhigen, während er die Tränen von der Wange seiner Freundin wischte.

Kiro hatte Energietechnik studiert, war der fünftbeste seines Jahrgangs und das hatte ihm die Gelegenheit gegeben, in einer der Beobachtungsstationen auf den fünf ausgewählten Planeten zu arbeiten. Er hatte Basis3 gewählt, weil Lori dort arbeitete. Das Problem war, dass er keine Erfahrung hatte und daher nicht an der Mission Iluminum teilnehmen konnte.

Kiro war zwar zwei Jahre älter als Lori, jedoch war sie eine Ausnahme: Sie war von Geburt an hochintelligent und konnte doppelt so schnell lernen wie die meisten. Mit zwölf Jahren hatte Lori bereits drei Ingenieurstitel.

Das Bildungssystem der Ilumni war sehr fortschrittlich. Im Alter von zwölf Jahren waren sie schon bereit, die Berufsschule oder Universität zu beginnen. Mit vierzehn Jahren könnten sie beispielsweise bereits Techniker irgendeiner Fachrichtung sein, mit sechzehn dann technischer Ingenieur. Normalerweise wurde bis achtzehn studiert, da viele lieber zunächst einen Beruf erlernten und dann eine Ingenieurswissenschaft studierten, wie dies bei Kiro der Fall war. Wenn er keinen Beruf gelernt hätte, hätte er zwei Jahre Erfahrung als Energietechniker haben können und somit die Möglichkeit gehabt, an der Mission teilzunehmen. Deshalb fühlte er sich irgendwie schuldig, obwohl damals, als er sich dazu entschieden hatte zuerst einen Beruf zu erlernen, niemand damit gerechnet hatte, ein Energiesystem zu entwickeln, das so effizient war wie das Neutrinen-Ladegerät.

»Es ist meine Schuld«, klagte Kiro während er seine Freundin ansah, obwohl er sie eigentlich beruhigen wollte.

»Danke für den Versuch, Kiro«, sagte Lori und lächelte. Sie hatte die gute Absicht ihres Freundes verstanden, »aber tatsächlich können wir das nicht ändern, es war nun einmal so und wer konnte das erahnen? Zumindest nicht so bald.« In ihrem Gesicht lag etwas Trauriges. »Wenn wir uns wiedersehen, werden fünf Jahre vergangen sein.«

Lori war kurz davor zu weinen. Ihre letzten Worte wollten kaum aus ihrem Mund kommen, ihre Stimme wurde schwächer und brüchiger, je weiter sie redete. In diesem Moment umarmte Kiro sie.

Tief im Inneren waren sie wie Geschwister. Sie hatten praktisch ihr ganzes Leben gemeinsam im Internat verbracht und so viel gemeinsam erlebt, dass sie sich ein Leben ohne einander nicht vorstellen konnten. Manchmal führt das Schicksal dazu, dass wir uns aus Gründen, die wir nicht kontrollieren können, von den Menschen trennen müssen, die uns lieben. Jener Moment war genau das und es blieb ihnen nichts anderes übrig, als nachzugeben und sich zu trennen. Die Pflicht und das Verantwortungsbewusstsein standen im Vordergrund. So waren die Ilumni.

Die Mission Iluminum sollte fast fünf Jahre dauern. Die Reise zum gewählten Planeten dauerte fast anderthalb Jahre. Dann brauchten sie zwei Jahre, um diesen genau zu erkunden und weitere anderthalb Jahre, um zurückzukehren. Die Besatzung sollte auf dem ganzen Planeten Proben entnehmen, um jegliche negative ökologische Auswirkung zu vermeiden. Außerdem musste geprüft werden, ob es Hinweise auf Zivilisationen gab und falls nicht, einen Stützpunkt zu schaffen, um eine Siedlung zu beginnen.

Ein Teil der Besatzung sollte, wenn möglich, auf dem Planeten bleiben und mit dem Bau einer Stadt beginnen, während sie auf die Ankunft der neuen Gefährten warteten. Aber Lori würde zurück müssen, da sie das Schiff leitete. Wenn nun die Alegria wieder zurückkehren sollte, wäre Loris erster Stellvertreter, dessen Aufgabe es war, sie bei der Leitung der Mission bis zur Ankunft auf dem gewählten Planeten zu unterstützen, für den Bau der Stadt verantwortlich.

Der Tag war gekommen. Die Alegria würde in etwas mehr als einer Stunde eintreffen und die Basis3-Mitarbeiter waren bereits versammelt, um Loris Rede zu lauschen. Das Schiff sollte im äußeren Bereich des Westflügels der Basis landen, da dieser für das Schiff am geeignetsten war. Die Basis war ein riesiger sternenförmiger Ort. Das Operationszentrum befand sich im Kreuzungsbereich der acht Straßen des Sterns. Diese Straßen waren vom Zentrum aus gesehen etwa drei Kilometer lang.

Es arbeiteten nicht viele Leute in der Basis3, da man zur Beobachtung kein sehr großes Team brauchte. Es gab ungefähr fünfhundert Arbeiter, von denen die meisten Hilfsaufgaben für technische Ingenieure erledigten, die für die Beobachtung des Universums und die Entwicklung von Theorien sowie für die Beobachtung der anderen vier Stützpunkte verantwortlich waren.

Die Alegria landete und dockte an der Basis an. Vom Schiff aus war der Besprechungsraum in der Mitte der Basis3 zu sehen und von dort wurde ein holografisches Bild des zentralen Operationssaals projiziert. Lori schaute auf das Bild und war etwas nervös wegen der Rede, die sie gleich halten sollte. Einerseits war sie aufgeregt, solch einen wichtigen Schritt zu begehen, aber dennoch traurig ihren besten Freund zurückzulassen. In diesem Moment erinnerte sie sich an einige der lustigsten Momente, die sie mit Kiro erlebt hatte. Einmal waren sie in Frau Altaps Garten geschlichen, eine Witwe, die sich bei unvorhersehbaren Dingen leicht aufregte. Der Garten war voller Andapflanzen und Lori und Kiro liebten sie. Lori hatte ihr Haustier dabei, einen Zwerg-Ablueno, der sie fast immer begleitete. Die Abluenos ähnelten Koalas, waren jedoch etwas dünner und hatten eine bläuliche Haarfarbe, die sich je nach Stimmung des Tieres änderte. Wenn Loris Ablueno wütend war, verdunkelte sich seine Haarfarbe und wurde beinahe lila blau; wenn er ruhig und entspannt war, zeigten seine Haare einen kaum bläulichen Ton; doch wenn er schlief, veränderte sich das Blau seiner Haare ständig und zwar total verrückt und ungeordnet je nach Traum, den er gerade hatte.

Die »Mildnos« mochten die Abluenos nicht und weniger noch die Zwergenart und Frau Altap hatte einen Mildno. Mildnos waren auch Haustiere mit stark ausgeprägtem Territorialverhalten, deshalb mochten sie keine Eindringlinge. Lori erinnerte sich, dass sie in den Garten gesprungen waren, um mit Frau Altaps Andapflanzen zu spielen, weil ihr Mildno gerade schlief. Im Garten wurden sie sofort von den Andapflanzen umgeben, die mit ihnen spielen wollten. Die Andapflanzen verehrten die Ilumni. Sie spielten einige Zeit im Garten, als plötzlich der Ablueno auf Loris Kopf sprang. Das Blau seiner Haare wurde dunkler. Die Andapflanzen liefen entsetzt davon und versteckten sich hinter anderen Bäumen, um sich dort einzupflanzen und sich zu verbergen. Als die Andapflanzen davonliefen, gaben sie lustige Töne von sich, die sich wie »Gulu, Gulu« anhörten. Der Mildno war aufgewacht und hatte Frau Altap alarmiert, die schreiend auftauchte. Sofort warf sich der Mildno direkt auf den Ablueno, der sich auf Loris Kopf befand. Dieser sprang in Kiros Arme und sie rannten gemeinsam fort und entkamen den Schreien der wütenden Frau Altap. Lori wachte aus ihren Gedanken auf, auch wenn es nur eine Sekunde gewesen war und kam wieder in die Realität zurück. Der Basis3-Besprechungsraum war voller Menschen. Alle Arbeiter waren da, um ihre Rede zu hören und zu sehen, wie das Schiff in Richtung des gewählten Planeten starten würde. Das holografische Bild wurde immer noch an die Decke projiziert und im zentralen Operationssaal des Schiffes wurde auf die Rede von Lori gewartet. Jedoch brach der Abgesandte Emprot, der zweite Kommandeur der Mission, zuerst das Eis.

»Guten Morgen, Direktorin«, sagte er in einem ernsten und besorgten Ton, den Lori aufgrund ihrer Nervosität nicht zu bemerken schien.

»Guten Morgen, Emprot«, antwortete Lori und bereitete sich darauf vor, ihre Rede etwas zögernd zu beginnen. »Willkommen auf Basis3. Äh... diese Mission, hmm...«, sie war sehr nervös, schaute Kiro an, dieser blickte zurück und hob beide Daumen zur Unterstützung.

»Entschuldigen Sie, Direktorin Lori«, unterbrach Emprot sie und alle im Besprechungsraum schauten zum Hologramm an der Decke, »wir haben schlechte Nachrichten, ein Problem ist aufgetreten.«

Felorina hätte sich am liebsten hundert Meter tief vergraben, sie wurde noch nervöser, wenn sie daran dachte, dass die Mission gerade erst begonnen hatte und es schon Probleme gab. Der Abgesandte sah Loris Besorgnis in ihrem Gesicht und da er keine Antwort erhielt, sprach er weiter.

»Einer der Ingenieure hat vor etwas mehr als einer Stunde schlechte Nachrichten erhalten. Seine Frau hatte eine Frühgeburt und das sogar fast drei Monate vor Termin. Das Kind ist sehr schwach und die Geburt war nicht einfach. Sie befindet sich auch in einem kritischen Zustand. Wir sind der Meinung, dass er die Mission hier verlassen sollte, aber als Direktorin liegt diese Entscheidung bei Ihnen.«

Felorina erstarrte erneut. Sie war es gewohnt, technische Entscheidungen zu treffen, aber das hier war etwas ganz Anderes. Es handelte sich um eine sehr persönliche Angelegenheit, die über die technischen Aufgaben hinausging und Teil der Aufgabenfelder der Direktorin war. Also reagierte sie, als sie realisierte, dass das ihre Arbeit war und wunderte sich selbst über den etwas autoritären Ton, mit dem sie begann das Problem anzusprechen.

»Nun gut, jeder von uns hat eine Meinung dazu«, sagte sie ziemlich sicher und ohne zu zögern, »aber was möchte der Ingenieur machen? Was meint er dazu?«, jetzt klang sie wie die Direktorin, für die sie sich ihr ganzes Leben vorbereitet hatte.

»Nun... es ist... schwer... schwer zu erklären«, Emprot sprach diese Worte langsam aus. »Er hat sich schon lange auf diese Mission vorbereitet, wie jeder hier, praktisch sein ganzes Leben lang. Aber es geht um seine Familie und die Entscheidung fällt ihm nicht leicht, er denkt nicht klar.« Im Tonfall des Abgesandten konnte man erkennen, dass er sich Sorgen um die Verfassung des Ingenieurs machte. »Er braucht jemanden, der ihm hilft, eine Lösung für seine Zweifel zu finden.«

Alle waren sehr aufmerksam, nur Lori und der Abgesandte waren zu hören, mit Ausnahme von zwei Andapflanzen, die aufgeregt umhergingen und mit ihrem eigenartigen »Gulu, Gulu« in Richtung Decke schauten, als würden sie alles verstehen. Lori dachte mit schwindelerregender Geschwindigkeit nach.

»Es scheint eine komplizierte emotionale Situation zu sein.« Lori schien das Problem in den Griff bekommen zu haben, man konnte ihr in diesem Moment eine gewisse Gelassenheit und Reife ansehen. »Auf der einen Seite gibt es die moralische Verpflichtung, die er gegenüber seinem Volk hat, dieser Mission und auch seiner Familie gegenüber. Was ist wichtiger? Egal wie, geht er das Risiko ein, zu fühlen bei einer dieser Verpflichtungen versagt zu haben.« Lori war vorsichtig, sie wollte die Unannehmlichkeiten dieser Situation darstellen, um allen zu helfen, den Ingenieur besser zu verstehen.

»Direktorin Lori«, sagte Emprot, »ich schätze, Sie erwarten nicht, dass wir diese Fragen beantworten.«

»Keine Antwort, die die Anwesenden hier geben könnten, wäre angemessen, ohne die Situation vollständig zu verstehen, deshalb muss sie uns derjenige erklären, der sie am eigenen Leib erfährt.« Lori hatte drei Ingenieurwissenschaften studiert und eine davon war die Ingenieurwissenschaft des Geistes, so etwas wie unsere Psychologie. »Bitten Sie den Techniker, sich hier einzufinden.« Ihre Bitte schien eher ein Befehl zu sein.

Der Abgesandte Emprot verschwand aus dem Hologramm an der Decke des Besprechungsraums. Er war gegangen, um den Ingenieur zu holen, dessen zu früh geborenes Baby sich in Eurinum in großer Gefahr befand. Währenddessen betrachtete Lori die Angestellten der Basis3. Sie waren alle versammelt, um sie anzuhören. Sie musste Größe zeigen und in diesem Moment schauten alle sie mit Bewunderung an. Kiro lächelte bis über beide Ohren und nickte zustimmend, als sich ihre Blicke kreuzten.

Emprot kehrte mit dem Ingenieur zurück und gemeinsam erschienen sie im holografischen Bild. Der Ingenieur hatte geschwollene Augen und einen sehr ernsten Gesichtsausdruck. Lori kam es vor, als hätte er lange geweint. Um ehrlich zu sein, war das ziemlich verständlich, wenn man das Problem betrachtete.

»Guten Morgen, Ingenieur...« In diesem Moment merkte Lori, dass sie seinen Namen noch nicht kannte.

»Eltok, Ingenieur Eltok.« Seine Stimme war zutiefst traurig und erschöpft.

»Ingenieur Eltok, ich bin über Ihre Situation informiert und wir müssen eine Entscheidung treffen, die aber gut überdacht sein sollte. Auch wenn ich ›wir‹ sage, meine ich das nur auf eine Art und Weise. Die Entscheidung muss von Ihnen getroffen werden, aber ich bin hier, um Ihnen dabei zu helfen.« Jetzt konnte die erwachsene Felorina gesehen werden, die nichts mehr mit der kleinen Lori zu tun hatte, die am selben Morgen mit ihrem besten Freund im Garten des Stützpunkts geschluchzt hatte, weil sie sich von ihm trennen musste. »Sagen Sie mir, wie Sie sich fühlen.«

»Ich bin besorgt um meine Frau und meinen Sohn und traurig bei dem Gedanken, sie fünf Jahre lang nicht zu sehen, obwohl ich das so schon akzeptiert hatte. Entsetzt bei dem Gedanken, dass sie bei meiner Rückkehr nicht mehr da sein könnten. Enttäuscht, wenn ich daran denke, die Mission verlassen zu müssen und wütend, weil ich egal wie ich mich entscheide, bei einer großen Verantwortung versagen werde.« In der Tat war dieser Ilumno psychisch niedergeschlagen.

Lori hörte sehr genau zu. In diesem Moment hatte sie ihre Nervosität völlig vergessen. Jetzt war sie nicht mehr Lori, sondern die Direktorin Felorina Ulkrac. Sie legte ihre Hände auf das Pult in der Mitte des Raumes und sprach zu ihrem Publikum.

»Ich hatte für heute eine Rede vorbereitet, aber dieser Zwischenfall gibt mir die einmalige Gelegenheit, mich an die wahre Mission zu erinnern, die wir Ilumni alle haben. Deshalb habe ich beschlossen, meine vorbereitete Rede zu vergessen und direkt aus meinem Herzen zu sprechen.« Sie erhob die Stimme und begann ihre Rede: »Eurinum ist ein glücklicher Planet, da auf ihm Leben entstanden ist. Seit Millionen von Jahren hat sich das Leben ohne größere Komplikationen in allen Ecken entwickelt. Später und entschuldigen Sie den Ausdruck, ist Eurinum am Arsch ein Pickel gewachsen: Die Ilumni.« Viele der Zuhörer konnten ein Lächeln und ein plötzliches Auflachen nicht unterdrücken. Lori hatte die Fähigkeit, im ungünstigsten Moment einen passenden Witz zu machen. Sie fuhr mit diesem Vergleich fort. »Der Pickel wuchs, weil unsere Spezies unseren Planeten immer mehr verschmutze, bis die Situation nicht mehr tragbar war. Von diesem Moment an beschlossen wir, etwas zu tun, um als Spezies nicht auszusterben und um auch andere Arten auf dem Planeten vor dem Verschwinden zu bewahren. So schafften wir wirtschaftsbasierte Systeme ab und suchten eine effizientere und fairere Alternative zur Politik. Wir verboten die Umweltverschmutzung und gaben Eurinum seine Gesundheit wieder zurück. Dann stellten wir fest, dass unser Stern immer weiter wuchs und erkannten die Notwendigkeit, ein mögliches zukünftiges Zuhause für unsere Spezies zu suchen. Nach jahrhundertelanger Anstrengung haben wir den Weg gefunden. Es war nicht einfach, aber es hat sich gelohnt. Also worum geht es letztendlich? Es geht darum unsere Spezies und unsere Kultur zu bewahren, um alles zu bewahren, was wir bisher entdeckt haben. Aber wir werden das mit Stil machen, ohne andere Arten in Gefahr zu bringen und werden anderen Planeten bezüglich ihrer Gesundheit soweit helfen, wie wir es können. Und mir fällt etwas Wichtiges ein, etwas Grundlegendes und Wesentliches, um unsere Spezies zu bewahren, etwas, ohne das wir nicht weiterleben könnten: Kinder. Ja, Eltok.« In diesem Moment wandte sie sich an den etwas weniger niedergeschlagenen Ingenieur, »Kinder! Sie befinden sich in einer Zwickmühle zwischen zwei Verantwortungen: Entweder Sie versagen Ihrer Spezies oder Ihrer Familie gegenüber. Dennoch möchte ich Sie zu folgender Überlegung anregen: Wenn Sie zu Ihrer Familie gehen, könnte man meinen, dass Sie die Verantwortung, die Sie durch die Mission Iluminum tragen, nicht erfüllen. Wenn Sie sich jedoch dazu entschließen, die Mission fortzusetzen, versagen Sie bezüglich Ihrer familiären Verpflichtungen und somit auch in Bezug auf die wichtigste Verantwortung, die Sie Ihrem Volk gegenüber haben: Die Spezies zu bewahren. Und wenn es eine Möglichkeit gibt, auch wenn es nur eine winzige Möglichkeit ist, dass es Ihrer Familie mit Ihrer Anwesenheit besser geht, dann werden Sie so die wichtigste Mission der Ilumni und gleichzeitig Ihre familiären Verpflichtungen erfüllen.«

Lori hatte ihre Rede beendet und die Stille im Raum wurde von einem riesigen Applaus abgelöst. Ingenieur Eltok weinte wieder, jedoch nun vor Freude, dieses Problem aus dem Weg geschafft zu haben. Lori fragte ihn nicht nach seiner Entscheidung, aber es war eindeutig, was er tun würde. Lori hatte ihr erstes Problem gelöst und nach dem Applaus zu schließen (der noch immer zu hören war) sogar auf die bestmögliche Weise.

Worlds. Kapseln der Wiedergeburt I

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