Читать книгу ... kannst du mich verstehen? - Barbara Namor - Страница 7

Kapitel 5

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Außer mir gab es tatsächlich keine einzige Frau im Haus. Viele der Zimmer schienen nicht belegt, wahrscheinlich, weil sich die Bewohner irgendwo in der Weltgeschichte auf Einsätzen befanden und das war mir ganz recht. Es gab schließlich genug andere Dinge, mit denen ich mich auseinanderzusetzen hatte. Da brauchte ich nicht noch zig neue Nachbarn, deren Namen ich mir auf einen Schlag merken sollte, um nicht unhöflich zu wirken.

Wir waren am frühen Abend auf dem Gelände eingetroffen und allesamt ziemlich müde nach der Reise. Tom ging mit mir in einem der Restaurants in der Nachbarschaft essen. Er war offenbar bekannt wie ein bunter Hund auf dem Stützpunkt. Und beliebt. Überall, wo er auftauchte, hieß es fröhlich: „Hallo, Doc!“

Ich fand es ziemlich anstrengend, so vielen neugierigen Blicken standhalten zu müssen.

Tom stellte mich allenthalben einfach mit meinem Namen vor: „Das ist Sara.“

Aber die Art wie er dabei meine Hand hielt, sagte wohl mehr als diese kurze Formel. Nach und nach gewann ich den Eindruck, dass seine vielen Bekannten es als ungewöhnlich wahrnahmen, Tom in Begleitung einer Frau anzutreffen, so wie man mich musterte. Ich beschloss, das für ein gutes Zeichen zu halten. Ich nahm mir fest vor, ihn danach zu fragen, wer meine Vorgängerinnen gewesen waren.

Tom besorgte zwar noch am ersten Abend ein zweites Bett für sein Schlafzimmer, aber das blieb unbenutzt. Es fühlte sich für uns noch so neu und wunderbar an, endlich beisammen zu sein, dass selbst bei Toms Bett rechts und links noch Platz frei blieb.


Der nächste Tag begann um sieben Uhr in der Früh. Unser Team traf sich zum Frühstück in der Küche. Wir waren alle zur Nachbereitung einbestellt, das heißt, die Operation in Rotterdam und der Einsatz dort sollten gründlich durchgesprochen werden.

Jeff erklärte mir, dass Ermittler meine Kidnapper in Europa übernommen hätten und nun versucht werden sollte, die Hintermänner der Aktion zu identifizieren. Nicht nur die Mitglieder meines Teams hatten Order bekommen, wo sie sich wann einfinden mussten. Auch auf meinem Handy ging eine entsprechende SMS ein.

Als das gute Stück piepte, fühlte ich mich wie vor den Kopf geschlagen. Ohne rechten Appetit kaute ich auf einer herrlich frischen Grapefruit herum, während ich mich daran erinnerte, was Jason Walters bei unserer Begegnung vor vier Tagen gesagt hatte: „Sara, dreimal wirst du ja demnächst zu meiner Truppe gehören. Unsere Absprache, dass du Ur für uns einsetzt, bedeutet mehr als einen Handel. Das ist die Voraussetzung dafür, dass für Tom und dich eine Ausnahme in unserem Dienst gemacht werden kann – Beziehungen zu Zielpersonen werden weiterhin nicht geduldet, aber du wirst ja demnächst zu uns gehören. Dann bist du nicht mehr nur Zielperson. Dass es dabei keinen Unterschied macht, ob du dreimal oder dreißigmal oder immer eine von uns bist, darüber musste ich mit verschiedenen Generälen heftig debattieren, aber man war am Ende geneigt, sich meiner Sichtweise anzuschließen.“

Hatte ich wirklich damit gerechnet, dass man hier so über mich verfügen würde, als wäre ich Mitglied der Truppe? Nein. Ich fühlte mich überrumpelt, vereinnahmt – und noch stärker verunsichert als am Abend meiner Ankunft.

Schon die Frage, was ich anziehen sollte, hatte am Morgen für mich ein Problem dargestellt, denn ich besaß nicht den Hauch einer Vorstellung, was der Tag bringen würde. Jetzt saß ich in einem leichten Sommerkleid zwischen Tom und Jeff. Brian servierte das Rührei nach dem Rezept, das mir früher schon so gut geschmeckt hatte und Joe grinste ein wenig zu frech, als er fragte, ob ich gut geschlafen hätte. Frank, der schon auf dem Stützpunkt eingetroffen war, gab ihm daraufhin einen Stups mit dem Ellenbogen, der Joe vom Stuhl warf. Wenigstens einer, der ahnte, wie ich mich fühlte!

Um acht Uhr treffen wir uns alle bei Jason. Alle außer Sara“, verkündete Tom, nachdem er die nächste SMS erhalten hatte. „Sara, du sollst heute unseren Oberkommandierenden, General Lester, kennenlernen. Iss nicht zu viel, der möchte um acht mit dir frühstücken.“

Tolle Idee. Ich aber nicht mit ihm!“, giftete ich. Die Aussicht, mich von Tom zu trennen, verunsicherte mich noch weiter. Ich kann es nicht leiden, wenn ich Angst habe. Dann werde ich vorsichtshalber meistens erst einmal wütend, wahrscheinlich, um mich nicht klein und mickrig fühlen zu müssen.

Aber mein Protest nützte nichts. Tom begleitete mich bis vor das Büro von diesem General Lester, küsste mich auf die Stirn und meinte: „Kopf hoch. Ich finde, er ist ganz in Ordnung, ich hatte allerdings auch noch nicht allzu viel mit ihm zu tun. Weißt du, Sara, der trifft sich nicht mit kleinen Klinikärzten zum Frühstück. Da muss schon jemand Wichtiges kommen.“ Tom zwinkerte mir aufmunternd zu. Dann fuhr er fort: „Er ist schließlich dein Gastgeber. Du solltest nett zu ihm sein. Ich hole dich wieder ab, wenn du hier fertig bist.“

Dann teilte mir ein junger Mann in Uniform höflich mit: „Der General lässt bitten.“


Lester trug ebenfalls Uniform, auf den Schulterstücken blitzten Sterne, auf der Brust war eine beeindruckende Anzahl von Abzeichen versammelt, von denen ich annehmen musste, dass es sich um Orden handelte. Mit ausgestreckter Hand kam der Mann auf mich zu und begrüßte mich: „Guten Morgen, Sara! Schön, dass du es möglich machen konntest.“

Sein Ton fachte meinen Ärger weiter an – der Tonfall teilte mir mit, dass dieser Mann mich als lästig wahrnahm, als eine Störung seines sonst so reibungslos laufenden Betriebes. Aus diesem Grund wollte er mich so schnell wie möglich abfertigen und wahrscheinlich möglichst flott dabei erreichen, dass ich wieder aus seinem Zuständigkeitsbereich verschwand. Andererseits empfand er mich als unerwartet attraktiv – und war offenbar von dieser Tatsache selber unangenehm überrascht. Das gestaltete die Lage nicht wirklich einfacher, weder für ihn noch für mich. Ich war schon ärgerlich angekommen, mein Gegenüber begann gerade ärgerlich zu werden.

Ich denke, ich hatte keine Wahl“, schnappte ich kurz angebunden.

Erstaunt darüber, dass weder seine Sterne noch seine Erscheinung mich gebührend beeindruckten und ich die nötige Höflichkeit vermissen ließ, zog der General die Augenbrauen hoch. Dann deutete er einladend auf einen Stuhl an einem gedeckten Frühstückstisch in seinem Büro. Ich setzte mich.

Jason hat mir von dir erzählt. Der ist vor zwei Tagen wieder hier eingetroffen. Er hat mich in deinem und Toms Fall überredet, etwas zu tun, von dessen Richtigkeit ich eigentlich nicht wirklich überzeugt bin“, begann der General, nahm sich eine Scheibe Toast und deutete mit einer weiteren einladenden Geste an, ich sollte mich ebenfalls bedienen.

Und dieses Gespräch soll dazu führen, dass Sie das Problem, in dem Fall mich, unauffällig loswerden, oder?“

Lester legte die Toastscheibe wieder weg. Sein Blick wirkte jetzt hellwach. „Fein beobachtet. Du redest nicht lange um den heißen Brei herum, oder? Das hat Jason mir schon angekündigt.“


Ich verspürte tatsächlich keine Lust, lange um den heißen Brei herumzureden. Dieser Lester zweifelte offenbar daran, dass es sich bei der Sonderregelung für Tom und mich um einen erfolgversprechenden Ansatz handelte, einen, bei dem sein Dienst Vorteile genießen könnte. Der wollte mich lediglich so bald wie möglich wieder verschwinden sehen, ohne groß mit Jason aneinanderzugeraten. Besser also, ich ging zum Gegenangriff über, bevor ich erneut ernsthaft um Tom kämpfen musste.

Ich schallte den Mann, gründlich, dann legte ich ihn kurzerhand komplett lahm. Es gab keinen Grund, mit meinen Fähigkeiten hinter dem Berg zu halten. Ur war ja wohl für die Leute in der Chefetage hier kein Geheimnis. Aber und das musste auch Jason erst am eigenen Leib erfahren es bedeutete eben ganz etwas anderes, meinen Kräften ausgesetzt zu sein als nur davon in einem Bericht zu lesen.

Der General schaute verblüfft drein, als mein Summen begann. Als ihm klar wurde, dass ich ihn von Kopf bis Fuß bewegungsunfähig gemacht hatte, dass nicht einmal seine Stimme ihm gehorchte, bekamen seine Augen einen erschrockenen Ausdruck. Ich war froh, dass meine Berechnung stimmte und er nicht von seinem Stuhl rutschte: Er blieb einfach stocksteif sitzen, denn ich hatte seine Muskulatur total blockiert.

Damit, dass ich gefährlich sein könnte, haben Sie nicht gerechnet, oder? Nicht, wo Sie doch so ein einflussreicher Mann sind. Ich bin gefährlich. Ich kann aber auch sehr nützlich sein. Erst einmal habe ich jetzt Hunger, denn der Einsatz von Ur kostet mich sehr viel Energie. Daher werde ich das Angebot, mit Ihnen zu frühstücken gern annehmen. Sie sind der Überzeugung, dass ich bis jetzt von den Leuten überbewertet wurde, die mit mir und Ur zu tun hatten. Sie nehmen an, dass das bisher wahrscheinlich deshalb geschehen ist, weil ich den Leuten ihres Dienstes als Frau einfach genauso gut gefalle wie Ihnen. Irrtum. Ein paar von Ihren Mitarbeitern wissen ganz genau, was ich bewirken kann. Die durften es schon am eigenen Leib erfahren. Und dabei habe ich noch längst nicht alles offengelegt, was ich mit mithilfe von Ur zu tun in der Lage bin. Ich bin den Preis wert, den ich gefordert habe! Ur ist diesen Preis wert. Das wollte ich Ihnen mit meiner kleinen Demonstration klarmachen.“

Ich machte eine Pause, um ein Glas Saft zu trinken. Entweder ich redete mich gerade um Kopf und Kragen oder meine Rechnung ging auf. Tom hatte mir empfohlen, nett zu sein. Das war ich definitiv nicht. Aber ein Zurück gab es jetzt nicht mehr. Also weiter. Deshalb fuhr ich fort: „Und damit Sie mir wirklich glauben, kommt jetzt ein kleines Bulletin: Sie sind einsfünfundachtzig groß, samt Uniform zweiundneunzig Kilo schwer, haben eine ziemlich lange, gezackte Narbe am rechten Oberschenkel und ein Metallteil, wahrscheinlich einen sogenannten orthopädischen Nagel im linken Fuß. Sie sollten dringend eine Herzuntersuchung durchführen lassen, denn es bahnt sich unter Umständen ein Infarkt in ihren Herzkranzgefäßen an. Da gibt es eine ziemlich starke Verengung in einer Ader im Bereich der linken Vorderwand. Außerdem muss ich Sie jetzt wieder bewegungsfähig machen, denn Ihre letzte Mahlzeit ist ziemlich lang her und Sie unterzuckern, wenn Sie nicht bald etwas essen. Aber zuvor möchte ich noch ganz klar machen, dass ich mich durch niemanden wie ein Zirkusgaul mit meinen Spielchen auf Ur vorführen lasse. Ich werde nicht von Instanz zu Instanz meine Nützlichkeit oder meine Fähigkeiten immer wieder demonstrieren, um Tom und mir den Weg frei zu räumen. Wenn Sie so einflussreich sind, wie Sie glauben, dann sorgen Sie nach dieser Erfahrung dafür, dass uns keine Steine mehr in den Weg gelegt werden.“ Dann löste ich die Blockade.


General Lester rührte sich zunächst nicht, als seine Bewegungsfähigkeit zurückkehrte. Er atmete nur einmal tief durch. Dann griff er nach einem Croissant und biss hinein. Seine Wangen bekamen nach dem dritten Bissen wieder Farbe; sein Blutzuckerspiegel war wirklich schon sehr stark abgesackt. Und danach begann er zu lachen. Er lachte schließlich laut und dröhnend, er lachte, bis ihm die Tränen über das Gesicht liefen. Bis er japste. Bis seine Ordonnanz unruhig im Türrahmen erschien und fragte, ob alles in Ordnung sei.

Lester schickte den Mann ungeduldig wieder hinaus. Schließlich wischte er sich die Augen und schnaufte immer noch belustigt: „So hat seit zehn Jahren keiner mehr mit mir geredet seitdem ich General geworden bin. Du hast vielleicht Nerven! Erzähl bloß niemandem von dem, was hier gerade vorgefallen ist, sonst bin ich meine Autorität los!“ Dann streckte er mir die Hand hin, diesmal allerdings mit einer ganz anderen Herzlichkeit als beim ersten Mal. „Ich heiße übrigens Daniel.“

Zögernd schlug ich ein. Jetzt klang mir aus dem, was der Mann sprach, eine ganz andere Botschaft entgegen: Respekt, Neugier, sogar echte Zuneigung. Ich war sehr erleichtert. Das hätte auch böse ins Auge gehen können; wenn ich wütend bin, handle ich nicht allzu besonnen.

Daniel, bitte vergiss nicht, zum Arzt zu gehen. Was ich gerade über den möglichen Infarkt gesagt habe, war vollkommen ernst gemeint.“

Daniel Lester nickte, nun wieder ganz nüchtern. „Das werde ich tun. Und du bekommst meine volle Unterstützung. Jason verfolgt da mal wieder einen etwas ungewöhnlichen Plan. Er will dich hier ausbilden lassen. Aber das soll er dir selbst erklären. Ich war zuerst dagegen, aber du hast eine sehr überzeugende Art. Mir fallen spontan gleich etliche Gelegenheiten ein, bei denen ich deine Talente gern nutzen würde. Schade, dass du uns nur drei Einsätze zugestehst. Vielleicht können wir dich ja im Verlauf deines Aufenthaltes noch überzeugen, dass mehr daraus wird. Und ich würde mich freuen, wenn wir einmal wieder zusammen etwas essen können, denn es kommt nicht oft vor, dass jemand hier einem General die Meinung so offen sagt wie du. Aber mir gefällt das.“


Scheinbar stimmte, was Jason mir gesagt hatte, nämlich dass es in diesem Dienst recht zwanglos zuging und die meisten per du waren. Trotzdem bereitete es mir Schwierigkeiten, ganz unbefangen ‚Daniel‘ zu diesem Mann zu sagen. Obwohl ich so getan hatte, als hätte mich die Aura von Macht, die ihn umgab, nicht beeinflusst, spürte ich sie sehr wohl. Ich hatte das Gefühl nur ganz bewusst ignoriert.

Jetzt tat mir mein brüskes Auftreten schon wieder leid und ich wollte es wenigstens erklären: „Normalerweise gehe ich nicht ohne Not mithilfe von Ur auf andere Menschen los. Aber ganz ehrlich – ich habe Angst. Ich weiß nicht, auf was ich mich hier eingelassen habe. Das macht mich immer einigermaßen … aggressiv. Lieber angreifen, als angegriffen werden. Nichts von dem, was ich bisher erlebt habe, hat mich auf eine Situation, wie diese jetzt, vorbereitet. Dabei ist mein Leben eigentlich nicht wirklich langweilig gewesen bis heute. Da gab es schon eine Menge ungewöhnliche Erlebnisse und Erfahrungen. Trotzdem fühle ich mich, als ginge ich ausgerechnet hier in Florida auf ganz dünnem Eis. Jeder Schritt ein Wagnis. Und wenn ich Angst habe, ärgert mich das. Es tut mir leid, wenn ich deshalb bisher nicht die nötige Höflichkeit an den Tag gelegt habe.“

Sichtlich amüsiert goss der General sich eine weitere Tasse Kaffee ein. „Wenn du so offen bist, darf ich es vielleicht auch sein. Wie alt bist du? Neunzehn? Dafür trittst du erstaunlich souverän auf. Immerhin weißt du, warum du was tust. Das bedeutet ein gutes Startkapital. Ich kenne Menschen, die sind dreißig oder älter und noch lange nicht so weit wie du, machen sich und anderen ständig etwas vor. Allerdings ist es bei Neunzehnjährigen ein wenig ungewohnt, solch ein Verhalten wie deines zu treffen. Jason hat tatsächlich recht – du bist eine ungewöhnliche junge Frau. Deine Sorgen kann ich dir nicht nehmen. Außerdem habe ich festgestellt, dass es einem Menschen ganz guttut, sich ein paar Sorgen zu machen; das hält die Sinne wach. Ich gebe dir jetzt etwas, das nicht viele Menschen auf diesem Stützpunkt besitzen, nämlich die Nummer meines ganz privaten Privathandys. Wenn Probleme auftauchen, gleich welcher Art, egal zu welcher Zeit ruf mich an. Ich werde sie lösen, denn ich bin hier der Obermotz. Ansonsten kann ich dir nur raten, Jason zu vertrauen. Der ist zwar ein ausgekochtes Schlitzohr. Er wird dich für seine Zwecke einspannen, so gut er nur kann, und dir bestenfalls hinterher verraten, welches Ziel er wirklich verfolgt. Aber er hat einen verdammt guten Beschützerinstinkt. Wenn der dich erst einmal als zu seiner Truppe gehörig betrachtet, dann hält er auch seine Hand über dich. Und das solltest du wirklich nicht unterschätzen.“

Der General hielt mir sein Handy hin und ich übertrug die Nummer von seinem Display in den Speicher meines Telefons.

Daniel runzelte die Stirn, als er es betrachtete. Dann rief er laut: „Graham!“

Seine Ordonnanz erschien im Türrahmen wie ein Stehaufmännchen.

Graham, tausch das Handy von Sara bitte mal gegen eines unserer Modelle aus. Und übertrag all ihre Daten auf das neue Gerät. Diskret.“ So einfach war das, wenn man Sterne auf den Schultern trug.

Danke, für die Telefonnummer und das Angebot, mir zu helfen.“ Mein Ärger war wie weggeblasen. Jetzt fühlte ich mich wieder wie Sara auf Normalgröße, also ziemlich klein und eher etwas verschüchtert.

Als hätte er alle Zeit der Welt, plauderte Daniel Lester noch eine Weile mit mir, bot mir dies und das von seinem Frühstückstisch an. Ich hörte, dass ich ihm jetzt noch wesentlich besser gefiel als zu Anfang unseres Gesprächs, aber nun empfand er wirklich Sympathie für mich und konnte daher das Gefühl in einen ganz anderen Kanal leiten. Wie beruhigend. Eine andere Möglichkeit hätte ich mir nicht einmal vorstellen wollen! Dann wäre es wirklich kompliziert geworden.

Schließlich klopfte es an der Tür, die Ordonnanz erschien erneut und fragte respektvoll: „Jason hat jemanden geschickt. Er wollte Bescheid sagen, dass Saras Anwesenheit nötig ist, um bei der Nachbereitung der Ereignisse in Rotterdam vernünftig weiterzukommen. Könnte sie jetzt wohl hinübergehen?“

Tom erschien ebenfalls im Türrahmen. Er sollte mich also abholen. Er sah ein wenig besorgt drein.

Daniel erhob sich und streckte mir die Hand entgegen: „Es hat mich wirklich gefreut, Sara. Ich wünsche dir alles Gute hier!“

Vergiss nicht, zum Arzt zu gehen, Daniel, sonst nützt mir das hier“, – ich hob das neue Handy leicht an, das mittlerweile eingetroffen war, „gar nichts.“

Tom glotzte.


Kaum befanden wir uns außer Hörweite, begann er mich auszufragen, was ich mit meinen Worten zu Lester beim Abschied gemeint haben könnte.

Er reagierte sichtlich verstimmt, als ich schließlich energisch erklärte: „Kannst du dir vielleicht vorstellen, dass mir von anderen Menschen Dinge anvertraut werden, die dich ausnahmsweise nichts angehen? Bei Daniel Lester im Büro ist das gerade passiert. Und wenn ich verspreche, dass ich etwas für mich behalte, dann tue ich das auch. Du weißt, dass ich an meine Zusagen absolut gebunden bin. Aber ich tratsche auch deshalb nicht alles weiter, weil ich das nicht für richtig halte. Also hör jetzt auf nachzubohren!“

Als Tom ziemlich gepresst entgegnete: „Wenn du es so willst“, wurde mir klar, dass es außerhalb der kleinen Welten, in denen wir einander bisher begegnet waren, aus mindestens zwei Gründen schwierig werden würde: Aus Toms knappem Satz klang blanke Eifersucht heraus. Gleichzeitig hörte ich ein grundehrliches Bestreben, mich zu schützen – und zwar vor jeglicher Bedrohung, Sorge oder Gefahr. Beide Gefühle stammten aus einer im Grunde positiven Quelle: Toms Liebe zu mir. Aber das machte die Lage eher schwieriger.


... kannst du mich verstehen?

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