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Das Mädchen Mirka

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Kazimirs plumper Syrena bremste und bog in einen ausgefahrenen Waldweg ein. Gerd und Elke fuhren ihm nach und sahen einen mit Grün überwucherten Holzzaun zu beiden Seiten des Weges, sonst deutete nichts auf ein abgeschlossenes Grundstück hin. Rechts begrenzten Laubbäume den Weg, Nadelwald schloss sich an, in dem vereinzelt Buchen und Birken wuchsen. Auf der anderen Seite lag eine große Wiese, das hohe Gras war an einigen Stellen niedergetreten oder vom Wind flach gedrückt. Weit hinten stand ein massives Haus, Fichten umrahmten das Dach und hoben sich dunkel vom klaren Herbsthimmel ab. Die hellen Fahrspuren im Rasen führten seitlich am Hauseingang vorbei und tiefer in den Wald hinein.

Der Syrena hielt unter einer Eiche in der Nähe des Hauses. Gerd stellte seinen olivgrünen Wartburg hinter Kazimirs Wagen. Kazimir ließ die Tür nach hinten fallen und sprang aus dem Syrena, hastig und übereifrig, wie Elke den hageren Mittfünfziger kannte. Dann kletterte etwas mühsam Kazimirs Frau aus dem unbequemen Fahrzeug. Ihr folgten die Dogge Ami und ein kleiner Junge mit auffällig blasser Gesichtsfarbe und hellen Haaren. Nachdem Kazimirs Frau ihr Seidenkleid geglättet hatte, ging sie mit dem Jungen ins Haus. Kazimir blieb stehen und sah voller Erwartung zu Elke und Gerd.

Hier kann man leben, nicht? sagte Gerd.

Elke lächelte. Wir sind doch noch gar nicht da. Komm. Kazimir wartet. Gerd gab ihr einen Klaps auf den Arm.

Sie stiegen aus und warfen mit genau abgemessenen Bewegungen die Türen zu. Kazimir begleitete sie in das Haus. Von einem großen Flur mit Steinfußboden gingen nach allen Seiten Türen ab. Der Flur war dunkel und kühl.

Frau Elke, wissen Sie, wo wir hier sind?

Nein. Immer wandte sich Kazimir an sie, wenn er etwas zu erklären hatte. Als ob es Gerd nicht gäbe. War es nur übergroße Höflichkeit und die sprichwörtliche Galanterie der polnischen Männer? Sie empfand Kazimir als einen liebenswürdigen, etwas komischen alten Herrn mit guten Manieren.

In einem Försterhaus. Eine Überraschung. Kazimir lächelte vergnügt, und die Furchen in seinem Gesicht vertieften sich.

Das ist großartig, sagte Gerd. Elke bestätigte es.

Wir wollen halten mit Freunden ein Picknick, erklärte Kazimir.

Sie sahen in einen Raum, der unbewohnt wirkte. Er schien nur zum Feiern benutzt zu werden. Außer zwei aneinandergestellten Tischen und Stühlen fiel zunächst noch ein Büfett auf. Ein Mann wollte gerade Stühle aus dem Raum tragen. Beim Anblick der neuen Gäste setzte er sie ab. Kazimir machte Elke und Gerd mit ihm bekannt. Elke bemerkte, dass der Mann ein nettes, bescheidenes Lächeln hatte.

In der großen, gefliesten Küche trafen sie auf Frauen, die mit den Vorbereitungen für das Picknick beschäftigt waren. Sie lachten, redeten sehr schnell miteinander und schienen in ihrem Element. Wieder beeindruckte Elke Kazimirs Frau, die eine wunderbare Stimme hatte, tief und ruhig, und der Klang blieb noch eine Weile im Ohr. Sie strömte sehr viel Ruhe aus, diese immer noch schöne, etwas massig gewordene Frau.

Neue Gesichter tauchten in der Küchentür auf, und die Frauen scheuchten schließlich Kazimir, Elke und Gerd nach draußen, wo inzwischen Campingtische und Stühle aufgestellt waren.

Elke setzte sich und wartete.

Gerd wanderte mit Kazimir auf und ab. Elke sah sein rosiges, rundes Gesicht mit den beinahe gelben, kurzen Haaren und den glänzenden kleinen Augen, die auf Kazimir starrten, bemüht, alles zu verstehen. Kazimir sprach um so schlechter Deutsch, je länger er redete. Seine Konzentration ließ nach. Gerd wirkte trotz seines gewölbten Rückens und des kleinen Bauchansatzes immer noch wie ein Junge. Und irgendwie sah sie in ihm auch den großen Jungen, der besessen war von der Arbeit, so wie wahrscheinlich als Kind vom Spiel.

Er nahm alle Angelegenheiten sehr ernst, und die Überlegenheit, die sie an anderen Männern beobachtete, schien ihm zu fehlen. Selbst wenn sie im Sommer für einige Wochen zum Heimaturlaub zurückkehrten und an ihrem See in Mecklenburg Urlaub machten, veränderte er sich kaum. Er saß stundenlang und angelte, während sie sich im Haus aufhielt, das sie sich vor einigen Jahren gekauft hatten. Er mochte es auch, wenn sie still neben ihm hockte. Dann war er sehr glücklich. Andererseits liebte er die Hektik, die sein Beruf als Journalist mit sich brachte.

Im Gegensatz zu Frauen anderer im Ausland eingesetzter Männer brauchte Gerd ihre Arbeit. In ihren Händen lag ein Teil der Organisation, und Gerd musste sich auf sie verlassen können. Die Angst vor großen Terminen verlor sie niemals völlig, und erst, wenn alles gut überstanden war, empfanden sie gemeinsam Erleichterung, ein Gefühl, das sie einander sehr nahe brachte.

Sie sah immer wieder neue Länder, neue Menschen, die sie ohne Gerd nie kennengelernt hätte. Seit einem Jahr lebten sie in Nairobi, selten hatten sie sich so wohl gefühlt wie dort. So störte es sie nicht, dass sie im Ausland nur die Sachbearbeiterin ihres Mannes war, obwohl sie ebenso wie Gerd studiert hatte. Auch wenn sie wieder nach Hause zurückkamen, blieb der Rangunterschied. Dann übte er eine Leitungsfunktion aus, während sie als Redakteur arbeitete. Das empfand sie als gerecht. Sie war stolz, seine Frau zu sein, und man wusste auch, wie viel von ihrer Arbeit abhing.

Kazimir winkte ihr zu. Mit der Hornbrille, den ständig erstaunten Augen, den fahrigen Bewegungen, der Unruhe, die von ihm ausging, erinnerte er sie an ihre Großmutter. In seiner eine Handbreit über die Knie reichenden Popelinehose erschien er ein klein wenig lächerlich.

Zwei jüngere Männer setzten sich an die Stirnseite des Tisches. Der eine hatte dichtes, zurückgekämmtes blondes Haar. Tiefe Falten standen senkrecht über der Nase. Sie erinnerte sich, er hatte bei der Begrüßung so nett gelächelt. Der andere war schmal, fast zierlich. Seine weit auseinanderstehenden Augen beunruhigten sie. Er sog an seiner Pfeife und warf dem anderen hin und wieder ein paar Worte hin.

Elke stand auf, lief ein wenig umher und setzte sich auf die Wiese. Gerd sah abwesend zu ihr herüber, einer der beiden Männer am Tisch fragte ihn etwas, und Kazimir übersetzte. Dann begannen sie ein Gespräch, an dem Gerd trotz seiner geringen Sprachkenntnisse teilnahm. Es schien sich zu einem der überaus ernsthaften Männergespräche auszuwachsen, die Elke kannte und die ihr das Gefühl gaben, das Funktionieren des Staates hinge einzig und allein von den, am Gespräch, Beteiligten ab.

Sie schloss die Augen und sah in die Sonne, die sich kreisend auf sie zu bewegte. Dann wurde das Kreisen langsamer und langsamer. Sie werden mich schon rufen, dachte Elke, und dann verdunkelte sich die Sonne. Sie öffnete die Augen. Es war der Schatten, den ein Kind warf. Ein Mädchen, kräftig und schmal, mit blonden Haaren, die in das dreieckige, gebräunte Gesicht fielen, und blauen Augenschlitzen, aus denen sie Elke aufmerksam und scheu betrachtete.

Elke lächelte probeweise.

Das Mädchen setzte seinen Weg über die Wiese fort, mit nachlässiger Anmut.

Die Ruhe wurde von den heiseren Schreien eines kleinen, stämmigen Jungen unterbrochen. Er lief an den Männern vorbei, einen großen Stock in der Hand und eine Uniformmütze auf dem Kopf, die ihm bis zur Nase hinunter hing. Sie schaukelte beim Laufen hin und her. Ihm folgte der blasse Junge. Er stimmte in das Geschrei des anderen ein.

Elke sah, wie die Männer in ihrem Gespräch innehielten und auf die beiden Jungen schauten, eine Bemerkung über sie machten. Dann lachten sie laut.

Auch die Jungen gehören schon zu dieser von Männern regierten Welt, dachte Elke und bemerkte die leichte Gereiztheit, die in ihrer Feststellung lag.

Die Frauen schafften Schüsseln und Teller aus dem Haus heran, verteilten sie über die Tische und setzten sich.

Gerd hielt den Platz neben sich für Elke frei. Na, wie geht's? sagte er gut gelaunt.

Elke nickte mehrere Male und brummte zustimmend. Selten war Gerd so gelöst wie jetzt, das gefiel ihr.

Jemand legte Gerd eine Pastete auf den Teller. Gerd machte Elke mit der Hand ein Zeichen. Schnell sah sie sich nach allen Seiten um und nahm sie auf ihren Teller.

Ein richtiges altes Ehepaar sind wir, dachte sie und lächelte vor sich hin.

Die Männer lobten das Essen. Auch Elke sagte etwas Freundliches.

Die Frauen freuten sich.

Sie blieben lange am Tisch sitzen. Eine Frau in engen Flanellhosen neckte Kazimirs Dogge Ami, der ständig Speichel aus dem hässlichen Maul tropfte.

Schließlich kugelte sie mit dem Hund über die Wiese.

Elke half den Frauen, den Tisch abzuräumen, dann setzte sie sich zu den Männern, die rauchten und träge in die Sonne blinzelten. Jeder war mit sich selbst beschäftigt.

Elke hörte auf das leise Rauschen der Bäume und fühlte sich leicht und klein werden, eins mit der Natur, aus der sie kam und in die sie wieder gehen würde, irgendwann, ohne Schmerz. Sie wunderte sich über die ihr fremden Gedanken. War sie müde geworden?

Sie war ganz in sich versunken, als das Mädchen sie berührte. In der Hand einen Strauß Wiesenblumen.

Dziekuje, sagte Elke. Sie blickte das Mädchen an und lächelte. Dann überlegte sie, was sie noch sagen könnte. Imie - Elke. Sie zeigte mit der Hand auf sich.

Das Mädchen verstand und nickte erfreut - Mirka.

Elke sah sie fragend an.

Das Mädchen zog sie an der Hand zu einer Sandfläche hin und schrieb mit den Fingern: Mirka.

Tak, tak, sagte Elke und lobte den Namen: Bardzo dobrze.

Mirka strahlte.

Nach einer Weile tauchte das Kind mit einem zweiten Blumenstrauß auf und gab ihn Gerd.

Danke, sagte Gerd und lächelte unbeholfen. Er behielt den Strauß eine Weile, bis sich Elke erbarmte und ihn aus seinen Händen nahm. Er schüttelte den Kopf. Kleine Mädchen müssen wohl immer Blumen pflücken? Erkundigte er sich.

Die meisten schon. Sie lachte ihn aus.

Kazimir stand auf. Frau Elke, wir werden alle in den Wald gehen. Sie auch?

Mirka sah Elke erwartungsvoll an.

Gerd nickte zustimmend.

Ja, selbstverständlich kommen wir mit, sagte Elke. Eine kräftige kleine Hand schlüpfte in die ihre. Sie wusste nicht, ob ihr das angenehm war. Lieber hätte sie die Hand wieder losgelassen.

Sie gingen hinter den Männern, bei denen auch Gerd war. Die zwei Jungen und eine der Frauen folgten ihnen.

Allmählich gewöhnte sich Elke an Mirkas Hand. Sooft sich Mirka auch bückte, um Blumen für einen neuen Strauß zu pflücken, immer wieder kam ihre Hand zurück in die von Elke.

Der Wald war dunkel und hatte sehr dichtes Unterholz.

Mirka bog vorsichtig die Zweige hinter sich zurück, damit sie Elke nicht ins Gesicht schlugen.

Die Männer und die Jungen schwärmten nach Pilzen aus. Aber es hatte lange nicht geregnet.

Plötzlich waren Mirka und Elke allein. Hin und wieder hörten sie die Jungen schreien. Überhaupt keine Pilze ... Wcale nie ma grzybow. Mirka schrie zurück. Nie ma grzybow. Keine Pilze.

Ihr zuliebe schaute Elke ab und zu auf den Boden und schüttelte dann bedauernd den Kopf. Nie ma grzybow, sagte sie.

Mirka freute sich. Sie hob einen Stock auf und schrie: Wcale nie ma grzybow, und schwang den Stock im Kreis herum.

Iih, sagte Elke, deutete auf ein Spinnennetz und schüttelte sich.

Mirka lachte. Sie sagte etwas, aus dem Elke entnahm, dass Mirka sie vor den Spinnen beschützen wollte. Und damit Elke es richtig verstand, liefen Mirkas kleine braune Finger krummbeinig an Elkes Arm hinauf. Elke zog ihre Schulter hoch und zeigte, wie sehr sie sich ekelte.

Mirka bog sich vor Lachen und hielt sich übertrieben den Bauch. Warte, sagte sie dann auf polnisch und grub mit den Händen eine Distel aus, die sich über dem Boden verzweigte, trug sie auf ihren Handtellern wie auf einem Tablett und überreichte sie Elke mit einer kleinen Verbeugung.

Dziekuje, sagte Elke.

Das Unterholz lichtete sich. Sie kamen in einen Birkenwald. Das Kind an ihrer Seite, die hellen, hohen Stämme, durch die die Sonne hindurchging, versetzten Elke in einen Traumzustand. Sie prägte sich das Bild ein und die Stille, die sie umgab, in der Angst, dass sie im nächsten Augenblick zerstört würde. Aber noch hielt die Stille an.

Mirka reichte Elke eine Pusteblume. Da.

Elke blies sehr kräftig. Mirka lachte.

Die winzigen Fallschirme schwebten in der Sonne davon, ganz leicht. Ein Lufthauch trug sie hinauf, dann fielen sie in die Tiefe.

Elke wurde ruhig, zufrieden und ein bisschen traurig. Sie wusste nicht, woher die Traurigkeit kam.

Sie pflückte für Mirka eine Pusteblume. Eine Weile setzten sie das Spiel fort. Die leeren Stängel warfen sie weg.

Dann wurde es langweilig.

Mirka hob den Zeigefinger an die Nase. Achtung. Sie lief einen schräg nach oben gewachsenen Baum hinauf. Die dicken Gummisohlen ihrer Tennisschuhe gaben ihr auf der Rinde des Baumes Halt. Auf halber Höhe bückte sie sich, hielt sich mit gestreckten Armen an dem Stamm fest und ging langsam weiter. Elkes Hand konnte sie nicht mehr erreichen. Das Mädchen stand weit über ihr und lachte wieder.

Elke schloss die Augen. Dann öffnete sie langsam die Lider. Immer noch war Mirkas Blick auf sie gerichtet.

Mit einem Mal stürzten die beiden Jungen heran.

Der blasse Junge hatte jetzt ein rotes, erhitztes Gesicht. Ihnen folgte der Mann, dessen weit auseinanderstehende Augen Elke irritierten. Mirka kletterte ein Stück den Baum hinunter und sprang. Elke fing sie auf.

Mirka umschlang den Mann. Er schien ihr Vater zu sein. Lächelnd zeigte er ihr seinen Plastebeutel, der zur Hälfte mit Pilzen gefüllt war.

Elke ging mit dem Mann und den Kindern. Plötzlich warf der Mann sich auf den Boden, breitete die Arme aus, trommelte mit den Fäusten in das Gras und schrie: Grzyby, grzyby. Pilze, Pilze.

Mirka hockte sich zu ihm. Sie pressten die Köpfe nebeneinander in das Gras, besahen sich den Fund, stießen sich an und lachten und lachten.

Er ist wirklich ein bisschen verrückt, dachte Elke.

Kazimir tauchte auf, später kamen noch zwei andere Männer und Gerd. Sein Beutel war voller Pilze. Auch die anderen hatten mehr Glück gehabt als Elke.

Elke machte sich mit den Jungen und Mirka auf den Rückweg.

Mirka brachte ihr bei, auf Polnisch bis zehn zu zählen. Sie war eine geduldige Lehrerin, und Elke hatte immer deutlicher das Gefühl, jedes neu erlernte polnische Wort bestärke Mirka in ihrer Überzeugung, Elke könne in Wirklichkeit Polnisch. Sie hätte es nur ein bisschen vergessen, und es bedürfe geringer Anstrengungen, dann könnten Elke und Mirka sich aufs Beste unterhalten.

Von ihren Erfolgen beflügelt, verlangte Mirka von Elke, auch einen Zungenbrecher nachzusprechen.

Chrzaszcz brzmi w trzcinie!

Elke stolperte schon über das erste Wort.

Chrzaszcz brzmi w trzcinie, sagte Mirka noch langsamer. Elke begann, blieb stecken. Dann konnte sie das erste Wort. Die Jungen sprachen schneller, verhaspelten sich und prusteten vor Vergnügen.

Elke bekam das zweite Wort heraus, dann beide zusammen, dann schließlich den ganzen Satz.

Aufgeregt zappelte Mirka mit den Händen, schneller, schneller. Elke lachte, versuchte es, verhedderte sich, begann langsamer von Neuem.

Später führte Mirka ihren Bildungserfolg den Frauen in der Küche vor. Aber Elke geriet ins Stocken.

Mirka war enttäuscht.

Die Frauen trösteten das Mädchen und sahen auf Elke, die sich beinahe selbst wie ein Kind vorkam.

Was heißt: chrzaszcz brzmi w trzcinie? erkundigte sich Elke später bei Kazimir.

Ah. Sehr gut, sagte Kazimir. Schon sehr gut. Du sprichst wenig Polnisch, aber gut Polnisch.

Und was heißt das?

Nu, so ungefähr: Die Brummeln brummeln im Schelf.

Als es Abend wurde, machten die Männer vor dem Hauseingang ein Feuer. Ein Topf wurde darüber gehängt. Bald entströmte ihm ein Duft, der alle anzog. Sie setzten sich um das Feuer herum, einige auf Campingstühle, andere hockten auf dem Boden. Ein zweiter Topf kam auf eine andere Feuerstelle.

Mirka saß zu Elkes Füßen.

Dann wurde der erste Topf vom Feuer genommen. Mirka sprang zu der Frau, die ihn öffnete und die Portionen austeilte. Sie brachte Elke einen Teller dampfender Kartoffeln und Fleisch, dabei verneigte sie sich ein wenig.

Kleine Mirka, dachte Elke. Jetzt fahren wir bald weg. Für immer. Sie sah einen nach dem anderen in der Runde an, beobachtete, wie sie aßen, miteinander redeten und den heißen Bortsch schlürften. Schon war es ein Traum. Schon Vergangenheit. Von Mal zu Mal fiel es ihr schwerer, Abschied zu nehmen, wenn sie sicher wusste, dass es für immer war. Und dabei hatte sie noch so viele Trennungen vor sich. Sie wollte gern hierbleiben, hier oder woanders, hier aber am liebsten. Sie wollte nicht mehr weggehen.

Gerd setzte sich zu ihr. Sein Gesicht war sehr rot und glänzte. Er zwinkerte ihr zu. Sie aber konnte seinen glücklichen Blick nicht erwidern.

Kazimirs Dogge Ami lehnte sich an Elkes Bein. Mirka kreischte, sprang weg, näherte sich wieder und versuchte mit vorsichtigen Handbewegungen den Hund zu verscheuchen, dessen Augen in der Dunkelheit unheimlich funkelten.

Chodz, Ami, chodz, rief Kazimirs Frau mit ihrer tiefen, schönen Stimme.

Ami erhob sich und legte sich Kazimirs Frau zu Füßen.

Die Dogge nicht aus den Augen lassend, setzte sich Mirka vor Elke auf den Boden und nahm ihre Hand. Dann stand sie auf und legte ihre Arme um Elkes Hals.

Gerd sah zu ihnen herüber.

Elke wusste nicht, wie sie den Gedanken ertragen sollte, dieses Kind zu verlieren. Sie blieb ganz still und wagte auch nicht, das Kind zu streicheln.

Vor der Abfahrt versprach sie Mirka, ihr aus Nairobi zu schreiben.

Wie am Vormittag fuhr Kazimirs Syrena wieder vor ihnen her. Doch jetzt war es dunkel, und sie sahen nur seine roten Rücklichter. An einer Kreuzung trennten sich ihre Wege. Sie stiegen aus, bedankten und verabschiedeten sich.

Dann fuhren sie allein über die Autostraße.

Das war ein Tag, sagte Gerd.

Elke schwieg.

Er sah sie kurz an. Ist was mit dir.

Wir könnten eine Tochter haben wie sie.

Wir waren uns doch einig. Gerd schaute wieder auf das Stück helle Straße vor ihm, das der Scheinwerfer ausleuchtete.

Ja, schon.

Unser Leben ist nichts für ein Kind.

Nein.

Und außerdem wär's in deinem Alter schon ein Risiko.

Es ist zu spät, dachte Elke, beinahe erleichtert, dass ihr die Entscheidung abgenommen war. Eine Mirka gab es sicher kein zweites Mal. In fünf Tagen würden sie wieder nach Nairobi fliegen, und Nairobi war eine schöne Stadt.

Jenseits der Alle

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