"Wir schaffen das"

"Wir schaffen das"
Автор книги: id книги: 2343537     Оценка: 0.0     Голосов: 0     Отзывы, комментарии: 0 391,13 руб.     (4,26$) Читать книгу Купить и скачать книгу Купить бумажную книгу Электронная книга Жанр: Языкознание Правообладатель и/или издательство: Bookwire Дата добавления в каталог КнигаЛит: ISBN: 9783745097009 Скачать фрагмент в формате   fb2   fb2.zip Возрастное ограничение: 0+ Оглавление Отрывок из книги

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Описание книги

In diesem Roman geht es um soziale Missstände in Deutschland. Schonungslos werden einzelne Schicksale aufgezeigt, die stellvertretend für viele Menschen sind. Es geht um Armut, Obdachlosigkeit, Hartz IV, Mietwucher, Kitaplätze und andere Dinge, die bei uns soziale Gerechtigkeit genannt werden. Zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Um ihnen die Missstände zu verdeutlichen, erzähle ich ihnen ein paar Geschichten, die tatsächlich so geschehen sind. Geschichten aus dem Leben, ungeschönt aber wahr. Als Kulisse dafür habe ich mir in Berlin, eine fiktive Strasse und ein frei erfundenes Stadtviertel ausgedacht. Es ist das Frankfurter Viertel mit der Warschauer Strasse. Falls es tatsächlich in Berlin ein solches Viertel oder eine gleichnamige Strasse geben sollte, haben diese nichts mit meinem Roman zu tun.

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Benjamin Webster. "Wir schaffen das"

Kapitel 1 – Die Warschauer Strasse

Kapitel 2 – Proteste

Kapitel 3 – Rohe Gewalt

Kapitel 4 – Unruhen

Kapitel 5 – Eine seltsame Familie

Kapitel 6 – Veränderungen

Kapitel 7 – Razzia

Kapitel 8 – Die Abrechnung

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Gegenüber in der Nummer 71 war wieder Ruhe eingekehrt. Die drei „Berber“, wie das Volk Obdachlose nennt, packten sich in ihre Schlafsäcke. Sie unterhielten sich noch ein wenig, bevor sie einschliefen. Keine zwei Stunden später wurden sie unsanft geweckt. Zwei Polizeibeamte standen vor ihnen und einer meinte: „Guten Abend meine Herren, allgemeine Personenkontrolle. Wenn ich um ihre Ausweise bitten dürfte.“ Einer nach dem anderen schälte sich aus seinem Schlafsack und kramte in den Taschen nach dem Personalausweis. Einer der drei fragte: „Warum werden wir kontrolliert, wir haben niemanden etwas getan?“ Ein Beamter sammelte die Ausweise ein und ging zum Streifenwagen, der andere antwortete: „Ein Mieter im Haus hat sich darüber beschwert, dass sie ohne Genehmigung, hier im Hausflur nächtigen. Deshalb müssen wir sie auffordern, den Hausflur zu verlassen. Kommen sie der Aufforderung nicht nach, müssen sie mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch rechnen. Also meine Herren, wenn ich sie nun bitten dürfte, den Hausflur zu verlassen.“ Frank, so hieß einer der Obdachlosen, fragte den Beamten: „Und wo sollen wir jetzt hin? Wir finden doch um diese Uhrzeit keinen Schlafplatz mehr. Morgen früh räumen wir geräuschlos das Feld, versprochen. Und wenn das nicht geht, werden sie mich wohl für eine Nacht in die Ausnüchterung sperren müssen.“ Der andere Beamte kam zurück und gab die Ausweise zurück. Es lag nichts gegen die drei vor. Der erste Polizist meinte: „Ich kann sie nicht auf die Wache mitnehmen, dass wissen sie ganz genau, wir sind schließlich kein Obdachlosenheim. Probieren sie es in der Gerberstrasse, das ist doch gleich um die Ecke. Fragen sie Herrn Seibold, vielleicht hat der noch etwas frei. Bitte räumen sie die Hofeinfahrt, sonst bekommen sie nur Ärger. Wir kommen in einer Stunde wieder vorbei und überprüfen das.“ Frank: „Bei Seibold waren wir schon, der hatte aber kein Bett mehr frei. Genauso wie in der Leipziger- und der Herrmannstrasse. Warum stellt die Stadt im Winter keine Container für uns zur Verfügung? Jeder Asylant hat einen warmen Arsch, nur für uns Deutsche ist kein Platz.“ Polizist: „Sagen sie das den Politikern und nicht mir. Ich kann auch nichts dafür, dass es so ist. Wir machen nur unseren Job. In einer Stunde sind sie weg. Probieren sie es doch einmal in der alten Fabrik, da steht immer eine seitliche Tür auf.“ Frank verstand den Hinweis und sagte zu seinen Kumpels: „Komm wir räumen das Feld, sonst haben wir eine Anzeige an der Backe und das kostet uns gleich wieder einige hundert Euro.“ Paul und Zecke maulten zwar noch ein wenig, fingen aber an ihre sieben Sachen in die Taschen und Einkaufswagen zu räumen. Zwanzig Minuten später hatten sie die Hofeinfahrt verlassen und begaben sich auf den Weg zur alten Fabrik. Nach einer Stunde Fußmarsch erreichten sie ihr Ziel. Und wie der Polizist sagte, war tatsächlich eine Seitentür nicht verschlossen. Nun hatten sie eine Bleibe, die trocken und Wetterfest war. Nur die Heizung fehlte noch, dann wären es fast paradiesische Zustände für die drei gewesen. Am nächsten Morgen inspizierten sie die Fabrik. Sie interessierten sich nicht für die großen Hallen, sondern eher die kleinen Büroräume. In einer von ihnen stand noch ein alter Werkstattofen, der sogar noch funktionstüchtig war. Und an Brennmaterial mangelte es in dem alten Gemäuer nicht. Überall lagen alte Holzpaletten, Balken und andere Dinge herum, die sich wunderbar zum einheizen eigneten. Unter tags brauchte ja nicht geheizt werden, weil sie da unterwegs waren um Geld zu verdienen. Ja, sie haben richtig gehört. Alle drei bemühten sich jeden morgen in aller früh, an der Jobbörse um Arbeit. Die Jobbörse vermittelt jeden Tag für Interessierte, kurze Jobs, die gleich nach getaner Arbeit entlohnt wurden. So verdienten sie in der Woche zwischen 100.- und 150.- Euro, was zu leben nicht reicht. Vom Amt bekamen sie deswegen noch einmal 75.- Euro die Woche, die sie selbst abholen mussten. So wie den dreien geht es rund 375.000 Menschen in Deutschland. Ich schätze, dass die Zahl noch wesentlich höher liegt, weil viele Obdachlose den Weg zum Amt scheuen. Teils aus Scham oder weil sie bei Verwandten oder Freunden gemeldet sind. Und das sind nicht nur Erwachsene, sondern auch um die 20.000 Jugendliche. Gehen wir einmal grob geschätzt von einer halben Million Obdachlose in Deutschland aus. Und die sind nicht obdachlos, nur weil es so romantisch oder ein Männerding ist, nein der Grund ist schlicht und einfach, weil sie aus ihrer alten Wohnung geflogen sind und leider keine neue, bezahlbare gefunden haben. Rechnet man noch Familien und Einzelpersonen dazu, die auch eine Wohnung suchen, so kommen wir auf eine Zahl von 5,5 bis 7 Millionen Wohnungen die in Deutschland fehlen. Und das nicht erst seid ein paar Monaten, sondern schon seid vielen Jahren. Die Politik hat diesen Sektor schon lange vernachlässigt. Erst jetzt, da so viele Asylsuchende und Flüchtlinge gekommen sind, sehen es die Politiker ein, dass Wohnraum dringend gebaut werden muss. Und wie das in der freien Marktwirtschaft so ist, schnellen dann die Mieten in die Höhe. Und was macht die Politik? Sie schaut seelenruhig zu, ach nein, sie bringt in aller Regelmäßigkeit neue Mietgesetze heraus, die im Endeffekt doch nicht greifen und für den Arsch sind, wie ein Nachbar immer zu sagen pflegt. Der ist nämlich auch schon seid zwei Jahren auf Wohnungssuche, findet aber keine. Entweder sind sie viel zu teuer, oder es sind die letzten Bruchbuden. Das wollte ich nur am Rande erwähnen.

Renate und Wolfgang machten sich an den Abwasch. Er trocknete ab und fragte sie dabei: „Gibt es etwas Neues im Viertel, schließlich war ich fast zwei Wochen nicht hier?“ Renate: „Eigentlich nicht. Das heißt doch. Im alten Laden von Frau Huber, kommt ein Gemeindezentrum herein. Es sollen sich drei Sozialarbeiter, um die Belange der Einwohner des Viertels kümmern.“ Wolfgang: „Du meinst den Lebensmittelladen, der schon drei Jahre leer steht?“ Sie nickte und antwortete: „Genau der.“ Er fragte weiter: „Und um was kümmern die sich dann? Muss man jetzt bei denen den Hartz IV Antrag ausfüllen und abgeben?“ Renate: „Keine Ahnung, aber im Flur habe ich noch den Flyer liegen, den mir einer der Sozialarbeiter in die Hand gedrückt hat.“ Wolfgang: „Wurde auch Zeit, dass die vom Rathaus etwas unternehmen, schließlich sind wir wie Neukölln und Kreuzberg auch ein Problemviertel. Ich glaube aber nicht, dass die Sozial fuzzis was erreichen. Die haben schon einmal vor Jahren das Gleiche versucht und sechs Monate später, war der Spuk vorbei. Wie viele haben sie dieses Mal abgestellt?“ Renate: „Es waren zwei Männer und eine Frau, alle so um die Mitte dreißig. Aber ich muss sagen, sie waren sehr freundlich. Mitte Januar eröffnen sie das Gemeindezentrum offiziell. Wenn du aber etwas wissen willst, kannst jetzt schon telefonisch nachfragen. Das steht aber alles auf dem Flyer.“ Wolfgang: „Gibt es bei der Eröffnung auch was zu futtern?“ Renate: „Du denkst auch nur ans essen, frag lieber einmal nach, wer die 120.- Euro Zuzahlung fürs Krankenhaus übernimmt.“ Wolfgang: „Ich dachte du warst schon beim Amt und bei der Kasse?“ Renate: „Versuch es einfach, vielleicht kennen die eine Möglichkeit, dass wir nicht bezahlen müssen. Probieren geht bekanntlich über studieren.“ An der Haustür klingelte es. Wolfgang fragte: „Erwartest du noch jemand?“ Renate: „Ich habe keinen eingeladen. Das wird bestimmt wieder Inge sein. Sie geht jeden Tag einkaufen, aber immer vergisst sie etwas.“ Wolfgang legte das Geschirrhandtuch beiseite und ging zur Haustür. Wie er öffnete, riefen auf einmal vier Nachbarn ganz laut: „Überraschung.“ Jeder streckte ihm etwas entgegen. Es waren Wein, Sekt und einen selbstgebackenen Kuchen. Inge hatte noch Kaffee mitgebracht und meinte: „Schön, das du wieder zu Hause bist. Was ist, sollen wir da draußen in der Kälte Wurzeln schlagen? Oder glaubst du, du könntest mit Renate zusammen, alles allein futtern und trinken?“ Wolfgang antwortete: „Ich weiß jetzt gar nicht was ich sagen soll, am Besten, ihr kommt erst einmal herein.“Wie alle im Wohnzimmer standen, kam Renate aus der Küche und Inge sagte zu ihr: „Wir haben uns gedacht, wir überraschen Wolfgang mit einer Überraschungsparty.“ Renate: „Und aus welchem Grund, er hat weder Geburts- noch Namenstag?“ Inge: „Na, weil er wieder gesund und munter unter uns weilt. Gott sei Dank war es nicht so schlimm. Bringst du bitte Tassen und Teller, den Kuchen habe ich selbst gebacken.“An diesem Abend gab es reichlich Kaffee, Kuchen und Sekt. Und die Freude darüber, dass Wolfgang wieder gesund aus der Klinik entlassen wurde, war echt und nicht gespielt. So einfach geht Mitgefühl und Nachbarschaft, wenn man es will. Aber viele Mitmenschen können gar keine Gefühle mehr zeigen. Teils liegt es daran, weil sie schon zu oft enttäuscht wurden, oder schlicht und einfach abgestumpft sind. In unserer Zeit ist das schon fast Normalität geworden. Jeder für sich, die anderen sind mir egal. Hauptsache ich und davon viel und reichlich. Geld regiert die Welt, da stören Gefühle nur. Oft bleibt da, die Ehrlich- und Menschlichkeit auf der Strecke.Renate hielt Wort. Sie ließ Wolfgang erst eine Woche später wieder auf die Strasse. Irgendwann am Nachmittag trennten sich ihre Wege. Wolfgang brache die gesammelten Flaschen zu verschiedenen Discountern und löste diese ein, während sich Renate vor ein renommiertes Bankhaus setzte, ihr Schild und einen Pappbecher auspackte. Still saß sie da und harrte der Dinge. Das brauchte sie auch, weil auf dem Schild stand: „Ich bin ein Opfer des Systems. Ich suche verzweifelt nach Arbeit, aber niemand stellt mich ein.“ Viele die aus der Bank kamen, nahmen nicht einmal Notiz von ihr. Hier und da blieb ein Kunde stehen und warf ihr ein paar Cent in den Becher. Nach drei Stunden packte sie alles zusammen und zog Bilanz. 10,45 Euro hatte sie erbettelt, was immerhin mehr war, als sie beim Flaschensammeln bekommen hätte. Am Abend kamen noch einmal 6,75 Euro von Wolfgang dazu. So hatten die beiden 17,20 Euro verdient, Geld das sie gut gebrauchen konnten, wie viele in der Warschauer Strasse. Zum Beispiel Familie Schröder, die nur drei Häuser weiter wohnte. Es ist eine vierköpfige Familie. Vater Karsten, 49 Jahre, Mutter Ute, 47 Jahre, sowie die beiden Kinder Uwe und Stefan mit 14 und 16 Jahren. Sie wohnten bereits seid 10 Jahren hier und hatten auch schon bessere Zeiten erlebt. Denn Vater Schröder, war inzwischen seid 13 Monaten arbeitslos und erhielt somit die Grundversorgung, sprich Hartz IV Leistungen vom Vater Staat. Vorher hatte er einen guten Job als Filialleiter einer Supermarktkette. Er verlor seinen Job, weil die Filiale wegrationalisiert wurde. Zu wenig Umsatz, besser gesagt, zu wenig Gewinn. So fielen dieser Maßnahme fünf weitere Arbeitsplätze zum Opfer. Nur die beiden Azubis kamen in einer anderen Filiale unter. War ja auch klar, erstens sind Azubis arbeitsrechtlich besonders geschützt und zweitens, sind es billige Arbeitskräfte. Trotz vieler Bewerbungen, bekam Karsten keine neue Arbeit. Und Ute ging es nicht besser. Sie hatte zuletzt vor 16 Jahren gearbeitet, aber wie ihre ältester Sohn Uwe auf die Welt kam und kurz danach Stefan, war an arbeiten nicht mehr zu denken. Mutter Ute führte den Haushalt und Papa Karsten schaffte die Kohle ran. Diese Rollenverteilung passte auch in Kartens politische Einstellung, war er doch stockkonservativ eingestellt und ein leidenschaftlicher Fan der Kanzlerin. Nur in letzter Zeit verstand er die Welt nicht mehr. Seine geliebte Kanzlerin tat etwas, was seine Grundfeste erschütterte. Sie ließ, aus welchen Gründen auch immer, in kürzester Zeit, eine Million Flüchtlinge ins Land. Und nicht nur das, es waren fast alle Moslems. Das hatte in seinen Augen, nichts mehr mit seiner Weltanschauung zu tun. Seiner Meinung nach, hatte seine Kanzlerin gegen geltende Gesetze verstoßen. Denn nach Artikel 16 Absatz 2, durften die Flüchtlinge gar nicht in Deutschland einreisen, weil sie aus sicheren Drittstaaten kamen. Aber egal wen er darauf aufmerksam machte, keiner wollte es hören. Bis auf ein einige Leute, die dem rechten Flügel angehörten. Sie waren durchweg derselben Meinung und schimpften bei jeder Gelegenheit, über die Kanzlerin. Markus spielte sogar mit dem Gedanken, der Kanzlerin bei der nächsten Wahl, die Stimme zu verweigern. Aber das alles, löste nicht das Problem mit seiner Arbeitslosigkeit. Der Frust saß tief. Lästern und schimpfen über die Politik der Regierung, wurde zur Manie. Das ging solange, bis er von der Arbeitsagentur, ein Stellenangebot bekam. Er sollte sich schnellstmöglich, bei einer Firma Scholz vorstellen, die suchten für diverse Baustellen in Berlin noch dringend Bauhelfer. Markus hatte alles andere als Fachwissen. Er konnte zwar einen Hammer von einer Zange unterscheiden, aber das war es dann schon. Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen und bei klammer Kasse, war er für jeden Job zu haben. Beim Vorstellungsgespräch, sagte er dies auch wahrheitsgemäß, wies aber daraufhin, dass er die Arbeit dringend brauchte und er lernwillig ist. Herr Scholz hatte ein einsehen mit seiner Lage und stellte ihn als Bauhelfer ein. Aber nicht zum tariflichen Mindestlohn von 11,30 Euro, sondern zum gesetzlichen Mindestlohn, von 8,80 Euro. Und für den Fall, dass eine Kontrolle vom Zoll käme, sollte er sagen, er wäre der Fahrer und würde nur aushelfen für diesen einen Tag. Markus sollte gleich am nächsten Tag anfangen. Wie er mit der freudigen Nachricht nach Hause kam, rechnete seine Frau Ute einmal nach, wieviel Markus verdienen würde. Die Bilanz war mehr als enttäuschend. Mit den Normalstunden würde er gerade einmal um die 1000.- Euro Netto verdienen, also weniger, wie mit Hartz IV. Würde er den Baumindestlohn bekommen, wären das immerhin fast 400.- Euro Netto mehr. Aber das würde immer noch nicht reichen, um seine Familie zu ernähren und die Fixkosten zu bestreiten. Die Fixkosten, Miete, Strom Heizung, Telefon und Versicherungen, betrugen alleine 1200.- Euro. Er müsste auf jeden Fall aufstocken und das bei einer Vollzeitstelle auf dem Bau. Ute und Markus führten an diesem Abend noch ein sehr langes Gespräch. Ute: „Dieser feine Herr Scholz, will dich von der ersten Minute an ausbeuten. Er betrügt dich um Mindestens 400.- Euro im Monat. Geld, das wir wieder auf dem Amt beantragen müssen. Wir kommen nicht darum herum, aufzustocken. Selbst wenn er den regulären Lohn bezahlen würde, müssen wir das, weil unsere Fixkosten zu hoch sind. Ich würde ja gerne auch arbeiten, aber wer will schon eine 47 jährige, die seid 16 Jahren nicht mehr gearbeitet hat. Nicht einmal bei Leihfirmen habe ich eine Chance. Nein, mein lieber Mann, wir müssen diesem Scholz dazu bringen, dass er dir den gesetzlichen Tariflohn bezahlt. Tut er das nicht, werden wir vor Gericht gehen, dort werden wir schon Recht bekommen.“ Karsten: „Dann wirft er mich hinaus und ich habe wieder keinen Job.“ Ute: „Besser keinen Job, als betrogen zu werden. Willst du vielleicht bis zur Rente, unter Wert arbeiten? Was glaubst du, wie dann deine Rente aussieht?“ Karsten: „Und wie soll ich das anstellen, dass ich den gerechten Lohn bekomme? Soll ich etwa zu ihm hingehen und mehr Lohn einfordern?“ Ute: „Nein, das brauchst du doch nicht. Lies was in deinem Arbeitsvertrag steht.“ Sie zeigte auf eine Stelle, wo „Entlohnung“ stand. Dann fuhr sie fort: „Du änderst einfach die Zahlen und trägst den tariflichen Mindestlohn ein und nur den unterschreibst du. Wenn er nicht damit einverstanden ist, gehen wir vor das Arbeitsgericht mit ihm. Sag ihm das morgen früh vor Arbeitsbeginn. Ist er damit einverstanden, gehst du zu deiner Arbeit, wenn nicht, gleich aufs Gericht. Aber lass dir auf keinen Fall den Arbeitsvertrag wegnehmen, dass ist nämlich der einzige Beweis dafür, dass er dich bescheißen wollte.“

.....

Am Ende der Warschauer Strasse in Nummer 142, hatten sich die die sogenannten „Intellektuellen “ einquartiert. Dort hausten seit Jahren mehre Wohngemeinschaften mit ehemaligen Studenten. Es waren insgesamt drei WGs, mit je vier Bewohnern und im Erdgeschoss wohnte Harald Koslowski, mit Gattin Johanna. Harald war alles andere als entzückt über die Wohngemeinschaften. Für ihn waren es nur abgewrackte Hippies und Gammler, deren Eltern ihnen kein Anstand und Disziplin beigebracht hatten. Er ließ kein gutes Haar an ihnen und brachte das auch immer, lautstark zum Ausdruck. Nach Alfred Tetzlaffs Manier nannte er sie immer „die Sozis“ oder „linke Zecken“, während seine politische Heimat sehr braun ist. Und nun können sie sich ja vorstellen, was täglich in diesem ehrenwerten Haus los war. Schräg gegenüber, in der Nummer 139 wohnten vier Familien, die noch reguläre Arbeit hatten. Sie hatten ein gutes Einkommen, was man auch an ihren Autos sah. Gehobene Mittelklassewagen standen abends vor der Haustür, natürlich mit Anwohnerparkplatz. Das war in Haus Nummer 135 ganz anders. Hier wohnten Familien, die teilweise drei Jobs hatten, nur um über die Runden zu kommen, aber trotz allem noch Mietzuschuss beantragen mussten. Eine verrückte Welt ist das. Da hat man Arbeit und kann nicht davon leben. Das war vor zwanzig oder dreißig Jahren noch anders. Da konnte ein Familienvater mit zwei Kindern, seine Familie als Alleinverdiener ernähren. Kein Wunder. Sie brauchen doch nur einmal die Mieten und die Strompreise von damals, mit denen von heute vergleichen. Über Gas, Wasser und Benzin will ich erst gar nicht reden, sonst bekomme ich noch einen dicken Hals. Und dann steht unsere herzallerliebste Kanzlerin auf dem Podium und erklärt uns, dass jeder Deutsche im Schnitt 3.000.- Euro Netto verdient. Da frage ich mich doch, wer hat dieser Frau, diesen Schwachsinn erzählt? Aber wie heißt es doch so schön, traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Glauben sie mir, ich habe einen sehr großen Bekanntenkreis, aber kein Normalo von ihnen verdient diese 3.000.- Netto. Da liegt das Einkommen im Schnitt zwischen 1.800.- und 2.300.- Euro Netto. Von denen die weit mehr verdient haben, sind viele zum Hartz IV Empfänger geworden. Aber zurück zur Warschauer Strasse. Es ist sehr bunt hier. Insgesamt wohnen hier Menschen aus 16 Nationen und das nicht nur erst seid ein oder zwei Jahren. Viele von ihnen sind schon zehn, fünfzehn und mehr Jahre hier. Drei Generationen sind häufig unter einem Dach vereint. Da stellt sich nun die Frage, wie klappt das mit der Verständigung, wie redet man miteinander. Deutsch sprach fast keiner von ihnen und wenn dann nur gebrochen. Die Lernwilligkeit hält sich in Grenzen. Man lernt eben nur das, was einem von Nutzen ist, ansonsten wurstelt man sich durch. Irgendeiner wird sich schon bereit erklären, das Formular auszufüllen, den Weg zeigen oder zum Arzt zu bringen. Die Behörden sind ja meistens mit Dolmetscher ausgestattet, so dass es nicht nötig ist, weiter die fremde Sprache zu lernen. In Kanada, Australien oder Amerika ist das anders. Wer die Sprache nicht spricht oder lernt, muss eben wieder gehen oder darf erst gar nicht ins Land. So einfach gestalten andere Länder ihre Einwanderungspolitik. Entsprechend sieht es dann auch mit der Integration aus. Aber darauf möchte ich jetzt nicht eingehen, schließlich geht es in diesem Buch um soziale Missstände. Es wohnen auch viele alte Menschen in der Strasse, so auch in der Nummer 65, Erna Wittemeyer. Sie ist stolze 80 Jahre alt und für ihr Alter noch sehr rüstig. Nur vergisst sie manchmal Dinge, die sie noch tun oder besorgen wollte. Fürsorglich ist sie deshalb zu ihrem Hausarzt gegangen und hat sich untersuchen lassen. Der meinte aber nur, dass dies in ihrem Alter normal ist und sie sich keine Sorgen machen sollte. Über ihr wohnte Ilona Gerber, eine ehemalige Krankenschwester. Sie war 65 Jahre und seid ein paar Monaten in Rente. Ilona war froh darüber, hatte sie doch nur mit sehr viel Mühe noch ihren Dienst im Krankenhaus geschafft. Ihre Hüfte war das Problem. Sie hätte schon vor einem Jahr eine Hüftprothese implantiert bekommen sollen, aber sie weigerte sich strikt dagegen, weil sie Angst vor einer Frühverrentung hatte. Ilona kümmerte sich um Erna, wann immer es ihr zeitlich möglich war. Sie war es auch, die sie zur Untersuchung zum Hausarzt geschickt hatte. Die beiden saßen nun jeden Tag beisammen. Entweder kochten sie, oder tranken Kaffee miteinander. Unten im Erdgeschoss war vor kurzem ein junges Pärchen eingezogen. Sie hieß Ellen Kramer war 26 Jahre alt und arbeitete für 1200.- Euro Netto, als Auffüllkraft in einem großen Kaufhaus. Ihr Mann Jonas, 27 Jahre, war auf dem Bau als Zimmermann beschäftigt. Sein Verdienst lag bei knapp 1900.- Euro Netto. Sie gehörten somit zu den Spitzenverdienern in der Strasse. Sie hatten zwei Autos, fuhren einmal im Jahr in Urlaub und hatten eine komfortable Wohnungseinrichtung. Eigentlich alles was man sich wünscht. Nicht ganz. Ellen hatte seid geraumer Zeit darüber nachgedacht, ob sie nicht ein Kind bekommen sollte. Als sie ihren Wunsch Jonas gegenüber äußerte, war dieser alles andere als erfreut. Jonas: „Ich dachte, wir sind uns einig, dass wir erst in ein paar Jahren ein Kind wollen. Woher kommt bei dir der plötzliche Sinneswandel?“ Ellen: „Ich werde nicht jünger und meine biologische Uhr tickt. Noch bin ich jung und ein Kind braucht nun einmal eine junge und gesunde Mutter. Zudem haben alle meine Freundinnen schon ein oder zwei Kinder.“ Jonas: „Nur weil andere Frauen Kinder haben, müssen wir noch lange nicht welche zeugen. Ich dachte immer, wir schaffen uns erst eine eigene Wohnung oder ein Häuschen an. Viele meiner Freunde haben gebaut, oder eine Eigentumswohnung. Ich bin der Meinung, wir sollten noch mindestens fünf Jahre mit dem Kind warten. Wir haben dann bis dahin genug gespart, dass wir uns zumindest eine Wohnung kaufen können.“ Ellen: „In fünf Jahren bin ich über dreißig, wer garantiert mir, dass ich dann noch Kinder bekommen kann? Nein, das ist mir zu gefährlich. Und wenn es doch klappt, ist die Gefahr ein behindertes Kind zu bekommen, doch um einiges größer.“Jonas: „Hast du dir auch einmal über die finanziellen Seite Gedanken gemacht? Weißt du, auf was wir alles verzichten müssen, wenn ein Kind da ist? Wir hätten nur noch ein Einkommen und bei den heutigen Preisen von Strom, Gas, Miete und Sprit, wird dieses Geld gerade reichen, um nicht in Armut zu versinken.“ Ellen: „Jetzt übertreibe Mal nicht. Wir bekämen immerhin auch Kindergeld und steuerliche Entlastungen.“ Jonas: „Diese Entlastungen würden wir auch bekommen, wenn wir bauen. Und ganz ehrlich, ist mir eine Eigentumswohnung oder ein Haus lieber, als ein schreiendes Kind.“ Ellen: „Ach, daher weht der Wind, du kannst Kinder nicht leiden, sag das doch gleich.“ Jonas: „Das habe ich doch überhaupt nicht gesagt. Ich wollte einfach nur zum Ausdruck bringen, dass ein Kind uns finanziell sehr einschränken würde. Überlege doch einmal ganz sachlich wie unser Kind aufwächst. Wir haben im Augenblick 3100.- Euro zur Verfügung. Mit allen Fixkosten wie Miete, Versicherungen, Handy, Strom, Nebenkosten und Sparvertrag, bleiben uns noch 1000.- Euro übrig. Also weniger, wie du verdienst. Und wenn ein Kind da ist, kannst du zumindest im ersten Jahr nicht mehr arbeiten. So, und nach einem Jahr brauchen wir einen Kitaplatz. Die aktuelle Wartezeit dafür beträgt aber zwei Jahre, für einen freien Platz, das heißt wir müssten unser Kind jetzt schon anmelden, obwohl es noch nicht gezeugt und geboren ist. Da das nicht geht, verlieren wir ein weiteres Jahr. Und da die Kita Kleinkinder nur bis 14:00 Uhr beaufsichtigt, käme nur ein Halbtagsjob für dich in Frage.“ Ellen: „Kinder plant man nicht nach dem Geldbeutel, sondern sind ein Produkt der Liebe.“ Jonas: „Wir haben uns bisher auch ohne Kind geliebt, ich sehe nicht ein, warum wir das ändern sollen. Und wie geht es danach weiter? Wir bräuchten eine größere Wohnung, was bei der derzeitigen Wohnungslage sowieso sehr schwierig ist. Wenn wir mit viel Glück eine bezahlbare finden, dann wird es nur außerhalb von Berlin sein. Dies bedeutet, dass einer von uns auf seinen Wagen verzichten müsste, weil unser Einkommen nicht reicht.“ Ellen: „Und in fünf Jahren ist das alles anders?“ Jonas: „Dann bräuchten wir wenigstens keine Miete mehr bezahlen.“ Und diese Diskussion ging bis tief in die Nacht. Als Ellen dann noch sagte, dass sie am liebsten ganz zu Hause bleiben würde, um sich um die Kinder und den Haushalt zu kümmern, war für Jonas Schicht im Schacht. Jonas: „Habe ich das gerade richtig verstanden, Kinder und Haushalt? Bist du irre? Zuerst nur ein Kind und nun gleich zwei? Du glaubst doch nicht, dass ich zehn bis fünfzehn Jahre lang auf Hartz IV Niveau lebe, nur weil es dir in den Kram paßt. Liebe ist ja schön und gut, aber so nicht, meine Liebe Ellen. Sag mir einen vernünftigen Grund, warum ich mir das antun soll?“ Ellen: „Vielleicht, weil wir uns lieben?“ Jonas wusste nur eine passende Antwort für sich, aus dem Schlafzimmer ausziehen um auf der Couch zu schlafen. Damit hing für Wochen, der Haussegen schief. Aber so, oder so ähnlich, geht es vielen Paaren in Deutschland. Sie stehen im Konflikt, entweder Kinder oder vernünftig leben. Das ist auch ein Grund dafür, warum immer weniger Deutsche Ehepaare sich für Kinder entscheiden. Und warum ist das so? Betrachten sie sich doch einmal nur die Mieten, Nebenkosten, so wie Strom, Gas und so weiter. Während die Löhne in den letzten 15 Jahren nur gering stiegen, kletterten die Preise für Mieten und Strom bis zu 60% in die Höhe. Allein die Mieten, rissen ein großes Loch in die Haushaltskasse. Hier ein Beispiel. Mein direkter Nachbar bezahlte noch vor 25 Jahren 400.- DM, für eine 78 m² Wohnung. Heute muss sein Nachmieter 600.- Euro dafür berappen. Wären die Löhne auch so gestiegen, dann müsste mein Nachbar von anfänglichen 15.- DM, heute 22,50.- Euro verdienen, er hat aber nur 16.- Euro Stundenlohn. Und bei den Strompreisen ist es ähnlich. So kostete ein Kilowatt 1990 noch 0,30 DM und heute etwa 0,30 Euro. Und so lässt sich die Liste beliebig erweitern mit Gas, Wasser, Benzin und anderen Heizmitteln. Für einen Ster Holz bezahlte man vor zehn Jahren 38.- Euro und inzwischen liegt er bei 76.- bis 120.- Euro. Das ist auch ein Grund mit dafür, warum Paare auf ein Kind verzichten. Mit einem Kind könnte man sich noch arrangieren, aber mit zwei Kindern geht das nicht mehr. Und das hat zur Folge, dass Deutschland seit Jahren schrumpft, wir werden immer weniger. Da liegt der Hase im Pfeffer. Während wir immer weniger werden, leben wir auch noch länger. Wie gemein ist das denn. Dies hat zur Folge, dass immer weniger Beitragszahler für unsere Rente aufkommen müssen. Und wie löst man das Problem? Beiträge erhöhen? Nein das kommt gar nicht in Frage, weil das Millionen von Arbeitsplätzen kosten würde. Also setzt man das Renteneintrittsalter von 65 auf 67 Jahren hoch und senkt gleichzeitig das Rentenniveau auf 46% ab. Wow, dass ist eine politische Spitzenleistung. Da ist doch schon eine Welle von Altersarmut programmiert. Wann wachen unsere Politiker endlich auf. Mit Mindestlöhnen zwischen 6,50 und 8,85 Euro ist kaum eine hohe Rente zu erwarten, da ist Altersarmut schon programmiert. Mit so geringen Löhnen, subventionieren wir indirekt die hohen Gewinne der Arbeitgeber und das langfristig. Und die andere Alternative ist, man holt jedes Jahr zwischen 300- und 400.000 Facharbeiter aus dem Ausland nach Deutschland. Na ja, es müssen ja nicht alle Fachkräfte sein, da könnte man doch auch Flüchtlinge und Asylanten einsetzen. Das würde Kosten senken und die hätten wenigstens eine Beschäftigung, oder nicht? Meine Damen und Herren aus Berlin, ihr habt den Knall auch nicht gehört. Billige Löhne, heißt auch weniger Beiträge zur Rentenversicherung. Damit stopft man keine Löcher, sondern verschärft die Lage der Rentenkasse nur noch mehr.

Ende Dezember betraten die drei Sozialarbeiter ihre neue Wirkungsstätte. Noch sollten sie keinen Dienst an der Bevölkerung machen, sondern ihre Büros einrichten und die Lage sondieren. Und vor allem sollten sich die drei erst einmal richtig kennenlernen. Sie arbeiteten zwar alle im Sozialreferat, aber in verschiedenen Abteilungen und Stadtteilen. So kam es, dass sie sich nur dem Namen nach kannten. Ihr Chef Dr. Walter, hatte sie gestern nur kurz miteinander bekannt gemacht und ihnen dabei ihren neuen Job mitgeteilt. Chef des neuen Gemeindezentrumswurde Frau Andrea Vogler. Sie war 36 Jahre alt und arbeitete bereits seid 18 Jahren im Sozialreferat. Sie hatte die meiste Erfahrung, was Familienangelegenheiten betraf. Ihr Stellvertreter wurde der Streetworker Sascha Brams. Er ist 33 Jahre alt und für die Jugend zuständig. Und der dritte im Bunde ist Streetworker Ole Harmsen. Ole ist mit seinen 30 Jahren der Jüngste und sein Fachgebiet waren Integrationsmaßnahmen für Migranten und Flüchtlinge. Alle hatten zwei Dinge gemeinsam, sie waren nicht verheiratet und reine Workaholicer. Privatleben kannten sie nicht und waren quasi rund um die Uhr im Dienst. Das war auch der Grund dafür, dass sie keine Partner hatten. Welcher Mann oder Frau macht das lange mit, das man dauernd versetzt oder vertröstet wurde. Nach der Begrüßung betraten sie zum ersten Mal ihr gemeinsames neues Büro. Die Bodenleger und die Maler räumten gerade ihren letzten Müll weg, da kam auch schon die Spedition, die diverse Möbel vom Lager brachten. Schränke, Schreibtische, Sessel und Stühle, sowie des technische Equipment. Sie erklärten den Möbelpackern, wo sie alles hinstellen sollten und am Abend war alles an Ort und Stelle. Jeder von ihnen hatte sein eigenes Büro, die mit Fenster versehen waren. So konnte man immer sehen, was gerade im Büro geschah. Und im Eingangsbereich, hatten sie noch ein großes Gemeinschaftsbüro, in dem sie außerhalb der Öffnungszeiten noch sitzen und beraten konnten. Am nächsten Tag richteten sie alles ein. Ordner, Akten, Formulare und Broschüren, eben alles was ein Gemeindezentrum so braucht. Zwei Tage später nahmen sie inoffiziell ihren Dienst auf. Gemeinsam gingen sie durch ihr Viertel und sprachen mit den Leuten. Dabei verteilten sie Flyer, die sie jedem der Interesse hatte, in die Hand drückten. In einem kleinen Imbiss kehrten sie ein und bestellten sich Kaffee. Der Besitzer war Türke und lebte schon 35 Jahre in dem Viertel. Er hieß Ali Özhan und fragte die drei: „Sie sind neu hier, was machen sie hier? Sie haben das alte Lebensmittelgeschäft von Frau Huber gemietet, eröffnen sie auch ein Lokal?“ Andrea Vogler antwortete: „Keine Angst, wir machen ihnen keine Konkurrenz. Wir betreuen das neue Gemeindezentrum, das am 2.1. eröffnet wird. Ich bin Andrea Vogler und das sind meine Kollegen, Sascha Brams und Ole Harmsen.“ Ali gab jedem die Hand und fragte weiter: „Gemeindezentrum? Für was? Wir haben doch das Sozialamt und das Arbeitsamt, da gehen alle hin, wenn sie was wollen.“ Andrea klärte Ali auf: „Unsere Aufgabe ist es, den Bürgern dieses Viertels mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Wenn es zum Beispiel Probleme innerhalb der Familie, oder wenn es Schwierigkeiten mit dem Vermieter oder Arbeitgeber gibt, so in etwa. Immer wenn sie Probleme haben, sind wir dafür da, um ihnen zu sagen was ihre rechtlichen und gesetzlichen Möglichkeiten sind. Wir wollen aufklären und beraten und das alles kostenlos.“ Ali: „Dann bekommen wir bei ihnen Wohnungen und Arbeit?“ Ole antwortete: „Nein, weder Arbeit, Geld, noch Wohnungen. Wir helfen lediglich wenn es einmal Probleme gibt. Auch bei Deutschkursen und andere Integrationsmaßnahmen sind wir behilflich. Hier ist eine Broschüre, da steht alles drin. Ist auch auf Türkisch und Arabisch übersetzt.“ Andrea: „Dürfen wir einige der Broschüren hier bei ihnen auf der Theke auslegen?“ Ali nahm die Broschüre und blätterte darin, nach einer Weile meinte er: „Lassen sie die Hefte hier, isst ja kein Brot. Aber ich glaube nicht, dass sie sehr viel zu tun haben. Wir im Viertel lösen unsere Probleme lieber selbst, dann müssen wir auch nicht Danke sagen und vor allem, kennt keiner unsere Probleme.“ Andrea: „Egal wer zu uns kommt, keiner erfährt worüber wir gesprochen haben. Darauf haben sie unser Ehrenwort, wir haben nämlich eine Schweigepflicht.“ Ali: „Wie bei Anwalt?“ Sascha: „Nicht ganz so, aber in etwa. Wenn wir von einer schweren Straftat erfahren, müssen wir sie zur Anzeige bringen. So will es nun einmal unser Gesetz, das gilt für alle Bürger dieses Landes. Das Grundgesetz ist für jeden bindend, auch für uns. Das ist in der Türkei auch nicht anders.“ Ali: „Mit Bakschisch lässt sich bei uns vieles Regeln.“ Andrea: „Das ist Bestechung oder Korruption und das ist auch in der Türkei strafbar. Wir sind nicht bestechlich, denn Recht muss Recht bleiben.“ Ole meldete sich nun und sagte: „Ich glaube wir müssen dann wieder los, wir haben noch ein großes Pensum vor unserem Urlaub vor uns. Ab 2. Januar sind wir für alle hier im Viertel da. Wir möchten bezahlen.“ Ali: „Nein, sie waren meine Gäste, oder ist das schon Bestechung?“ Andrea: „Vielen Dank, Herr Özhan. Ein Kaffee ist noch keine Bestechung. Das nächste Mal, geben wir ihnen einen Tee aus. Bitte machen sie etwas Werbung für unser Gemeindezentrum, wir können jede Hilfe gebrauchen. Auf gute Zusammenarbeit.“ Sie verließen den Imbiss und Andrea zog eine Liste aus ihrer Tasche. Auf der waren alle Geschäfte, Firmen und Lokale aufgeführt, die es in diesem Viertel gab. Andrea: „Es sind noch 24 Lokalitäten und Firmen die wir informieren müssen. Wir haben nur noch drei Tage Zeit, bis zum Urlaub. Ich denke, wir teilen uns auf, dann sind wir schneller fertig. Wer macht was?“ Sie drückte ihre Kollegen je eine Kopie in die Hand und Ole meinte: „Ich klappere alle Lokale ab und danach die Geschäfte.“ Sascha: „Dann kümmere ich mich um die Institutionen, Kindergärten und Schulen.“ Andrea: „OK, dann besuche ich alle Firmen und deren Nachbarschaft. Wir treffen uns um 16:30 Uhr im Büro. Bis bald.“ Und so machte sich jeder auf den Weg. Es war wichtig, dass alle Einwohner des Viertels über die bevorstehende Eröffnung zu unterrichten. Am sinnvollsten ging das nun einmal über die Geschäfte und Lokale, weil die doch am meisten frequentiert wurden. Denn Mundpropaganda ist immer noch die beste Werbung, für etwas was nichts kostet.

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