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Geschlossene Augen

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Ihr erinnert Euch? Ich hatte mich dem Rechtecker „Nase“ vorgestellt, der andere Rechtecker vermisste. Letzte Nacht träumte ich weiter, genau an der Stelle vom Strand, an der ich zuletzt aufgewacht war:

Nase bat mich, ihm suchen zu helfen. „Ich laufe sowieso noch ein Stück weiter am Strand entlang, wenn ich einen anderen von Euch treffe, zeige ich ihm den Weg zu Dir!“ „Das ist freundlich von Dir, Opi, ich geh und suche in den Dünen weiter!“ Und schon schnüffelte Nase wieder und bog landeinwärts. Es dauerte einen Augenblick, aber dann rief ich ihm hinterher „Wenn ich einen von Euch treffe, wie kann ich ihn denn zu Dir schicken, wenn Du jetzt vom Strand weggehst?“ Nase kam zurück. „Willst Du nicht einfach den Strand in der anderen Richtung absuchen?“, fragte ich ihn. „Nein, es riecht so, als sei hier wenigstens einer von uns in Richtung Dünen oder Wäldchen gegangen!“ Mir fiel das Märchen von Hänsel und Gretel ein, die sich im Wald eine Spur gelegt hatten, damit sie nicht verloren gingen. Ich erzählte Nase davon. Der war ganz begeistert. „Lass uns Muscheln dafür nehmen!“ Gesagt – getan.


Schon nach wenigen Minuten hatten wir eine Ecke Sand freigeräumt. Bald darauf waren wir mit unserem Werk zufrieden.

Auf der sandigen Fläche legten wir aus Schneckenhäusern und Muschelschalen einen Pfeil, der auf die Dünen und die dahinter liegenden Bäume zeigte.


„Und nun?“, fragte Nase. „Wenn ich einen von Euch treffe, dann sage ich ihm, dass er am Ufer bis zu dem großen Pfeil aus Muscheln entlang gehen soll. Dort kann er abbiegen und in Richtung Wäldchen gehen. Und irgendwo unterwegs riecht er Dich dann!“ „Nö“, meinte Nase, „so gut wie ich riecht keiner!“ Die Aussage war ja hintersinnig, dachte ich. Der kleine Kerl schien nach gar nichts zu duften. Er meinte bestimmt, „So gut wie ich kann keiner riechen!“ Ich sagte es aber nicht, weil alle behaupten, ich wolle immer ALLES besser wissen. Aber das stimmt nicht. Und überhaupt, von Rechteckern habe ich auch noch nichts gehört. Also sagte ich zu Nase nur: „Aber Du wirst ihn dann ja bestimmt riechen!“ Ich wollte weiter, zum einen bekam ich langsam Hunger und Durst, zum anderen wurde ich schon ein wenig müde. Wir verabschiedeten uns voneinander und Nase ging genau in die Richtung, die der Pfeil anzeigte.

Ich spazierte langsam am Flutsaum entlang und hielt lange Ausschau nach Rechteckern. Ich haderte auch ein wenig mit mir: Wieso war ich nicht auf die Idee gekommen, mich nach der Anzahl der Vermissten zu erkundigen? Warum hatte ich denn nicht gefragt, wie die anderen aussehen? Auch Nase war ja genau genommen kein Rechteck, er hatte zwar sechs Seiten, die ungefähr Rechtecke waren, aber wenn ich seine Form beschreiben sollte, dann würde ich wohl Quader verwenden.

Immer weitere Fragen kamen mir in den Sinn. Ich musste mir einen Ruck geben, damit ich wieder Meer, Himmel, Strand, Wind und Muscheln wahrnahm und genießen konnte. Nach ein paar Schritten waren Nase und seine anderen Kumpel nicht mehr wichtig.

Stattdessen nahmen Hunger und Durst zu, auch die Schläfrigkeit. Ich beschloss, nur noch bis zur nächsten Biegung der Küste am Strand zu bleiben.

Wo sollte ich in das Landesinnere abbiegen? Ich stellte mir die Karte von der Küste vor und träumte mir in der Nähe mitten in einem Wäldchen ein kleines Restaurant hinein. Es entstand vor meinem inneren Traumauge. Ich war dabei, mir eine Kellnerin mit der Speisekarte vorzustellen, als ich fast in einen weiteren Rechtecker hineingerannt wäre. Er stand mit geschlossenen Augen am Strand.


„Wer bist Du, müde schlurfender Mann?“, fragte mich dieser Rechtecker mit leiser, aber freundlicher Stimme. Er ließ die Augen zu, was mich sehr verwunderte. Er musste mich schon vor einer Weile erblickt haben.

„Ich bin Opi. Ich komme geradewegs von Nase.“ „Hallo, Opi! Ich heiße Öhrchen!“ stellte er sich vor. „Toll! Ich konnte Nase nur noch ganz leise hören und nicht bestimmen, aus welcher Richtung seine Schritte kamen. Ich höre viel, viel besser als ich sehe!“


Rechtecker

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