Читать книгу Märchen im neuen Gewand - Dagmar Herrmann - Страница 6

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Die sich langweilende Prinzessin

Über einem friedlichen, beschaulichen Tal reckt ein Schloss, umgeben von sanften grünen Hügeln, seine spitzen Türmchen, beflaggt mit kleinen bunten Wimpeln, hoch hinauf in den vorwiegend himmelblauen Himmel. Das Tal liegt im Reiche Klumperdeick, in dem friedliche, einfache Menschen leben, und hier herrscht König Klumperdeick derer von Klumperdeick mit seiner Frau Friedolinde und deren Tochter Rosemunde. Sie ist der Stolz und Sonnenschein und das einzige Kind des schon etwas ältlichen Königspaares, das der Prinzessin in ihrem kurzen Leben, sie ist ganze süße siebzehn, jeden Wunsch von den Augen abgelesen hat.

Rosemundes außergewöhnliche Schönheit ist weit über die Landesgrenzen bekannt. Dichter und Sänger werden nicht müde, ihren Liebreiz zu besingen und in Reime zu fassen, ihren schlanken Wuchs, das liebliche Antlitz, umrahmt von brünetten Locken, die zarte, pfirsichfarbene Haut, die haselnussbraunen Augen, über denen sich perfekt zwei Paar Augenbrauen wie Mondsichel wölben, den rosaroten Mund mit weichen vollen Lippen, unter dem ein wohlgeformtes Kinn das Ebenmaß ihrer Erscheinung vollendet. Nur ihre Nase ist zu ihrem Leidwesen ein klein wenig zu groß geraten und ragt vorwitzig, mit der Spitze einen leichten Bogen nach oben beschreibend, aus dem Gesicht. Diese kleine, eher unbedeutende Unregelmäßigkeit offenbart ihren größten Makel. Geht sie doch so, mit hoch erhobenem Haupt, die Nase immer ein wenig nach oben gerichtet, mit Verachtung und Hochmut gegen alles und jeden durchs Leben.

Aber, wie das so ist, die Menschen sind großzügig mit den Schönen, da sie uns mit ihrem Anblick erfreuen. So wurde sie trotz dieser charakterlichen Unvollkommenheit vom Hofstaat bis hin zu den Untertanen geliebt. Doch seit einiger Zeit plagt sie eine grenzenlose, erschlaffende, nimmer endende Langeweile. Sie hat sich wie ein dunkler schwerer Schatten auf ihr Gemüt gelegt und gibt ihren überfürsorglichen Eltern großen Anlass zu Sorge, und erschwert fortan allen, die mit ihr zu tun haben, das Leben.

Der König und die Königin sowie der gesamte Hofstaat bemühen sich nun schon seit Monaten redlich, die Prinzessin Rosemunde aufzuheitern und mit irgendetwas zu erfreuen. Auch im ganzen Land geben sich die Leutchen in den Stuben, in den Büros, in den Fabriken, in den Cafés und Gasthäusern, Kneipen und Spelunken, Läden und Kaufhäusern, eben überall, wo sie leben, arbeiten und wohnen, allergrößte Mühe, sich irgendetwas einfallen zu lassen. Wenn sie sich begegnen, auf der Straße, an den Haltestellen, Bahnhöfen, Raststätten, bei Tanz, Sport und Spiel, stellen sie sich gegenseitig die Frage: „Wissen Sie nicht irgendetwas?“ Dabei gehen die Blicke sorgenvoll in Richtung Schloss, denn das Land ist winzig, und bei guter Witterung ist das Schloss an allen Ecken und Kanten auch noch im äußersten Winkel des Königreichs gut sichtbar. Doch jedwede Versuche und Einfälle, waren sie auch noch so einzigartig und geistvoll, lustig oder aufregend, schlugen fehl.

An einem milden Frühlingstag, als sich Rosemunde wieder einmal gelangweilt und gähnend, lustlos mit einer goldenen Fliegenklappe nach den Stubenfliegen schlagend, auf dem seidenen Diwan rekelt und düster seufzend ihre übliche Klage anstimmt: „Mir ist ja sooooooo langweiliiiiiig!“, an diesem Tage sollte doch noch etwas Außergewöhnliches passieren.

Die Prinzessin liegt also wie hingegossen da und überlegt, wem sie wohl einen Schabernack spielen könne, um ihre Laune ein wenig aufzubessern. Ein kurzes Aufleuchten in ihrem mürrischen Gesicht, in dem sich zwischen den Augenbrauen vom ewigen Stirnrunzeln schon eine winzige kleine Falte bildet – da, liebe Mädchen, solltet ihr allesamt etwas achtsam sein – zeigt an, ihr ist etwas eingefallen!

Sie nimmt einen ihrer goldenen Schuhe der Edelmarke „Luisong Vuttong“ und versteckt ihn spitzbübisch schmunzelnd unter ihrem pinkfarbenen Seidenkissen, legt sich in malerischer Pose wieder zurück auf ihre Chaiselongue und ihren wohlfrisierten Kopf mit der Hochsteckfrisur auf das besagte Kissen.

„Adeline“, ruft sie die Zofe mit herrischer Stimme, „komm sofort her!“

Das Mädchen eilt mit hochroten Wangen herbei, denn nichts Gutes ist zu erwarten, wenn die Prinzessin in diesem Ton ruft: „Hier bin ich, Gnädigste!“

„Ich kann mein Pantöffelchen nicht finden, wohin hast du selbstvergessenes Wesen ihn hin verbummelt? Sofort beschaffst du mir meinen Schuh wieder! Wie soll ich denn noch einen Schritt ohne meinen Schuh tun?“

Mal abgesehen davon, dass sich noch mindestens 2000 Paar Schuhe in ihrem Ankleidezimmer befinden, tut Adeline augenblicklich wie ihr geheißen und kriecht auf allen vieren zur diebischen Freude der Prinzessin im Zimmer umher. Nach zehn Minuten vergeht Rosemunde allerdings der Spaß, und sie erlöst die arme Zofe aus ihrer misslichen Lage.

„Lass gut sein, hier ist er ja“, und damit zieht sie den angeblich verlegten Schuh wieder unter dem Kissen hervor. Dem geplagten Kammermädchen rollen die Tränen über die Wangen, als sie schluchzend das Zimmer verlässt.

„Alte Heulsuse!“, ruft ihr die Prinzessin noch nach.

Nun, diese amüsante Episode hat ein wenig Röte in ihre Wangen getrieben, und Rosemunde ist etwas aufgekratzter als sonst. Sie sinnt gerade über einen weiteren Streich nach, als der Lakai ihr einen Besuch anmeldet: „Der Prinz Lariliri von Schaumlöffel höchstselbst wünscht der allergnädigsten Prinzessin seine Aufwartung machen zu dürfen!“

„Der Prinz ist ein Langweiler wie er im Buche steht, aber warum nicht, hab ja sonst nichts zu tun“, denkt die Prinzessin bei sich.

Mit großem Brimborium tritt der Prinz ein, schwenkt seinen mit Pfauenfedern besetzten Hut und macht einen tiefen Bückling.

„Gestatten, allerwerteste Prinzessin, ihr ein kleines, ihrer Anmut und Schönheit natürlich nicht gerecht werdendes Präsent zu überreichen“, dabei streckt er ihr ein in tizianrotes Brokat geschlagenes Kästchen mit übertriebener Gebärde entgegen. Unwirsch nimmt Rosemunde es entgegen, klappt den Deckel auf und wirft nur einen kurzen Blick auf die Gabe. Eine Brosche, mit Saphiren und Brillanten besetzt, funkelt ihr entgegen.

„Was soll ich DAMIT!? Habe doch schon Zehntausende von Juwelen aller Art und Tausende von Broschen. Erbärmlich, bester Prinz, gut gemeint, aber recht einfallslos. Bitte es einer Magd zu schenken, die mag daran Gefallen finden! Hast du sonst nichts zu bieten, lieber Lariliri?“, schlägt das Kästchen mit dem kostbaren Geschenk wieder zu und reicht es ihm zurück.

Der letzte Satz ermuntert den Prinzen, und er erwidert hoffnungsfroh:

„Doch! Ich kann singen, habe eine sehr ausdrucksvolle Stimme, wie man mir immer wieder bestätigte, tanzen, den Walzer beherrsche ich perfekt; bin ein wagemutiger und geschickter Reiter, kann fechten, jagen, eben alles, was ein hochwohlgeborener Prinz können muss!“

Er seufzt erleichtert und begeistert von der langen Liste seiner hervorragenden Eigenschaften auf und blickt ihr erwartungsvoll in die schönen, betörenden Augen. Sein Herz schmilzt dahin wie Butter in der Sonne.

Doch Rosemunde kennt kein Erbarmen, zuckt nur verächtlich mit den Schultern und lässt ein ausgedehntes Gähnen hören, wobei sie sich keine erkennbare Mühe gibt, den Mund mit der Hand zu verbergen, wie nicht nur die höfische Sitte es vorschreibt. Da steht er nun, der eitle Pfau, mit hängenden Flügeln, sprich Armen, und schleicht wie ein begossener Pudel aus dem Raum. Beim Verlassen des Schlosses hört er noch im Treppenhaus ihr glockenhelles, schadenfrohes Lachen ihm nachklingen.

Unfreiwilliger Zeuge dieses peinlichen beschämenden Auftritts wird der Maître de cuisine, der Küchenmeister, der justament die Prinzessin aufsuchen wollte, um sie mit einer seiner Köstlichkeiten zu erfreuen. Wie er nun noch recht zögerlich vor der Tür steht und darüber nachsinnt, ob dies überhaupt der richtige Zeitpunkt ist, um einzutreten, wird die Tür von innen aufgerissen, und die Prinzessin steckt den Kopf heraus, um dem geschlagenen Prinzen noch kichernd nachzublicken.

„Hach, Küchenmeister, er kommt mir gerade recht, hat er was Feines mitgebracht?“, indem sie neugierig auf das Glasschälchen blickt, das er in den Händen hält.

„Trete er nur ein, was steht er da herum?“ Ob dieser freundlichen Ansprache folgt er ihr nun frohgemut in das Gemach. Er lüftet das kleine Leinentüchlein, das die Schale bedeckt, um sie seine neueste und eigenst für Rosemunde ausgedachte Kreation kosten zu lassen.

„Die Mousse au chocolate à la Rosemunde mit allerfeinster Himbeersoße, bereitet aus den Früchten des Schlossgartens …“, strahlt er sie an, denn alle wissen, sie liebt Naschereien; obwohl man es ihr nicht ansehen kann, verdrückt sie täglich eine Menge davon.

Prinzesschen fackelt nicht lange, langt mit den Fingern in die Schaumspeise und steckt sich ungeniert eine ordentliche Portion in den Mund, schleckt sich genüsslich wie eine Katze die possierlichen Pfötchen sauber und wiederholt dies so lange, bis das Töpfchen leer ist. Der Koch strahlt wie ein Honigkuchenpferd und freut sich schon auf das nun zu erwartende Lob, doch was folgt anstatt dessen?

„Pfui Teufel, was hast du da denn nur hineingetan! Das schmeckt wie eingeschlafene Füße! Und so was wagst du mir anzubieten! Scher dich weg, du Scharlatan!“

Sie nimmt das Glasschälchen und wirft es mit aller Wucht auf den Marmorboden, so dass es in tausend Teile zerspringt. Gut, dass sie es leer gegessen hat, so müssen zwei Mägde nur die Scherben aufkehren. Ebenfalls am Boden zerschmettert zieht sich der Küchenmeister in seine Küche zurück.

Aber heute geht es bei der Prinzessin zu wie im Taubenschlag. Der nächste Besucher, Müsjöh Schapka, der gefragteste Coiffeur und Manikürist des Landes, begehrt Einlass und will zu Diensten sein.

„Darf man eintreten, edelste Dame?“, tönt es vor der Tür. Rosemunde, die sich gerade wieder behaglich auf ihr Sofa gekuschelt hat, ein Bein in der Luft, um sich an der schönen Rundung ihrer Wade zu ergötzen, freut sich über die erneute Ablenkung. Dieser Tag beginnt sie zu interessieren!

„Bitte schön, herein, bester Meister!“ Müsjöh packt seine Utensilien aus, schnibbelt mit der Friseurschere in der Luft, wirbelt die Nagelfeile zwischen den Fingern wie ein Jongleur, reicht der Prinzessin einen Spiegel und schreitet zur Tat.

„Die neueste Mode, ma belle princesse, direkt aus Paris, die Haare UNBEDINGT kürzer. O non, diese Hochfrisur, absolut nicht mehr comme il faut!“, womit er meint: total out. Er fackelt nicht lange, und schnipp, schnapp, schon ist eine Locke abgeschnitten. Ach du liebe Güte, die Prinzessin geht hoch wie eine Rakete, da waren ihre vorhergehenden Ausbrüche nichts dagegen!

Das Folgende, man müsste es für sich behalten, das war nun wirklich ungebührlich. Sie befördert den armen Müsjöh Schapka mit einem Tritt in den Allerwertesten durch die Tür hinaus und lässt gleich sein gesamtes Handwerkszeug folgen. Jetzt weint sie allerdings auch ein paar Tränchen um ihre schöne Locke und schreit ihm, dem durch den Korridor Flüchtenden, noch hinterher: „Ihr kommt mir nicht wieder ins Haus, ein für allemal!“

Jetzt, da sie mal richtig in Wut geraten ist, hört sie Lärm vom Hof, öffnet die Fensterläden und gewahrt gemeines Volk, das sich bei einer Brotzeit zwischen Garten- und Hofarbeiten, mit Singen und Scherzen vergnügt. DAS hat ihr gerade noch gefehlt, sie wegen ihrer Locke in Trauer und dort unten ist man heiter, was erlauben sich diese Leute! Sie formt die Hände zu einem Trichter und brüllt so laut sie kann hinunter:

„Packt euch, Gesindel! Was stört ihr meinen Mittagsschlaf! Ich werde euch gleich Beine machen!“ Na, das Volk hat aber gleich diese in die Hand genommen und den Platz geräumt. Nun hat sie wieder Ruhe, ja, jede Menge Ruhe, und wieder passiert nichts!


Prinzessin Rosemunde

„O mein Gott, warum nur, warum? Es ist mir ja so langweilig!“

Sie schlägt die Hände vors Gesicht und gibt sich vor Selbstmitleid zerfließend gänzlich ihrem Kummer hin, bis sie, durch merkwürdige Geräusche wie Zischen und Knattern aufgeschreckt, die Ursache ergründend von ihrer Jammerhaltung Abstand nimmt, und mitten im Zimmer wie durch Zauberei ein altes gebücktes Weiblein vor sich stehen sieht, das auf dem Rücken einen Korb bis obenhin mit Äpfeln gefüllt trägt. Graue, widerspenstige Haare, ein paar Warzen verunzieren die Nase, das Gesicht ist runzlig wie altes gegerbtes Leder, aber in den Augen blitzt es freundlich, und ihre Stimme ist warm und einschmeichelnd, als sie sagt:

„Nehmt ein paar von meinen köstlichen süßen Äpfeln. Esst davon, glaubt mir, sie werden Wunder an euch vollbringen.“

Sie nimmt die Kiepe vom ihrem Buckel und holt eine Handvoll Äpfel hervor, die sie der Prinzessin entgegenhält. Zwar hat es dieser im ersten Moment die Sprache verschlagen, aber gleich ist sie wieder ganz die Alte und zetert:

„Wer hat dich überhaupt hier hereingebeten? Was erlaubst du dir? Und was soll ich bitte mit deinen verschrumpelten Äpfeln, Hutzelweib, die sind genauso verschrumpelt wie du!“, ergreift die Äpfel, nur um sie der Alten an den Kopf zu werfen.

Doch da richtet sich die alte bucklige Frau plötzlich kerzengerade zur vollen Größe auf. Eine seltsame Verwandlung vollzieht sich. Im Nu sind Buckel, Warzen und Falten ganz ohne plastische Chirurgie verschwunden, aus einem glatten, fein gebräunten, alterslosen Gesicht blitzen smaragdgrüne Augen. Mit einer weit ausholenden Gebärde holt sie jetzt aus den riesigen Taschen eines wallenden purpurroten Umhanges einen glänzenden Stab hervor, der an die Zimmerdecke irisierende Lichter wirft, lässt ihn einige Male über ihren Kopf kreisen, bis sie ihn drohend auf Rosemunde richtet und ihr schmaler roter Mund die Worte spricht: „Das soll dir schlecht bekommen, du hochnäsiges, undankbares Ding! Ich werde dir eine Lektion erteilen, die du nie wieder vergessen wirst. Ich, die große und amtlich beglaubigte Zauberin Melawiene, verfluche dich!

Wachse, wachse um die Achse, um die Beine, um den Leib eine Leine, schling um die Arme einen Ring. Masu masa, masachen, nun hast du nichts zu lachen, dirbel darbel, kommt heraus, treibt ihr ihren Hochmut aus!“

Kaum ist die Formel gesprochen, fängt der Marmorboden zu zittern und zu krachen an, die Platten heben sich, Wurzeln brechen hervor und heraus treiben starke Schlingpflanzen, die sich um die Prinzessin ranken und sie mit aller Macht an die Wand drücken. Dort klebt sie fest wie mit Uhu-Alleskleber angeleimt und kann sich nicht mehr vom Fleck rühren.

Sie schreit aus Leibeskräften um Hilfe:

„Hilfe, Hilfe, herbei, Adeline, Hofmarschall, Soldaten, Mama, Papa, herbei, helft mir!“

Der ganze Hofstaat kommt gelaufen und drängt sich, fast übereinanderfallend, in Angst und Schrecken versetzt ob dieses markerschütternden Geschreis in das Gemach. König Klumperdeick und Königin Friedolinde stürzen als Letzte, sie sind nicht mehr so gut bei Fuß, keuchend ins Zimmer und müssen sich den Weg durch die Menge erkämpfen, so dicht gedrängt steht das Volk auf das entsetzliche Schauspiel starrend, welches sich seinen Augen bietet.

Von den Versammelten weiß jeder, dass gegen die Zauberin Melawiene nichts auszurichten ist, denn sie ist mächtig. Sie tritt vor das Königspaar und spricht freundlich: „Die Prinzessin kann erlöst werden, wenn jemand kommt und gut für sie spricht. Nur ein einziger Mensch, der etwas Gutes über sie zu berichten weiß, kann sie erlösen.“

Unverzüglich werden die Umstehenden vom königlichen hohen Paar aufgefordert, Gutes zu sagen, aber da leert sich der Raum jählings, ein jeder und jede versucht mit gesenktem Kopf davonzuschleichen. Der König erwischt noch den Koch und Adeline, die Magd, am Schlafittchen und befiehlt:

„Sagt ihr etwas Gutes über mein liebes Kind!“, aber der Koch schüttelt den Kopf und antwortet: „Selbst wenn es meine Stellung kosten sollte, ich kann nichts Gutes sagen, so gerne ich möchte. Eure Tochter ist jähzornig und ungerecht.“

Die Magd Adeline sagt:

„Sie ist eitel und gemein.“

Da ergeht der Befehl des Königs an alle Bewohner im Lande, sich im Schloss einzustellen und etwas Gutes über die Prinzessin zu sagen. Auch der Prinz Lariliri erscheint und sagt: „Sosehr ich ihre Schönheit und ihren Anmut bewundere, sie ist hochnäsig und grausam.“

Müsjoh Schapkas Meinung:

„Sie ist böse und ungehobelt.“

Im ganzen Lande will sich niemand finden, der über die Prinzessin Rosemunde etwas gutsagen kann.

Doch das königliche Elternpaar gibt nicht auf. Rittersleut aus nah und fern werden gerufen, um den Ranken mit ihren scharfgeschliffenen Schwertern, natürlich unter Berücksichtigung der erforderlichen Sorgfalt, denn die schöne Gefangene könnte verletzt werden, den Garaus zu machen. Vergebliche Liebesmüh! Nun versuchen es Zimmerleute mit Sägen, Holzfäller mit Äxten, Gärtner mit riesigen Gartenscheren, die Schlingen zu zerteilen, alles vergebens. Sobald ein Zweig durchtrennt ist, wächst augenblicklich ein neuer nach.

So hängt sie an der Wand, gehalten von den unerbittlichen Schlingpflanzen, und muss sich füttern und pflegen lassen wie ein kleines Kind. Sie weint Tag und Nacht, denn an Schlaf ist kaum zu denken, Arme und Beine schmerzen, und überall hat sie schon blaue Flecken. Darunter leidet naturgemäß auch ihre Schönheit: Verquollene Augen, trockene Lippen, das glänzende Haar ist stumpf geworden, obwohl doch alles getan wird, sie zu versorgen. Der König und die Königin sind verzweifelt und haben keine Hoffnung mehr.

Da klopft eines Tages ein einfacher Bursche vom Land an das Schlosstor und bittet, vorgelassen zu werden, indem er behauptet:

„Ich, der Schustergesell Florestan, weiß etwas Gutes über die Prinzessin Rosemunde zu sagen!“

Wie man sich denken kann, wird flugs seinem Wunsch entsprochen. Lange hat es gedauert, bis er von dem Unglück erfahren hat, denn er war auf Wanderschaft als Handwerksgeselle. Als er aber von dem Fluch gehört hat, ist er ohne zu zögern aufgebrochen, um die Prinzessin zu erlösen.

Seine Geschichte lautet folgendermaßen:

Vor langer Zeit sei die Prinzessin einmal mit der Kutsche an ihrem Dorfweiher vorbeigefahren, sie habe angehalten und sei ausgestiegen, um sich ihr Spitzentüchlein zu wässern und sich zur Erfrischung die Augen damit zu benetzen, und habe dort ihn angetroffen. Er habe am Weiher gesessen und geweint, seine Arme um die Knie geschlungen und vor sich hin geschluchzt. Die Prinzessin, die damals noch ein Kind war, er selbst nicht viel älter als sie, und wie Kinder so sind, noch ein mitleidiges und empfängliches Herz hatte, habe ihn nach der Ursache seines Kummers befragt. Da erzählte er ihr, dass seine Mutter schwer krank mit einer Lungenentzündung darniederliege und sie das Geld für einen Arzt nicht aufbringen könnten, so müsse die Mutter womöglich, nein, sehr wahrscheinlich sterben. Er habe erneut aufgeschluchzt, die Hände vors Gesicht geschlagen, und die Tränen seien ihm durch die Finger gequollen, so bitterlich und verzweifelt habe er damals um seine kranke Mutter geweint. Da habe die Prinzessin von ihrem Halse die Perlenkette genommen und sie ihm geschenkt, sie sei viele goldene Dukaten wert, habe sie gesagt und ihm und seiner Mutter alles Gute und Genesung gewünscht. Dann sei sie mit der Kutsche davongefahren und habe noch mit ihrem feinen Spitzentüchlein zum Abschied gewinkt. So sei die Mutter dank des gütigen Herzens der Prinzessin wieder genesen.

Als die Königin und der König die Geschichte hören, fallen sie sich vor Glück und Erleichterung in die Arme. Jetzt endlich kann die Prinzessin aus ihrer qualvollen Lage befreit werden! Wo ist die verdammte Zauberin, sie soll doch ihren Erlösungsspruch sprechen! Und Potzblitz und Zack, da ist sie wieder:

„Komme wie gerufen und beschworen…“, Zauberin Melawiene hebt ihren Zauberstab und … eine Weile verharrt er unbeweglich in der Luft.

Eine Weile tut sich nichts, Melawiene zögert. Das Königspaar, Florestan und mit angstvoll weit aufgerissenen Augen die Prinzessin halten den Atem an. Die Zauberin senkt den Zauberstab wieder und sagt:

„Ich weiß, ich habe versprochen, sie zu erlösen, wenn jemand etwas Gutes über sie sagt. Ich habe aufgrund ihres wankelmütigen Wesens Bedenken, dass sie nach kurzer Zeit wieder rückfällig wird. Damit sie jedoch zu ihrem eigenen Besten eine nachhaltige Lehre daraus zieht, muss sie noch eine Bedingung erfüllen! Sie soll diesen wackeren Burschen heiraten und ein Jahr mit ihm in seinem Dorf leben. Hat sie diese Probezeit bestanden, kann sie wieder ins Schloss zurückkehren und dort mit ihrem Gemahl glücklich werden!“

„WAS? Ich soll diesen Bauerntölpel heiraten?“, tönt es aus dem Munde der an die Wand gefesselten Prinzessin, aber schnell beißt sie sich auf die Zunge und lässt zuckersüß die Worte folgen: „… den wackeren Landmann heiraten, mit Freuden! Nur befreit mich endlich!“

Die Zauberin spricht nun ihren Erlösungsspruch, der ungefähr so ging:

„Contrabus, Ambraxom librax mobilitas, perpetuum, dreht alles um!“ Alle bei dieser Zeremonie Anwesenden wurden auf Dringlichste von Melawiene gewarnt, ihn jemals auszusprechen, da es entsetzliche, unumkehrbare Folgen für jeden einzelnen habe würde. Von der großen unvergleichlichen Zauberin selbst besprochen, zeitigt er unverzüglich die ersehnte Wirkung: Die Schlingpflanzen fallen von Rosemunde ab wie welkes Laub.

Nun wird ein dankbares Freudenfest im Schloss gefeiert, wie es seinesgleichen noch nicht gefunden hat, und gleich am nächsten Tag Hochzeit, da waren die Hochzeitsfeierlichkeiten von Babs und Arne, dem Traumpaar jenes Jahres, wie etliche einschlägig bekannte Blätter und TV-Magazine schlagzeilten, ein Klacks dagegen. Im Königreich Klumperdeick sind allerdings keine Kameras zugegen, um das alles einzufangen, dabei hätte es uns doch wirklich interessiert, aber so müssen wir uns auf unsere Vorstellungskraft verlassen.

Die Prinzessin muss nun wohl oder übel, wohl mehr übel, mit ihrem Angetrauten aufs Land ziehen. Es lässt sich denken, dass der König und die Königin es nicht zugelassen haben, dass Florestan und Rosemunde in einer ärmlichen Hütte hausen müssen. Sie haben für das Paar als Hochzeitsgeschenk ein stattliches Bauernhaus mit einem malerischen, gleichzeitig ertragreichen Bauerngarten erstanden, ein Stück Land und Vieh dazu. Und, was soll man sagen, die Prinzessin findet Freude an dem einfachen Leben, sie lernt Brot backen, sieht begeistert zu, wenn der Teig geht und aus dem Backofen der Duft von frisch Gebackenem dringt, wäscht Wäsche im Bottich und hängt die frische Wäsche mit einem Lied auf den Lippen an der Leine auf. Sie wird dabei schöner und schöner und die Dorfbewohner lieben sie ob ihres freundlichen heiteren Wesens und ihrer holden Gestalt. Sie erntet die Früchte im Garten und auf dem Feld, die sie zusammen mit ihrem Gemahl gepflanzt und gesät hatte. Überhaupt, den Florestan, den hat sie richtig liebgewonnen, denn er ist, wie wir schon erfahren haben, ein gut gewachsener, hübscher Bursche mit braunem Haar, das ihm bis zur Schulter reicht, und blauen Augen, so blau wie das blaueste Blau des Himmels, und kräftigen Händen, die zupacken können, allerdings mit so zartgliedrigen biegsamen Fingern, wie sie für einen Landmann recht ungewöhnlich sein dürften. Da denkt sich manchmal schon die schöne Rosemunde, ob ihr Schatz nicht doch zu etwas Höherem geboren ist. Kurzum, zwei Herzen finden zueinander.

Als nun das Jahr Probezeit herum ist, kommen König und Königin mit der Karosse vorgefahren, um die beiden ins Schloss zu holen. Arm in Arm treten ihnen Rosemunde und Florestan schon an der Gartenpforte entgegen. König Klumperdeick und Königin Friedolinde sehen sich erfreut und bedeutungsvoll in die Augen, und die Königin flüstert entzückt: „Sind sie nicht ein schönes Paar“, was der König nur mit einem einverständlichen Nicken beantworten kann.

„Wo ist euer Gepäck, liebe Kinder. Wir können es gar nicht erwarten, euch heim ins Schloss zu holen“, sagen beide etwas verwundert wie aus einem Mund.

„Nein, danke“, erklärt die Prinzessin klipp und klar: „Ich habe überhaupt nicht die Absicht, ins Schloss zurückzukehren, wir sind hier glücklich und zufrieden.“

Spricht’s und will ihren lieben Eltern gerade den Rücken kehren, da erwischt sie Florestan noch am Ellenbogen und sagt:

„Habe ich da auch noch ein Wörtchen mitzureden?“, denn sie, die für ihre einsamen und spontanen Entscheidungen ja bekannt und berüchtigt war, so gänzlich kann sich ein Mensch ja nicht verändern, hat ihrem Gemahl nichts von ihrem Entschluss mitgeteilt.

„Meine Allerliebste, mein Herzensschatz! Bedenke, jetzt ist ein Jahr vergangen, du warst fleißig und bescheiden, so wie es die Zauberin, die es gut mit uns gemeint hat, verlangt hat, aber du bist nun einmal als Prinzessin aufgewachsen und irgendwann wirst du das harte Leben auf dem Lande doch beschwerlich finden.“

Er nimmt sie zärtlich in den Arm und küsst sie auf den Mund:

„Wir wollen doch noch eine richtige Familie gründen. Bring deine lieben Eltern nicht um das Glück, ihre Enkelkinder in ihrer Nähe aufwachsen zu sehen.“

Da füllen sich die Augen der Prinzessin, des Königs Klumperdeick und seiner königlichen Gemahlin Friedolinde mit Tränen der Rührung und der Freude.

Und so geschieht es dann doch, dass sie alle aufs Schloss zurückkehren, wo, wie man sich denken kann, bei ihrer Ankunft ein rauschendes Fest, an dem ganze Land teilhat, gefeiert wird.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie ungelogen noch heute.

Märchen im neuen Gewand

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