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Prolog

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Die letzten Klänge verschwinden, bis nichts mehr bleibt.

Er nimmt den Kopfhörer ab und schaut auf die rotbraunen Fliesen der Tanzfläche. Die Discokugel, eines dieser Glitzerdinger aus den Achtzigern, reflektiert tapfer das Licht der Scheinwerfer und dreht sich einsam um sich selbst.

Als der letzte Ton verstummt ist, schauen sie ihn an. Er zuckt mit den Schultern und betrachtet sie, einen nach dem anderen.

Einer schnippt seine Kippe weg.

Eine reibt sich die Augen.

Einer schaut sich versonnen um.

Einer wischt sich Schweiß vom Gesicht.

Eine schließt einfach die Augen.

Einer dreht sich um und geht.

Eine lächelt.

Das Ende: Er hat diesen Moment kommen sehen. Er wusste, dass es passieren würde. Doch jetzt, da es so weit ist, spürt er einen Schmerz, den er nicht erwartet hat.

Und wie er so in ihre Augen schaut, während mit einem hellen Blink die Lichter der alten Neonröhren angehen, glaubt er in ihnen denselben Schmerz zu erkennen.

Es ist die Stille.

Sie haben den Laden aufgemacht, am Anfang fast jeden Tag. Das Ding rockt, und Menschen kommen, tanzen, reden, bleiben, leben hier. Freundschaften werden im Suff geboren, Ehen brechen auseinander wie ein Schiffswrack, Verlorene trinken und bemitleiden einander. Es ist eine Welt unterhalb der Welt. Du kommst nach Hause. Du kennst jeden, und es ist egal, was du anhast, wie du drauf bist oder ob du morgen in den Knast musst. Was da draußen zählt, all das Verkehrte, das dich jeden Tag einholt, gibt es hier nicht. Alles ist echt. Der Rauch, der Schweiß, das Schütteln der Hände, die Umarmungen, die Gespräche. Das Klack-klack der beiden Kicker-Tische hinter dem Eingang. Das Ploppen der Flens-Flaschen. Das Quietschen der Federn in den durchgesessenen, alten Sofas, die immer besetzt sind. Mit Einsamen. Mit denen, die jemanden gefunden haben. Und denen, die gerade dabei sind, jemanden zu verlieren.

Es ist Zippl in seinem weißen T-Shirt, wenn er seine einzige Tanzpause der ganzen Nacht vor der silbernen Pinkelrinne auf dem Herren-Klo verbringt. Zippl, der immer da ist, der als Erster tanzt und als Letzter geht.

Es ist das Knacken der Boxen, von denen jede Woche mindestens eine den Geist aufgibt.

Es ist der Kaffee im Bistro, gleich links neben dem Eingang, der dich durch die ganze Nacht bringt.

Es ist Witolds schulterlange Matte, die er nicht aus Überzeugung trägt, sondern nur, weil er es einfach nicht zum Friseur schafft. Es ist die Ironie in seinem Blick, wenn er nachts um drei die letzten Tische selber abräumen muss, weil wieder mal einer der Flaschensammler nicht konnte.

Es ist das Kritzeln des Stiftes auf der Recyclingpapier-Songwunschliste, die auch garantiert gespielt wird. Und es sind die Songs. Es sind Vedder und Dickinson und Stapp und Etheridge und Morissette und Manson und Kiedis und Hetfield. Und all die anderen. Es ist der Gitarrenteppich, auf dem sie stehen, während sie dir einen Rock’n’Roll-Dolchstoß ins Herz jagen. Mitten rein. Du bist getroffen und willst, dass dieser Song, dieser Moment, diese eine Stelle nie endet. Jener Augenblick der Stille, ehe sie dir noch einmal den Refrain entgegenschleudern und du total ausflippst. Und vergisst, dass es hiernach überhaupt noch irgendetwas anderes gibt. Denn du willst nichts anderes.

Nur das hier.

Exit

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