Читать книгу Werther in love - Daniel Ratthei - Страница 4

Оглавление

1 Auftakt

Werther:

Müssen wir wirklich mit Fahrrädern dorthin?

Wilhelm:

Wenn du einen Führerschein hättest, nicht!

Werther:

Du hast einen.

Wilhelm:

Ich saufe mir heute den Arsch zu!

Werther:

Was tue ich?

Wilhelm:

Was du immer machst. In der Ecke sitzen und schmollen.

Werther:

Es wird regnen, das ist dir klar?

Wilhelm:

Blödsinn!

Werther:

Das kracht bald ordentlich.

Wilhelm:

Meinst du?

Werther:

Spürst du das nicht?

Wilhelm:

Scheiß drauf!

Werther:

Ist es noch weit?

Wilhelm:

Ist es noch weit?

Werther:

Das war eine normale Frage: Ist es weit?

Wilhelm:

Keine Ahnung. Die Feier steigt in der Pampa. Wir müssen dieses Mädel abholen. Ich hab`s dem Onkel versprochen.

Werther:

Weiß sie, dass wir zu Rad sind?

Wilhelm:

Keine Ahnung.

Werther:

Hat sie ein Rad?

Wilhelm:

Sie sitzt bei mir auf der Stange ...! Wenn sie hübsch ist.

Werther:

Wenn sie hässlich ist?

Wilhelm:

Sitzt sie bei dir auf dem Gepäckträger.

Werther:

Wenn sie von innen wunderschön ist, nur äußerlich deinem Bilde nicht entspricht?

Wilhelm:

Kannst du sie auch haben!

Werther:

Du bist plump, Wilhelm.

Wilhelm:

Ich weiß. Und du bist gescheit und empfindsam. Der Onkel hat gesagt, es gibt einen Verlobten. Also ruhig, Brauner!

Werther:

Als wenn dich das jemals gekümmert hätte.

Werther:

Stopp!

Vielleicht ist alles Einbildung?

Alles.

Aberbillionen Bilder bilden ein Bildwerk Leben.

Vergilbte Bilder als Erinnerungen.

Farbfeuchtes Papier den Moment.

Jedes Gefühl eine Farbe.

Leuchtet auf an einem schnöden Pergament.

Ein neues Gefühl. Eine Regung. Eine Lust.

Neid. Stolz. Eifersucht. Maria. Theresa. Babett.

Der törichte Mensch steht im Lichte eines Bildes an der Staffelei und glaubt, dieses Bild sei in ihm. Mehr noch: Dieses Bild bin ICH.

Welche Einbildung bringt den Tuschkasten zum Glauben ein Bild sein?

Und doch entstand das Bild aus ihm. Ohne Zweifel.

Ich stehe vor einem schnöden Pergament.

Male ich das gleiche Bild erneut?

Male ich mein Leben lang die gleichen Bilder?

Weiter!

Wilhelm:

Willst du `ne Zigarette?

Werther:

Wie froh ich bin, dass ich weg bin! Bester Freund, was ist das Herz des Menschen! Dich zu verlassen, den ich so liebe, von dem ich unzertrennlich war, und froh zu sein!

Wilhelm:

Na, danke! Wollte dich besuchen.

Werther:

Du verzeihst mir`s. Die Gegend hier ist so unfassbar einsam, aber die Einsamkeit ist meinem Herzen köstlicher Balsam.

Wilhelm:

Hast du Feuer?

Werther:

Wilhelm, ich musste weg! Die arme Leonore! Und doch war ich unschuldig! Konnt ich dafür, dass, während die eigensinnigen Reize ihrer Schwester mir einen angenehmen Unterhalt verschafften, dass eine Leidenschaft in dem armen Herzen sich bildete! Und doch – bin ich ganz unschuldig? Hab ich nicht ihre Empfindungen genährt?

Wilhelm:

Ja, das hast du! Du hast mit der älteren Schwester rumgemacht und der Jüngeren schöne Augen. Weißt du, wo die Kleine gelandet ist? Im Krankenhaus! Es ist gut, dass du für `ne Weile weg bist!

Werther:

Ich will mich bessern. Mehr noch. Will alles anders angehen!

Wilhelm:

Hör auf mit diesem Scheiß Gelaber! Herz hier, Herz da! Weißt du, wie oft du das Wort „Herz“ benutzt? In jedem verfickten Satz! Du hast mit der einen Schwester gefickt! Mit der anderen wolltest du auch ficken!

Werther:

Ja. Dir brauch ich nichts sagen, der du so oft die Last getragen hast, mich vom Kummer zur Ausschweifung und von süßer Melancholie zur verderblichen Leidenschaft übergehen zu sehn. Auch halt ich mein Herzgen wie ein krankes Kind, all sein Wille wird ihm gestattet. Sag das nicht weiter, es gibt Leute, die mir`s verübeln würden.

Wilhelm:

Du hast einen Knall.

Werther:

Nein.

Wilhelm:

Sag mal das Wort ficken!

Werther:

Nein.

Wilhelm:

Vögeln? Das klingt vielleicht poetischer für dich?

Werther:

Nein.

Wilhelm:

Nicht empfindsam genug? Wie wäre es mit besteigen? Er bestieg mit seinem Wanderstock den moosbewachsenen Venushügel der Leonore!

Werther:

Nein.

Wilhelm:

Was Berufliches? Werther überraschte die Bäckerin beim Backen und verpasste ihr zwischen dieselben eine Cremefüllung!

Werther:

Niemals.

Wilhelm:

Als er Leonore seine Briefmarkensammlung zeigen wollte, stellte sie fest, dass es zwar keine Briefmarken gab, aber trotzdem was zum dran Lecken!

Werther:

Du verlachst mich, weil ich meine Zeit nicht mit Tinder und Youporn und deren ganzem Vokabular verschwende? Du steckst in einem Hamsterrad, Wilhelm. Du verarbeitest den größten Teil deiner Zeit, um zu leben, und das Bissgen, das dir von Freiheit übrig bleibt, ängstigt dich so sehr, dass du alle Mittel aufsuchst, ums los zu werden.

Wilhelm:

Wird mir grad zu moralisch.

Werther:

Mach doch ein Selfie!

Wilhelm:

Nur weil du nicht ficken zum Ficken sagen willst – sondern sich lieben - heißt das noch lange nicht, dass es sich um Liebe handelt, während du auf der Schwester draufliegst! Wenn du im Dampfe deiner Leidenschaft den Moment, das Hier und Jetzt, für gut und wahr und schön hältst, und gute und wahre und schöne Worte ins Ohr der Schwester säuselst, dann bedeutet das nicht, dass es sich um Liebe handelt. Sondern um Versprechungen, die ein naives Mädel glaubt, die aber schon eine Stunde später in deinem Inneren und deiner Erinnerung verpufft sind, weil dein kindliches Herz längst ein neues Spielzeug gefunden hat! Ich höre dich noch: „Ihre Lippen haben die Zauberkraft verloren. Wenn ich sie küsse ist mir, als würde meine Seele sich auf einen alten Küchenstuhl setzen …“

Werther:

Aber so war es.

Wilhelm:

Alle Lippen sind einmal verküsst!

Werther:

Daran glaube ich nicht! Du verwechselst meine Suche nach Liebe mit deinem Wettlauf nach Sex!

Wilhelm:

Gut getroffen! Das merke ich mir! Leonore, entschuldige bitte, ich werde jetzt gehen. War nett, dass wir miteinander kopuliert haben – natürlich als Teil meiner Suche nach Liebe; aber du bist kein Fundstück. Melde dich mal. Bussi Bussi.

Du verdrehst den Mädels den Kopf. Was du betreibst ist viel schlimmer als wenn ich zu einer sage: Lust auf ficken?

Werther:

Was ist das für ein Haus?

Wilhelm:

Hier wohnt die Alte! Komm klingeln.

Werther:

Warte!

Wilhelm:

Was ist?

Werther:

Ich weiß nicht.

Wilhelm:

Pech gehabt! Ding Dong!

Werther:

Stopp!

Die ersten Sätze des nächsten Dialoges sind profan.

So was wie:

Lotte:

Guten Tag. Wie geht es? Es ist schwül und dumpfig hie.

Werther:

Auch möchte ich in diesem Augenblick nicht palavern über Liebe auf den ersten Blick oder Schicksal. Erwähnen möchte ich nur, dass, als die Tür dieses Landhauses aufging, ein Fräulein heraus trat, für deren Achtung ich glattweg alles getan hätte.

Alles.

Nur damit ich hinterher in zwei Augen aufrechter Bewunderung schauen dürfte.

Hätte sie gesagt:

Lotte:

Hüpfe auf einem Bein und singe „Ein Männlein steht im Walde“!

Werther:

Dann hätte ich das getan.

Oder hätte sie gesagt:

Lotte:

Schneide für eine Person aus dem Publikum dein dümmstes Gesicht!

Werther:

Dann hätte ich das getan.

Oder hätte sie gesagt:

Lotte:

Schreibe mit deinem Po den Namen dieser Person in die Luft!

Werther:

Dann hätte ich auch das getan.

Aber das hätte sie natürlich niemals verlangt.

Sie hätte gesagt:

Lotte:

Schau mich nicht die ganze Zeit so ergriffen an. Das bringt mich in Verlegenheit.

Werther:

Das habe ich verdammt noch mal versucht! Na ja.

Ihr erster Satz war witzig.

Weiter!

Werther in love

Подняться наверх