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Ich betrat die Villa 108 am nächsten Abend gegen dreiundzwanzig Uhr, eine unscheinbare Bar zwischen Pullach und Baierbrunn, im Münchner Süden gelegen.

Es war ein warmer Sommerabend, schon auf der Straße lag die Luft zäh und schwül auf meiner Haut. Doch in der kleinen Bar mit der silbergrau lackierten Bar-Theke und der winzigen, grün drapierten Bühne haute es mich um. Obwohl ich unter der dünnen weißen Bluse gar nichts und unter dem sommerlich kurzen Rock nur einen winzigen Slip trug.

„Was darf es sein, Madame?“ Der Bar-Keeper, eine grauhaarige ölige Erscheinung mit flinken Händen und Halbglatze, beugte sich über die Theke. „Tolles Wetter, nicht wahr?“ Er blickte mir direkt in den Halsausschnitt.

„Gin mit Tonic“, sagte ich.

„Sehr gut“, erwiderte er, griff nach dem Eiskübel und schüttelte ihn rasselnd. „Hebt die Stimmung und hält frisch.“

Er füllte ein hohes Glas halb mit Eiswürfeln. „Noch nicht viel los jetzt. Aber das Programm beginnt erst nach Mitternacht.“

Ich kramte in der Handtasche.

„Hoffentlich gefällt es Ihnen“, sagte er.

„Warum nicht?“ Ich holte den Lippenstift hervor und schraubte ihn auf. „Ich mag nackte Männer.“

Er goss tüchtig Gin ein.

„Unsere Bar ist... etwas einseitig“, murmelte er.

Villa 108: Herren entweder allein und auf der Suche nach männlicher Begleitung oder Herren paarweise an den dicht im Raum verteilten Tischen mit ebenfalls grünen Platten und silberhellen Füßen, die Hände da und dort ineinandergelegt und manchmal auch mit aneinandergepressten Schenkeln. Aus einer versteckten Lautsprecheranlage klang sanfte Musik mit viel gurrendem Saxophon.

Hier gehörte ich eindeutig nicht zum bevorzugten Beuteschema.

Ich konnte mir Gregor Berger und seinen Clan nur schwer in diesem Lokal vorstellen, doch dass er hier verkehrte, war eindeutig. Mein Assistent Leon hatte es aus den einschlägigen Kreisen, und die wussten Bescheid.

„Ihr Drink“, meinte der Keeper.

„Danke. Sie gefallen mir. Weil Sie trotzdem nett zu mir sind.“

Ich legte einen zwanzig Euro Schein auf die Theke.

„Trotzdem?“, fragte er.

Ich nickte. „Naja, als Frau in so einer Bar.“

„Ich bin nicht so“, meinte er fies grinsend. „Aber Job ist Job. Und es kommen auch sonst Mädchen.“

„Ja?“

„Etwas später kommen Fabian, Tom, Alois und Benny. Verrückte Burschen und geil wie läufige Tiere.“

„Alle schwul?“, fragte ich.

„Und wie, die können mit der Fingerkuppe löten. Da geht es rund.“ Er packte einen grauen Lappen und polierte die Theke. „Ganze Partys kommen sie sich ansehen. Wir sind ein Geheimtipp. Reiche Unternehmer und verzogenes Jungvieh kommen aus der Stadt hierher. Weiß der Himmel, woher sie es alle erfahren. Richtig wild sind sie auf die Shows.“

Ich klappte die Handtasche wieder zu. „Dient wahrscheinlich zur eigenen Stimulans.“

„Wahrscheinlich“, sagte er und spähte durch das Lokal, ob nirgends ein Glas leer war. „Ich möchte nicht wissen, wer sich hier schon alles gefunden hat. Und nicht nur für eine Nacht.“ Er nickte vielsagend. „Männer und Frauen!“

„Tatsächlich?“

„Ja. Ehrlich.“

Mich juckte es in den Fingern, aber ich verkniff mir eine voreilige Attacke. Ich hatte ihn auf dem richtigen Weg, und wenn ich mich nicht allzu dumm anstellte...

„Prost“, sagte ich.

Er nahm den zwanzig Euro Schein und wollte mir herausgeben.

„Nein!“ Ich stoppte das Glas dicht vor meinen Lippen. „Der Rest ist für Sie.“

Dann erst trank ich. Er schielte mich von schräg unten an und leckte sich die Lippen. Der listige Zug in seinen Augenwinkeln sprach Bände.

„Okay“, meinte er.

Ich setzte das Glas ab.

„Sie können sich auf mich verlassen, Madame. Sie bekommen den Tipp.“

„Nett von Ihnen“, sagte ich.

„An wen Sie sich ranmachen können. Das wollen Sie doch wissen, oder?“

„Ja“, sagte ich.

„Kein Problem. So wie Sie aussehen!“

Ich stellte das Glas auf den Tresen zurück.

„Was Bestimmtes im Visier?“

„Gregor Berger“, sagte ich direkt und wusste, dass es ein Risiko war. „Er soll bi sein, und es mit seinem Freund nicht so genau nehmen.“

Der Barkeeper starrte mich an und schwieg.

„Gregor?“ Er verzog den Mund. „Der wird komplett von seinem Freund ausgehalten, hat selbst keinen Cent.“ Er hantierte an seinen Flaschen und schüttelte den Kopf. „Lassen Sie die Finger von ihm, Madame. Wenn das sein Süßer erfährt, sind Sie dran!“

„Ach ja?“ Ich spielte die Enttäuschte.

„Knöpfen Sie sich lieber Miran Drašković vor, oder Simon Carlowitz“, sagte er, während er mich aufmerksam musterte. „Und bilden Sie sich nichts ein. So wie Sie denken, ist nichts drin. Damit sind schon ganz andere reingefallen. Mit nachher das große Geld machen und so. Das klappt nicht. Es kostet sie höchstens...“

„Was?“

Er kniff die Lippen zusammen und wandte sich ab. Ich schnappte die Handtasche und entnahm einen weiteren zwanzig Euro Schein. Als er die Banknote sah, zuckte es um seinen Mund. Trotzdem hielt er sich von mir weg, das Gesicht mir zögernd zugewandt, und rührte sich nicht. Seine Finger krampften sich zusammen, seine Schultern bogen sich vor.

„Also?“

Er atmete ächzend aus. „Schnappen Sie sich Miran Drašković oder Simon Carlowitz. Was Sie daraus machen, ist Ihre Sache.“ Er packte unvermittelt den Eiskübel und schob ihn über die Theke. „Ich will nichts damit zu tun haben, verstanden?“

Ich faltete den Geldschein und schob ihn unter das Glas.

„Fehlinvestition“, sagte er.

Hinter meinem Rücken klirrte die Tür zur Straße, ein Trupp junger Männer, der Kleidung und Gestik vermutlich homosexuell, schwärmte in das Lokal. Stühle scharrten über den Boden, es plapperte und lachte durcheinander.

Der Barkeeper drückte einen Knopf neben dem Telefonapparat im untersten Fach des Flaschenregals und begann Gläser zurechtzustellen.

Wenig später trat ein athletisch gebauter Südländer – ich vermutete Spanier oder Portugiese – aus dem Durchgang hinter dem Tresen, zog sich seine eng geschnittene Hose zurecht und steuerte an mir vorbei zu den Neuankömmlingen. Ich drehte mich um und sah sie mir an.

Es war nicht Gregor Berger und sein Clan.

Und schon wieder quoll ein Schub Menschen in die Bar, diesmal reifes Mittelalter in Schwarz gekleidet und sorgfältig aufgemachte Frauen in hübschen Kleidern.

Ich blickte auf die Armbanduhr, es war kurz vor zwölf Uhr. Die schnulzige Musik ging unter im Stimmengewirr, das lauschige Beieinander der vorher höchstens flüsternden Männerpärchen zerbrach im erregten Lärm der die Geilheit überspielenden Neugierigen.

Ich winkte dem Barkeeper.

„Ja, Madame?“

„Nehmen Sie es trotzdem.“ Ich zeigte auf den Geldschein unter dem Glas. „Für die Urlaubskasse.“

Er hob unschlüssig die Hand.

„Los.“

„Sie spielen mit Dynamit“, erklärte er theatralisch.

„Unsinn.“

„Ferdinand, Graf von Barby lässt sich nicht erpressen“, meinte der Barkeeper.

„Wie kommen Sie darauf?“

„Sie wären nicht die Erste...“

Seine Finger berührten die Banknote und zerrten daran. „Warum ihr Weiber immer auf so dumme Gedanken kommt, statt euch für euren Körper bezahlen zu lassen, vernünftig und solide, so wie es sich gehört!“ Er seufzte tief auf. „Aber ihr wollt ganz hoch hinaus. Und dann?“

Er schloss die Hand um das Geld und presste es an die Brust. „Dumme Weiber!“

Ich trank mein Glas leer.

„Noch einmal dasselbe“, sagte ich.

Er stopfte die Banknote in die Hosentasche.

„Nehmen Sie sich in acht, Madame, oder Sie bereuen es.“

„Danke und verstanden.“

Er sah an mir vorbei zur Eingangstür.

„Da kommen sie“, sagte er.

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