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Kapitel 1

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1. Die himmlischen Soldaten bei Hohenmaut.

Eine viertel Stunde von Hohenmaut gegen Osten hin

liegt ein liebliches Wäldchen, Namens Drabi. Inmitten

dieses Wäldchens ist ein Thal, dort sollen am

Weihnachtsabende um Mitternacht die »himmlischen

Soldaten« erscheinen. Das sind glühende Gestalten,

die bei gellendem Trompetenschall hier tanzen und

nach einigen Minuten verschwinden. (J. Toman aus

Hohenmaut.)

2. Die Himmelssoldaten bei Gablonz.

Wenn man in südöstlicher Richtung von Gablonz

geht, kommt man in einen Wald, welcher an dem sogenannten

Karlsberge liegt. Am Saume des Waldes

steht ein Kreuz, welches ein Bürger aus Gablonz seinem

Freunde, der als Soldat daselbst gefallen war,

zum Andenken setzen ließ.

Bei diesem Kreuze sollen jedes Jahr am Allerseelentage

die Himmelssoldaten erscheinen, daselbst ein

Feuer anzünden und bei demselben Fleisch an einem

Spieße brateu. Wenn das Fleisch gebraten ist, setzen

sich die Himmelssoldaten um das Feuer und verzehren

das Fleisch. Dann zerstören sie das Feuer und verschwinden.

(Johann Weiß aus Gablonz.)

3. Die himmlischen Krieger bei Auscha.

In einem Thale, anderthalb Stunden von Auscha entfernt

das man das wilde Thal nennt, kommen zu

Weihnachten um 12 Uhr Mitternacht die himmlischen

Krieger zum Vorschein. Sie essen und trinken dort auf

dem Boden gelagert und singen und spielen, bis der

erste Strahl der Morgenröthe am Himmel emporblüht.

Zuweilen kämpfen sie auch mit einander, aber nach

dem Mahle sind ihre Wunden wieder verharscht.

Wehe dem, der sie stört oder schmäht, er würde das

ganze folgende Jahr Unglück haben. (Josef Hirsch aus

Auscha.)

II.

Die Schicksalsrichterinnen.

(Sudičky.)

In Böhmen ist der heidnische Glaube an die Schicksalsmädchen,

als Göttinnen der Geburt, der Heirat

und des Sterbens, noch ziemlich allgemein verbreitet.

Wenn ein Kind geboren wird, so kommen in der

Nacht drei weiße Frauen ins Haus, und berathen über

das Schicksal, insbesondere über Heirat und Tod des

Kindes. Sie tragen brennende Kerzen in der Hand, die

sie verlöschen, sobald sie ihr Urteil gesprochen

haben. In böhmischen Märchen werden sie auch als

Altmütterchen (Staré babičky) dargestellt.

Um für das neugeborene Kind einen günstigen

Spruch zu erwirken, stellt man für die Sudičky Brod

und Salz, wohl auch Bier auf den Tisch, und meint,

daß sie davon genießen. In der Gegend von Neuhaus

glaubt man, daß die Sudičky auch die Kinder austauschen,

wenn die Zubereitungen zum Wochenbette, als

Wasser, Salz und Einstaub fehlen.1

Fußnoten

1 Ueber die Sudičky handelt ausführlich Hanuš in seiner

neuesten Schrift: O methodickém vykladu pověsti

slovanských vubec, a o výkladu pověst »Tři zlaté

vlasy děda vševěda« zvlášt. V Praze 1862.

4. Der Tod im Brunnen.

In vielen Gegenden Böhmens ist es der Gebrauch,

wenn ein Kind zur Welt kommt, die Nacht darauf ein

Laib Brod mit Salz auf den Tisch zu legen. Dieses ist

für die drei Frauen bestimmt, die über das Schicksal

des Kindes bestimmen. Diese Frauen heißen Richterinnen

(Sudičky).

Ein Hauptmann übernachtete einmal in einem Bauernhofe,

wo eben ein Söhnchen zur Welt gekommen

war. Um Mitternacht wurde er durch ein Geräusch geweckt

und wie er leise hinter dem Ofen, wo er lag,

hervor sah, erblickte er drei weißgekleidete Gestalten

mit brennenden Kerzen, die saßen an dem Tische und

aßen von dem Brode, das ihnen vorgestellt worden

war. Da sprach die eine: Nun welchen Todes soll er

sterben? Durch das Beil? Nein, sagte die andere, er

soll erschossen werden. Thut das nicht, sagte die dritte.

Ihr seht ja, sie haben uns bewirthet, laßt ihn eines

sanfteren Todes sterben. Nun gut, sagte die erste, er

soll also in seinem eigenen Brunnen ertrinken und

zwar im 18. Jahr. Hierauf erhoben sich alle drei und

verschwanden. Früh erzählte der Hauptmann dem

Bauer, was vorgefallen sei und zeichnete sich auch

Jahr und Tag genau auf und zog weiter ins Feld. Nach

achtzehn Jahren reiste er zu Fleiß nach dem Bauern-

hofe, um den Tod des Jünglings zu verhindern. Eben

traf er den Vater, wie er beschäftigt war den Brunnen

zu verschallen, damit der Sohn nicht hineinfallen

könne. Der Sohn war auf dem Felde. Bevor jedoch die

Verschallung fertig war, kehrte der Sohn zurück und

da er heftigen Durst fühlte, trat er zum Brunnen und

wollte trinken. Aber der Vater ließ es nicht zu. Da

wurde der Jüngling bleich, sank zusammen und stürzte

leblos über den Rand des Brunnens ins Wasser. So

war es doch gekommen, wie die Richterinnen geweissagt

hatten. (R. Czermak aus Prag.)

5. Der Stecknadelkopf.

Ein Handwerksbursche gieng auf seiner Wanderschaft

bei Nachtzeit durch einen finstern Wald und kam zu

einer ärmlichen Hütte. Da es eben anfieng arg zu wettern,

trat er ein und bat um ein Nachtlager. Der Hauswirt

aber sagte: Mein Weib liegt in den Wochen, ich

kann euch nicht aufnehmen. Aber der Handwerksbursche

bat inständig ihn doch nicht in das schlimme

Wetter hinauszustoßen. Da ließ ihn der Hauswirt weiter

und wies ihm die Hölle zum Nachtlager an, das ist

der Platz hinter dem Ofen. Inzwischen war das erwartete

Kind auf die Welt gekommen und war ein Mädchen.

In stiller Mitternacht nun, als alles schlief und

die Wöchnerin auch, hörte der Handwerksbursche ein

leises Geräusch und wie er hinter dem Ofen hervorschaute,

gewahrte er drei weiße Frauen, die saßen am

Tische und aßen von dem Brode und dem Salze, das

man ihnen vorgelegt hatte, und dabei beriethen sie

über das Loos des Kindes. Endlich sagte die eine:

Wen geben wir ihr zum Manne? Den hinter dem

Ofen, erwiederte die andere. Und er soll durch sie den

Tod haben, sagte die dritte. Hierauf erhoben sie sich

leise und verschwanden. Es waren die Schicksalsrichterinnen,

die Sudičky.

Der Handwerksbursche hinter dem Ofen aber er-

schrack gewaltig, als er die Rede der weißen Frauen

gehört hatte. Ich soll so lange warten, bis ich heirathe

und dann noch den Tod durch sie haben, dachte er bei

sich und stieg leise aus der Hölle heraus, gieng zum

Kinde, das ruhig in der Wiege schlummerte und stach

ihm eine Stecknadel in den Kopf. Das Kind schrie

auf, er aber eilte aus dem Hause und lief davon.

Als das Kind so weinte, erwachte die Mutter; sie

wußte aber nicht, was geschehen sei. Das Kind ließ

sich denn auch stillen und wuchs auf, ohne daß jemand

die Nadel in seinem Kopfe bemerkt hätte. Als

das Mädchen erwachsen war, und schon Vater und

Mutter verloren hatte, gieng es nach Prag in den

Dienst. Hier begegnete ihr oft, wenn sie auf den

Markt gieng, ein Mann, der sie immer so freundlich

anschaute. Er war zwar nicht mehr jung, aber er gefiel

ihr und eh ein Jahr vorüber war, hatten sie sich geheirathet

und lebten glücklich und zufrieden. An einem

Sonntag-Nachmittage nun bat die Frau ihren Mann, er

möge ihr auf dem Kopfe krauen. Der Mann that es

ihr; dabei kam er auch auf die Stelle, wo das Stecknadelköpfchen

hervorragte. Der Mann erschrack. Es war

der nämliche Mann, der damals bei der Geburt des

Mädchens in der Hütte ihrer Eltern übernachtet hatte.

Er war von dort nach Prag gegangen, war Bürger und

Meister geworden und hatte sich ein hübsches Vermögen

erworben. Als er aber jetzt den Stecknadel-

knopf im Kopfe seiner Frau fand, erinnerte er sich alsogleich

an jene Nacht und an den Spruch der Loosrichterinnen

und fragte die Frau, woher sie das habe?

Sie wisse nicht, was es sei, sagte die Frau, es sei ein

altes Zeichen. Es ist ein Nadelköpfchen, sagte der

Mann, darf ich es herausziehen? Und er faßte das Nadelköpfchen

und zog ihr richtig die Stecknadel aus

dem Kopfe. Augenblicklich aber strömte auch das

Blut hinter der Nadel und ließ sich nicht mehr stillen.

In einer Stunde war seine Frau eine Leiche. Da erfaßte

den Mann eine wilde Verzweiflung, weil er Schuld sei

an dem Tode seiner lieben Frau; er wollte auch nicht

länger leben und gab sich selbst den Tod. So gieng

der Spruch der Schicksalsrichterinnen doch in Erfüllung.

(Emanuele Klauczek aus Prag.)

III.

Bergentrückte Helden.

Wenn im Verlauf des Jahres die Natur verödete und

der umwölkte Himmel statt befruchtenden Regens eisigen

Schnee zur Erde niedersandte: da meinte man,

die bösen Winterdämonen hätten die Oberhand gewonnen

und der Sommergott (Wuotan, Swantowit)

mit seinen himmlischen Kriegern sei im Kampfe

gegen sie gefallen und zur Unterwelt hinabgestiegen.

Dort träumte er in todtenähnlicher Erstarrung dem

Frühlinge entgegen. Wenn aber wiederum seine Zeit

kam, so erwachte der Sommergott und brach mit den

himmlischen Kriegern auf, um neuerdings wider die

Winterriesen zu kämpfen, die inzwischen Not und

Jammer über die Welt gebracht hatten. Ein furchtbarer

Kampf entstand, die Dämonen wurden besiegt –

eine stürmische Wetternacht und der Frühling, die

schöne goldene Zeit, war wieder eingekehrt im Lande.

Diese Mythe hat sich nun nach zwei Seiten hin

weiter entwickelt. Was man von den Vorgängen im

Sonnenjahre erzählte, übertrug man später, als der ursprüngliche

Sinn der Mythe sich verwischte, auf das

Weltenjahr. Man verlegte den furchtbaren Kampf mit

den Dämonen an das Ende der Tage und knüpfte

daran den Untergang der Welt. Die goldene Zeit,

sagte man dann, sei durch die Schuld der Götter und

den Tod des Lichtgottes (Baldur) für immer verloren

gegangen. Das Verderbniß in der Welt nehme immer

zu, bis endlich die furchtbarste Verwilderung einbricht.

Drei Jahre hindurch werden ungerechte, widernatürliche

Kriege, Mord und Ehebruch die Welt erfüllen.

Dann folgt ein furchtbarer Winter, der wiederum

drei Jahre dauert. Hierauf geht der lange gefürchtete

Kampf zwischen den Dämonen und Göttern los, in

welchem die meisten Götter getödtet werden. Götter

und Dämonen erschlagen sich wechselseitig; bis endlich

die ganze Welt im Weltbrande untergeht. Aber

nachdem das Schreckliche vollendet ist, taucht die

Erde zum andernmale aus dem Wasser und fängt an

schöner und herrlicher zu grünen, der Lichtgott (Baldur)

kommt aus der Unterwelt zurück und die goldenen

Zeiten kehren wieder.

Wie hier auf das Weltenjahr so wurde anderseits

der Mythus vom schlafenden Sommergotte auf die

Erde übertragen. Der Sommergott gieng in die Gestalten

der Lieblingshelden seines Voltes über. Das geschah

insbesondere nach Einführung des Christenthums,

wo man die Götter nicht mehr als solche erkannte,

sondern in ihnen höchstens Könige und Helden

erblickte, die vor grauer Zeit gelebt hätten. So

entstanden in Böhmen die Sagen von König Wenzel

und den Rittern im Berge Blanik. König Wenzel ist

der Gott Swantowit, die Ritter die himmlischen Krieger,

an deren Spitze der Gott einst der Erde die schöne

goldene Zeit des Frühlings erkämpfen wird. Nur

wird jetzt unter der schönen goldenen Zeit die Größe

und Herrlichkeit des Böhmerlandes verstanden. So

hat die Sage politische Färbung gewonnen; auch

mischt sie sich vielfach mit den Mythen vom Weltuntergange.

Daß die Sage vom Berge Blanik, trotz ihrer Aehnlichkeit

mit den deutschen Sagen vom Kyffhäuser,

slavischen Ursprungs sei, erhellt aus den verwandten

serbischen und bulgarischen Sagen von König Marko,

der vielfach an Swantowits Stelle getreten ist.

In der Bulgarei glaubt man, der König Marko sei

nicht gestorben, sondern lebe noch. Einmal sei er als

Handelsmann auf einem Schiffe übers Meer gefahren;

ein plötzlicher Sturm aber habe ihn genötigt auf einer

wüsten Insel zu landen. Dort habe er wunderschöne

Paläste gefunden und in diesen Palästen wohne er gegenwärtig.

Bald aber wird die Zeit kommen, wo er

wieder auf Erden herumgehen wird.

Nach einer anderen Sage soll sich König Marko irgendwo

verborgen halten, seitdem die Flinten erfunden

worden. Er habe es nicht glauben wollen, daß

eine Flinte eine solche Wirkung hervorbringen könne

und habe deshalb einen Versuch gemacht. Dabei sei

ihm die Hand durchbohrt worden. Da habe Marko

ausgerufen: Jetzt ist es Zeit, daß ich gehe. Wenn das

kleinste Kind einen Helden tödten kann, so mag ich

nicht länger mehr auf der Erde leben.

Westlich von Vardar in der Nähe des eisernen

Thors erhebt sich ein Berg, dort soll der König Marko

verborgen sein. Wenn die Reisenden dort vorübergehen,

rufen sie: Marko, lebst du? Und wenn das Echo

die Worte wiederholt, so sagen sie, Marko habe geantwortet.

Nach serbischem Volksglauben soll der Königssohn

Marko im Berge Urvina mit seinem Pferde Scharatz

schlafen. Sein Schwert wächst langsam aus dem

Berge. Wenn es völlig herausgekommen sein wird, so

wird Marko erwachen und sein Volk befreien. Bis

jetzt ragt es aber erst bis zur Hälfte aus dem Berge

(mündlich). Nach anderen Sagen hat er sich nach Erfindung

des Schießpulvers in die Alpen zurückgezogen,

wo er noch immer als Eremit in einer Höhle

lebt.1

Merkwürdig in mehr als einer Beziehung sind die

Sagen von dem huculischen Räuberhauptmann

Dobocz in den Karpathen. Es war dies ein ungeheuer

starker Mann, der Thüren aus den Angeln hob,

Schlösser abdrehte und sich oft, von einer ganzen

Compagnie Soldaten umringt, glücklich durchschlug.

Er trug ein Drahthemd, das ihn unverwundbar mach-

te. Wegen seiner wunderbaren Heldenthaten wurde er

von den Huculen für einen Gott gehalten. Im Gebirge

des Streyer Kreises unweit dem Dorfe Polansko liegt

in einem Walde ein Felsen, der die Form eines großen

Hauses hat. In diesen Felsen sind mit vieler Mühe

Zimmer, Fenster und Thüren eingemeißelt. Das soll

die Arbeit des Dobocz sein und hier soll er auch gewohnt

haben. Doch hauste Dobocz auch auf der

Czorna hora inmitten der Karpathen in einer tiefen

Höhle, die mit seiner Felsenwohnung bei Polansko

durch einen unterirdischen Gang in Verbindung stand.

Von hier aus besuchte er seine Geliebte, die Frau

eines huculischen Bauern, die eine böse Zauberin

war. Sie soll sehr schön und kräftig, aber auch sehr

eifersüchtig gewesen sein und alle übrigen Geliebten

des berühmten Räubers verzaubert haben. Von ihrem

Manne angestiftet fragte sie einst den Räuber, wie er

zu verwunden sei. Dobocz antwortete, daß er nur

durch eine Glaskugel getödtet werden könne, über

welcher 12 heil. Messen gelesen worden wären, doch

müßten in der Glaskugel sieben Weizenkörner sein,

über deren jedes wiederum zwölf Messen gelesen

worden wären. Mit einer solchen Kugel erschoß denn

auch der Mann den Räuber, als dieser seine Geliebte

besuchen wollte. Zum Tode getroffen nahm Dobocz

noch seinen Topor (Axt) und spaltete damit einen ungeheueren

Eichenklotz und bestimmte, daß der sein

Nachfolger werden solle, der einen ähnlichen Hieb

führen könne. Aber niemand war das im Stande. Nach

andern aber ist Dobocz nicht todt, sondern von seiner

eifersüchtigen Geliebten in die Felsenhöle auf der

Czorna hora auf viele, viele Jahre verzaubert. Dort

unter jenem Felsen haust er noch bis heute und zählt

fortwährend das Geld, das er dort verborgen hat. An

gewissen Tagen des Jahres kommt er mit seinen Gesellen

heraus und ist dort schon öfters von den Bergbewohnern

gesehen worden. Zu der Wohnung selbst

soll man erst durch drei eiserne Thüren gelangen, aber

die Felsenhöle ist von ungeheurer Tiefe und mancher

Bergbewohner, der von Habgier getrieben sich die

Reichthümer des berühmten Räubers aus der Tiefe

holen wollte, hat da seinen Untergang gefunden. Auch

zieht Dobocz jeden, der sich dem Steine nähert, in die

Höle hinein, daß er niemals wieder zum Vorschein

kommt. Mit diesen Leuten verstärkt Dobocz seine

Bande, denn nachdem der Zauber seiner Geliebten gebrochen

sein wird, wird er mit seiner Räuberschar

wieder zum Vorschein kommen und Rache nehmen an

den Menschen, die ihn betrogen haben. An manchen

Tagen soll Dobocz seine Frau in der Felsenwohnung

bei Polansko besuchen, die dorthin gleichfalls von der

eifersüchtigen Bäuerin verzaubert sind. Dann sollen

die Bergbewohner dort Musik und Gesang gehört und

Licht in der Nacht und viele Männer und Frauen und

unter ihnen den schönen Dobocz gesehen haben.2

Eine ähnliche Entwickelung hat die Mythe auch im

Persischen, dort glaubt man daß der göttliche Sam

nicht todt sei, sondern bloß schlafe, und zur Zeit der

Todtenauferstehung erwachen und wiederkommen

werde, um die Geschöpfe Ahrimans zu vertilgen und

das Reich des Çaosiosch wiederherzustellen.3

Fußnoten

1 A. Mickiewicz dei canti popol. illirici. pg. 55.

2 Mitgetheilt von Fr. Langenhahn.

3 Zeitschrift für die deutsche morgenl. Gesellschaft.

III, 247.

6. Der Berg Blanik.

Nordöstlich vom Markte Launiowitz im Taborer

Kreise erhebt sich der große Blanik, der durch seine

Sagen im ganzen Lande berühmt ist. Westlich in einiger

Entfernung fließt das Flüßchen Blanitz. Auf dem

Berge sind noch Wälle sichtbar, die blos aus zusammengehäuften

Steinen bestehen. Sie sollen während

der Husitenkriege errichtet worden sein. Wenn der

Blanik bei heiterem Wetter mit Wolken umhüllt ist,

so bedeutet das Regen. Im Innern dieses Berges sind

ungeheuere Säle, deren Wände durchaus von Bergkristall

gebildet sind. In diesen Sälen schläft König

Wenzel mit der auserlesenen Schaar seiner Ritter. Jedesmal

um Mitternacht öffnet sich der Berg und der

heilige König reitet mit seinen Rittern heraus auf die

Ebene und hält Kampfübungen mit ihnen. Ihre Pferde

stehen immer gesattelt an den Krippen. Einst aber

wird Böhmen in große Not kommen. Von allen Seiten

werden die Feinde ins Land einbrechen und plündernd

und mordend durch dasselbe ziehen. Die Hauptstadt

wird der Erde gleich gemacht, so daß man schwer den

Ort finden wird, an dem sie gestanden ist, und durch

das Schwert der Feinde wird die Zahl der Bewohner

täglich schwinden und nur so viel übrig bleiben, als

unter der Blaue eines Fuhrmannswagens Schutz fin-

den werden. Wenn aber der Fuhrmann an der Stelle

vorbeifährt, wo jetzt der Altstädter Ring liegt, so wird

er mit der Peitsche knallen und traurig ausrufen: Hier

stand einst die schöne große Stadt Prag.

Wenn es aber den Böhmen so schlecht ergangen

ist, dann werden die dürren Bäume, die jetzt am Ufer

der Blanitz stehen, wieder ausschlagen und Blüthen

treiben. Und der Berg wird sich öffnen und König

Wenzel, auf einem Schimmel reitend und die Reichsfahne

in der Hand, wird mit der heiligen Schaar hervorkommen

und den Feinden eine blutige Schlacht

liefern. Der Teich, der jetzt ausgetrocknet am Fuße

des Blanik liegt, wird sich mit dem Blute der Erschlagenen

füllen. Die Ritter des Königs Wenzel aber werden

die Feinde über die Gränzen des Landes jagen

und dann eingehen zum ewigen Frieden. Die noch lebenden

Böhmen werden sich sammeln und eine neue

Zeit wird hereinbrechen, und das Land glücklich sein.

Aus dem Berge Blanik sickert eine Quelle, deren

Farbe und Geruch dem der Mistjauche ähnlich ist. Sie

rührt von den Pferden her, die im Berge gesattelt an

den Felsenwänden stehen. Zu Balbin's Zeiten1 stand

unweit des Berges ein großer Wald, der stets vom

Gipfel herab verdorrte. Wir wollen nun die einzelnen

Sagen von diesem Berge erzählen.

Es war in einer mondhellen Frühlingsnacht, als die

Bürger von Jung-Wošitz um Mitternacht durch ein

wunderbares Getöse aus dem Schlafe geweckt wurden.

Aus dem Felsenthale des Blanik erscholl Trommelschall

und Waffengeklirr und deutlich vernahm

man das Getrappel von Pferdehufen. Die Bürger griffen

bestürzt zu den Waffen und eilten hinaus, um dem

Feinde zu begegnen. Wie sehr erstaunten sie aber, als

sie draußen auf dem Anger eine Schaar herrlich geschmückter

Ritter erblickten, welche sich beim Mondenlicht

in ritterlichen Spielen übten. Ihre Bewegungen

waren so leicht und schnell, daß das Auge ihnen

kaum folgen konnte. Endlich erscholl eine Pauke und

augenblicklich ordneten sich die Reiter und verschwanden

im Berge, der sich krachend hinter ihnen

schloß.

Als sich die Kunde von dieser wunderbaren Begebenheit

verbreitete, setzten die Bürger einen Preis für

denjenigen aus, der es wagen würde, die Schluchten

des Blanik zu untersuchen und Nachricht von den gespenstigen

Reitern zu bringen. Drei Jahre vergingen,

bis endlich ein kühner Mann, Zdenko von Zasmuk

das Abenteuer bestehen wollte. Als Zdenko zum

Berge Blanik kam, stand dieser offen und Zdenko ritt

auf seinem Pferde in die Höhle hinein, deren Wände

krachend hinter ihm zusammenschlugen. Wie er weiter

ritt, kam er zu einem großen domartigen Gewölbe,

das völlig erleuchtet war. Hier schliefen auf steiner-

nen Bänken die Ritter des Berges, die jetzt in schöne

Greise mit langen weißen Bärten verwandelt waren.

Abseits standen ihre schneeweißen Pferde an Säulen

angebunden und völlig gesattelt. In diesem Augenblicke

stieß Zdenko zufällig an einen Speer, dessen

Fall weit im Saale wiederhallte. Von dem Geräusche

erweckt richteten sich die Krieger empor und fragten,

ob es schon Zeit sei. Zdenko aber trat näher zu ihnen

und sagte ihnen, weshalb er gekommen sei; wenn sie

seiner zu ihrer Erlösung bedürften, so sei er bereit

dazu. Da erhob sich der prächtigste Ritter, welcher

der Anführer schien, und sprach: »Ich bin Ulrich von

Rosenberg und dies sind meine Genossen, die mit mir

im Kampfe gegen Žižka bei Vertheidigung der Burg

Litic rühmlich gefallen sind. Allein Gott hat uns nicht

gestattet in sein Paradies einzugehen, sondern uns

diesen Ort zum Aufenthalt angewiesen, bis Böhmen

in seiner größten Noth sein wird. Dann werden wir

hervorbrechen und dem Lande Glück und Frieden

bringen. Das verkündige dem Volke!« Nach diesen

Worten sank der Ritter wieder in tiefen Schlaf zurück

und mit ihm die andern. Zdenko aber kam wohlbehalten

aus dem Berge.

Noch immer harrt das Volk der Wiederkehr der

Ritter. Wenn aber ihre Zeit gekommen sein wird, so

wird sie Žižkas Trommel wecken und zu gleicher Zeit

wird Přemissls Haselbaum anfangen zu blühen und

wenn es auch Winter wäre.

Ein Hirte weidete einst seine Schafe am Fuße des

Blanikberges. Mit jedem Tage vermißte er ein Schaf

aus seiner Heerde; da beschloß er, die verlorenen

Schafe aufzusuchen. Er kam auch wirklich zu einer

Höle, die in den Berg führte und als er hineintrat,

hörte er das Blöcken eines Schafes, das sich eben

wieder hineinverirrt hatte, aber er konnte es nicht finden.

Schon wollte er unverrichteter Dinge zurückkehren,

da schloß sich vor ihm der Berg mit großem Krachen.

Wie er nun ganz bestürzt dastand und in der

Finsterniß nicht weiter konnte, da kam ein Zwerg zu

ihm, der führte ihn in einen großen Saal. Dort sah er

den König Wenzel mit seinen Rittern im tiefsten

Schlafe. Als er aber eintrat, erwachte der König und

gab ihm den Befehl, im Berge zu bleiben und die Rüstungen

zu putzen. Der Hirte befolgte den Befehl und

blieb in dem Berge. Eines Tages nun kam der Ritter

zu ihm und sagte, er könne nun gehen. Zugleich übergab

er ihm einen Sack, und sagte, darin wäre sein

Lohn. Der Hirte eilte freudig aus dem Berge. Wie er

ans Tageslicht kam, ward er neugierig und öffnete den

Sack, um zu sehen, was er enthalte. Ach, es waren nur

Haferkörner! Auch gut, dachte der Hirte und gieng ins

Dorf, wo er sonst gewohnt hatte. Aber niemand wollte

ihn da erkennen und auch er fand alles verändert. Alte

Leute erinnerten sich, von ihren Großvätern gehört zu

haben, daß vor hundert Jahren ein Hirt im Blanik verschwunden

sei. Der Hirte bat nun die Leute um ein

Stübchen, wo er wohnen könne. Als man ihm das anwies,

öffnete er den Habersack und siehe, er war gefüllt

mit Goldstücken und Silberthalern. Nun kaufte

sich der Hirte ein schönes Wohnhaus und ward der

reichste Mann im Dorfe.

Ein anderer Hirte, der gleichfalls in den Blanik gerathen

war, erzählte die Sache anders. Der Ritter im

Blanik, sagte er, sei der Ritter Stoymir. Als Böhmen

von räuberischen Horden überschwemmt wurde, zog

sich der tapfere Stoymir mit seinen Genossen unter

steten Gefechten bis auf die Feste Blanik zurück. Hier

kam es zum letzten entscheidenden Kampfe, in welchem

Stoymir und alle seine Ritter den Tod fanden.

Am andern Morgen, als die Feinde weiter gezogen

waren, eilten die Freunde Stoymirs auf das Schlachtfeld,

um ihn und seine Genossen zu bestatten, allein

es war keine Spur mehr von ihren Leichen. Da meinten

sie, die Feinde hätten sie mit sich geschleppt und

wollten zu ihnen senden und ihnen ein großes Lösegeld

bieten lassen. In der Nacht aber hörten die Bewohner

der Umgebung ein Kampfgetöse und als sie

hinauseilten zu sehen, was es gebe, da sahen sie die

erschlagenen Ritter, wie sie ihre Kampfspiele abhiel-

ten. Dann führten die Ritter ihre Pferde in den Blanitzbach

zur Tränke und ritten zu dem Berge, der sich

vor ihnen gähnend aufthat und sich hinter ihnen donnernd

schloß. Nun wußten sie, wohin die erschlagenen

Ritter Stoymirs gerathen seien. Und wirklich

sagte der Hirte, der bald darauf in den Berg gerathen

war, aus, daß er dort den Stoymir und seine Gefährten

in tiefem Schlafe gesehen habe. (Illustrirte Chronik

von Böhmen 1, 234.)

Ein Knecht fuhr einmal mit zwei Pferden aus der

Mühle. Als er bei dem Blanik vorüberfuhr, hörte er

Pferdegetrappel und einen wunderschönen Schlachtmarsch

spielen. Zu gleicher Zeit sah er, wie die Ritter

von ihren Kampfspielen heimkehrten. Die kriegerische

Musik fuhr den Pferden in die Beine und sie liefen

trotz des Zurufs ihres Leiters den Pferden der Ritter

nach und fuhren so mit dem Knechte in den Berg,

der sich hinter ihm schloß. Erst nach zehn Jahren kam

der Knecht wieder aus dem Berge. Er sagte aber aus,

der Ritter, der darin verzaubert schlafe, sei Ritter

Wuk von Rosenberg. Als er hörte, daß er zehn Jahre

im Berge zugebracht habe, wollte ers nicht glauben,

er meinte kaum zehn Tage darin gewesen zu sein. –

In der Nähe des Blanik wohnte ein Schmied, welcher

nahe an dem Berge seine Wiese hatte. Als er ein-

mal mit einem Mäher arbeitete, trat ein fremder Mann

zu ihm und forderte ihn auf, ihm zu folgen. Der

Schmied that es und beide giengen in den Berg. Hier

sah er die Blanikritter, wie sie auf ihren Pferden

saßen, den Kopf an den Hals des Pferdes gelehnt und

schliefen. Nun wandte sich der Fremde zum Schmied,

und sprach: Ich habe dich hieher geführt, damit du unsere

Pferde beschlagest. Der Schmied antwortete: Das

ist unmöglich, ich habe kein Werkzeug bei mir. Deshalb

sei unbesorgt, erwiederte der Ritter, und brachte

ihm die Werkzeuge und sagte: Thue nun, was ich dir

befohlen habe; gib aber acht, daß du keinen dieser

Ritter, die hier schlafen, anstoßest. Der Schmied

machte sich an die Arbeit und als er das letzte Pferd

beschlug, wandte er sich ungeschickt und berührte

den Ritter, der auf dem Rosse schlief. Dieser erwachte

allsogleich und rief: Ist's schon Zeit? Noch nicht,

sagte der wache Ritter und drohte dabei dem Schmiede

mit dem Finger. Hierauf gab er ihm die alten Hufeisen

zum Lohne und führte ihn aus dem Berge. Als

der Schmied auf seine Wiese kam, verwunderte er

sich darüber, daß zwei Mäher statt des einen auf

derselben arbeiteten. Die Mäher aber erzählten ihm,

er sei ein ganzes Jahr abwesend gewesen und man

habe ihn schon für verloren gehalten. Der Schmied

zeigte ihnen den Sack mit Hufeisen, wie er den Sack

aber öffnete, hatten sich die Hufeisen in Gold verwan-

delt. (Vergl. Vernaleken, Mythen und Bräuche. S.

110).

Im Dorf Křižkow am Fuße des Blanik lebte ein

Bauer, der einen schönen Schimmel hatte. Dieser

Schimmel weidete eines Tages am Fuße des Blanik

und das Kind des Bauern sollte ihn hüten. Es währte

aber nicht lange, so kam das Kind weinend zurück,

der Schimmel sei plötzlich verschwunden. Der Vater

sagte der Frau, sie möge mit dem Essen warten, er

wolle gehn und den Schimmel suchen. Es war gerade

Pfingstsonntag während der Messe. Der Bauer kam

zum Berge und fand ihn offen. Furchtlos trat er in die

weite Felsenspalte und gelangte endlich in den Saal,

wo die Ritter um einen großen steinernen Tisch saßen

und schliefen. Alle Ritter hatten schwarze Rüstungen,

nur der Anführer strahlte in einer goldenen und trug

drei weiße Reiherfedern auf dem Helme.

Immer in bestimmten Zwischenzeiten erhob einer

der Ritter das Haupt und fragte: Ist es schon Zeit?

Hierauf schüttelte der Anführer das Haupt und der

Ritter sank wieder in tiefen Schlaf. So gieng es der

Reihe nach fort. Der Bauer konnte vor Staunen sich

kaum erholen. Da wiehert etwas hinter ihm. Er dreht

sich um, sieht den Berg wieder offen, und wie er hinaustritt,

grast sein Pferd ruhig auf einer Wiese am

Fuße des Berges. Rasch eilt er hinab, und bringt sein

Pferd nach Hause. Alles weicht ihm hier erschrocken

aus und am Tische sitzt seine Frau in tiefer Trauer.

Als die Frau aber ihren Mann erblickte, stieß sie

einen Schrei aus und fragte: Wo bist du ein volles

Jahr gewesen? Der Bauer erstaunte, er hatte geglaubt,

daß er nur eine Stunde ausgeblieben wäre. (Fr. Langenhahn.)

Im 15. Jahrhunderte soll ein Mann die verzauberten

Ritter schon gesehen haben, wie sie ihre Pferde tränkten

und hierauf im Berge verschwunden. Des andern

Tages fand man die Spuren von den Hufen der Pferde,

die alle dem Berge zuführten. Die verzauberten Ritter

sollen so lange im Berge bleiben, bis die Quelle am

Fuße des Berges als Strom abfließen und die alte

Eiche daneben wieder grünen werde.

Im Jahre 1826 an einem schönen Sommertage fuhr

der Kreiscommissär Ritter von Putzlacher am Blanik

vorüber. Um sich den Weg zu verkürzen, erzählte der

Ritter seinem Leibjäger von Zdenko von Zasmuk, der

im Blanik verzaubert schlafe. Der Leibjäger spottete

über die schlafenden Ritter und that als ob er nicht

daran glaube. Die Fahrenden hatten jedoch den großen

Blanik noch nicht hinter dem Rücken, als ihnen

eine große Schaar Ritter in dunkelblauer Rüstung, die

Visire herabgelassen, und die breiten Schlachtschwer-

ter in der Hand, bis hart an die Räder des Wagens

nachgeritten kamen. Der Kutscher hieb in die Pferde,

allein die Ritter blieben immer knapp hinter dem

Wagen und kehrten erst um, nachdem sie den Wagen

durch eine Viertelstunde begleitet hatten. Der Leibjäger

aber war vor Angst und Schrecken in Ohnmacht

gefallen. (Illustrirte Chronik 2, S. 444.)

Fußnoten

1 Balbini Miscell. 1. c. 10.

Die Soldaten im Woschkober.

Unweit Kolin erhebt sich ein kleiner Berg, der in der

Umgebung unter dem Namen Woschkober bekannt

ist. In diesem Berge sollen die Ritter des heiligen

Wenzels wohnen, welche im Sommer um Mitternacht

herauskommen und sich in den Waffen üben. Anstatt

daß sie den Kopf auf dem Halse haben, tragen sie ihn

unter dem Arme. So treiben sie sich auf den bebauten

Feldern herum, ohne daß am Morgen eine Spur von

Hufen zu erblicken wäre.

Am Fuße des Berges befand sich ein kleiner Bauernhof.

Eines Mittags wollte man sich eben zu Tische

setzen, als sich eine Magd erinnerte, daß sie die

Schweine nicht gefüttert habe. Sie gieng allsogleich

hinaus und öffnete den Stall, um ihnen das Futter vorzuschütten.

Dabei aber entlief ihr ein Schwein und

ließ sich nicht fangen, bis es in einer Höhle des

Woschkobers verschwunden war. Die Magd, die sich

vor dem Schelten fürchtete, war in ihrer Angst dem

Schweine bis in den Berg gefolgt. Hier aber blieb sie

erstaunt stehen, als sie die schlafenden Soldaten erblickte.

Ein Greis kam zu ihr und bat sie den Boden

zu fegen und das Kehricht hinauszutragen. Die Magd

that es; als sie aber das Kehricht ans Tageslicht

brachte, war es eitel Gold. Sie lief nun eilig nach

Haufe und sah, wie die Dienstleute eben vom Essen

aufgestanden waren. Als sie aber fragte, ob sie so

lange gegessen hätten, erhielt sie zur Antwort, daß es

gerade ein Jahr sei, daß sie das Haus verlassen, um

das Schwein zu fangen. (A. Kröschel aus Kolin.)

Die Siebenschläfer.

Im Schloßberge von Teplitz sollen einige Ritter schon

700 Jahre lang schlafen und heißen daher die Siebenschläfer.

Wenn es einmal den Deutschen schlecht

gehn wird, werden die Ritter hervorkommen und

ihnen helfen. Das Bächlein am Fuße des Berges ist oft

gelb gefärbt von dem Urin der Pferde, die im Innern

des Berges stehen, und auf dem Berge liegen Steine,

in denen die Hufe dieser Pferde abgedrückt sind. Früher

soll den Schloßberg eine Mauer umgeben haben;

es ist aber davon nichts mehr übrig, als das Thor,

durch welches die Ritter aus- und einritten. Bei diesem

Thore soll in der Nacht von 12–1 Uhr ein großer

starker Mann ohne Kopf umgehen. (A. Brückner aus

Außig.)

Die Türkenhaide.

In der Nähe des Dorfes Kühnhaide breitet sich ein

Stück sumpfiges Land aus, welches in der Gegend

unter dem Namen Türkenhaide bekannt ist. Dieses

sumpfige Land soll seinen Namen von einem Regimente

Türken haben, welche hier, als sie ins Gebirge

dringen wollten, versunken sind. In der Charwoche in

der Nacht von Donnerstag auf Freitag sollen sich dort

blaue Flämmchen sehen lassen und türkische Musik

und Pferdegetrappe zu hören sein.

König Wenzel im weißen Berge bei Prag.

In dem weißen Berge bei Prag, wo der Winterkönig

geschlagen wurde, soll König Wenzel mit einer großen

Schaar seiner Ritter verborgen sein und schlafen.

Er sitzt auf einem weißen Pferde und hält die Lanze in

der Hand. Einmal wird Böhmen so verheert sein, daß

alle Menschen, die übrig geblieben sind, unter die

Leinwand eines Frachtwagens gehn. Und wenn dieser

Fuhrmann an der Stelle vorüberfahren wird, wo jetzt

der Prager Ring ist, wird er mit der Peitsche knallen

und sagen: Hier stand Prag! Dann wird der heil. Wenzel

hervorkommen und eine große Schlacht geschlagen

werden. (E. Klauczek aus Prag.)

Die Schweden im Weckersdorfer Walde.

In einem Bauernwäldchen bei Weckersdorf sollen

viele Schweden beerdigt sein. Man hat dort oft schon

Hufeisen gefunden. Vor Ausbruch eines Krieges hört

man daselbst auch eine Trommel schlagen. Vor nicht

langer Zeit gieng ein Mann – sein Sohn lebt noch –

durch diesen Wald. Er war betrunken. Da siel ihm

ein, daß hier der schwedische Tambour ruhe, und er

rief aus: Nun Tambour wenn du wirklich hier bist, laß

dich hören. Alsbald wurde es um ihn lebendig und

bald sah er sich von einem ganzen Heer von Soldaten

umgeben. Der Tambour schlug die Trommel. Dann

redete er den Betrunkenen an, er solle sich nie mehr

erkühnen, sie aus ihrer Ruhe zu stören, sonst würde

es ihm schlecht ergehen. Diesmal kam der Bauer mit

dem bloßen Schrecken davon. (F. Kahler aus Braunau.)

Die Krieger im Wissehrad.

Als Libussa die Schicksale der Čechen voraussah,

wurde ihr Herz so ergriffen von der Not, welche ihr

Volk zu leiden haben würde, daß sie eine Schaar auserwählter

Krieger sammelte, die ihren Sitz im Innern

des Felsens haben und in der größten Not den Čechen

Beistand leisten sollte. Alle in der Nähe Ertrunkenen

sollen diesem Heere Libussa's eingereiht werden. (A.

Nowotný aus Prag.)

Die Wenzelsritter zu Melnik.

In der Nähe von Melnik soll König Wenzel mit einer

Schaar von 300 Mann tief unter der Erde versteinert

sein. Einmal wird in Böhmen ein Freiheitskrieg entstehen

und das Blut so stark fließen, daß es bis zum

Prager Roßthore reichen wird. Dann wird König

Wenzel wieder lebendig werden und hervorkommen,

um Böhmen zu retten.

Hier sollen auch große unterirdische Schätze vorhanden

sein, welche von einem schwarzen feueräugigen

Hunde gehütet werden, der auf den Fässern liegt.

Es kann aber niemand zu jenen Gewölben. Als es einmal

die Geistlichkeit zur Passionszeit, wo sie offen

stehen, versuchte, blies ihr der Wind die Lichter aus.

Die Schätze werden erst gehoben werden, bis Melnik

ganz und gar abbrennen wird. Das soll aber an einem

Dreifaltigkeitsfeste geschehen. Deshalb geht alljährlich

an diesem Sonntage eine Procession aus Melnik

nach der Dreifaltigkeitskirche, die in der Nähe erbaut

ist. (E. Klauczek aus Prag.)

Der Keller in Přihoř.

Anderthalb Stunden von Hochlibin ist das Dorf Přihoř.

Dort befindet sich ein Keller, so groß wie ein

großes Dorf. In diesem Keller soll sich einst ein berühmter

Kriegsherr Wawusch mit seinem Gefolge

versteckt und alle seine Kostbarkeiten verborgen

haben. Eine Frau gieng einmal hinein und hörte ganz

unerwartet und ohne etwas gesehen zu haben, das

Brüllen eines Ochsen; ein andermal gieng ein Knecht

hinein und auf dem Rückwege schob er immer etwas

vor sich her. Als er es an das Licht brachte, war es

eine uralte Uniform. (J. Abeles aus Hochlibin.)

Der Ritter von Podhořan.

Bei Podhořan (zwischen Kuttenberg und Chrudim)

sind die Ueberreste der Burg Pořan. Zu König Wenzels

Zeiten soll hier ein Raubritter gehauset haben,

und für seine Uebelthaten ist er in einen benachbarten

Wald so lange verwünscht, bis die Ruinen der Burg

verschwunden sein werden. Sonntagskinder behaupten,

daß der Stamm eines Apfelbaumes sich an jedem

Weihnachtsabend öffne, daß ein Greis daraus hervorsteige,

der sich die ganze Gegend mit finsterm Gesichte

betrachtet, dann ruft er aus: Noch immer nicht

verschwunden! (Vernaleken. S. 112.)

Berg Homole.

An der Straße zwischen Prag und Beraun erhebt sich

vor Duschnik ein mäßiger Hügel mit einer Kapelle

bedeckt. Es ist dies ein Kirchlein, dem heiligen Georg

geweiht und am Festtage des Letzteren von Nahen

und Fernen besucht. Dieser Hügel heißt, wie mehrere

seines gleichen in Böhmen »Homole«. Wer einmal,

so geht die Sage, mit verhaltenem Athem um den Fuß

des Homole läuft, hört im Innern desselben Pferdegewieher

und das Stöhnen eines Ritters. Einst in den

Tagen der Urzeit hat hier kein Hügel gestanden, sondern

die ganze Strecke daselbst war flach. Als sich

aber ein böhmischer Ritter schwer an seinen Landleuten

vergieng, verhängte man über ihn eine noch

schwerere Strafe. Ein starker Pfahl ward in den Boden

geschlagen und daran band man den Ritter lebend,

wie er auf dem lebendigem Rosse saß. Darauf füllte

jeder der Beschädigten und Zuschauer seinen Helm

mit Erde und so schütteten sie diese Erde bis auf mehrere

Klaftern weit rings um den Ritter und sein Leibroß

auf. Der Ritter sah dem langsamen Tode tapfer

ins Gesicht, erst als die Erde das Roß schon bedeckt

hatte, und ihm nur noch der Kopf herausragte, erst da

stöhnte er leise auf, da er bedachte, daß er zum letztenmal

die Strahlen der Sonne und das liebe Grün der

Erde sehe. Seine Richter aber fuhren fort, Helm auf

Helm voll Erde herbei zu tragen, bis der Erdaufwurf

Mann und Roß klafterhoch über die Köpfe gieng. So

entstand der Berg Homole. (Vergl. Hajeks Chronik

von Böhmen.)

Der Hügel.

Vier Stunden von Prag bei Lichtendorf ist ein mit

Bäumen bewachsener Hügel, auf dessen Spitze steht

ein großer Baum, der über alle hervorragt. Hier soll

einmal eine Schlacht gewesen sein, in welcher ein General

fiel. Die Soldaten sollen ihren Führer auf dem

Schlachtfelde begraben und alle ihre Helme auf sein

Grab geworfen haben, wodurch der Hügel entstanden

sei. Wenn jemand siebenmal um den Hügel auf einem

Schimmel herumreitet, ohne zu athmen, so kommt der

General aus dem hohen Baume hervor. (J. Abeles aus

Hochlibin.)

Ritter Brunswig.

Auf der Insel Kampa in Prag ragt aus der aufgemauerten

Böschung eines Brückenpfeilers eine Säule hervor,

welche nach dem Glauben des Volks den Ritter

Brunswig vorstellt. Der Ritter Brunswig hatte ein

wunderbares Schwert; wenn er es schwang und dazu

sagte: Všem hlavy dolu! so flogen allen seinen Feinden,

die ihm gegenüber standen, die Köpfe herunter.

Dieses Schwert nun soll unter dieser Säule im Moldaugrunde

vergraben sein. Wenn aber einst Böhmen

in größter Gefahr sein wird, dann wird es wieder zum

Vorschein kommen. Und ein Ritter, eben so stark wie

Brunswig wird das kostbare Schwert führen und

damit die Feinde zum Lande hinausjagen. (Illustr.

Chronik. S. 130.)

Der einbalsamirte Reiter.

Bei Petersburg ist eine Burgruine, daneben eine Kapelle,

aus welcher ein unterirdischer Gang nach

Horosedl führt. Hier soll ein arger Ritter gehaust

haben. Dieser soll nun sich sammt seinem Pferde einbalsamirt

in diesem unterirdischen Gange befinden.

Bei der Ruine ist auch ein Keller voll von Kostbarkeiten.

Ein Zigeuner ließ sich einmal hinab und brachte

einen goldenen Ring heraus, der ihm um den Leib

gieng und drei Finger breit war. (J. Abeles aus Hochlibin.)

Die Tempelritter im Rollberg.

In der Nähe von Niemes befindet sich der Rollberg.

Dort soll sich eine Schatzkammer befinden, welche

jedes Jahr am Palmsonntage während der Passion geöffnet

ist, so daß die Leute hineingehn können. Einst

gieng an diesem Tage eine Frau mit ihrem Kinde in

den Berg. Da sah sie Tempelritter um einen Tisch sitzen,

die spielten und bekümmerten sich nicht um die

Frau. Neben den Rittern lag ein Haufen Goldes. Da

setzte die Frau ihr Kind nieder und sing an das Gold

in die Schürze zu raffen. Neben dem Golde aber lag

ein schwarzer Hund, der von Zeit zu Zeit bellte.

Wenn er zum drittenmale bellte, so schloß sich der

Berg. Das wußte die Frau und als sie den Hund zum

drittenmale bellen hörte, eilte sie in größter Hast dem

Ausgange zu, und erinnerte sich erst ihres Kindes, als

sich der Berg hinter ihr geschlossen hatte. Nach einem

Jahre gieng sie wieder in den Berg und fand ihr Kind

noch frisch und gesund an derselben Stelle, in jedem

Händchen einen rothen Apfel haltend. – Bei diesem

Berge geht auch der graue Jäger um. Er soll hohe

Kappenstiefeln, grüne Hosen, ein Hemd mit Spitzen

und einen Federhut tragen. Von Zeit zu Zeit begegnet

er den Leuten und spricht mit ihnen. (Franz Jaschke.)

Das Weinfaß im Helfenstein.

Eine Meile von Trautenau in Böhmen, auf dem Riesenberge,

liegt der Helfenstein, ein hoher Fels, auf

dem sonst ein Raubschloß stand. Dieses Raubschloß

aber ist versunken und niemand weiß, wo die Menschen,

die darin lebten, hingekommen sind. Im Jahre

1614 lebte zu Marschendorf eine junge Magd, die

nicht weit von diesem Felsen das Vieh hütete. Eines

Tages nun hatte sie mehrere Kinder bei sich. Zu diesen

sprach sie: »Kommt, laßt uns hin zum Helfenstein,

ob wir ihn vielleicht offen finden und das große

Weinfaß sehen.« Die Kinder waren neugierig und

giengen mit. Als sie zu dem Felsen kamen, stand dieser

offen und durch eine Eisenthür, daran ein Schloß

mit vielen Schlüsseln hieng, gelangten sie glücklich

in das Innere des Berges. Erst kamen sie in ein weites

Vorgemach. Als sie weiter giengen gelangten sie in

einen großen Saal, dort lag allerhand Hausrath, besonders

ein großes zehneimeriges Faß Wein, davon

waren die meisten Dauben abgefallen, allein es hatte

sich eine fingerdicke Haut angesetzt, so daß der Wein

nicht herauslaufen konnte, und wenn sie diese mit

Händen angriffen, schlotterte es und gab nach, wie ein

Ei mit weicher Schale. Indem sie nun solches betrachteten,

kam ein Herr aus einer schönen Stube, mit

einem rothen Federbusch auf dem Hut, in der Hand

eine große zinnerne Kanne, Wein zu holen. Beim

Thüraufmachen warfen sie einen Blick in die Stube,

wo es sehr lustig herzugehen schien. An zwei Tischen

saßen schöne Mannsund Weibsbilder, hatten Musik

und waren fröhlich. Als der Mann, der den Wein

zapfte, die Kinder erblickte, hieß er sie willkommen

und in die Stube gehen. Diese aber erschracken und

wünschten sich weit davon. Endlich faßte die Magd

ein Herz und sagte, sie wären zu unsauber und nicht

angeschickt zu so wohlgeputzten Leuten zu gehen.

Der Mann bot ihnen hierauf zu trinken an und reichte

ihnen die Kanne. Als sie sich entschuldigten, hieß er

sie warten, bis er für sie eine andere Kanne geholt

hätte. Während er abwesend war, sagte die Aelteste:

»Laßt uns hinausgehen, es möchte nicht gut werden;

man sagt, die Leute seien in den Bergen hie verfallen.

« Da giengen sie eilends heraus, hinter sich hören

sie nach wenig Schritten ein Knallen und Fallen, daß

sie heftig erschracken. Nach einer Stunde sagte die

Aelteste wieder: »Lasst uns noch einmal hin und

sehen, was das gewesen ist, das so gekracht hat.« Die

anderen wollten nicht, da aber die Große so kühn war,

allein hinzugehen, folgten die andern nach. Sie sahen

aber weder Eingang noch eiserne Thüre, der Fels war

fest zu. Wie sie das Vieh eingetrieben, so erzählen sie

alles den Eltern, diese berichten es dem Verwalter; al-

lein der Fels blieb zu, so oft man ihn auch in Augenschein

genommen. (Nach Gebhart, Oesterreich. Sagen

S. 265.)

IV.

Die weiße Jungfrau.

Die Göttin des Frühlings und der Liebe hieß bei den

Böhmen Lada. Bei den Frühlingsfesten wurde ihr

Name vorzugsweise angerufen und in den Liedern gefeiert.

Wo unter dem kühlen Schatten einer Eiche oder

Linde ein lebendiger Quell hervorsprudelte, dort

dachte man sich am liebsten den Aufenthalt dieser

Göttin im Sommer und wallfahrtete dorthin, um an

ihrer Quelle zu beten und ihr Opfer darzubringen. Der

Name dieser Göttin hat sich noch in den böhmischen

Sagen beinahe unverändert erhalten. In ihnen erscheint

sie als die weiße gütige Jungfrau Lida, die im

Brunnen wohnt und nur in mondhellen Nächten hervorkommt,

um ihren Erlöser zu suchen. Noch immer

wallfahrtet man zu ihrem Brunnen, und bittet um Heilung

für die Kranken oder um Aufschluß über die

Zukunft. Insbesondere befragen sie Liebende, wie

bald man ihnen den Brautkranz winden werde.

Eine andere jungfräuliche Göttin der Böhmen war

die Göttin Děvana, die Tochter des Donnergottes

Perun und der Letnice. Der alte böhmische Glossator

Wacehrad vergleicht sie mit der Diana und die heutigen

Wenden kennen noch heute eine Waldgöttin, ein

schönes junges weibliches Wesen, welches mit einem

Geschosse versehen in den Wäldern umherstreift und

von ihnen Dziwica genannt wird. Die schönsten Jagdhunde

bilden ihre Begleitung und schrecken nicht nur

das Wild, sondern auch die Menschen, die sich um

die Mittagszeit im Walde befinden. Doch soll sie

auch in mondhellen Nächten das Geschäft der Jagd

betreiben. Auf diese Jagdgöttin bezieht sich wol die

Sage von der heidnischen Jungfrau zu Glatz, die

unten aus Prätorius mitgetheilt ist, so wie die Sage

von der Jägerin Scharka in Böhmen. Hanuš deutet die

Děvana als die Göttin des Lichtes. Im Winter ist das

Licht in trübe Wolken gehüllt, die Göttin Děvana ist

in dem Wolkenberge verbannt und harrt dort auf den

Erlöser, der sie im Frühlinge befreien soll. Daraus

sind die Sagen von den weißen Jungfrauen entstanden,

die im Berge wohnen und sammt den Schätzen,

die sie hüten, ihrer Erlösung harren, wie die Herzogin

Libussa im Felsen bei Kauřim. Hieher gehört auch die

Sage von der Jungfrau auf der Ringelkoppe und ihrem

Hemde, bei dessen Vollendung der jüngste Tag einbricht.

Jungfrau Lida.

(Panna Lida.)

Unweit von Zbirow liegt mitten in einem Walde unter

einer uralten Eiche die Quelle der Jungfrau Lida. An

der Eiche hängt ein Bild, worauf die Jungfrau Lida in

weißen Kleidern dargestellt ist. Unweit davon ist das

Kirchlein zur heil. Dobrotiva (Clementia).

An dieser Quelle soll vor uralter Zeit die Frau Lida,

auch die weiße, gütige (dobrotivá) Frau, mit ihren

Mägden lange Jahre hindurch gesiedelt haben. Das

Volk aus der Umgegend, arm oder reich, kam zu ihr

und erflehte von ihr mancherlei Gutes und erholte sich

Rathes. Kranke wuschen sich mit dem Wasser der

Quelle und wurden gesund. Christliche Priester sollen

sie aber später in den Brunnen gebannt haben und nun

kommt sie zuweilen aus demselben hervor und bittet

die Leute, sie zu erlösen. Ein Priester aus dem Kloster

Clementia, sagt man, soll der Glückliche sein, der die

Erlösung vollbringen wird. Bei ihren Lebzeiten gieng

sie einmal durch diesen Wald. Da kam ein Ritter zu

ihr und fragte sie, ob sie ihn liebe, sonst müsse er sie

tödten. Sie sagte: Ja. Da kam ein anderer Ritter und

fragte sie ebenfalls, ob sie ihn liebe. Die Jungfrau

aber sagte: Wie kann ich dich lieben, wenn ich schon

einen andern liebe. Da drohte er ihr mit dem Tode. In

der Angst sagte sie auch dem zweiten, daß sie ihn

liebe. Da nahmen sie die beiden Ritter und rissen sie

entzwei und theilten sich redlich in die beiden Hälften.

Noch bis auf den heutigen Tag hängt an jener

Eiche ein Bild, worauf diese Begebenheit dargestellt

ist.

Aus der ganzen Umgegend wallfahrten die Leute

nach dem Brunnen der panna Lida. Wenn die Pilger

von Zbirow auf den heiligen Berg nach Přibram wallfahrten,

halten sie sich stets beim Brunnen der weißen

gütigen Jungfrau Lida auf, verrichten daselbst ein

Gebet und waschen sich mit dem Wasser Augen,

Hände und Füße. Auch schnitzt man aus grünen

Zweigen Kreuze und läßt sie in den Brunnen fallen.

Bleibt das Kreuz oben schwimmen, so bedeutet es,

daß man in demselben Jahre am Leben bleibt, sinkt

das Kreuz zu Boden, so ist das ein Zeichen, daß man

in diesem Jahre stirbt. Jünglinge und Jungfrauen winden

auch Kränzchen und loßen, ob sie im selben Jahre

noch heirathen werden. Man schöpft auch das Wasser,

um kranke Menschen oder krankes Vieh damit zu

waschen und zu heilen. Diese Lida oder weiße Frau

soll in den Wäldern und Feldern um Zbirow als

Nachtgespenst die Leute, welche sich verspätet haben

oder im Freien herumschwärmen, nach Hause treiben.

(Maria Krafnetter aus Přibram, vergl. Krolmus,

Staročesk. pověst. II. 561.)

Die weiße Frau von Waldek.

1.

Ein herrschaftlicher Knecht pflegte nach Todtenmaut

um Holzkohlen zu fahren, und wie er bei Waldek vorüberfährt,

erscheint ihm am Wege die weiße Frau. Er

fragt sie: Wer bist du? Sie antwortet: »Die weiße

Frau.« Woher? »Von Waldek.« Was verlangst du?

»Daß du mich erlösest.« Da fieng der Bursch sich zu

fürchten an. Als dies die weiße Frau sah, sprach sie

zu ihm: »Fürchte dich nicht« und gab ihm ein Geldstück

in die Hand und verschwand. In der Folge zeigte

sie sich ihm immer wieder, unterredete sich mit ihm

und wenn sie ihm nicht erschien, ließ sie ihm ein

Geldstück am Brunnen der Lida liegen. Als sie ihm

zum letztenmal erschien, bat sie ihn dringend sich

nicht zu fürchten, und um Mitternacht an den Brunnen

der Lida oder nach Waldek zu kommen; sie würde

ihm dankbar sein und reichliche Schätze verleihen. Er

aber schlug es ihr ab. Sie aber bat ihn nur noch dringender,

sie zu erlösen. Erst als er ihr es zum drittenmale

abgeschlagen hatte, erwiederte sie: »So muß ich

noch länger verwünscht sein. Mich wird Niemand erlösen,

als ein Priester aus dem Kloster der heiligen

Jungfrau Clementia und der wird rothhaarig sein.«

Hierauf verschwand sie unter Weinen vor seinen

Augen.

2.

Die weiße Frau pflegte ihre Kleider selbst zu waschen

und zu trocknen. Einmal nahm ein Schafhirte bei

Waldek ihr das weiße Kleid, das sie sich zum Trocknen

aufgehängt hatte; sie aber raubte dem Hirten zwei

Schafe und behielt sie bei sich. Als nun der Hirt weinend

nach Waldek kam und die Schafe suchte, erschien

sie ihm wieder und sprach: Jüngling, du erhältst

deine Schafe nicht früher zurück, als bis du mir

das Kleid zurückgegeben hast. Der Schafhirte lief

nach Hause, holte das Kleid und legte es an denselben

Ort, wo er es genommen hatte. Hierauf fand er seine

Schafe wieder. (Krolmus, Staročesk. pověst. II, 161.)

Der Brunnen der Jungfrau Lida bei Podmokl.

An den Gränzen der Pürglitzer und Zbirower Herrschaft

unter dem Berge Lipa ist gleichfalls ein Brunnen,

der Lida genannt wird. Auch zu diesem Brunnen

wallfahrten die Leute aus der Umgebung von Podmokl

bei Tag und bei Nacht, um sich dort Heilung zu

holen oder über ihre Zukunft zu loßen. Die Kranken

waschen ihre Glieder mit dem Wasser des Brunnens

und hängen das Linnen, das sie dabei benützt, an

einem Baume daneben auf. Dann verfertigen sie ein

Kreuz aus Ebereschenholz und werfen es in den Brunnen,

um zu erfahren, ob sie an dieser Krankheit sterben

werden. Einst soll vom Zbirower Schlosse oder

vom Sweteckaer Berge eine Ente bis in diesen Brunnen

geschwommen sein.

Nicht weit von dem Brunnen bei der Mühle stand

eine Linde mit einem Muttergottesbilde. Bei dieser

Linde erschienen einem gewissen Jonat aus Podmokl

um Mitternacht, da der Mond am hellsten schien, drei

Schafe, welche Glöckchen am Halse trugen. Jonat

suchte eins dieser Schafe zu fangen, erhielt aber

plötzlich drei Schläge in den Rücken, daß er daran

starb. Die ganze Gegend heißt das Feld bei der Lida

und die Waldgegend daneben zum zerschlagenen Johann

(u Zervaného Jana). Hier erschien den Pferde-

hirten um Mitternacht eine Ente. Als diese verschwand,

wälzten sich feurige Fässer heran und es

entstand ein solcher Wind, daß die Hirten erschreckt

davonliefen und erst am andern Tage ihre Pferde im

Walde zusammensuchten.

Das Dorf Podmokl ist außerdem durch den großen

Schatz berühmt, der im J. 1771 hier gefunden wurde.

In dem Bache, der bei Podmokl vorüber der Mies zueilt,

fand ein armer Taglöhner aus dem Orte nach

einem starken Regenwetter einige Goldmünzen, welche

die Form einer Halbkugel hatten. Er hielt sie für

Knöpfe und brachte sie seinen Kindern heim zum

Spielen. Als seine Nachbaren das erfuhren, giengen

sie auch hinaus und suchten nach solchen Knöpfen

und da diese insbesondere nach einem heftigen Regengusse

angetroffen wurden, so nannte man sie

Regenbogenschüßeln. In einer Zeit nun kam ein Jude

in die Gegend; als der die Münzen bei den Kindern

sah, erkannte er allsogleich, daß sie vom feinsten

Gold seien und kaufte nun eifrig diese

Regenbogenschüßeln zusammen. Hiedurch wurde die

Sache ruchbar und gelangte auch zur Kenntniß des

Fürsten von Fürstenberg, welcher weitere Nachforschungen

anstellte. Da fand man denn unweit des Baches

in der Erde einen kupfernen Kessel, der ganz mit

solchen Goldstücken angefüllt war. Der Boden des

Kessels war schon ganz von der Feuchtigkeit zerfres-

sen. Im Laufe der Jahrhunderte hatte der Bach, wie

das in Berggegenden häufig geschieht, seinen Lauf

geändert und die Tagesgewässer hatten den Schatz

nach und nach aus seiner langen unterirdischen Verborgenheit

herausgespült. Dabei senkte sich der Kessel

gegen die Bachseite hin, wodurch ein Theil der

Münzen mitunter bis in den Bach verschüttet wurde.

Dennoch enthielt der Kessel noch 80 Pfund Goldes

und die Münzen hatten einen Goldwerth von 12.800

Ducaten. Gleich bei Podmokl erhebt sich auch ein

künstlicher Hügel, Namens Homole, der zum großen

Theil aus Asche besteht und entweder ein Opferplatz

oder eine Stätte zur Verbrennung der Leichen gewesen

sein muß, zumal ganz in der Nähe häufig Urnentheile

und Knochen ausgegraben wurden. (Krolmus,

II, 566. Kalina von Jäthenstein, Böhmens Opferplätze,

S. 40.)

Jungfrau Maria im Brunnen.

In Klokot bei Tabor auf dem Klokotischen Berge hüteten

vor alter Zeit einst neben dem »guten Wasser«

und dem Walde Pintovka einige Kinder Kühe. Da

kam aus jener wunderthätigen Quelle eine weiße

Frau – die Jungfrau Marie sagen die Leute – hervor,

und trat unter die Kühe und ermahnte die Kinder zum

Gebet. Dann kehrte sie wieder in den Brunnen zurück

und war plötzlich verschwunden. Das geschah dreimal.

Die Kinder erzählten es ihren Eltern. Diese giengen

mit ihren Kindern hinaus, beteten bei der Quelle,

aber die Jungfrau zeigte sich nimmer. An dem Orte

aber wurde ein Kirchlein errichtet und zu Ehren der

Himmelfahrt Mariens eingeweiht. (Krolmus, II, 410.)

Die weiße Frau bei Mušic.

Nördlich vom Dorfe Mušic ist ein Fasangarten, in

dessen Mitte ein anmuthiger Weideplatz, den ein

Bächlein durchrauscht. An dem Ufer des Bächleins

stehen Trauerweiden, die ihre Zweige bis zum Wasser

hinabneigen.

Einst giengen zwei junge Leute um Mitternacht an

dem Weideplatze vorüber und bemerkten eine weiße

Frau, welche am Ufer des Bächleins auf und abgieng.

Wie diese die beiden Nachtschwärmer bemerkte,

gieng sie auf dieselben zu, die aber entflohen. Es wird

erzählt, die weiße Frau habe die beiden Müssiggänger

belehren wollen. Als man am andern Morgen den

Platz besichtigte, fand man an der Stelle, wo die

weiße Frau herumgegangen war. einen abgetretenen

Weg, es führte aber derselbe weder aus dem Fasangarten,

noch in denselben.

Diesen Weideplatz hat man schon einmal mit

Waldbäumen bepflanzen wollen, es sind aber alle

Setzlinge vertrocknet, nur die Trauerweiden an den

Ufern des Baches wollen gedeihen. Man glaubt auch,

daß diejenigen Bäume, die an den Weideplatz angränzen,

langsam verdorren werden und so mit der Zeit

der ganze Fasangarten, und dann erst, wenn diese Zeit

gekommen ist, wird die weiße Frau aufhören in der

Nacht hier umzugehen. (Jakob Jentsch aus Prag.)

Die weiße Frau in der Linde.

Bei Burzinka stand vor mehreren Jahren eine uralte

Linde, die schon ganz hohl war. Sie hieß die Zantysche

Linde. Unter derselben pflegten die Hexen ihre

Zusammenkünfte zu haben. Auch sagte man den Kindern,

daß in dieser Linde eine alte Frau (bilá žena)

wohne. Zuweilen soll die Frau unter großem Glanze

aus der Linde steigen. Darum wollen die Umwohner

öfters ein Feuer oder einen Lichtschein um dieser

Linde gesehen haben. Der Rasenplatz bei derselben

diente den Kindern zum Abhalten ihrer Frühlingsspiele.

(Krolmus II. 150.)

Die weiße Frau an der Iser.

Am Tage Peter und Paul sieht man am Ufer der Iser

alljährlich eine weiße Frau herumgehen. Sie soll ungerecht

behandelt worden sein und hat im Groll ihr

ganzes Gesinde erschlagen. Darunter befand sich auch

eine Hexe, welche die Prinzessin verzauberte. Sie

wird nicht früher erlöst werden, als bis Jungbunzlau

in größter Gefahr sein wird. (Ig. Kraus aus

Luschtenitz.)

Die heidnische Jungfrau zu Glatz.

Vor uralter Zeit regierte in dem Schloße zu Glatz eine

heidnische Jungfrau, die ein sehr gottloses Leben

führte. Sie verbrachte ihre Tage in Uippigkeit und

Wollust und war eine große Zauberin. So soll sie mit

ihrem Ranzenbogen vom Glatzer Schloße aus fertig

bis zu der großen Linde bei Eisersdorf an der Gränze

haben schießen können. Einmal nun wettete sie mit

ihrem Bruder, wer am weitesten schießen würde. Sie

schoß noch eine Meile weit über den Schloßgraben,

ihr Bruder aber erreichte kaum die Hälfte des Weges

und so gewann sie die Wette. Auf der Stelle, bis

wohin sie geschossen hatte, wurden zwei lange spitzige

Steine zum Denkzeichen gesetzet, die noch im 17.

Jahrhunderte dort zu sehen waren. Diese heidnische

Jungfrau lebte nicht nur mit andern, sondern auch mit

ihrem eigenen Bruder in schändlicher Unzucht. Daher

trachteten die Glatzer sie zu überwältigen und gefangen

zu setzen. Sie war aber in Zauberkünsten erfahren

und so stark, daß sie ohne Mühe ein starkes Hufeisen

mit ihren Händen zerreißen konnte. Daher entgieng

sie lange Zeit allen Nachstellungen. Als es endlich

doch gelungen war, sie zu erhaschen, vermauerte man

sie in einen großen Saal, der beim Thore war, durch

welches man aus dem Niederschloß ins Oberschloß

gehen kann, und ließ sie dort elendiglich umkommen.

Zum ewigen Gedächtnis aber ließ man ihr Bildnis aus

Stein hauen und in die Mauer über dem tiefen Graben

links von dem Thore, wo das Ober- und Niederschloß

sich scheiden, einmauern. Auch soll ihr Bildnis im

grünen Saale des Schloßes zu sehen gewesen sein. In

dem heidnischen Kirchlein auf dem Glatzer Schloße

zeigte man ferner an einem Nagel an der Wand das

lange schöne gelbe Haar der heidnischen Jungfrau,

das in Zöpfe geflochten war. Ihr Geist aber soll in

Glatzer Schloße umgehen. Wer ihr Haar wegnehmen

will oder spöttisch und höhnisch von ihr redet, dem

erscheint sie in ihrer Gestalt und straft ihn fürchterlich.

Ein Soldat, der auf dem Schloße Schildwache

stand, spöttelte über sie und höhnte sie. Plötzlich

stand die heidnische Jungfrau vor ihm, und gab ihm

mit eisigkalter Hand einen Backenstreich. Ein anderer

Soldat hatte das gelbe Haar der heidnischen Jungfrau

aus dem Kirchlein weggenommen. In der Nacht darauf

kam die Jungfrau nun zu ihm, schlug und kratzte

ihn und hätte ihn getödtet, wenn nicht sein Kamerad

auf seine Bitte das Haar rasch an den alten Ort zurück

gebracht hätte. (Prätorius, Daemonolog. Rubenzal. I.

p. 176.)

Scharka.

Eine Viertelstunde von Wokowic vor der wilden

Scharka zeigt man den Ort, wo Wlastas hölzerner

Wohnsitz gestanden haben soll. Hier soll die Jungfrau

Scharka verflucht sein im Herbst und Winter über

diese wilden Felsen zu fahren und zu stürmen bis an

den jüngsten Tag. In dieser Jahreszeit ist es hier sehr

schreckhaft und es getraut sich selten jemand an jene

Orte zu gehen. (Krolmus, II, 75.)

Melusina.

Wenn der Wind durch den Kamin bläst und so im

Ofen hörbar ist, so sagt man, daß es die Melusina sei.

Zwölf Tage vor Weihnachten tobt die Windsbraut am

ärgsten. Die Landleute nehmen Aepfel und Nüsse und

werfen sie in den Ofen, indem sie sagen, daß sie das

der Windsbraut zum Essen geben. Dann knallen sie

auch mit Peitschen und laufen so im Hofe oder in der

Stube umher, um die Windsbraut zu vertreiben.

Die heilige Walburgis auf der Flucht.

Der Tag der heiligen Walburgis (1. Mai) wird in

Böhmen viel gefeiert.1 Nach dem Glauben der Bewohner

des Riesengebirges aber giebt es 9 Walburgisnächte,

welche dem Namensfeste der Heiligen unmittelbar

vorangehen. In diesen neun Nächten (von

Georgi an) läßt man ein kleines Fenster im Hause

offen. Dann hofft man am Morgen nach der letzten

Nacht in jenem Fenster ein Goldstück zu finden, das

die heilige Walpurgis hingelegt hat. Die heilige Walburgis

wird nämlich in diesen Nächten unaufhörlich

von wilden Geistern verfolgt und flieht von Dorf zu

Dorf und sucht nach einem Versteck, um sich zu verbergen.

Sie flüchtet am liebsten hinter kleine geöffnete

Fenster und verbirgt sich hinter das Fensterkreuz.

Dort läßt sie den Zug ihrer Verfolger vorüberbrausen

und legt dafür zum Danke ein kleines Goldstück auf

das Gesims des Fensters und flieht dann weiter. Betet

man stets um Mitternacht ein Ave für die Heilige, so

ist das Haus für dieses Jahr vor Feuerschaden sicher.

Viele haben die heilige Walburgis auf ihrer Flucht

schon gesehen. Einst gieng ein Bauer spät in der

Nacht durch den Wald. Da begegnete ihm in der

Mitte des Waldes eine weiße Frau mit feurigen Schuhen,

langen wallenden Haaren, eine goldene Krone

auf dem Haupte, und in den Händen einen dreieckigen

Spiegel und eine Spindel. Eine Strecke hinter der Frau

gewahrte er einen Trupp Reiter auf weißen Rossen,

die sich anstrengten, die Flüchtige einzuholen. Es war

die heilige Walburgis und ihre Verfolger. Vor Furcht

warf sich der Bauer zu Boden und brausend gieng der

Zug über ihn hinweg.

Ein anderesmal führte ein Bauer, da er Regenwetter

fürchtete, des Nachts noch sein Getreide ein. Da

schwebte plötzlich die heilige Walburgis vor seinen

Wagen und bat ihn freundlich, sie in eine Garbe zu

verstecken, da ihr die Feinde auf dem Fuße folgten.

Der Bauer ließ sich erbitten und verbarg die Heilige

in einer Garbe. Daher wird die heilige Walburgis mit

einer Garbe abgebildet. Kaum war die Heilige verborgen,

als unter wildem Halloh die weißen Ritter vorüberbrausten.

Der Bauer schlug schnell ein Kreuz und

wurde so gerettet. Die heilige Walburgis stieg hierauf

aus dem Wagen, dankte dem Bauer und sagte, er solle

wohl der Garben achten. Der Bauer fuhr nach Hause;

aber wer beschreibt seine Freude, als er des anderen

Morgens Goldkörnlein statt Roggen in den Aehren

fand! Er war nun ein reicher Mann und lebte glücklich

und zufrieden. (Mündlich aus Senftenberg. Th. Bondy

aus Prag.)

Fußnoten

1 Reinsberg Festkalender S. 206.

Frau Holle.

1.

Im Egerlande darf man in der Sct. Thomasnacht nicht

spinnen, sonst kommt Frau Holle und straft die Frevler.

Ein junges Mädchen hatte aber daran nicht gedacht

und gieng mit ihrer Spindel an diesem Abende

wie gewöhnlich in die Rockenstube. Sie staunte, als

sie die Stube leer fand, spann aber doch und meinte,

die andern würden schon kommen. Um 9 Uhr aber

öffnete sich die Thüre und herein trat Frau Holle mit

ihrem Gefolge. Sie war klein und häßlich und war von

einer Menge kleiner mißgestalteter Wesen begleitet.

Frau Holle sprach zur Magd mit furchtbarer Stimme:

Du hast am Thomasabende gesponnen! und gab ihrem

Gefolge ein Zeichen; das fiel über die Magd her und

peitschte sie so lange mit Ruthen, bis sie ohnmächtig

zu Boden sank. (Krutzky.)

2.

Im Budweiser Kreise erzählt das Volk von einem

alten Mütterchen, welches zu Weihnachten mit einem

Bündel von Brennnesseln von Haus zu Haus geht und

die Hausfrauen fragt, ob die Mägde schon alles Werg

versponnen haben. Erhält es eine bejahende Antwort,

so läßt es eine Brennnessel zurück, und das Haus ist

dann das ganze Jahr vor Unglück bewahrt. Erhält es

eine verneinende Antwort, so werden die Mägde von

dem Mütterchen mit dem Nesselbündel tüchtig durchgepeitscht.

Die weiße Frau auf dem Harfenstein.

Im Riesengebirge zwischen Marschendorf und Johannisbad

ist ein großer Felsen, welcher der Harfenstein

genannt wird. Alljährlich in der Passionswoche öffnet

sich der Felsen und eine weiße Jungfrau steigt empor

und schlägt die Harfe und singt die wundervollsten

Lieder, um die Leute zu ihrer Erlösung herbei zu lokken.

Wer sie erlösen will, muß zuerst zur heil. Beicht

und Communion gehen und dann drei Tage lang ohne

Speise und Trank im Felsen zubringen. Hält er das

aus, so darf er sich von den Schätzen, die der Harfenstein

birgt, so viel nehmen als er will. Die Erlösung,

heißt es aber wiederum, wird nicht früher geschehen,

als bis die einsame Tanne dort auf der Höhe den einen

Ast so stark haben wird, daß er groß genug ist, um

einem Kinde zur Wiege zu dienen. Der Knabe, der

darin gewiegt werden wird, der erst wird das Werk

vollbringen.

Die weiße Jungfrau auf dem Felsen soll ein Bauernmädchen

sein, das in Marschendorf einen großen,

reichen Hof gehabt habe. In einer stürmischen Nacht

sei ein Bettler zu ihr gekommen und habe sie um ein

Almosen gebeten, die Jungfrau aber habe in ihrem Uibermuthe

den Bettler mit Hunden aus dem Hofe hetzen

lassen. Darauf habe die Erde sich geöffnet und

den ganzen Hof sammt der Jungfrau verschlungen.

Nach einer andern Sage hatte die Jungfrau eine schöne

Burg auf dem Harfenstein selbst. Ein Ritter aber,

der ihr gegenüber wohnte, warb um ihre Hand und da

er verschmäht wurde, verschrieb er sich dem Teufel,

durch dessen Hilfe er es zu Stande brachte, daß der

Felsen sich öffnete und die Burg mit sammt der Jungfrau

in demselben verschwand. (A. Breyer aus Schatzlar.)

Der Libussafelsen bei Kaurzim.

Unfern der alten Stadt Kaurzim ist eine Hochebene

und auf derselben ein schwarzer, verwitterter Felsblock.

Unter diesem Felsen soll ein unermeßlicher

Schatz sich befinden, welchen Libussa bewacht. Derjenige

kann den Schatz erlangen, welcher dreimal

ohne Athem zu schöpfen den Felsen umkreist. Das ist

aber fast eine Unmöglichkeit, da der Umfang des Felsens

zu groß ist, als daß ein Mensch so lange den

Athem an sich zu halten im Stande wäre. Der Schatz

ist daher bis auf den heutigen Tag noch nicht gehoben

worden. (A. Jantsch.)

Die weiße Frau im Keller.

In der Umgegend von Schlan ist zwischen zwei Feldern

ein Graben und in der Mitte dieses Grabens ein

Loch, das in einen Keller führt, der mit Wasser gefüllt

ist. Aus diesem Keller soll zu gewißen Zeiten eine

weiße Frau zum Vorschein kommen, welche einem

jeden, der hin kommt, ohne ein Wort zu sprechen,

einen Ort zeigt, wo er nach Schätzen graben soll.

Einmal gieng ein Mann am Ostersonntage während

der Messe zu dem Keller und fand an dem Orte, den

ihm die weiße Frau zeigte, einen goldenen Becher.

Ein anderer gieng ebenfalls hin, als er aber beim Graben

lange nichts fand, sprach er das einzige Wörtlein:

»Ach!« Allsogleich wurde er von der weißen Frau gefaßt

und ins Wasser gestürzt. (Karl Sacher aus

Schlan.)

Die Hasenburg.

Am Fuße des Hasenberges hüteten einst mehrere

Kuhhirten ihr Vieh. Sie wußten nicht, was sie zum

Zeitvertreib machen sollten; da kam einer von ihnen

auf den Gedanken, nachzuforschen, wie doch das Innere

der Burg und des Berges beschaffen sei. Es sollte

gelost werden, wer sich in den Berg herablassen solle.

Alle willigten ein, nur einer nicht. Aber gerade diesen

traf das Loos und da er die Drohungen seiner Kameraden

fürchtete und einsah, daß kein Widerstreben

helfe, fügte er sich und ließ sich an einem Seile hinunter.

Die andern standen oben, und sagten ihm, daß er

nur an dem Seile rücken solle, sobald er wieder herauf

zu kommen wünsche. Allein der Hirte war schon eine

lange Zeit unten und noch immer gab er kein Zeichen

zum Heraufziehen. Die oben standen, schrien hinunter,

allein niemand gab Antwort und so blieb ihnen

nichts übrig, als am Abende ohne ihren Gefährten

heimzutreiben.

Am andern Morgen, als sie wieder im Begriffe

waren, ihre Kühe auf die Weide zu führen, kam ihnen

ihr Gefährte entgegen und zeigte ihnen schon von

weitem eine ganze Hand voll blanker Goldstücke. Als

er bei ihnen anlangte, erzählte er Folgendes: »Wie ich

in die Höhle kam, sah ich vor mir eine schneeweiße

Frau, die bei einem Haufen blanker Goldstücke saß.

Sie fragte mich über Alles aus, und hieß mich alsdann

mir die Tasche mit Gold anzufüllen. Dann verschwand

Alles und ich erwachte am Gipfel des Berges

wie aus tiefem Schlafe.«

Als die andern das vernahmen, wollte jeder in den

Berg steigen und jeder der erste sein. Endlich vereinigten

sie sich dahin, daß der, der zuerst auf den Gedanken

gekommen war, in das Innere des Berges hinabgelassen

würde. So geschah es auch, aber er ist nie

wieder zum Vorschein gekommen. (J. Bauer.)

Das Wunschhorn.

Bei Pürglitz am Flusse Beraun steht ein altes Schloß,

Namens Teyřov, in welchem sich der Sage nach folgende

Begebenheit zugetragen hat: Es kamen einst 11

Soldaten mit ihrem Anführer auf der Flucht durch die

Pürglitzer Waldungen zu diesem Schlosse, und da sie

dasselbe öde und verlassen fanden, beschlossen sie

die Nacht darin zuzubringen. Als sie das Zimmer betraten,

fanden sie in demselben nichts als einen Tisch,

um welchen 12 Stühle standen, auf die sie sich niederließen,

weil sie von der weiten Reise sehr müde

waren. Kaum hatten sich die Soldaten zurecht gesetzt,

als deren Anführer ein kleines Horn erblickte, welches

auf dem Tische lag. Er nahm dasselbe und blies hinein.

Doch kaum waren die seltsamen Töne des Hornes

verklungen, als sich eine Frauenstimme vernehmen

ließ, welche sagte: Was wünschen meine Herren? Die

Soldaten erschracken über diesen Ruf, von dem sie

nicht wußten, woher er kam; da sie aber großen Hunger

verspürten, so baten sie um ein Nachtessen, worauf

die Stimme antwortete: Gleich, meine Herren. Allsogleich

bedeckte sich der Tisch mit köstlichen Speisen

und Getränken. Als die Kriegsmänner sich gelabt

hatten, wünschten sie zu spielen. Der Anführer, durch

den eben genossenen Wein kühn gemacht, blies so-

gleich in das Hörn, worauf dieselbe Stimme fragte:

Was wünschen Sie noch? Er bat um Spielkarten und

sogleich lagen 12 Häuflein Silbergeld und Karten auf

dem Tische. Als die Soldaten eine Stunde gespielt

hatten, wurden sie schläfrig, der Anführer blies wieder

in's Horn und bat dann um ein Nachtlager. Die geheimnißvolle

Stimme sagte ihnen, sie sollten in den

anstoßenden Saal sich begeben, dort würden sie zwölf

Betten finden. Sie thaten wie ihnen geheißen und fanden

wirklich die 12 Betten. Die eilf Soldaten legten

sich sogleich nieder und schliefen auch bald ein. Nur

der Anführer, dem die Erlebnisse des Tages sonderbar

vorkamen, traute nicht recht und blieb wachend auf

seinem Bette sitzen. Als er so über die Abenteuer im

Schloße nachdachte, hörte er plötzlich um Mitternacht

ein Geräusch; er vernahm Tritte, die sich dem Saale

immer zu nähern schienen und bald sah er auch vor

seinem Bette eine weiße Frau stehen, welche zu ihm

sprach: Fürchte dich nicht, denn es geschieht dir hier

kein Leid. Hierauf sagte sie ihm, daß sie ein verwunschenes

Burgfräulein sei und sich bis zu ihrer Erlösung

im Brunnen des Schloßgartens als Fisch aufhalten

müsse. Ein gleiches Schicksal hätten auch 11 ihrer

Gefährtinnen; nur um Mitternacht könnten sie ihre

menschliche Gestalt annehmen. Dann fuhr sie fort: du

und deine 11 Gefährten könnet uns erlösen, wenn ihr

ein Jahr lang ohne Unterbrechung im Schloße bleiben

wollt; ihr dürft aber nicht einen Schritt aus dem

Schloße wagen, sonst wird alles vergebens sein.

Wenn ihr etwas benöthigt, so braucht ihr nur in das

Horn zu blasen und euer Begehren zu sagen, es wird

alsbald Euer Wunsch befriedigt sein. Das Burgfräulein

theilte dem erstaunten Anführer noch mit, daß,

wenn er und seine Kameraden so glücklich wären, sie

zu erlösen, so würde dann jeder ein Fräulein zur Gemahlin

bekommen und zwar jenes, welches durch ihn

erlöst wurde. Er aber würde sie selbst zur Gemahlin

erhalten und noch dazu das Schloß mit seinen Reichthümern.

Als die Soldaten diese Nachricht erfuhren,

willigten sie sogleich ein und der Anführer machte

dies in der folgenden Nacht dem Burgfräulein zu ihrer

großen Freude kund. Dreiviertel Jahre lebten die Soldaten

im Schloße zufrieden und vergnügt. Die Jungfrauen

hatten auch schon ihre menschliche Gestalt

vom Kopfe bis zu den Knien wieder erhalten, als

plötzlich ein Soldat eine große Sehnsucht fühlte, in's

Freie zu gehn. Er theilte dies seinen Gefährten mit

und bat sie mit ihm zu gehen. Ungeachtet der Vorstellungen

und Bitten des Anführers willigten sie ein, er

aber blieb im Schloße zurück und wartete auf das

Burgfräulein, um ihr zu melden, was vorgegangen sei.

Erst in der Nacht kam sie zu seinem Bette und war

statt weiß, ganz schwarz gekleidet. Sie jammerte entsetzlich

und erzählte ihm, daß sie und ihre Gefährtin-

nen nun wieder so lange verzaubert bleiben müßten,

bis wieder zwölf andere Männer in dieses verrufene

Schloß einkehrten, um das Erlösungswerk zu vollbringen.

Da aber noch nicht einmal das Holz zu deren

Wiegen gewachsen sei, so müßten sie daher noch

lange ihrer Erlösung harren. Das Burgfräulein theilte

ihm noch mit, daß sich die Soldaten, welche zurückgekommen

waren, am nächsten Morgen so schnell als

möglich aus dem Schloße entfernen sollten, denn blieben

sie nur noch eine Nacht im Schloße, so würde

jeder von dem Burgfräulein ermordet werden, zu

deren Erlösung er bestimmt war. Ihn selbst aber

könne sie nicht ermorden, weil er sich nicht wie seine

Gefährten wortbrüchig benommen habe und er solle

dafür auch reichlich belohnt werden. Wenn er nämlich

mit den Soldaten aus dem Schloße gegangen sei, sollte

er sich bald von ihnen trennen und in das Schloß

zurückkehren, wo sie ihm einen Schlüssel überreichen

werde. Mit demselben sei eine Thüre zu eröffnen,

durch die er in einen Raum gelange, wo er sich von

den Schätzen so viel nehmen könne, als er wolle.

Nachher müsse er den goldenen Schlüssel wegwerfen.

Als sie ihm dies mitgetheilt hatte, verschwand sie.

Kaum tagte es, so verließ er mit seinen Gefährten das

Schloß. Unweit desselben jedoch trennte er sich unter

einem Vorwande von denselben und befolgte den

Rath des Burgfräuleins. Er gieng in's Schloß zurück,

fand am Rande des Brunnens den goldenen Schlüssel,

mit dem er die bezeichnete Thüre öffnete, und gelangte

in den Besitz der versprochenen Schätze. Er ließ

sich nun im nächsten Orte nieder und führte ein

glückliches Leben. Nach Verlauf von einigen Jahren

kamen wieder die eilf Soldaten, die indeß erfahren

hatten, wohin er sich gewendet und was mit ihm geschehen

sei, in großer Armuth zu ihrem ehemaligen

Anführer und baten ihn, er möchte sie in das Schloß

begleiten, in welchem sie die Erlösung der Jungfrauen

gewiß vollbringen würden. Er gieng mit ihnen, aber

wie erstaunten sie, als sie in das Zimmer kamen, in

dem sie vor vielen Jahren gewohnt hatten, und neben

dem Tische nur einen Stuhl statt zwölf fanden. Der

Anführer stieß nun in das Horn, welches noch am

alten Platze lag; alsbald ließ sich die bekannte Frauenstimme

vernehmen: Was beliebt meinem Herrn? Er

bat um ein Nachtessen für sich und seine Leute. Ihr

Staunen und ihre Furcht stieg aber, als sie statt 12

Gedecken nur eines und zwar vor dem Anführer auf

dem Tische erblickten. Und so gieng es auch später,

als der Anführer um Karten bat, und er bald darauf

die Karten mit einem Häuflein Geld erhielt. Die Soldaten

machten sich bald nichts mehr daraus und baten

dann den Führer, er möchte um ein Nachtlager ansuchen.

Als sie dann in den Saal traten, in welchem früher

die zwölf Betten gestanden, fanden sie nur ein

Bett und zwar jenes, in welchem der Anführer das

erste Mal geschlafen hatte. Dieser legte sich in sein

Bett und jeder der übrigen auf den Platz, wo früher

sein Bett gestanden. Um Mitternacht kam das Burgfräulein,

schwarz gekleidet, und machte dem Anführer

kund, daß die eilf Soldaten diese Nacht sterben müßten,

ihm aber werde kein Leid geschehen, er könne

sich noch überdies am nächsten Morgen, auf dieselbe

Weise wie das erste Mal, einen Schatz heben. Der

Anführer bat zwar um das Leben seiner Gefährten, jedoch

vergebens; als er des Morgens erwachte, fand er

sie alle todt. Jedem war der Kopf abgeschlagen. Voll

Schrecken und Furcht eilte er fort und langte bald mit

einem Schatze, den er mitzunehmen nicht vergaß, zu

Hause an. Die zwölf Jungfrauen aber warten noch

jetzt auf ihre Erlösung. (Vernaleken, Mythen und

Bräuche. S. 146.)

Die wunderbare Jungfrau.

Als die Bewohner eines Dorfes nach Jungbunzlau zur

Mitternachtsmette giengen, fühlte sich auf dem Wege

dahin ein Bursche unter ihnen unwohl und blieb zurück.

Da erblickte er ein helles Licht im Walde; er

meinte es sei eine Hütte und eilte darauf zu, um sich

dort zu wärmen. Allein er konnte es nicht erreichen

und sank ermattet zu Boden. Als er wieder zu sich

kam, fand er sich in einem schönen Saale an einem

geheizten Herde und vor ihm stand eine wunderschöne

Jungfrau, die ihm einen Becher Wein kredenzte.

Der Jüngling trank und fühlte sich augenblicklich

wohl. Da sprach er: »Verzeiht, ich muß nun scheiden,

denn ich muß in die Mette gehen.« Da erschrack die

Jungfrau und sagte: »Ist es denn jetzt Weihnachten

unten auf Erden?« »Ja,« antwortete der Bursch und

wollte gehen. Da gab ihm die Jungfrau die Flasche

Wein, die auf dem Tische stand, berührte ihn an den

Schläfen und augenblicklich schlief der Jüngling ein.

Als er erwachte, fand er sich an derselben Stelle, wo

er niedergesunken war; nur hielt er die Flasche mit

Wein in der Hand. Dieser Wein soll Wunder gewirkt

haben und alle, die davon tranken, wurden gesund. (J.

Winterberg aus Jungbunzlau.)

Die weiße Jungfrau von Königgrätz.

In der alten Burg von Königgrätz sollen Nonnen verfallen

sein. Die Mutter des berühmten Jesuiten Balbin

schickte einmal ihre Magd nach jener Burg, daß sie

gewisse Kräuter sammele, die dort wuchsen. Die

Magd suchte die Kräuter und verweilte bis Sonnenaufgang

an dem einsamen Orte. Plötzlich sieht sie vor

sich eine schneeweiße Jungfrau stehen, die sie in böhmischer

Sprache fragte, ob sie die Magd der Frau Susanna

sei. Als die Magd die Frage bejahte, hieß sie

die Jungfrau ihr folgen und führte sie zur Thüre eines

Kellers. Dort nahm die Jungfrau einen Schlüssel, den

sie am Gürtel trug, öffnete die Thüre und trat in den

Keller und ladete auch die Magd ein, mit ihr einzutreten.

Die aber wurde von einer seltsamen Furcht erfaßt

und weigerte sich weiter zu gehen. Aus Neugierde

aber blickte sie doch in das Innere des Kellers und gewahrte

daselbst ungeheure Schätze von Gold und Silber,

die darin aufgespeichert waren. Die Jungfrau

aber, als sie sah, daß ihr die Magd nicht folgte, griff

in das Gold, warf der Magd eine Handvoll in die

Schürze und sagte: »Komm wieder, wenn deine Frau

noch mehr braucht.« Die Magd dankte der Jungfrau

und eilte mit dem Gelde nach Hause; sie war aber

nimmermehr zu bewegen, noch einmal den alten

Burgplatz zu besuchen. (Balbini Misc. 1. III. c. 14. §

7.)

Die weiße Frau und die Schildwache.

Die weiße Frau soll eine sehr schöne Jungfrau gewesen

sein, die ein König heirathete. Sie verrieth aber

ihren Gemal und vermählte sich mit dessen Gegner.

Als sie auch diesem untreu ward und mit einem

Kriegsobersten entflohen war, ließ sie ihr zweiter Gemahl

in einen weißen Thurm auf dem weißen Berge

bei Prag einsperren und vermauern. Aus diesem Thurme

nun geht die weiße Frau um Mitternacht hervor.

Sie hält ein weißes Tuch in der Hand, das mit Blut

befleckt ist.

Ein Soldat, der vor den Magazinen des Schloßes

Schildwache stand, sah sie einmal in der Nacht und

erzählte es seinen Kameraden. Ein junger Rekrut vermaß

sich sie anzusprechen. In der folgenden Nacht erwartete

er die Erscheinung. Um Mitternacht kam denn

auch wirklich die weiße Frau aus dem weißen Thurme

hervor und fieng an zu weinen und zu klagen. Der Rekrut

faßte ein Herz und fragte sie, was ihr fehle und

wie sie zu erlösen sei. Da antwortete die weiße Frau:

»Wenn Du ohne einen Laut von Dir zu geben, drei

Stiche aushältst, die ich Dir mit deinem Bayonnette in

die Brust gebe, so werde ich erlöset sein.« Der Rekrut

gieng darauf ein. Aber schon beim ersten Stiche, den

die weiße Frau ihm versetzte, schrie er laut auf:

»Jesus, Maria, du hast's mir gegeben!« »Und du mir

noch mehr,« antwortete die weiße Frau: »Siehst du

jene drei Bäumchen,« die dort stehen. Wenn diese

drei Bäumchen werden ausgewachsen sein, so wird

man aus ihrem Holze eine Wiege machen und das

Kind, das in dieser Wiege liegen wird, das erst wird

mich wieder erlösen können. Und wenn mich auch

das nicht erlöst, so muß ich nun umgehen, so lange

die Welt Welt sein wird. (E. Klauczek aus Prag.)

Die weiße Jungfrau in der Ringelkoppe.

Bei Dittersbach in der Braunauer Gegend ist ein

hoher Berg, genannt die Ringelkoppe. In diesem

Berge sitzt eine Jungfrau, die näht an einem Hemde.

Jedes Jahr macht sie einen Stich. Wenn das Hemd fertig

sein wird, dann bricht der jüngste Tag herein. Am

Charfreitage während der Passion stehn die Thore des

Berges offen und man kann hineingehen und sich von

den Schätzen nehmen, die darin aufgespeichert sind.

Doch nur so lange, als die Jungfrau dreimal »Raff!«

sagt, beim dritten »Raff!« schließt sich der Berg und

der Saumselige ist verloren. (F. Kahler aus Braunau.)

V.

Letzte Schlacht und Weltuntergang.

Nach dem Glauben der alten Deutschen war der Untergang

der Welt mit einer großen Schlacht zwischen

den Göttern und den Dämonen verbunden. Das

schreckenvolle Ereigniß selbst aber dachte man sich

in weite Ferne gerückt. Die Götterschlacht und der

jüngste Tag würden erst hereinbrechen, prophezeihte

man, wenn ein Schiff (Naglfar) vollendet wäre, das

aus den Nägeln der Todten gebaut wird. Um diese

Zeit hinauszuschieben, war es Pflicht, den Todten die

Nägel zu beschneiden. Schreckliche Vorzeichen würden

den Anbruch des Weltuntergangs verkünden. Insbesondere

wird das Land vom Wasser überflutet werden.

(Midgardschlange.) Als Nachklänge solcher uralten

Kunde von dem Weltuntergange und der letzten

großen Schlacht müssen die böhmischen Prophetien

gedeutet werden. Es finden sich darunter ganz altertümliche

Anklänge, die Ueberflutung der Wasserhöle

bei Landskron, das Vertrocknen des Baches (während

des Weltbrandes vertrocknen alle Gewässer. Muspilli)

und der Stiefel des Feldherrn Schwejda, der sogar

auf den Schuh gedeutet werden könnte, den Widar anzieht,

wenn er gegen den Wolf kämpft, welcher den

Weltenvater Wuotan verschlungen hat. – Unter den

Slaven müssen ganz ähnliche Vorstellungen geherrscht

haben, wie unter den Deutschen, wie denn

derartige Prophetien sehr leicht Gemeingut der Völker

werden. Ich gebe hier beispielsweise einige derartige

Prophezeihungen aus Ungarn: In den Weinbergen von

Tokai steht ein ungeheurer Weinstock, darunter ist

eine riesige Maus verborgen; wenn die herauskommt,

so bricht das Ende der Welt an. – Auf der Margaretheninsel

bei Pesth liegen die Ruinen eines Klosters.

Im Keller dieses Klosters ist ein Maulwurf schon seit

undenklicher Zeit verschüttet. Er gräbt fortwährend an

einem Wege, der ihn ins Freie bringen soll. Wenn ihm

dies gelungen sein wird, kommt das Ende der Welt. In

den Waizener Gebirgen steht ein Berg, wo man einige

versteinerte Mausköpfe sieht. Wenn diese Mäuse lebendig

werden, kommt der jüngste Tag. An dem

Tage, wo eine weiße Schlange aus dem Blocksberge

in Ofen hervorkriechen wird, soll die Welt untergehen.

(J. Herzl aus Pesth.)


Sagenbuch von Böhmen und Mähren

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