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Zu dieser frühmorgendlichen Stunde, noch nicht Tag, aber auch nicht mehr ganz Nacht, schlief die Stadt noch; die Straßen und der Gehsteig waren wie leergefegt. Nur sie beide waren unterwegs – sie, diese schöne Unbekannte, und er, ein Mann mittleren Alters, der ihr im Abstand von wenigen Metern folgte. Trotzdem blieb sie gelassen; selbst das Klacken seiner Absätze auf dem Pflaster schien sie weder zu stören noch zu hören: Keine Unsicherheit konnte er an ihr feststellen; keinen beschleunigten Gang, kein hektisches sich Umdrehen oder fahrige Bewegungen.

Vollkommen entspannt lief sie vor ihm her, diese junge Frau im blauen Kleid aus matt schimmernder Seide. Zumindest vermutete er, es müsse wohl Seide sein; wie eine zweite Haut lag das Material an ihrem Körper, quittierte den aufreizenden Schwung ihrer Hüften mit kleinem Faltenspiel in der Taille, floss weiter über den Po und modellierte die langen Beine bis zu den Knien nach. Nur für einen Augenblick verfing sich das Kleid in der Pofalte, um anschließend ihren Körper wieder fließend zu umschmeicheln.

Ein bis zur Taille reichender ovaler Ausschnitt im Rücken, an seinen Seitenrändern wie ein Schal weich geschwungen, ließ ihn denken „sehr reizvoll. Das wirkt wie ein geheimes Sichtfenster, fast schon voyeuristisch. Da macht die elfenbeinfarbene Haut dahinter um so neugieriger ...“ Zugleich stellt er fest „unter dem Kleid trägt sie anscheinend nichts; keine Druckstellen sind zu sehen, alles glatt und eben – nur die sich geschmeidig bewegenden Muskeln sind zu erahnen - mutig, diese Frau.“

Sein taxierender Blick wanderte weiter zu ihren Füßen. Blassrosa Riemchenpumps mit hohen Absätzen verliehen ihrem lässigen Gang eine herausfordernde Grazie, sicher setzte sie ihre Schritte und wippte jeweils ein bisschen nach.

„Okay, jetzt nochmal zurück zum Gesamtbild“, sagte er sich, verzögerte seinen Schritt und betrachtete sie mit etwas mehr Distanz. Auf der rechten Schulter hing eine kleine Umhängetasche im Farbton der Schuhe, den Kopf trug sie selbstsicher erhoben, die goldblonden Haare rieselten in weichen Wellen spielerisch, nach sanftem Knick auf den Schultern, den Rücken hinab; und ihre Arme pendelten locker im Gleichklang mit dem Schritt.

„Sie bewegt sich wie ein großes Raubtier; ein perfektes Zusammenspiel des gesamten Körpers – einfach grandios!“, dachte er bewundernd.

Warum diese Frau so gelassen unterwegs war, konnte er sich nicht erklären. Sie vermittelte in ihrer Haltung den Eindruck, als gäbe es den Begriff „Vergewaltigung“ nicht; oder sie war ein vollkommen angstfreier Mensch; und das in der Großstadt, nachts um halb vier. Das machte ihm zu schaffen; und noch wusste er auch nicht, wie er sich verhalten, was er tun sollte. „Sie ansprechen? Das wäre eine Option. Über sie herfallen? Absolut lächerlich.“

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