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Kapitel 4

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Weil Bücher, die sich weniger gut verkaufen, Promotion brauchen, und Hugenbach gute Beziehungen zu wichtigen Medienleuten hatte, schickte er mich an seiner statt in eine Talkshow. In eine anspruchsvolle selbstverständlich. Sonst hing er gerne selber dort rum und gab den engagierten Kleinverleger, der sich bis zur Selbstaufgabe für sein Medium Buch reinhängt. Was ja auch stimmte, kaum ein anderer Verlag war so sehr mit dem Namen des Verlegers verbunden. Und eitel, wie er war, musste er das der ganzen Welt zeigen: der große Hugenbach mit dem kleinen Verlag und dem großen Herzen! Nun hatte er die Gnade und ließ etwas vom Scheinwerferlicht auf mich herniederstrahlen. Ich hatte, wie schon kurz erwähnt, ein Jahr lang in Die Woche kompakt eine geistreiche Kolumne geschrieben, die überraschend gut angekommen war. Lobende Leserbriefe kamen körbeweise und eine bundesweite Tageszeitung hatte geschrieben:

„Hierin (in den Kolumnen) beweist der sonst so bierernste Philosoph und Essayist Immo Polcas sein Talent zum Humor“.

Hugenbach wollte diesen Rückenwind für seinen Verlag nutzen. Er hatte sich die Rechte gekauft und einen kleinen Band daraus zusammengestellt. Aus meiner Sicht wurde leider nicht der erhoffte Selbstläufer, wir mussten nachlegen, dazu war der bierernste Humorist Polcas Gast im Studio Vier.

Der Moderator schlug vor, sich auf die Kolumne zur Frauenquote zu konzentrieren. Darin hatte ich die Stellung der Frau im 21. Jahrhundert sehr ironisch behandelt. Mein Humor wurde nicht von allen gewürdigt. Fanatiker sind humorlos, Fanatiker sehen sich immer gleich persönlich angegriffen. Und so feuerte auch Amelie Blank, die Chef-Feministin des Landes aus allen Rohren zurück. Die Obersuffragette saß mir direkt gegenüber. Sie warf mir biologischen Determinismus vor, mit dem ich die Frau dem Mann auf ewig unterordnen wolle und manch anderes mehr. Der Gesprächsleiter heizte die Debatte an indem er mir zur Seite sprang, wenn ich aus seiner Sicht zu rücksichtsvoll antwortete. Das spornte mich tatsächlich an und schon bald hatte ich den Bogen raus: ich führte meine Gegnerin immer wieder auf ihr Urdilemma zurück:

„Sie kämpfen für die Rechte der Frau“ sagte ich, „und versuchen gleichzeitig, alle Unterschiede zwischen Frau und Mann einzuebnen. Wenn Sie aber keine Unterschiede wahrhaben wollen, gibt es auch keinen Kampf mehr. Solange sie gegen Ungerechtigkeit kämpfen, bin ich ganz bei Ihnen, sobald sie aber gegen die Biologie kämpfen, lache ich Sie aus.“

Amelie Blank zog sich kurz in den Schmollwinkel zurück und keifte:

„Er versteht es nicht, er will es einfach nicht verstehen!“

Ich warf ihr vor, die Begriffe Lust, Pornografie und Unterdrückung nicht scharf genug voneinander zu unterscheiden und fragte sie provokant:

„Gestehen Sie der Frau kein Recht auf Lust zu? Spüren Sie selbst keine sexuelle Lust?“

Das war zu viel. Viel zu persönlich.

„Jedenfalls verspüre ich keine Lust, mit Ihnen in aller Öffentlichkeit über meine persönlichen Gefühle zu sprechen.“

Sie stellte ihre Person wieder hinter den Kampf für Frauenrechte und warf mir bitterböse Blicke zu. Wir traten auf der Stelle und waren am Ende der Sendung kein Stück weiter als zu Beginn der Gesprächsrunde.

Aber darum ging es auch gar nicht.

Talkshows waren noch nie darauf aus, irgendwas zu klären oder auch nur zu erklären. Der Moderator hatte den gepflegten Zoff bekommen, den er wollte und ich die Werbung für mein Buch, und so nebenbei konnte ich nicht nur meinen Bekanntheitsgrad steigern: Wer zu Amelie Blank in den Ring gestellt wird, gilt schon als ein Schwergewicht. Auch Frau Blank selbst zeigte sich nach der Sendung zufrieden. Fanatisch war sie nur im Ring während des Kampfes.

Genaugenommen war auch sie schon ein Teil des Systems geworden, das den Kampf für das Gute als permanente Show zelebriert. Sie lebte mit ihrem Verlag von der fortdauernden Benachteiligung der Frau, so wie die Gewerkschaften von der fortdauernden Benachteiligung der Beschäftigten leben. Stellte sich von heute auf morgen Gerechtigkeit ein, wären all die wackeren Kämpfer urplötzlich arbeitslos. Ich bin sicher, so weit werden sie es nicht kommen lassen.

Ich traf Amelie Blank später im Hotelrestaurant wieder, überraschenderweise setzte sie sich zu mir. Die ausgepuffte Medienfrau konnte inszenierten Streit gut von privatem Umgang trennen.

„Für einen aus der Printbranche haben Sie sich wirklich prima geschlagen“, sagte sie.

„Hab ich Sie auch nicht zu hart angefasst?“

„Ich bitte Sie!“ Amelie Blank lachte laut auf, „Da bin ich wirklich Schlimmeres gewohnt.“

Als wir gegessen hatten und schon beim zweiten Glas Wein angelangt waren, sagte sie:

„Nur eines hat mich irritiert, ja geradezu rasend gemacht: dass Sie mir ständig auf den Busen gestarrt haben. War das Taktik...?“

„Wie bitte?“

„Ja, sie haben schon verstanden. Besonders bei der Frage, ob ich denn keine Lust verspüre, haben sie auf meinen Pullover gestarrt.“

„Und? Verspüren sie sexuelle Lust oder haben sie die unter ihrem Gerechtigkeitsanspruch vergraben?“ Amelie Blank schien leicht die Fassung zu verlieren.

„Glauben Sie im Ernst, ich spreche im Hotelrestaurant darüber.“

Und dann geschah, was ich nie für möglich gehalten hätte:

„Sprechen wir in meinem Zimmer weiter.“

*

„Natürlich bin ich auch eine Frau“ sagte Frau Blank und goss uns zwei Weinbrände aus der Minibar ein, „natürlich verspüre ich auch Lust. Aber ich verspüre keine Lust, über mir einen schwitzenden Mann keuchen zu sehen, der mit einem affenartigen Gesichtsausdruck einem raschen Orgasmus entgegenrammelt.“

Ich lachte:

„Ja, Sex zu zweit kann eine sehr einsame Sache sein.“

Amelie quittierte den Witz mit einem Schmunzeln und fuhr fort:

„Genau das meine ich: für den Mann ist Sex eine einseitige, um nicht zu sagen singuläre Veranstaltung. Er gebraucht die Frau nur als optische Vorlage zur Triebbefriedigung.“

„Und umgekehrt“ fragte ich?

Amelie wurde verlegen:

„Sicherlich ist auch die Frau auf optische Stimulanzen angewiesen, aber was mich persönlich angeht, so finde ich die meisten Männer angezogen sympathischer als nackt. Und sehen Sie es mir bitte nach, wenn ich sage: das männliche Geschlechtsteil ist nicht gerade das ästhetische Meisterwerk der Schöpfung, oder?“

Ich zitierte den Kabarettisten Ingo Börchers:

„Der Schöpfer beweist Humor: warum sonst führt er den Abwasserkanal mitten durchs Vergnügungsviertel!“

Sie lachte:

„Herrlich, ehrlich! Apropos Ehrlich: Geben Sie zu: Sie haben mir auf den Busen gestarrt, wollten Sie mich damit verunsichern?“

„Antwort eins: ja, ich habe, Antwort zwei: nein, ich wollte nicht.“

„Warum dann?“

Am liebsten hätte ihr die Wahrheit gesagt:

„Weil Sie da offenbar zwei wunderbare Dinger unterm Pulli versteckt haben.“

Stattdessen bot ich ihr eine Halbwahrheit an:

„Aus Recherchegründen...“

„Wiebittewas? Das müssen Sie mir erklären!“

Ich erzählte ihr von meinem Buchprojekt und dass ich mich erst langsam darin einarbeiten müsste und dass diese Einarbeitung sich zu verselbständigen beginne; dass ich begänne, die Frauen nach sexueller Brauchbarkeit abzusuchen. Und wie peinlich mir das sei.

„Was denn, ausgerechnet ich soll Sie dafür bedauern? Warum machen Sie es denn, wenn Sie das so sehr mitnimmt?“

„Nun, Hugenbach hat viel für mich getan, ich bin ihm was schuldig. Darum.“

Amelie lachte hämisch goss uns einen weiteren Weinbrand ein:

„Auf den selbstlosen Kämpfer des Verlagswesens. Und weil wir gerade so ehrlich miteinander sind: ich hab es auf perfide Weise genießen müssen, wie sie mir auf den Busen starrten.“

Wow!

„Ich konnte mich nicht dagegen wehren. Ihre Augen schienen mich zu streicheln, meine Brüste erwärmten sich auf unerklärliche Weise...“

„Etwa so?“

Ich legte meine Lippen auf ihre linke Brust und hauchte langsam aus. Mein körperwarmer Atem verfing sich in ihren Pullover und unter der raschen Temperatursteigerung stellte sich ihr Nippel frech auf.

„Jaaah so!“, hauchte sie. „Übrigens hab zwei davon.“

Also ließ ich auch ihrer rechten Brust einen warmen Luftschwall zukommen, auch hier reagierte der Nippel rasch.

„Oh“ entfuhr es ihr und „ach!“

Konnte das wahr sein? Die schärfste Männerfeindin des Landes schmolz dahin, allein durch meinen Atem!

„Immo, tun Sie mir einen Gefallen und schalten Sie das Licht aus, ich mag keinen nackten Mann sehen.“

Verblüfft tat ich, was sie wünschte. Im Dunkeln zogen wir uns gegenseitig aus.

„Ziehen sie sich was über Polcas, wenn sie verstehen...“

Ich tastete nach meiner Hose und kramte ein Kondom aus der Tasche. Seit meiner Arbeit an diesem vermaledeiten Buch hatte ich immer welche griffbereit. Amelie tastete meinen Körper ab, zaghaft wie eine Sechzehnjährige, dann sagte sie:

„Unten kann ich nicht, legen Sie sich auf den Rücken.“

Ich legte mich aufs Bett, sie setzte sich auf mich, ganz langsam und vorsichtig und ritt in sanften Trab durch die Dunkelheit. Ich griff nach ihren Brüsten, die wie schwere Glocken im Rhythmus ihrer gezügelten Leidenschaft läuteten. Es war ein langer Ritt, der im dritten Drittel in leichten Galopp überging, in diesem Tempo überschritten wir beinah gleichzeitig die Ziellinie. Sie zog meine Hände von ihren Brüsten, ihre Hände krallten sich in meine und ich hatte den Eindruck, sie weinte. Während meiner Ejakulation verlor ich wieder den Verstand, wie einst mit Claudia. Amelie schien es ähnlich zu ergehen, wir brauchten lange um zu begreifen, was geschehen war. Eine Situation, die wir nur ertrugen, solange es stockfinster war, solange wir uns nicht in die Augen sehen mussten. Sex zu zweit kann mitunter eine einsame Angelegenheit sein, siehe oben. Weil man sich seiner Begierde wegen schämt, weil die Begierde uns zum Tier degradiert. Dann nimmt man dem Objekt der Begierde übel, die eigene Geilheit entfacht zu haben. Kopfmenschen machen es lieber im Dunkeln. Verschämt suchten wir unsere Klamotten zusammen und zogen uns an. Erst dann machte ich das Licht wieder an. Wir tranken noch einen Weinbrand und redeten, als wäre nichts gewesen, als hätten wir beide nur denselben Traum geträumt. Oder genauer: als hätten wir in einem Labor einen Selbstversuch gemacht. Nun redeten wieder zwei nüchterne Intellektuelle über Sex und seine mediale Überschätzung. Als ich ihr Zimmer verließ sagte sie:

„Ich freue mich schon auf unser nächstes TV-Duell. Und wenn Sie auch nur ein Wort davon erwähnen, was hier mit uns geschehen ist, Immo, ich schwör’s, dann kastriere ich Sie.“

Da war sie schon wieder ganz die Suffragette Amelie Blank. Ich versprach ihr hoch und heilig, niemals darüber zu reden.

Und Sie, liebe Leser, halten doch dicht, oder?

*

Meiner Katja erzählte ich schon aus Konditionsgründen nichts von dieser Affäre. Wahrscheinlich hätte sie ohnehin gesagt:

„Komm, übertreib es nicht, das nimmt dir doch keiner ab!“

Später überraschte Amelie Blank die Öffentlichkeit mit Sätzen wie:

„Selbstverständlich haben Frauen eine Sexualität. Es ging nie darum, der Frau die Lust auszureden. Es ging immer nur darum, dem Mann begreiflich zu machen, dass er die Frau nicht zum Ejakulationsautomaten degradieren darf.“

So hatte Hugenbachs Schnapsidee auf Umwegen dazu geführt, dass der öffentliche Blickwinkel auf die Sexualität sich geringfügig verschob. Und da soll noch einer behaupten, Intellektuelle bewegen nichts.

Nach meinem kleinen Ausflug in den großen, strahlenden Medienzirkus fand ich mich in meiner staubtrockenen Schreibstube wieder und hoffte auf ein weiteres Zuspiel des Zufalls, der mir in den letzten Wochen so gnädig gewesen war. Und er ließ auch nicht lange auf sich warten. Wenngleich ich ehrlicherweise anfügen muss, dass eine „liebe Freundin“ diesem Zufall auf die Sprünge geholfen hatte.

Der Nackt-Scanner

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