Читать книгу Amelie fährt ans Meer - Eva Markert - Страница 5

Auf der Fahrt

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Als die Eltern am nächsten Morgen aufstehen, ist Amelie so müde, dass sie am liebsten weiterschlafen würde. Da fällt ihr ein, dass sie heute nach Holland ans Meer fahren. Mit einem Schlag ist sie hellwach. Am liebsten würde sie sofort ins Auto springen!

Aber erst muss gefrühstückt werden.

Mama packt auch etwas zu essen und zu trinken in eine Kühltasche.

„Wie lang fahren wir?“, erkundigt sich Amelie.

„Mit Pause gut vier Stunden“, antwortet Papa.

„Wie lange sind vier Stunden?“, will Amelie wissen.

Papa überlegt. „Das ist etwas länger als die Zeit, die du morgens im Kindergarten bist“, erklärt er.

„So lang?“, denkt Amelie. „Das Meer muss wirklich weit weg sein!“

Irgendwann sind sie endlich abfahrbereit. Die Sonne ist leider nicht zu sehen. Wenigstens regnet es nicht.

Amelie und Mareike sitzen hinten mit Bernie zwischen ihnen. „Hoffentlich geht das gut mit dem Hund“, sagt Mama besorgt.

Bernie wird manchmal im Auto schlecht. Deshalb hat er heute Morgen nichts zu fressen bekommen, und Mama hat für alle Fälle eine Rolle Küchenpapier dabei.

Papa und Mama setzen sich nach vorn. „Auf nach Holland!“, ruft Papa und startet den Wagen.

Das findet Amelie spannend, dass sie in ein fremdes Land fahren, wo die Leute anders sprechen.

Während der Fahrt guckt sie aus dem Fenster. Das wird schnell langweilig. Auf der Autobahn sieht man nur Autos und am Straßenrand Bäume und Büsche.

Nach einer Weile fragt sie: „Wie viele Stunden fahren wir schon?“

Papa lacht. „Stunden?“, sagt er. „Frag lieber nach Minuten. Wir sind seit ungefähr 30 Minuten unterwegs. Das heißt, eine halbe Stunde.“

Mareike fängt an zu quengeln. Mama gibt ihr ihren kleinen Lieblingsbären zum Spielen. Danach ist sie ruhig.

Ab und zu dreht Mama sich um und guckt nach Bernie. Dem scheint es gut zu gehen. Er liegt gemütlich auf dem Sitz und hat die Augen geschlossen.

Amelie schaut weiter aus dem Fenster. Es hat angefangen zu nieseln. „Hoffentlich regnet es nicht, wenn wir ankommen“, denkt sie.

Das Auto fährt und fährt: „Mama, mir ist langweilig“, klagt Amelie.

Papa hält an und Mama gibt ihr einen MP3-Player, sodass sie eine Geschichte über Prinz Erbso und Prinzessin Erbsania hören kann. Das ist ihre und Amos’ Lieblingsserie. Das Hörspiel gefällt Amelie, doch ein zweites Mal will sie es nicht hören. „Sind wir bald da?“, fragt sie.

„Ich habe eine Idee“, sagt Mama. „Wir machen ein Spiel. Du guckst an der einen Seite aus dem Fenster und ich an der anderen. Dabei zählen wir silberne Autos. Wer zuerst zehn silberne Autos gesehen hat, hat gewonnen.“

Das Spiel klingt gut.

Aber es ist wie verhext. Amelie hat das Gefühl, dass alle silbernen Autos auf Mamas Seite fahren, denn die hat immer schnell zehn zusammen.

„Sollen wir die Seiten tauschen?“, schlägt sie vor.

Mama ist einverstanden.

Jetzt fahren alle silbernen Autos plötzlich auf der anderen Seite.

Amelie kommt es vor, als ob es auf ihrer Seite besonders viele rote Autos gäbe. Sie fragt Mama, ob sie zur Abwechslung rote Autos zählen können.

„Klar“, sagt Mama.

Bei den roten Autos hat Amelie mehr Glück. Nun gewinnt sie.

Ewig kann man dieses Spiel nicht spielen. Sie zählen noch schwarze Autos. Danach hat Amelie keine Lust mehr.

Mareike hat’s gut. Die ist eingeschlafen. Bernie auch. Amelie ist leider überhaupt nicht müde.

„Wir sind gleich an der Grenze“, sagt Papa.

Amelie richtet sich auf. Das möchte sie unbedingt mitbekommen, wie sie in das andere Land hineinfahren.

„Jetzt sind wir in den Niederlanden!“, ruft Papa kurz darauf aus.

Amelie ist enttäuscht. Sie hat nichts von der Grenze gemerkt, und im Grunde sieht alles genauso aus wie in Deutschland.

Bernie wacht auf und stellt sich hin.

„Halt lieber schnell an!“, sagt Mama zu Papa.

Bernie fängt an, komische Geräusche zu machen und den Kopf nach vorn zu strecken.

„Bernie muss brechen!“, schreit Amelie.

Das Auto hält mit quietschenden Reifen. Mama springt heraus, rennt nach hinten, reißt die Tür auf, löst Bernies Gurt und zerrt ihn heraus.

Wirklich in allerletzter Sekunde. Kaum steht Bernie neben dem Auto, kommt etwas aus seinem Maul. Amelie guckt nicht genau hin.

Inzwischen regnet es richtig. Mama wirft ihren Mantel über und nimmt einen Schirm. „Ich gehe eben eine Runde mit Bernie“, sagt sie.

„Die arme Mama“, denkt Amelie. „Bei dem Regen!“ Zu Papa sagt sie: „Schade, dass schlechtes Wetter ist!“

„Warte mal ab“, tröstet er sie. „Am Meer ist das Wetter oft besser.“

Sie fahren weiter. Papa scheint recht zu haben. Der Regen hört auf und der Himmel wird immer heller, bis schließlich die Sonne hervorkommt.

„Sind wir gleich am Meer?“, will Amelie wissen.

„Du musst noch ein bisschen Geduld haben“, antwortet Papa.

Mareike fängt wieder an zu quäken. Amelie versucht, sie abzulenken. Sie macht „Kuckuck“ mit ihr und lässt den kleinen Bären über sie, sich selbst und über die Autositze wandern. Mareike lacht und quietscht.

„Gut machst du das!“, lobt Mama Amelie.

Bernie schläft.

Mareike wird still.

Amelie fallen die Augen zu.

Kurz darauf macht sie sie wieder auf. Das Auto fährt nicht mehr.

„Sind wir da?“, fragt sie.

„Leider nicht. Wir sind in einen Stau geraten“, brummt Papa.

Amelie guckt aus dem Fenster. Vor, hinter und neben ihnen stehen die Autos. Mal kommen die auf der einen Spur einen ein Stückchen voran, mal die auf der anderen. Amelie stöhnt und denkt: „Na toll! Jetzt dauert es noch länger!“

„Für Staus kenne ich übrigens ein gutes Spiel“, sagt Mama. „Wir suchen uns ein Auto auf der Spur neben uns aus und gucken, welches besser vorankommt: unseres oder das andere.“

„Bestimmt das andere!“, meint Amelie. „Die Autos neben uns können viel öfter fahren als wir.“

„Wir beobachten das weiße, holländische Auto neben uns“, sagt Mama. „Wir werden ja sehen, ob das stimmt.“

Amelie staunt. „Woher weißt du, dass das ein holländisches Auto ist?“, will sie wissen.

„Das sieht man am Nummernschild. Deutsche Nummernschilder sind weiß mit schwarzen Zahlen und Buchstaben darauf“, erklärt Mama. „Niederländische Nummernschilder sind gelb.“

Amelie guckt in das Auto hinein. Hinten sitzt ein blondes Mädchen, das aussieht, als wäre es ungefähr so alt wie Amelie. Das Mädchen guckt zurück. Sie starren sich an.

Papa kann ein Stückchen fahren. Amelie dreht sich um.

Kurz darauf zieht der holländische Wagen an ihnen vorbei. Nun dreht sich das Mädchen um.

Kurz darauf stehen sie erneut nebeneinander. Plötzlich streckt das Mädchen Amelie die Zunge heraus.

Im ersten Moment ist Amelie verdutzt. Dann tut sie dasselbe.

Jetzt dreht das Mädchen Amelie eine lange Nase und lacht.

Amelie macht es ihr nach. Danach hebt sie die Hände, stützt die Handgelenke an beiden Seiten des Kopfes ab, sodass die Hände aussehen wie große Ohren, und wackelt mit den Fingern.

Das holländische Auto fährt weiter. Amelie sieht von hinten, dass das Mädchen ebenfalls mit den Fingern am Kopf wackelt.

Jedes Mal, wenn sie aneinander vorbeifahren, ziehen Amelie und das Mädchen Fratzen. Das Mädchen kann tolle Fratzen schneiden. Es sieht irre komisch aus. Amelie lacht sich tot. Das Mädchen auch.

Irgendwann löst sich der Stau auf, und Papa kommt wieder normal voran. Amelie verliert den holländischen Wagen aus den Augen.

„Wir haben gewonnen“, sagt sie zu Mama. Gleichzeitig denkt sie: „Schade, dass ich das Mädchen nicht mehr sehen kann.“

Eine endlos lange Zeit später sagt Papa: „Gleich haben wir es geschafft. Da vorne ist der Eingang zum Ferienpark.“

„Endlich!“, ruft Amelie und guckt neugierig aus dem Fenster. Sie sieht kleine Straßen mit netten Häuschen am Rand.

Das Wetter könnte inzwischen gar nicht besser sein. Die Menschen, die draußen herumlaufen, sind offensichtlich alle auf dem Weg zum Strand.

Papa hält auf einem großen Parkplatz. Er will in einem Büro den Schlüssel für das Häuschen holen, in dem sie die nächsten zwei Wochen wohnen werden. Er kommt längere Zeit nicht zurück.

„Wann können wir denn endlich ins Haus?“, sagt Amelie. „Schrecklich! Dauernd wartet man, wenn man verreist! Und außerdem muss ich aufs Klo.“

„Je länger man wartet, desto größer wird die Vorfreude“, behauptet Mama.

Stimmt das? Amelie überlegt. „Ich freue mich aber nicht wirklich darauf, aufs Klo zu gehen, obwohl ich schon länger darauf warte“, wendet sie ein.

Mama muss lachen. „Auf Klogänge trifft das, was ich gesagt habe, möglicherweise nicht zu“, erwidert sie. „Auf alles andere schon.“

Amelie hat keine Zeit mehr, darüber nachzudenken, ob das wahr ist, denn Papa kommt mit dem Schlüssel zurück. Jetzt wollen sie alle nur noch eins: schnell ins Haus.

Amelie fährt ans Meer

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