Читать книгу Jenny - Fanny Lewald - Страница 2

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Wo warst Du gestern, Eduard? fragte Jenny Meier am nächsten Morgen ihren Bruder, als dieser in das Wohnzimmer seiner Eltern trat, in welchem die Familie frühstückend beisammen saß. Wir hatten Dich zum Thee erwartet, und Du kamst nicht! Auch im Theater bist Du nicht gewesen!

Steinheim war bei mir, und unser Joseph, und wir plauderten eine Weile; dann wollte ich mit ihnen hinauf kommen, und Eure Rückkehr aus dem Theater erwarten, wurde aber plötzlich in das Haus des Commerzienraths Horn gerufen, wo sich die Tochter den Fuß gebrochen hatte, als sie aus dem Theater kam. So gingen meine Gäste fort, und ich sprach nachher, als ich den Verband angelegt hatte und nach Hause gehen wollte, bei Gerhard ein, fand dort Bekannte, und blieb noch eine Stunde sitzen!

Mein Gott! rief die Mutter, hat sich das schöne Mädchen schwer beschädigt?

Du hörst es ja, antwortete der Vater, sie hat den Fuß gebrochen, und ein schwerer Fall, ein ganz verzweifelter muß es wohl sein, wenn der alte Horn sich entschloß, gerade Eduard rufen zu lassen.

Das kannst Du nicht behaupten, lieber Mann! Eduard ist doch, obgleich einer der jüngern Mediciner, in den ersten Häusern der Stadt Hausarzt, sowohl bei Christen, als bei Juden; und Du weißt selbst, wie ungemein zuvorkommend ihm überall begegnet wird, und wie sehr man für ihn eingenommen ist!

Ich weiß es wohl, und es freut mich, daß er sich diese Stellung errungen hat, aber eben so wohl weiß ich, daß es jener ganzen Clique gewiß die höchste Ueberwindung gekostet hat, den jüdischen Arzt in ihre engern Kreise zu ziehen. Sie entschuldigen sich vor sich selbst mit dem Nutzen, den er ihnen gewährt, und doch! wer weiß, ob Eduard überall den gleichen Empfang fände, wenn er sich mit einer Jüdin verheirathete, und für seine Frau dieselben Rücksichten verlangte, als für sich? Den einzelnen jungen Mann nehmen sie allenfalls gern auf. Eine Familie? da würden sie vielleicht Bedenken haben.

Das glaube ich nicht, sagte die Mutter, im Gegentheil, ich bin überzeugt, daß Eduard nur zu werben braucht, um eine Frau, aus welchem christlichen Hause er wollte, zu bekommen, und ich kann es nicht leugnen, daß ich nichts sehnlicher wünsche, als ihn recht bald eine solche Verbindung schließen zu sehen!

Der Vater lächelte, und Eduard erwiderte: Eine Verbindung der Art, liebe Mutter, werde ich nie eingehen, das weißt Du wohl. Ich werde mich niemals taufen lassen, und Deine ehrgeizigen Hoffnungen für mich, mit denen Du in der Zukunft eine große Laufbahn voll Ehrenstellen, Orden und Würden für mich erblickst, werden sich schwerlich jemals verwirklichen. Es sei denn, daß eine neue Zeit für uns heraufkäme.

Die zu schaffen Du Dich berufen fühlst, mit Steinheim, Joseph und Andern, fiel Jenny ein. Ich bitte Dich Eduard, nur beim Frühstück verschone mich mit Politik, nur die eine Tasse Kaffee lasse mich ohne politische Zuthaten genießen. Vater! verbiete ihm überhaupt, schon beim Frühstück vernünftig zu sein. Er hat ja dazu seine große Praxis, und den ganzen, langen Tag, der Morgen muß für uns sein.

Der Vater gab scherzend den gewünschten Befehl und fragte, ob Eduard nicht wisse, wie man bei Horn’s darauf gekommen sei, gerade ihn rufen zu lassen.

Ihr Hausarzt, der alte Geheimrath, fand den Fall sehr bedenklich, berichtete der Sohn, that sehr ängstlich, und daher bestand das Fräulein selbst darauf, sich von ihm nicht den Verband anlegen zu lassen, und verlangte, man solle nach mir schicken. Wenigstens erzählte mir der Commerzienrath es so, ich weiß nicht, ob, um mir begreiflich zu machen, daß er selbst es nicht gethan hätte, oder um mir mitzutheilen, welch schmeichelhaftes Vertrauen die Tochter in mich setze.

Ist sie so schön, als sie zu werden versprach? Ich habe sie in der Schule gekannt, sagte Jenny; aber spiele nicht den kalten, gefühllosen Arzt, der nichts sieht, als die Krankheit, fügte sie hinzu.

Sie ist so schön, daß selbst der Kälteste sich an ihrem Anblick freuen muß, antwortete er; dabei war sie so geduldig bei dem großen Schmerz, so liebenswürdig gegen die Umgebung, so dankbar gegen mich, daß ich ganz für sie eingenommen bin. Ich würde es sehr bedauern, wenn sie nicht völlig herzustellen wäre.

Jenny war ganz glücklich, den Bruder so erwärmt zu sehen, und meinte, die Kranke könne sich glücklich schätzen, die werde gewiß sorgsamer und besser als manche Königin behandelt werden, aber Eduard möge sich bei der Kur nicht zu sehr anstrengen, damit er sich nicht etwa selbst eine Herzkrankheit zuziehe, die leicht unheilbar sein könnte.

Nun kam auch Joseph Meier, der Neffe, welcher ebenfalls im Hause wohnte, dazu. Er war fast in gleichem Alter mit Eduard, doch ließ sein düsteres Wesen ihn älter erscheinen als er war. Er hatte ein kluges Aeußere, ohne hübsch zu sein, weil er sehr unregelmäßige Züge hatte, und gewöhnlich etwas mürrisch aussah. Nur selten flog ein Lächeln über das markirte Gesicht und verbreitete ein mildes Licht über die Augen, die eigentlich höchst gutmüthig waren, aber fast immer brütend zur Erde blickten. Joseph und Eduard waren von Kindheit an die besten Freunde gewesen, und hatten, einander gegenseitig ergänzend, sich zu dem gebildet, was sie geworden waren, zu tüchtigen Menschen, Jeder in seiner Art. Nur fehlte Joseph das liebenswürdige Wesen, der schöne ungezwungene Anstand, die Eduards Erscheinung so angenehm machten; und vor Allem hatte dieser eine angeborene Beredsamkeit, während Joseph in den meisten Fällen nur kurz und abgebrochen sprach.

Natürlich wurde bei Josephs Ankunft das eben Mitgetheilte wiederholt und nochmals besprochen. Er ließ sich das Ganze ruhig erzählen, und sagte dann mit seinem gewöhnlichen sonderbaren Lächeln: O ja, so sind sie, wenn sie Dich brauchen, können sie recht liebenswürdig sein. — Aber höre doch einmal, wie sie von Dir reden, wenn sie unter sich sind. — Frage einmal, ob sie Dich für ebenbürtig halten?

Diese Aeußerung, eben jetzt ausgesprochen, wo man in so guter Laune war, verstimmte die Uebrigen sichtlich. Jenny, die das düstere Wesen des Vetters nicht liebte, war die Erste, die ihren Verdruß äußerte, indem sie ihm den Caffee mit den Worten reichte: Da! Du Störenfried! trinke nur, damit Du nicht brummen kannst. — Auch Madame Meier schien unzufrieden. Der Vater fing an, die Zeitungen zu lesen, die Joseph mitgebracht hatte, und nur der Doctor plauderte noch eine Weile mit ihm fort; dann entfernten sich die drei Männer, um an ihre Geschäfte zu gehen, und nur Mutter und Tochter blieben zurück.

Joseph wird doch von Tag zu Tag unerträglicher, sagte die Letztere, er wird immer finsterer, immer abstoßender, und ich freue mich auf kein Fest, auf nichts mehr, sobald er dabei ist, weil ich weiß, daß er mir jede Freude stört.

Und doch glaube ich, wandte die Mutter ein, daß es kaum ein reicheres, edleres Herz gibt, als das seine. Ich wüßte Niemand, der so freudig Alles für seine Geliebten zu opfern bereit wäre, Niemand, der es mit mehr Anspruchslosigkeit thäte als er. Auch achten wir Alle ihn von Herzen, haben ihn sehr lieb, und es thut mir leid, daß Du Dich nicht in seine Eigenheiten schicken kannst.

Können? mein Gott! können würde ich es schon, aber ich will es gar nicht.

Das ist es eben, was mich betrübt, mein Kind! — Dies ewige ich will und ich will nicht, dies unfügsame in Deinem Wesen, das ist es, was mich über Dich besorgt macht. Als Du geboren wurdest, und ich Dich auf meinem Schooße heranwachsen sah, habe ich oft zu Gott gebetet, er möge alles Unheil von Dir abwenden. Bisher ist mein Gebet auf fast wunderbare Weise erhört worden, und doch sehe ich es mit Schmerz, daß wir Menschen Gott eigentlich um nichts bitten dürfen, weil wir nicht wissen, was uns frommt.

Jenny

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