Читать книгу Frühlings Erwachen - Франк Ведекинд - Страница 3

Erster Akt
Dritte Szene

Оглавление

Thea, Wendla und Martha kommen Arm in Arm die Straße herauf

Martha

Wie einem das Wasser ins Schuhwerk dringt!

Wendla

Wie einem der Wind um die Wangen saust!

Thea

Wie einem das Herz hämmert!

Wendla

Geh′n wir zur Brücke hinaus! Ilse sagte der Fluß führe Sträucher und Bäume. Die Jungens haben ein Floß auf dem Wasser. Melchi Gabor soll gestern abend beinah ertrunken sein.

Thea

O der kann schwimmen!

Martha

Das will ich meinen, Kind!

Wendla

Wenn er nicht hätte schwimmen können, wäre er wohl sicher ertrunken!

Thea

Dein Zopf geht auf, Martha; dein Zopf geht auf!

Martha

Puh – laß ihn aufgehn! Er ärgert mich so Tag und Nacht. Kurze Haare tragen wie du darf ich nicht, das Haar offen tragen wie Wendla darf ich nicht, Ponyhaare tragen darf ich nicht, und zu Hause muß ich mir gar die Frisur machen – alles der Tanten wegen!

Wendla

Ich bringe morgen eine Schere mit in die Religionsstunde. Während du „Wohl dem, der nicht wandelt“ rezitierst, werd′ ich ihn abschneiden.

Martha

Um Gotteswillen, Wendla! Papa schlägt mich krumm, und Mama sperrt mich drei Nächte ins Kohlenloch.

Wendla

Womit schlägt er dich, Martha?

Martha

Manchmal ist es mir, es müßte ihnen doch etwas abgehen, wenn sie keinen so schlechtgearteten Balg hätten wie ich.

Thea

Aber Mädchen!

Martha

Hast du dir nicht auch ein himmelblaues Band durch die Hemdpasse ziehen dürfen?

Thea

Rosa Atlas! Mama behauptet, Rosa stehe mir bei meinen pechschwarzen Augen.

Martha

Mir stand Blau reizend! – Mama riß mich am Zopf zum Bett heraus. So – fiel ich mit den Händen voraus auf die Diele. – Mama betet nämlich Abend für Abend mit uns....

Wendla

Ich an deiner Stelle wäre ihnen längst in die Welt hinausgelaufen.

Martha

… Da habe man′s, worauf ich ausgehe! – Da habe man′s ja! – Aber sie wolle schon sehen – o sie wolle noch sehen! – Meiner Mutter wenigstens solle ich einmal keine Vorwürfe machen können....

Thea

Hu – Hu —

Martha

Kannst du dir denken, Thea, was Mama damit meinte?

Thea

Ich nicht. – Du, Wendla?

Wendla

Ich hätte sie einfach gefragt.

Martha

Ich lag auf der Erde und schrie und heulte. Da kommt Papa. Ritsch – das Hemd herunter. Ich zur Türe hinaus. Da habe man′s! Ich wolle nun wohl so auf die Straße hinunter....

Wendla

Das ist doch gar nicht wahr, Martha.

Martha

Ich fror. Ich schloß auf. Ich habe die ganze Nacht im Sack schlafen müssen.

Thea

Ich könnte meiner Lebtag in keinem Sack schlafen!

Wendla

Ich möchte ganz gern mal für dich in deinem Sack schlafen.

Martha

Wenn man nur nicht geschlagen wird.

Thea

Aber man erstickt doch darin!

Martha

Der Kopf bleibt frei. Unter dem Kinn wird zugebunden.

Thea

Und dann schlagen sie dich?

Martha

Nein. Nur wenn etwas Besonderes vorliegt.

Wendla

Womit schlägt man dich, Martha?

Martha

Ach was – mit allerhand. – Hält es deine Mutter auch für unanständig, im Bett ein Stück Brot zu essen?

Wendla

Nein, nein.

Martha

Ich glaube immer, sie haben doch ihre Freude – wenn sie auch nichts davon sagen. – Wenn ich einmal Kinder habe, ich lasse sie aufwachsen wie das Unkraut in unserem Blumengarten. Um das kümmert sich niemand, und es steht so hoch, so dicht – während die Rosen in den Beeten an ihren Stöcken mit jedem Sommer kümmerlicher blühn.

Thea

Wenn ich Kinder habe, kleid′ ich sie ganz in Rosa. Rosahüte, Rosakleidchen, Rosaschuhe. Nur die Strümpfe – die Strümpfe schwarz wie die Nacht! Wenn ich dann spazieren gehe, laß ich sie vor mir hermarschieren. – Und du, Wendla?

Wendla

Wißt ihr denn, ob ihr welche bekommt?

Thea

Warum sollten wir keine bekommen?

Martha

Tante Euphemia hat allerdings auch keine.

Thea

Gänschen! – weil sie nicht verheiratet ist.

Wendla

Tante Bauer war dreimal verheiratet und hat nicht ein einziges.

Martha

– Wenn du welche bekommst, Wendla, was möchtest du lieber, Knaben oder Mädchen?

Wendla

Jungens! Jungens!

Thea

Ich auch Jungens!

Martha

Ich auch. Lieber zwanzig Jungens als drei Mädchen.

Thea

Mädchen sind langweilig!

Martha

Wenn ich nicht schon ein Mädchen geworden wäre, ich würde es heute gewiß nicht mehr.

Wendla

Das ist, glaube ich, Geschmacksache, Martha! Ich freue mich jeden Tag, daß ich Mädchen bin. Glaub′ mir, ich wollte mit keinem Königssohn tauschen. – Darum möchte ich aber doch nur Buben!

Thea

Das ist doch Unsinn, lauter Unsinn, Wendla!

Wendla

Aber ich bitte dich, Kind, es muß doch tausendmal erhebender sein, von einem Manne geliebt zu werden, als von einem Mädchen!

Thea

Du wirst doch nicht behaupten wollen, Forstreferendar Pfälle liebe Melitta mehr als sie ihn!

Wendla

Das will ich wohl, Thea! – Pfälle ist stolz. Pfälle ist stolz darauf, daß er Forstreferendar ist – denn Pfälle hat nichts. – Melitta ist selig, weil sie zehntausendmal mehr bekommt, als sie ist.

Martha

Bist du nicht stolz auf dich, Wendla?

Wendla

Das wäre doch einfältig.

Martha

Wie wollt′ ich stolz sein an deiner Stelle.

Thea

Sieh′ doch nur, wie sie die Füße setzt – wie sie geradaus schaut – wie sie sich hält, Martha! – Wenn das nicht Stolz ist!

Wendla

Wozu nur?! Ich bin so glücklich, Mädchen zu sein; wenn ich kein Mädchen wär′, brächt′ ich mich um, um das nächste Mal …

Melchior

(geht vorüber und grüßt)

Thea

Er hat einen wundervollen Kopf.

Martha

So denke ich mir den jungen Alexander, als er zu Aristoteles in die Schule ging.

Thea

Du lieber Gott, die griechische Geschichte! – Ich weiß nur noch, wie Sokrates in der Tonne lag, als ihm Alexander den Eselsschatten verkaufte.

Wendla

Er soll der Drittbeste in seiner Klasse sein.

Thea

Professor Knochenbruch sagt, wenn er wollte, könnte er Primus sein.

Martha

Er hat eine schöne Stirne, aber sein Freund hat einen seelenvolleren Blick.

Thea

Moritz Stiefel? – Ist das eine Schlafmütze!

Martha

Ich habe mich immer ganz gut mit ihm unterhalten.

Thea

Er blamiert einen, wo man ihn trifft. Auf dem Kinderball bei Rilows bot er mir Pralinees an. Denke dir, Wendla, die waren weich und warm. Ist das nicht …? – Er sagte, er habe sie zu lang in der Hosentasche gehabt.

Wendla

Denke dir, Melchi Gabor sagte mir damals, er glaube an nichts – nicht an Gott, nicht an ein Jenseits – an gar nichts mehr in dieser Welt.

Frühlings Erwachen

Подняться наверх