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Sechstes Kapitel. Am Lagerfeuer

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Hell schien die Sonne auf eine ausgedehnte Eichenlichtung hernieder und grüßte unsre Freunde, welche dieselbe langsam durchzogen. Eine anmutige Gegend war es, welche sich dem Auge der Reisenden darbot, Gehölze, Lichtungen, Teiche und kleinere Seen, welliger Boden und grasbewachsene Ebenen, oftmals von einem sanft hinfließenden Bach durchschnitten, gewährten reiche Abwechselung.

Die Gewässer waren belebt von Wasservögeln aller Art, dann und wann wurde im hohen Grase ein Bock flüchtig, den die kleine Karawane aus seiner Ruhe aufgestört hatte, oder der Schrei eines Raubvogels tönte aus hoher Luft hernieder und unterbrach die feierliche Stille, welche auf allem ruhte. Kein Singvogel ließ sich hören, denn der lebt nur an den Grenzen der endlosen Wälder und traut sich nimmer in deren Tiefe.

So schweigsam wie alles ringsum zogen auch die Männer einher, welche hier inmitten der Wildnis ihren Pfad nach Nordosten suchten.

Voran ging der Indianer, die Büchse im Arm, welche ihm Jones vor Wochen geschenkt hatte, und ließ seine Falkenaugen umherschweifen.

Hinter ihm folgten Graf Edgar und Heinrich in der Tracht, in der wir sie bereits bei ihrem Erscheinen in Grovers Hause geschildert haben.

Den Schluß des Zuges bildete ein breitschulteriger Geselle mit frischem, gutmütigem Gesicht, gekleidet in eine Friesjacke, kurze Beinkleider und Gamaschen, der ein bepacktes Maultier am Zügel führte.

Außer ihm trugen alle Waffen, Büchse, Hirschfänger, Messer, er führte nur den gewichtigen Stock, wie er dem irischen Landmann eigentümlich ist und ihm gelegentlich als furchtbare Waffe dient, als Ausrüstung.

Graf Edgar hatte auf der Agentur, welche etwas oberhalb der Mündung des Manistee errichtet war, um welche sich bereits ein kleines Städtchen zu erheben begann, welches den bescheidenen Namen Neulondon führte, seine Einkäufe gemacht, um die Häuptlinge der Ottawas zu beschenken, sich auch von dem Agenten, einem einsichtsvollen und wohlwollenden Mann, sowohl über seinen Weg, als über die Verhältnisse bei den Ottawas möglichst instruieren lassen.

Zu den Pferden, welche er an Bord des Dampfers mitgeführt hatte, erwarb er noch ein Maultier, um das durch die Geschenke ansehnlich vermehrte Gepäck zu tragen, und nahm auf die Empfehlung des Agenten einen Irländer an, um das Saumtier zu führen, welcher den hochtrabenden Namen O‘Donnel führte.

Der Mann war ihm von dem Agenten als zuverlässig und treu geschildert worden, und da sein derbes, gutmütiges Aeußere die Empfehlung unterstützte, nahm ihn der Graf für seine Expedition ins Innere in Dienst.

Michael, ein untersetzter, äußerst kräftiger Bursche, der im Alter von siebenundzwanzig bis achtundzwanzig Jahren stehen mochte, war ein echter Sohn der grünen Insel und erwies sich auf ihrer bisherigen Fahrt als willig und von unverwüstlich guter Laune.

Er weilte noch nicht lange in den Vereinigten Staaten, war Arbeit suchend an den Manistee verschlagen worden und trat, da es ihm an einer Existenz fehlte, gern in des Grafen Dienste.

Während ihm dieser durch seine vornehme und doch leutselige Weise sowohl imponierte wie auch seine Zuneigung gewann, hatte Michael eine unüberwindliche Scheu vor dem Indianer, dessengleichen er bisher noch nicht erblickt hatte, was dem Grafen und Heinrich öfters ein Lächeln abnötigte, von Athoree aber gar nicht bemerkt zu werden schien.

Schweigend zogen sie noch eine Weile den nicht unmühsamen Weg fort, während die Strahlen der Sonne schräger und schräger fielen.

Die ersten Tage ihrer Reise hatten sie noch zu Pferde zurückgelegt, dann aber diese als auf dem durchschnittenen Boden und in dem hohen Grase mehr hinderlich als fördersam bei einem einsam wohnenden Farmer zurückgelassen, mit dem Ersuchen, sie gelegentlich dem Agenten am Manistee zuzusenden, von dem Edgar infolge des Empfehlungsschreibens Mister Myers‘ sehr freundlich aufgenommen worden war.

Um die Richtung ihres Weges zu finden, hatte sich Graf Edgar anfangs seines Kompasses bedient, dann aber die Führung ganz Athoree überlassen, der ein sichererer Wegweiser war als die Magnetnadel, welche im dichten Walde sich bald als nutzlos für die Marschbestimmung erwies, da sie jeden Augenblick befragt werden mußte und im nächsten Moment keine Gewähr für die Einhaltung der Richtung bot. In der Ebene, wo man weit entfernte Punkte ins Auge fassen und seinen Marsch, nachdem ihre Lage nach dem Kompaß bestimmt ist, nach ihnen richten kann, ist dies etwas andres.

Der Indianer hatte seine untrüglichen Kennzeichen an Baum, Busch, Wasserlauf und am Stande der Sonne, um die Reisenden, soweit es der Boden erlaubte, in fast gerader Richtung nach Nordost bis zum Baercreek zu führen, dessen Laufe sie zu folgen hatten, um zu den Dörfern der Ottawas zu gelangen.

»Die Sonne sinkt, Athoree,« redete der Graf den schweigend vor ihm einherschreitenden Indianer an, »und der Marsch, den mir zurückgelegt haben, war lang, wollen mir nicht das Lager beziehen?«

»Gut. Gehen noch bis Wald,« und er deutete auf den noch eine Meile entfernten dichten Waldsaum, »denke, dort schlafen.«

»Wie du meinst, ich folge deinem Rate.«

Der Graf blieb stehen und wartete, bis der Irländer mit seinem Maultier kam.

»Nun, Michael,« redete ihn der Graf freundlich an, denn er hatte Wohlgefallen an dem gutmütigen Burschen gefunden, »wir sind müde, was?«

»Gar nicht. Euer Gnaden, gar nicht, meiner Mutter Sohn läuft noch zehn Meilen und geht dann zum Tanze, Euer Gnaden; wenn ich nur das Beest nicht an der Hand hätte.«

»Hast du wieder viel Last mit ihm gehabt, Michael?«

»Heute ging‘s. Euer Gnaden, ich habe dem Vieh hie und da mit meinem Shilallah zugeredet, wenn es gar zu störrisch war, und das half. Das Tier will immer seinen eigenen Weg gehen, und oftmals bleibt‘s stehen, und meiner Mutter Sohn kann‘s kaum von der Stelle bringen,« sagte der Irländer.

»Nun, wir sind bald am Ziele unsrer Reise, und dann wirst du des, wie ich bemerkt habe, leider sehr störrischen Tieres ledig.«

»Michael O‘Donnel wird darum nicht weinen. Euer Gnaden.«

Er warf einen Blick auf den Indianer, der ruhig etwa fünfzig Schritt vor ihnen einherging, und ließ sich, die Stimme dämpfend, vernehmen: »Können denn Euer Gnaden dem roten Mann da vorn auch ganz trauen?«

»Ich denke wohl, Michael, er hat uns gute Dienste geleistet und wird sie uns gewiß noch leisten.«

»Seien doch Euer Gnaden ja recht vorsichtig,« fuhr Michael fort, den des Grafen gütige Weise zu vertraulichen Aeußerungen ermutigte, »es kann ja in diesen braunen Kerlen nicht viel Gutes stecken. Ich habe schon genug an diesem und mich überläuft‘s jedesmal, wenn mich der Mensch mit seinen schwarzen Augen, die manchmal wie Kohlen funkeln, ansieht.«

»Nun, du wirst dich mit der Zeit an ihn gewöhnen, er ist ein ganz ehrlicher Mann.«

»Aber, Euer Gnaden, er tut ja den ganzen Tag den Mund nicht auf,« meinte Michael, der stets zur Unterhaltung aufgelegt war, »und solchen stillen, finstern Leuten ist nie recht zu trauen.«

Der Graf, welcher des Iren Schwäche, sich gern und lebhaft zu unterhalten, bald kennen gelernt hatte, lächelte über diese Aeußerung, denn einen größeren Gegensatz als den stolzen, wortkargen Indianer und den redseligen Iren konnte es wohl kaum geben.

»Es ist die Art dieser Leute, Michael, sich schweigend zu verhalten, und du darfst deshalb keine üble Meinung von ihm haben.«

»Euer Gnaden, ich will wünschen, daß alles gut geht, aber der Mann ist mir ganz unheimlich. Und wie er so seinen Weg findet in diesen schauerlichen Wäldern und Grasebenen ohne Kompaß und Wegweiser, das geht doch sicher nicht mit rechten Dingen zu.«

»Diese Fähigkeit, den Weg nach Anzeichen zu finden, die wir nicht bemerken und uns so sicher zu führen, ist es ja, welche ihn für unsern Marsch so wertvoll macht. Du hast ja selbst gesehen, wie unnütz der Kompaß im Walde war.«

»Euer Gnaden mögen ja das alles besser verstehen als ich, der ich nur ein armer Bursche aus Leitrim bin, aber Euer Gnaden müssen doch vorsichtig sein, und wenn wir nun gar noch mehr von der Sorte bekommen?« der Ire machte ein ganz bedenkliches Gesicht, »so —«

»Gib dich zufrieden, wir werden mit den roten Herren die beste Freundschaft halten.«

Der Graf verließ ihn und ging wieder zu Heinrich.

Athoree, war es Zufall oder hatte er etwas von der Unterredung des Grafen mit dem Iren erhascht, blieb jetzt ebenfalls stehen und erwartete Michaels Herankommen.

Der kluge Indianer hatte sehr bald bemerkt, daß er dem Manne aus Leitrim unsympathisch war, aber dies nicht beachtet, und da er das gutmütige, ehrliche Wesen des Burschen nicht verkannte, ihm den Widerwillen, den er gegen ihn zu haben schien, nicht nachgetragen. Bis jetzt hatte er aber auf den langen Märschen und abends an dem Lagerfeuer noch nicht einmal das Wort an ihn gerichtet.

Michael war höchst erstaunt und gar nicht angenehm berührt, als Athoree, nachdem er zu ihm gelangt war, ihn erst mit seinen dunklen Augen anstarrte und dann ruhig neben ihm herging. Er brummte auf Gälisch in sich hinein: »Hol dich der Teufel, brauner Bursche, was willst du hier neben meiner Mutter Sohn?«

Noch größer ward die Ueberraschung Michaels, als ihn der Indianer jetzt, zum erstenmal seit ihrem Zusammensein, anredete.

»Warum trägt Rothaar,« es war nicht zu leugnen, Michael erfreute sich eines ungewöhnlich starken, blondrötlichen Haarwuchses, der unter seiner wollenen Mütze in wirren Locken hervorquoll, »keine Waffen?«

»Rothaar? Rothaar? Wen meinst du denn damit?«

»Ihn meinen.«

»So? Na,« brummte Michael, »hättest du mir das woanders gesagt, so sauste jetzt mein Shilallah auf deinen Schädel, daß dir Hören und Sehen vergehen sollte. Was so ein Kerl einem für Namen gibt? Rothaar?«

Der Indianer wiederholte ruhig seine Frage.

»Waffen? Waffen? Was sagst du denn hierzu, Indianer?« und er zeigte seinen gewichtigen zugespitzten Stock aus ebenso zähem als festem Holze. »Damit fertige ich ein Dutzend von deiner Art ab.«

Ueber des Indianers Angesicht zog ein kaum bemerkbares Lächeln.

»Büchse trägt weiter als dicker Stock, he?«

»So gescheit bin ich auch, um das zu wissen.«

»Puff, kleines Loch in Brust und der Irisch tot.«

»Nu, nun hör auf mit solchen Geschichten, unheimlicher Kerl,« brummte er dazwischen, »wer soll denn hier schießen, es sind doch hier keine Räuber und Mörder?«

»Gutherz tragen Flinte, andrer Mann, Athoree tragen Flinte, warum du keine Flinte?«

»Ach, ich versteh‘ mit dem Schießeisen nicht umzugehen, ich habe in meinem Leben noch keine Büchse abgefeuert. Nein, Indianer, im gesegneten Erin machen wir die Sache ehrlich mit dem Shilallah ab.«

»Flinte gut, kommen jetzt zu wildem Indianer, nicht wissen, ob nicht fechten müssen.«

»So? Fechten? Das ist mir schon recht, aber es muß dann regelrecht hergehen,« und er schwang den gewichtigen Stock mit einer Leichtigkeit ums Haupt, die auf außerordentliche Körperkraft schließen ließ.

»Fechten? Mit der braunen Bande? Na, da haben wir es ja. Ich habe es Seiner Gnaden gesagt, daß hier nicht zu trauen ist. Na, wehren werde ich mich,« sagte der Ire, dem es weder an Mut noch an Kampfeslust fehlte.

»Rothaar müssen Flinte tragen.«

»Ich will dir einmal etwas sagen, Indianer, wenn wir gute Freunde bleiben sollen. Der Herr Graf sagt ja, du wärst ein ganz reputierlicher Kerl trotz deiner verwünschten Hautfarbe, also wenn wir gute Freunde bleiben sollen, dann nennst du mich Michael, wie ich getauft bin, der heilige Michael ist mein Schutzpatron. Verstehst du?«

»Warum nicht nennen Rothaar? Guter Name, he?«

»Ich sage dir, laß es gut sein, Rotfell,« brummte Michael, der anfing ärgerlich zu werden, mürrisch.

»Nicht verstehen.« Er deutete auf sich: »Roter Mann du sagen, ich sage Rothaar — Rothaar schön.«

»Nun, ja, schlecht ist es ja nicht, es tragen‘s« bei mir zu Hause ziemlich viele,« sagte der Irländer, der sich doch geschmeichelt fühlte, daß der Indianer seine Haarfarbe schön fand.

»Warum Rothaar nicht Flinte tragen?« fuhr der hartnäckige Indianer fort.

»Bei St. Patrick, ich habe es ja schon gesagt, ich kann nicht schießen.«

»Womit dann Skalp verteidigen, wenn Feinde kommen, wollen nehmen Skalp?«

»Was ist das? Was wollen sie nehmen? Skalp? Meinen Skalp?«

»Wenn roter Mann Krieg, er schießen Feind tot, puff, gehen zu ihm, fassen Skalplocke so,« er fuhr mit der einen Hand nach seinem Kopfe und faßte einen Büschel seines schwarzen, lang herunterhängenden Haares, während er mit der andern sein Messer zog, »und schälen Kopfhaut ab,« hierbei fuhr er mit der messerbewehrten Hand ums Haupt, »so — das Skalpnehmen.« Dies und der grimmige Gesichtsausdruck des Indianers erschreckten den guten Michael sehr.

»Jässus? Was meinst du, Indianer? Willst du damit sagen, daß sie einem hier die Haut vom Kopfe abziehen?«

»Das gerade so — jeder Krieger nehmen Skalp.«

»Na, da bin ich in eine schöne Gegend gekommen.«

»Aber erst schießen tot,« sagte beruhigend der Indianer, »erst tot, dann Skalp.«

»Darin kann ich nicht viel Tröstliche« finden,« brummte Michael.

»Manchmal auch nehmen Skalp, wenn noch leben.«

»Heiliger Michael, schütze uns,« sagte der Ire und fuhr unwillkürlich mit der Hand nach seinem Haupte, »das ist ja schauderhaft. Gott bewahre jeden Christenmenschen davor.« Dann murmelte er in sich hinein: »Ich werde jetzt den Grafen nicht sitzen lassen, aber ich wollte, ich wäre zu Hause geblieben, schon dieses unheimlichen Kerls wegen mit seinem Skalpnehmen.«

»Darum du tragen Büchse,« sagte der Indianer, »und retten Skalp.«

»Rette du nur deinen,« brummte wieder Michael, »vor meinem Shilallah, der dir gelegentlich darauf sausen könnte.«

Der Graf blieb mit Heinrich vorn stehen, zog sein kleines Fernglas und lugte nach dem Walde. Mit einigen Sprüngen war der Indianer, als er dies bemerkte, bei ihm. »Was ist das dort am Walde, da wo die Tanne ragt, Athoree?«

Er wollte dem Indianer ein Glas reichen, aber dessen Falkenaugen hatten schon erkannt, was dem Grafen selbst durch das Glas nicht genügend deutlich wurde, und sagte mit einem leisen Ausrufe: »Bären!«

»Alle Wetter, ja. Wahrhaftig, jetzt erkenne ich sie auch. Bären, Heinrich!«

»O, Herr Graf,« sagte dieser und riß die Büchse von der Schulter, während ihm die Jagdlust aus den Augen blitzte.

Sie hatten zwar auf ihrer Fahrt vom Manistee herauf wiederholt Bären gesehen, die sich aber beim Anblick von Menschen stets so hastig entfernten, daß ein Anpirschen nicht möglich gewesen war.

»Was meinst du, wollen wir einen Gang mit Meister Braun machen?«

»Mit tausend Freuden, Herr Graf, einen Bären habe ich doch noch nicht geschossen.«

»Athoree, wollen mir jagen?«

Dieser hatte ebenfalls bereits die Büchse von der Schulter genommen und schaute eifrig nach dem Wild aus.

»Bär gut, ihn schießen.«

»Dann Weidmannsheil! Wollen uns anpirschen,«

Graf Edgar schlich gebückt voran unter sorgfältiger Beobachtung des Luftzuges, um Meister Petz den Wind abzugewinnen und so in Schußnähe gelangen zu können.

Michael war vom Grafen bedeutet worden, ruhig mit seinem Maultier da zu bleiben, wo er sich befand. Dieser band darauf das Tier an einen Baum und legte sich ruhig ins Gras nieder.

Als die Jäger näher kamen, bemerkten sie, daß die Bären, es waren zwei, eifrig mit der Untersuchung eines entwurzelten Baumes beschäftigt waren, der, vom Sturm danieder gestreckt, wohl ein Bienennest enthalten mochte, dessen Vorräten die Tiere nachspürten.

Es war augenscheinlich ein Paar, Meister Braun mit seiner Ehegattin, beide stattliche Exemplare.

Vorsichtig bewegten sich die Jäger vorwärts, der Graf an der Spitze, etwa fünfzig Schritte hinter ihm Heinrich. Es galt nicht nur in Schußweite zu kommen, sondern dem Wild auch den Weg nach dem Walde zu verlegen, wo es, wenn es sich dahin zurückzog, für sie, die keine Hunde mit sich führten, um das Wild zum Stehen zu bringen, nicht mehr erreichbar war. Der Indianer ging ziemlich weit hinter Heinrich einher. Als sie auf etwa hundertundfünfzig Schritte an die Tiere herangekommen waren, brach unter dem Fuße des Grafen ein dürrer Ast, die Bären stutzten und windeten nach der Richtung des verdächtigen Geräusches hin. Jetzt gab Graf Edgar Feuer. Der Bär war augenscheinlich getroffen und richtete sich mit großer Schnelligkeit auf. Die Bärin stutzte bei dem Schusse, wurde aber dann sofort flüchtig nach dem Walde zu, während ihr Gemahl brummend nach dem Gegner ausspähte, der ihn so heimtückisch überfallen hatte. Als Heinrich die Bärin zu Holze ziehen sah, während der Graf eifrig lud, sandte er ihr eine Kugel nach, die auch, dem Verhalten des Tieres nach zu urteilen, getroffen haben mußte, obgleich es bei dem mit Bäumen besetzten Terrain, dem hohen Grase und der Entfernung ein schwieriger Schuß war.

Die Bärin blieb einen Augenblick stehen, untersuchte ihre Wunde, setzte dann aber ihre Flucht fort. Graf Edgar, der dem Walde am nächsten war, erhob sich aus seiner gebückten Stellung und lief rasch vorwärts, um ihr den Weg abzuschneiden oder wenigstens, ehe sie im Dickicht verschwand, noch einen Schuß auf sie abzugeben. Bei dem Erscheinen eines Menschen erschrak das Tier und setzte sich, nach dem Grafen hin windend, einen Augenblick nieder. Graf Edgar feuerte von neuem, ohne aber zu treffen, und das Tier, welchem die Kugel dicht an der Nase vorbeigeflogen sein mochte, änderte jetzt seine Richtung und lief mit großer Schnelligkeit in die Lichtung hinein.

Bei seinem Eifer, der Bärin einen Schuß beizubringen, hatte der junge Mann des Bären nicht geachtet. Dieser war indessen streitlustiger als seine Gattin, und der Graf sah mit einemmal den Bären auf kaum zwanzig Schritte vor sich, er warf die entladene und deshalb nutzlose Waffe fort, zog entschlossen den Hirschfänger und stellte sich zum Kampfe.

Da krachte Heinrichs Büchse, der die Gefahr, welche seinem Herrn drohte, wohl erkannt hatte. Die Kugel traf schräg den mächtigen Schädel des Bären und prallte machtlos an diesem massiven Knochenbau ab. Das Tier schüttelte sich einen Augenblick, richtete sich dann aber empor und nahm, auf den Hinterbeinen schreitend, mit den Vorderpranken wild in der Luft herum fuchtelnd, den Grafen an, der ihn in fester Stellung, den Hirschfänger zum Stoß bereit, erwartete. Bis auf zwei Schritte war das wütende Tier herangekommen, als von neuem Heinrichs Büchse aufblitzte; der Bär, augenscheinlich schwer getroffen, sank zusammen, sprang aber schnell wieder empor und machte eine Bewegung nach Graf Edgar zu, so daß dieser schon den heißen Atem des Tieres fühlte. Heinrich lud mit einer unvergleichlichen Schnelligkeit. Graf Edgar, welchem die Fechtkünste Meister Brauns nicht unbekannt waren, führte seinen Hirschfänger mit solcher Geschicklichkeit, daß er die Waffe dem hochaufgerichteten Tiere tief in den weitgeöffneten Rachen zu stoßen vermochte, dann sprang er zur Seite, den Stahl im Rachen des Bären lassend. Wiederum krachte Heinrichs Büchse, das Tier stürzte zusammen und wälzte sich, wild um sich schlagend, in Todeszuckungen auf dem Boden. Heinrich sprang herbei — aber er sowohl als der Graf hielten sich wohlweislich von dem sterbenden Tiere entfernt, bis es verendet war. Graf Edgar gab dem Jäger die Hand und sagte einfach: »Ich danke dir.«

Als der Indianer bemerkte, daß die Bärin die Lichtung wählte, um zu entfliehen, sprang er rasch vorwärts, um ihr auch diesen Weg abzuschneiden, doch vorsichtig genug, um von dem Tiere nicht bemerkt zu werden. Auf etwa hundert Schritte nahe gekommen, feuerte er und verwundete das flüchtende Tier. Die Bärin richtete sich zornig auf den Hinterbeinen auf, rings umher windend. Da Athoree sich niedergebeugt hatte, während er rasch wieder lud und der Wind ziemlich scharf von dem Tiere her blies, bekam dieses keine Witterung von ihm und setzte mit tiefem Brummen, aber augenscheinlich langsamer, seine Flucht fort. Der wackere Michael O‘Donnel, welcher sich, als die Jagd begann, behaglich niederließ, ein Stück geräuchertes Fleisch aus seiner Tasche zog und diesem eifrig zusprach, hatte sich doch, als die Büchsen wiederholt knallten, erhoben und sah aus der Entfernung, wie der Bär auf den Grafen zuging und unter Heinrichs Schüssen endlich zusammenfiel.

Auch die Bärin bemerkte er, als sie sich erhob, um zu winden.

Diese nahm, als sie die Flucht fortsetzte, ihren Weg gerade auf ihn zu.

Michael legte sein Fleisch beiseite, ergriff seinen schweren Irenstock und ging ihr furchtlos entgegen.

»So entkommst du nicht, Bursche,« brummte er, »hier steht Michael O‘Donnel mit seinem Shilallah.«

Er hatte wohl auf Jahrmärkten hie und da Bären gesehen, die ihm wenig imponiert hatten, und kannte die Gefahr nicht, welcher er sich aussetzte.

Als das durch seine Verwundungen wütend gemachte Tier ihn erblickte, richtete es sich auf und mit aufgerissenem Rachen, der das furchtbare Gebiß zeigte, und unheimlich funkelnden Augen drang es auf den Iren ein.

Michael stutzte zwar bei diesem schreckenerregenden Anblick, verlor aber keinen Augenblick seine Zuversicht, und als das schnaubende Tier in gehöriger Nähe war, führte er mit seinem schweren Stocke so blitzschnelle und wuchtige Schläge nach ihm, daß die Bärin ins Wanken kam und den Kopf schüttelte. »Ja,« brummte Michael, »das ist Irenarbeit, Brauner, komm nur an.«

Immer wütender wurde unter seinen Streichen das Tier und focht entsetzlich mit seinen Vorderpranken durch die Luft, Michael mußte unter dem Andrang zurückweichen, führte aber unverdrossen seinen Stock mit großer Kraft.

Ein Prankenschlag der Bärin traf denselben für Michael so unglücklich, daß er ihm aus der Hand flog.

Der verblüffte Ire stand wehrlos dem rasenden Tiere gegenüber.

Im selben Augenblick krachte in seiner Nähe ein Schuß, die Bärin zuckte zusammen, stand, führte noch einige wilde Prankenhiebe in die Luft, drehte sich um sich selbst und sank tot nieder.

Zehn Schritte von ihm stand ruhig der Indianer, dessen Nahen Michael während seines wütenden Kampfes nicht bemerkt hatte, und lud seine Büchse.

Seine Kugel, aus geringer Entfernung abgesandt, hatte der Bärin Herz gefunden.

Trocken sagte er: »Stock gut, Flinte besser. Rothaar, he?«

Der mehr verblüffte als erschreckte Mann aus Leitrim sprach, mehr zu sich als zu dem Indianer, während er das so rechtzeitig erlegte Tier anstarrte: »Nun, bei St. Patrick und St. Michael, meinen Schutzpatronen, ich handhabe nun den Shilallah seit meiner Jugendzeit, aber daß mir ihn einer, und wenn er der Beste gewesen wäre, so aus der Hand geschlagen hätte, das habe ich nicht erlebt.«

Verwehte Spuren

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