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d) Die Aufgabe ökumenischer Theologie im Gesamt der Theologie

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die Disziplinen der Theologie

Im Laufe der Theologiegeschichte haben sich eine Reihe von theologischen Unter- bzw. Einzeldisziplinen entwickelt. Zum theologischen Fächerkanon gehören heute die historischen Disziplinen Altes und Neues Testament sowie Kirchen- und Dogmengeschichte, der Komplex systematisch-theologischer Fächer, der Fundamentaltheologie, Dogmatik und Ethik (bzw. Moraltheologie und Sozialethik) umfasst, und der Komplex praktisch-theologischer Disziplinen. Die ökumenische Theologie wird im theologischen Fächerkanon dem Bereich der Systematischen Theologie zugeordnet. Ihre spezifische Aufgabe lässt sich nur im Rekurs auf die Aufgabe der Theologie insgesamt bestimmen. Denn die theologischen Disziplinen haben ihre Einheit in der einheitlichen Aufgabe der Theologie.

die Aufgabe der Theologie

Die Theologie bemüht sich insgesamt um ein reflektiertes Verständnis dessen, was das Wesen des Christentums und die Eigenart des christlichen Glaubens ausmacht, und zwar in historischer, systematischer und praktischer Perspektive. Diese Perspektiven lassen sich zwar unterscheiden, aber nicht trennen. So können etwa systematisch-theologische Glaubensfragen nicht unter Absehung der historischen Perspektive auf das christliche Ursprungszeugnis und dessen Tradierung beantwortet werden. Und sie lassen sich auch nicht ohne den Blick auf die praktischen Kommunikationsbedingungen einer sinnvollen Antwort zuführen.

die Verstehensaufgabe

Die Verstehensaufgabe christlicher Theologie kann im Kontext der Wissenschaften insofern als eine kulturwissenschaftliche Aufgabe begriffen werden, als die Theologie sich in allen ihren Disziplinen um eine komplexe Beschreibung und ein vertieftes Verständnis des Christentums unter Einschluss seiner Kommunikationsbedingungen bemüht. Dennoch dient die Theologie nicht einfach einer kulturwissenschaftlichen Erkenntnis, sondern der theologischen Ausbildung, die für den Pfarrberuf und für den Unterricht in den Schulen vorausgesetzt wird. Während der Pfarrberuf mit der Verkündigung des Evangeliums in Predigt und Sakramentsverwaltung betraut ist und darauf zielt, Glauben zu wecken und zu stärken, geht es im Religionsunterricht darum, ein Verständnis für die christliche Religion in ihren verschiedenen kulturellen Dimensionen zu eröffnen. Beide Aufgaben tragen auf unterschiedliche Weise zum Fortbestand und zur Gestaltung des Christentums bei und haben es insofern mit der Leitung der Kirche in einem engen und einem weiteren Sinne zu tun. Um sie sachgerecht wahrnehmen zu können, ist ein reflektiertes Verständnis dessen, was das Christentum ausmacht, notwendig.

Einheit der Theologie

Den Zusammenhang zwischen Theologie als Wissenschaft auf der einen Seite und kirchlicher Praxis auf der anderen Seite hat Friedrich Schleiermacher in seiner oben (vgl. I. 4. a) schon erwähnten „Kurze(n) Darstellung des theologischen Studiums“ erstmalig enzyklopädisch herausgestellt. Nach Schleiermacher gewinnen die theologischen Disziplinen erst durch ihren Bezug auf die Kirchenleitung innere Einheit und theologische Qualität. Durch diesen Praxisbezug, d. h. durch ihren Bezug auf die kirchenleitenden Aufgaben in geistlichen Ämtern und im Religionsunterricht unterscheidet sich die Theologie dabei von reinen Kulturwissenschaften und ebenso auch von einer religionswissenschaftlichen Sicht auf das Christentum. Theologie ist durch ihren Bezug auf die praktischen Aufgaben der Kirchenleitung, wie sie im Pfarramt, in der Schule, aber auch in den Medien wahrgenommen werden, mehr als eine Kulturwissenschaft.

Konfessionskunde

Im Kontext des theologischen Fächerkanons hat die ökumenische Theologie eine spezifische Aufgabe. Sie widmet sich dem Faktum, dass es eine Vielzahl christlicher Konfessionen gibt, die sich jeweils als Kirche verstehen, sich teilweise aber gegenseitig nicht als Kirchen anerkennen. Entsprechend geht es ökumenischer Theologie zuerst darum, die Eigenarten und insbesondere die kirchentrennenden Differenzen zwischen den verschiedenen Kirchen präzise wahrzunehmen. Neben der Bestimmung der dogmatischen Lehrunterschiede gehört dazu die Erforschung der historischen Entwicklung der einzelnen Kirchen, ihrer liturgischen Eigenarten und ihrer kulturellen Verwurzelung. Konfessionskunde ist damit ein elementarer Bestandteil ökumenischer Theologie.

Reflexion der Lehrdifferenzen

Eine weitere, zentrale Aufgabe ökumenischer Theologie erwächst aus der Tatsache, dass alle Kirchen sich in ihren Bekenntnissen zur einen Kirche bekennen und sich als Kirchen Jesu Christi verstehen, obwohl sie sich untereinander teilweise nicht anerkennen. Damit stellt sich theologisch die Aufgabe, darauf zu reflektieren, wie die Spaltungen zwischen den Kirchen, die ihrem Bekenntnis zu der einen Kirche Jesu Christi widerstreiten, begründet sind und ob bzw. in welcher Weise sie sich überwinden lassen. Dies schließt zum einen die Reflexion der Lehrunterschiede und der unterschiedlichen Konzepte kirchlicher Einheit ein, die die ökumenische Haltung der Kirchen jeweils bestimmen. Zum anderen gehört zur ökumenisch-theologischen Aufgabe auch die Reflexion auf die Möglichkeiten der Kommunikation solcher Einsichten, sowohl auf der Ebene der Dialoge wie auch in der kirchlichen Praxis, insbesondere in Fragen des Gottesdienstes und der ethischen Urteilsfindung. Die Aufgabe ökumenischer Theologie umfasst darum notwendig eine historisch-konfessionskundliche, eine systematisch-kriteriologische und eine praktisch-kommunikative Dimension.

Verständnis des Christentums

In diesen verschiedenen Dimensionen ist die ökumenische Theologie einerseits ein Instrument zur Reflexion kirchenleitender Praxis und hat als solche einen wichtigen Stellenwert in der theologischen Ausbildung. Andererseits ist sie ein wesentliches Moment der auf das Verständnis des Christentums zielenden theologischen Verstehensaufgabe insgesamt. Denn Christentum und christlicher Glaube lassen sich nicht adäquat begreifen unter Absehung der gegebenen Vielfalt christlicher Kirchen und ihrer Konfessionsdifferenzen. Erst in der differenzierten Erforschung der einzelnen Konfessionen, ihrer liturgischen, lehrmäßigen und frömmigkeitspraktischen Eigenarten wird ein komplexes Verständnis des Christentums möglich, um das sich die Theologie in allen ihren Disziplinen bemüht.

wissenschaftliche Bedeutung

Die Aufgabe ökumenisch-theologischer Forschung steht so in einem unlösbaren Zusammenhang mit der Aufgabe wissenschaftlicher Theologie an der Universität insgesamt. Das impliziert, dass ökumenische Theologie sorgfältig zu unterscheiden ist von dem ökumenischen Handeln der Kirchen. Nur in dieser Unterscheidung kann die Freiheit theologischer Forschung gewahrt werden. Sie ist zugleich die Voraussetzung dafür, dass die wissenschaftliche Theologie den Kirchen als kritisch-reflexive Instanz dienen kann.

Einführung in die ökumenische Theologie

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