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Kultgemeinschaft und Priester

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Große Rituale, die wir im Geist der êwa regelmäßig abhalten, um den Göttern für das Heil zu danken, das sie uns allen erweisen, sollte nach Möglichkeit jeder in Gemeinschaft feiern und nur in Ausnahmefällen auch einmal allein zelebrieren. Man kann eine Kultgemeinschaft nach mittelalterlichem Vorbild eine Gilde nennen. Die historischen, vor allem im nordischen und hanseatischen Bereich verbreiteten Gilden widmeten sich zwar der Verehrung christlicher Heiliger, taten dies aber mit Trinkritualen, die auf das heidnische Blót und Minni-Trinken zurückgehen und verdanken nicht zuletzt ihren Namen dem schon erwähnten Begriff gildi oder gilt/gelt für das Opfer. Der VfGH hat den Begriff der Gilde als Bezeichnung einer Form seiner Unterorganisationen wiederaufgenommen.

Die kleinste natürliche Kultgemeinschaft ist die Familie, in der bei unseren Ahnen, wie Tacitus berichtet, der Hausvater (pater familiae) die Riten leitete. Tacitus beschränkt diese Aufgabe auf die privaten, während er bei öffentlichen Riten Stammespriester (sacerdotes civitatis) erwähnt. Diese hatten auch einzelne rechtliche Aufgaben, unterschieden sich ansonsten aber, da Tacitus weitere Besonderheiten gewiss ebenfalls erwähnt hätte, nicht von den römischen Priestern, die seinen Lesern vertraut waren. Das heißt, sie waren weder religiöse Lehrer noch „Seelsorger“, spirituelle Führer oder „Eingeweihte“, sondern reine Kultpriester, deren Aufgaben sich auf den rituellen Bereich beschränkten.

Darauf weisen auch die meisten germanischen Bezeichnungen für „Priester“ hin, vor allem im Althochdeutschen: harugari und parauuari sind Männer, die am Altar (harug) bzw. im Heiligtum (paro) tätig sind, bluostrari bedeutet „Opferer“ und êwarto bzw. êwawarto und êsago sind der Wart und der Sprecher der êwa. Die letzteren Bezeichnungen sind auch im Angelsächsischen (æwawart) und Altfriesischen (âsega) überliefert und betonen mehr die rechtliche Funktion: êwarto und êsago sind verantwortlich dafür, dass die rituellen Pflichten erfüllt werden, und erklären, wie das zu geschehen hat; der friesische âsega ist überhaupt ein Rechtsgelehrter und Richter. Die Rechtsprechung gehörte auch zu den Aufgaben der isländischen Goden (nordisch goði, Mehrzahl goðar, für Frauen gyðja, Mehrzahl gyðjur), deren Amtsbezeichnung in heutigen Heidenkreisen der geläufigste Ausdruck für „Priester“ ist.

Obwohl goði wie auch die älteren Formen gudja auf Gotisch und cotinc auf Althochdeutsch „jemand, der mit den Göttern zu tun hat“ bedeutet und die Goden die Verwalter, in der Regel auch Besitzer der Heiligtümer waren und die gemeinschaftlichen Riten ihres Bezirks leiteten, können sie aber nur bedingt als Priester bezeichnet werden. Dies lässt sich daraus ableiten, dass sie, wie Bernhard Maier feststellt, „auf Island vor allem als politische Führungsschicht in Erscheinung treten und Aussagen über ihre einstigen religiösen Funktionen zumindest teilweise auf der Rückspiegelung christlicher Verhältnisse in die heidnische Vorzeit beruhen.“ Wie auch die meisten Religionsforscher vor ihm schließt Maier, dass es einen Priesterstand mit Ausbildung und Weihe, religiöser Lehrautorität oder privilegierter Mittlerfunktion zwischen Göttern und Menschen bei den Germanen nie gegeben hat.

Der VfGH lehnt es daher auch für unsere Zeit ab, eine „Priesterschaft“ oder einen Kreis von „Eingeweihten“ nach Kriterien zu schaffen, die im besten Fall spekulativ sein können. Die historisch gesicherten priesterlichen Funktionen – die Tätigkeit des Ritualleiters und die Wahrung der rituellen Gesetze, die allein Aufgabe eines Priesters im traditionellen heidnischen Sinn sind – kann jeder übernehmen, der sich dazu in der Lage sieht und das Vertrauen der Gemeinschaft hat. Das sind vor allem die Schwurmannen des VfGH, jene Mitglieder also, die sich durch einen freiwilligen Eid zur Treue gegenüber den Göttern verpflichtet haben und damit garantieren, dass sie unter ihrer Leitung angemessen verehrt werden, es können aber auch Leute sein, die diesen Eid nicht geleistet haben.

Jede Kultgemeinschaft im VfGH wählt in eigener Verantwortung ihre Kultleiter, die ausschließlich für die Organisation und Durchführung der Rituale zuständig sind und keinerlei Lehrautorität oder Mittlerrolle haben. Sie heißen Blótmänner bzw. Blótfrauen. Die Begriffe goði und gyðja, die in manchen neuheidnischen Kreisen mystifiziert werden, werden im VfGH nicht verwendet.

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