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Louisianas Eskorts

Georg von Rotthausen

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Wie alles begann …

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Georg von Rotthausen

Louisianas Eskorts

19.10.2001: Sittenwidrigkeit der Prostitution in Deutschland abgeschafft

Der Deutsche Bundestag im Reichstag zu Berlin schafft mit großer Mehrheit die Sittenwidrigkeit der Prostitution ab: Der Gesetzentwurf zur Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation der Prostituierten wird verabschiedet.

“Genießen und genießen lassen, ohne sich noch sonst jemandem zu schaden - das ist die ganze Moral.” Nicolas Chamfort

Wie alles begann …

Heiß war es im Sommer 2003, sehr heiß. Es starben mehr alte und kranke Menschen als üblich. Für die jungen, gesunden und kräftigen aller Altersgruppen war es einer der schönsten Sommer überhaupt. Und in den Urlaubsgebieten von Nord bis Süd klingelten die Kassen, daß es eine Freude war. Große Probleme hatten wiederum die Winzer, da ihnen vielfach das Weinlaub an den Reben verdorrte und die Trauben sich nicht gut entwickeln. Schon bald würde man ihn als Jahrhundertsommer bezeichnen.

Die Semesterferien hatten gerade begonnen. Der Himmel war wolkenlos saphirblau, die Sonne brannte herunter was das Zeug hielt − ein weiterer brüllendheißer Tag. Außer einer sanften Brise, die die Haut einiger junger Menschen am Ort der Handlung umspielte, bewegte sich nichts. Es war seltsam still.

Konstantin von Seesenheim und seine Freunde lagen mit glänzenden Körpern im Poolbereich des Landhauses seiner Eltern. Kein einziger Sonnenschirm war aufgespannt worden. Sie wollten alle tiefbraun werden, wenn es ihnen schon verwehrt war, in die Karibik zu fliegen. Bei einem von ihnen würde es allerdings etwas schwierig werden, denn er neigte eher zur Hummerfärbung nach einem Kochtopfbad.

Der Landsitz der Seesenheims war riesig und im Zentrum nicht einsehbar. Er hatte einen guten Baumbestand und zahlreiche schöne Zierbüsche um den fast parkähnlichen Gartenbereich am Herrenhaus boten vollständigen Sichtschutz. Die jungen Männer konnten sich in jeder Beziehung frei bewegen, so wie es ihnen gerade beliebte. Das galt für die Kleiderordnung oder wenn ihnen nach altrömischem Benehmen zumute war.

Zu ihnen gesellt hatte sich Louisiana Freiin von Tantzow-Lerchenbach, deren Familie das Nachbargrundstück besaß, das ebenfalls an die fünfzigtausend Quadratmeter umfaßte. Sie hatte keine Last mit anwesenden Geschwistern, was sie gut fand, denn sie gingen ihr in ihrer Spießigkeit auf die Nerven, und nach einigen Erfahrungen mit titeltragenden Extremdummköpfen keinen Freund, obwohl sie eine feengleich schöne Erscheinung war.

Lou, wie sie kurz genannt wurde, war 1,72 m groß, wog gerade einmal 52 kg, und entgegen der Vorurteile gegenüber echten Blondinen eines der gescheitesten Mädchen, das die am Pool lagernden jungen Männer kannten.

Die dichten, dabei weichen goldblonden Haare der feschen Dreiundzwanzigjährigen reichten bis zu ihrem formvollendeten Po herunter. An jenem herrlichen Tag trug sie einen knappen, wie fast immer auf ihre Haarfarbe abgestimmten Bikini. Er war hellblau. Beinahe alle ihre Bikinis waren in Blau gehalten, in den verschiedensten Abstufungen, verstand sich.

Das Halbschrägschalenoberteil brachte ihre schönen Brüste vorteilhaft zur Geltung, das schmale Höschen zierte auf der Vorderseite ein siebengezackter goldener Stern. Eine Einladung mit Qualitätsangabe, die aber nicht den anwesenden Kommilitonen galt − zumindest behauptete sie das, und so unterblieben nach anfänglich vergeblichen Versuchen weitere Avancen der jungen Männer. Lou wurde als Kumpel betrachtet, zumindest behaupteten sie es.

Auf ihren schönen Schultern hatten sich durch viele Sonnenbäder zahlreiche helle Sommersprossen versammelt. Es wirkte bei ihr sehr sinnlich. Eine freche Note gaben ihr die Sommersprossen auf der Stirn und quer über ihre süße Nase. Ihre zauberhaft kleinen Ohren konnte man unter der Haarflut nicht ohne weiteres sehen. Im übrigen vermochte kein Betrachter auf ihrer samtigen Haut einen Makel zu entdecken. Ihr piercingfreier Bauchnabel war eine erotische Sensation. Ihre schlanken zarten Hände zierte am rechten Ringfinger ein Siegelring mit dem Wappen derer von Tantzow. Den Saphirring ihrer verstorbenen Großmutter hatte sie links nicht angelegt, wie sonst üblich.

Konstantin war ein vierundzwanzigjähriger Leutnant der Reserve und Student der Politikwissenschaften. Er wurde von seinem Vater, einem Generalleutnant, ziemlich kurz gehalten, was die finanzielle Ausstattung anbelangte − der Beruf „Sohn“ war ihm streng untersagt worden −, weshalb es mit dem schon lange gewünschten Urlaub auf den Bahamas in jenem Jahr ein ums andere Mal nichts geworden war. Seine Mutter steckte ihm immer mal wieder einen Schein zu, war aber ohne eigenes Gehalt auf ihren Mann angewiesen. Sie hatte nur die Zinsen aus ihrem eigenen kleinen, ererbten Vermögen zur freien Verfügung.

Ihr Ältester war ein schwarzhaariger Typ, mit dunkelbraunen Augen, 1,85 m groß, gertenschlank, durchtrainiert, mit einem perfekten Körperbau. Sein schön ausdefinierter Oberkörper war unbehaart, wenn man von einer deutlichen Naht absah, die von seinem wohlgeformten Bauchnabel hinabführte, dorthin sich verbreiternd, wo seine schmale, rote Badehose einen dichten schwarzen Pelz so gerade eben verhüllte und sein beachtliches Geschlecht verbarg, das heißt, so ganz dann doch wieder nicht. Er war ein deutlich sichtbarer Rechtsträger.

Seit drei Wochen war „Kon”, wie ihn seine Freunde kurz nannten, erotisch unterbeschäftigt. Seine nicht mehr aktuelle Freundin hatte die Universität gewechselt, genauer gesagt, sie war in die USA gegangen, nach Berkeley, und da machte er sich keinerlei Illusionen über ihren weiteren Verbleib. Er würde sie ohne Zweifel bereits in jenem Moment an einen Californian Dream Boy verloren haben, bestens ausgestattet mit Geld, körperlichen Vorzügen und vermutlich sogar Geist. Ihre letzte gemeinsame Liebesnacht hatte er besonders lang und wild gestaltet − sozusagen auf Vorrat, so das überhaupt ging, denn Lust hatte er jederzeit. Er war von einer unglaublich virilen Ausdauer.

Neben ihm lag Alexander Nikolajewitsch Kurijakin, ein echter Prinz aus einer ursprünglich russischen Fürstenfamilie, die es 1917 noch geschafft hatte das untergehende Zarenreich über das Schwarze Meer zu verlassen. Auf abenteuerlichen Wegen waren sie mit zehn Personen schließlich nach Großbritannien gekommen, wo Alexanders Ururgroßvater auf der Bank von England ein beachtliches Vermögen deponiert hatte. In der Weltwirtschaftskrise der Zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts löste es sich in Nichts auf. Ein fürstliches Nichts, aber eben ein Nichts.

Verwandtschaftliche Beziehungen hatten sie ins Deutsche Reich geführt, wo sein Urgroßvater und einer seiner Söhne im Hotelbereich Arbeit fanden und deutsche Staatsbürger wurden. Durch den verlorenen Zweiten Weltkrieg hatten sie wieder alles eingebüßt und dabei noch Glück gehabt, daß sie im britischen Besatzungsbereich lebten und so vor dem Zugriff der Roten Armee einigermaßen sicher waren.

Auf diese Weise waren die Kurijakins zumindest körperlich unbeschadet durch die Zeitenstürme gekommen, und auf dem Gymnasium hatten Alexander und Konstantin sich kennengelernt, waren bald dicke Freunde geworden. „Dick” bezog sich aber nur auf die Tiefe ihrer Freundschaft. Alexander war ein wunderbar schlanker Mensch von 1,86 m, schon immer sehr sportlich, in der Bundeswehr ebenfalls zum Leutnant der Reserve avanciert und perfekt durchtrainiert.

Gleich Konstantin studierte er Politik-, dazu Staatswissenschaften. Die Schönheit seiner Erscheinung zeigte sich nicht nur in einem ebenmäßig geschnittenen Gesicht, betont durch hohe Wangenknochen, und einen leicht dunkleren Ton seiner makellosen Haut, sondern durch ein perfektes Waschbrett, das er durch ständiges, wenn auch nicht übertriebenes Training in bester Form hielt. Seine kurzen Haare waren dunkelbraun, seine kaum einmal nicht lachenden Augen strahlten dagegen in einem schönen Dunkelblau. Alexanders Brustmuskeln wölbten sich ausgeprägt, was im Moment nicht sehen war, da er seine Arme unter dem Kopf verschränkt hatte; seine Brustwarzen, wie die seines Freundes Konstantin, waren eine perfekt geformte, ständige erotische Einladung für jedes weibliche Wesen, daran knabbern zu wollen.

Seine knappe weiße Badehose war prall gefüllt, denn er tagträumte gerade etwas sehr Schönes. Bemerkenswert an ihm war neben seiner hervorstechenden Optik seine ruhige, tiefe Stimme. Wenn er russische Kirchenlieder im Original sang, ging es allen Zuhörern durch und durch.

Direkt am Poolrand hatte sich Damian von Pintowitz ausgestreckt. Auch er war 24 Jahre alt, 1,83 m groß, gertenschlank und ein Feuerkopf. Nicht nur vom Temperament her, sondern auch optisch: Er hatte feuerrote Haare, war ein entsprechend heller Hauttyp und über und über mit einem Meer von hellen Sommersprossen bedeckt. Sein Spitzname war nicht von ungefähr Freckles. So nannte ihn von je her seine irische Mutter und seit der frühen Schulzeit hatten das Klassenkameraden und Freunde übernommen. Es machte ihm nichts aus. Mit seinem „Dachstuhlbrand” hätte ihm Opposition dagegen keinen Nutzen gebracht. So lachte er darüber und war streßfrei.

Nur, daß ihn kurz vor den Semesterferien seine Freundin aus heiterem Himmel verlassen hatte, das machte ihm zu schaffen, und er war froh, daß die Freunde ihn allein schon durch ihre Anwesenheit auffingen.

Er hatte bislang nicht ergründen können, warum seine bildhübsche Selina ihn nicht mehr wollte. An seinen Qualitäten im Bett konnte es nicht gelegen haben, denn er wußte mit seinem aus einer Feuerwolke erblühenden „treuen Freund” einiges anzufangen. Mit seiner flinken Zunge vermochte er bei weiblichen Wesen Wunderdinge zu vollbringen. Dessen war er sich in unerschütterlichem Selbstbewußtsein sicher und die Mädchen-Nachrichtenbörse bestätigte es ihm ohne Einschränkungen − direkt und indirekt. Und er war im Liebesdienst kein Egoist. Daß sein Mädchen einfach gegangen war, war ihm ein Rätsel. Vielleicht hätte er sie einfach mal beim Ausleben einer ihrer Launen übers Knie legen sollen, aber mit diesen Überlegungen war er dummerweise zu spät dran. Beim Onanieren dachte er nur an sie.

Und seine Untreue, die er immer noch liebte, spukte ihm wieder im Kopf herum, als er plötzlich zusammenzuckte. Wasserspritzer hatten ihn getroffen, störten seine Ruhe und lasziven Gedanken. Er blickte auf und sah in das lachende Gesicht von Michael, dem letzten Grafen von Adlersthal.

„Na, Druck?”, fragte Michael kess, denn er hatte gesehen, daß Damian mit geschlossenen Augen seinen Schoß gestreichelt hatte und er dabei gewachsen war.

„Wie kommst Du darauf?” Damian sah Michael verwundert an und blinzelte.

„Geh’ ins Haus, Freckles, und schaffe Dir Abhilfe, sonst platzt Dir doch gleich alles”, grinste Michael ihn an. „Oder soll ich Dir behilflich sein?” Michael fragte das nicht ganz ernsthaft, obschon − als Freundschaftsdienst, aber Damian fuhr ihn gleich an: „Du spinnst wohl, und Lou ist doch auch da. Willst Du mich blamieren?”

„Ach so, wenn Lou nicht hier wäre, dann würdest Du …?”

Michael schwang sich aus dem Becken und stand in seiner beachtlichen Größe von 1,90 m tropfnaß neben Damian − splitterfasernackt und grinste wie ein Lausbub.

Michael war ein schöner Mensch. Knapp 25 Jahre alt, ebenfalls Leutnant der Reserve, so wie es sich standesgemäß gehörte, und studierte Physik und Mathematik, im Nebenfach Chemie. Seine Eltern waren bereits gestorben und seine jüngere Schwester Amélie studierte im Ausland. Ihnen beiden war außer dem Titel nicht viel hinterlassen worden, wenn man von der hervorragenden Erziehung einmal absah, die sie beide genossen hatten.

Michael lebte erotisch in beiden Welten, weil es ihm so in den Kram paßte; war kein schönes Mädchen für ihn da, nahm er auch einen schönen jungen Burschen − er mußte nur perfekt aussehen und sollte auch Mädchen mögen.

Er hatte gerade eine einjährige Beziehung mit einem einundzwanzigjährigen Kommilitonen hinter sich und erst einmal genug von einem festen Verhältnis − und ihm war zur Abwechslung nach weiblicher Gesellschaft. Michael wollte aber wieder à la carte leben. Seine Freunde wußten es, und es störte sie nicht. Nur auf eines waren sie durchaus neidisch. Michael besaß einen Fleischpenis von der Abmessung seiner schlanken Hände bis zur Handwurzel. Keiner von ihnen hatte derartiges je vorher gesehen, ja nicht einmal für möglich gehalten. Ein aufblühender Blutpenis dieser Größe, das mochte angehen, den hatten sie alle selbst, aber solch eine Ausstattung war schon extraordinär. Und wenn er in Erregung kam, legte Michael gar noch etwas zu. Aber zu seiner Freude waren sie alle großzügig in ihrem nicht bösartigen Neidempfinden. Man(n) hatte eben was man hatte, kein Anlaß, nun durch überflüssige Mißgunst die Atmosphäre zu vergiften. Und da Louisiana nicht die Absicht hatte, mit irgendeinem von ihnen etwas anzufangen − zumindest schien es so −, was die Clique vielleicht nicht gleich zerstört hätte, aber heftig beunruhigen könnte, waren Hengst-Konkurrenzkämpfe untereinander nicht angesagt.

„Wenn man nichts zu tun hat, nimmt man, was man kriegen kann”, grinste Damian ihn an, aber er wollte Michael nur necken. Er stand nicht auf Männer. Noch nicht.

„Du weißt, wo Du mich findest, Alter”, grinste Michael zurück und ging zu Konstantin hinüber.

Damian, der sich auf seine Ellenbogen aufgestützt und leicht erhoben hatte, legte sich wieder hin, verschränkte die Arme unter seinem Kopf, dachte an seine Verflossene und genoß es, daß sein heißes Blut den Weg dorthin gefunden hatte, wo es ihm in diesem Moment besonders gut gefiel.

Naß und nackt wie er war, setzte Michael sich neben Konstantin ins Gras. Er sah ihn einen Moment ruhig an und bedauerte …, aber Sex innerhalb der Clique war nun einmal, trotz seines nicht wirklich ernsthaften Angebots an Damian, von ihnen stillschweigend ausgeschlossen worden − bislang.

Konstantin bemerkte, daß ihn jemand ansah. Er sog kurz die Luft ein und noch ehe er die Augen öffnete, sagte er:

„Na, Cheval, wie ist das Wasser?”

„Oh, großartig, Kon, hüpf auch mal ‘rein. Sehr erfrischend.”

Damit streckte er sich neben Konstantin aus und verschränkte die Arme unter seinem Kopf. Seine Bizeps quollen dabei deutlich auf. Die Wassertropfen glitzerten im Sonnenlicht auf seiner schönen Haut.

Konstantin wandte seinen Kopf nach rechts und sah Michael an, den er wegen seines Schwanzes einfach nur „Pferd” nannte. Auf Französisch klang es aber nicht so bäuerlich, vornehm eben. Der junge Graf fühlte sich deswegen äußerst geschmeichelt und angenommen, nicht wie einst auf seinen diversen Schulen, wo ihm stets neidgesteuerter Spott entgegengeschlagen war.

Eine Ausnahme waren die letzten drei Schuljahre auf einem englischen Internat gewesen. Dort wurde er bewundert, was ihn sehr erstaunte, hatte er doch arge Ressentiments gegenüber einem Deutschen befürchtet, auch so viele Jahre nach dem verhängnisvollen Krieg, obschon die Engländer Deutschland den Krieg erklärt hatten, nicht umgekehrt.

Ein arroganter Typ hatte anfangen wollen, ihn als den „Hunnen” zu titulieren, das alte Schimpfwort der „Tommys” aus dem Ersten Weltkrieg, aufgekommen durch die berühmt-berüchtigte Hunnen-Rede Kaiser Wilhelms II. aus dem Jahr 1900, nur zu bereitwillig durch den Kriegspremier Winston Churchill eine Katastrophe weiter wieder aufgewärmt und durch die alte Königinmutter am Leben erhalten, denn sie haßte die Deutschen. Ihr Lieblingsbruder war bei den Kämpfen in Flandern gefallen. Politisch töricht, konnte man es menschlich verstehen. Daß sie damit allerdings auch die Windsors gehaßt haben müßte, die nun einmal eine deutsche Dynastie sind, wer hinterfragte das schon. Die Namensänderung von 1917 änderte daran auch nichts, oder seit wann wird aus einem deutschen Anzug ein britischer, wenn man ihm einen englischen Binder verpaßt …? Im Familienwappen steht als Devise immer noch das deutsche „Ich dien”, aber das übersieht sich so leicht.

Michael stellte John Angus de Saint-Gabriel während des Sportunterrichts beim Ringen, rang ihn buchstäblich nieder, was ihm viel Lob einbrachte, und als er ihn beim Boxen derart verprügelte, daß das Schandmaul aus Mund und Nase blutete, war der Jubel unbeschreiblich.

Es schien so, als hätten alle darauf gewartet, daß dem üblen Lümmel endlich einmal einer zeigte, was man von ihm hielt. Es hatte sich nur niemand getraut, denn dieser John war ein guter Boxer, doch in Michael hatte er seinen Meister gefunden. Die Lehrerschaft schätzte ihn danach noch mehr, denn seine schulischen Leistungen waren ausgezeichnet, und bei den übrigen Jungs war der „German Count” fortan hoch angesehen. Niemand ließ mehr etwas auf ihn kommen.

Ein Schulkamerad hatte ihn schon immer bewundert, aber das lag auch an Michaels exquisitem Aussehen.

Maximilian Albert Maurice Lord Branbury, der älteste Sohn des 10. Earls of Litherington auf Litherington Hall, war etwas mehr als 16 Jahre alt als sie sich kennenlernten. Michael war ein halbes Jahr älter und hatte bereits sexuelle Erfahrungen mit einem hübschen Mädchen gesammelt, das es aber nur eilig gehabt hatte, seine Jungfernschaft loszuwerden. Daß Michael dabei auch seine quitt wurde, hatte es nicht bemerkt. Er war ein Naturtalent.

Drei Monate vögelte er Judith nach Strich und Faden, dann war er ihr törichtes Gehabe leid und gute Gespräche konnte er mit ihr ohnehin nicht führen. Dafür war sie zu dumm, desinteressiert und egozentrisch. Drumherum hatte die Natur allerdings einen bildschönen Körper arrangiert, und den genoß er, so lange es eben dauerte. Aber eines Tages hörte Michael zufällig ihre Angeberei gegenüber drei anderen Miezen, wie gut sie es ihm mit Fellatio besorge und ob sie sich vorstellen könnten, was für ein prächtiges Pferdegehänge er habe. Das reichte ihm, und er entschied sich, ihr einen ganz besonderen Abschied zu geben.

Bald nach dem Vorfall hatte er sie an einem zauberhaften Sommerabend in seinem Zimmer, und die erste Runde war nichts als ein weiterer Erfolg.

Sie war etwas erschöpft, und er sagte ihr, daß er, für Runde zwei, ihren gesamten Oberkörper mit exquisitem Waldhonig einschmieren und danach ablecken würde.

Sie klatschte begeistert in die Hände, und sie war so beeindruckt und berückt von seinen außergewöhnlich wundervollen Ideen, sie zu verwöhnen. Sie war ein einziges Lächeln. Und er bat sie, die Augen zu schließen und nicht heimlich zu gucken, sonst würde sie die beste Überraschung verpassen. Und sie hielt ihre Augen geschlossen − sehr zu seiner Überraschung.

Während er sie mit dem dunklen, süßen Zeug bedeckte, fragte sie ihn immer und immer wieder, wann er sie denn nun leckte und hernähme, sie könne es kaum noch erwarten.

„Ich werde Dich mir vornehmen, wie Du noch nie hergenommen wurdest, Schätzchen”, antwortete Michael.

Ein paar Minuten später forderte er sie auf, ihre Augen wieder zu öffnen.

„Ta-ta-ta-taaa!”

Als das verwöhnte Balg seine Augen öffnete, bekam es seine Schau.

Die kleine Zicke sah einen breit grinsenden Michael mit weit geöffneten Armen und sein perfektes „Fernrohr” als horizontalen Flaggenmast für ein wedelndes kleines Banner nutzend auf dem stand „und tschüs!”.

Was für ein seltsames Spiel er spielen würde, wollte sie unangenehm überrascht wissen, und er antwortete, daß der beste Teil erst noch käme. Er bückte sich, nahm einen Beutel auf und leerte ihn über ihr aus. Irgendwie schien es plötzlich zu schneien: Michael entbot ihr Lebewohl mit einer Decke aus Daunenfedern.

Sobald sie realisierte was gerade mit ihr geschah, wurde ihr kreischendes Schreien zu einer Schau für sich. Es machte auf Michael keinen Eindruck.

Er schoß zwei Photos mit seiner Kamera, die er vorsorglich bereitgelegt hatte, und nahm seine Ex dann bei der Hand. Er zog sie aus seinem Zimmer, ohne sich um ihr Schreien oder die Tatsache zu bekümmern, daß er komplett nackt war, von dem kleinen Wimpel abgesehen, öffnete die Eingangstür des Hauses seiner Eltern − und draußen war sie.

Ein paar Augenblicke später folgten ihr ihre Klamotten mit einem guten Rat: Sollte sie jemals ein Wort der Beschwerde öffentlich äußern, würde sie ihre würzigen Aufnahmen als Gefederte am Schulaushang wiederfinden. Rums! Tür zu. Er hörte nie wieder ein einziges Wort von ihr.

Maxi, wie der junge Lord kurzerhand genannt wurde, würde eines Tages der 11. Earl sein und ein enormes Vermögen erben. Dazu wurde er auf diesem Internat vorbereitet, würde danach die Universität von Cambridge besuchen und seine Ausbildung in einer der Firmen seines Vaters vollenden, ehe ihm ein verantwortungsvoller Aufgabenbereich zur weiteren praktischen Vervollkommnung seines Könnens und seiner Persönlichkeit übertragen werden würde.

Sein jüngerer Bruder James William Henry war für die Militärkarriere vorgesehen und versah bereits Pagendienste am Königlichen Hof von St. James.

Maxi war froh darum, sich nicht durch die harte Ausbildung in Sandhurst quälen zu müssen. Er war nicht der Typ dafür und dankbar für die Familientradition, den ältesten Sohn und Erben nicht im Militärdienst in Gefahr zu bringen. Die Litheringtons hatten seit bald 300 Jahren das Glück, in jeder Generation mindestens zwei Söhne an der Spitze der Familie zu haben.

James war auch mit Fünfzehn schon sehr gutaussehend, drahtig und ein ehrgeiziger Sportler. Er fieberte dem Tag entgegen, einmal im Polo gegen einen der königlichen Prinzen antreten zu können. Einen Windsor zu schlagen, konnte dessen Aufmerksamkeit hervorrufen und das wäre später der Karriere zuträglich.

Maxi konnte dem nichts abgewinnen. Bevor er das Litherington-Vermögen hüten und vermehren mußte, wollte er sich der Kunstsammlung der Familie widmen, dabei nicht nur alte Meister sammeln und mindestens einen weiteren Gainsborough zu ergattern versuchen, sondern junge Künstler fördern, auch durch Ankäufe deren Werke.

Der junge Lord war hochintelligent, für sein Alter sehr belesen, sprach neben einem sehr schönen Englisch auch fließend Französisch und ebenso fließend, fast akzentfrei Deutsch. Und er war dabei, Italienisch zu lernen.

Er hatte sich sehr gefreut, einen intelligenten Deutschen kennengelernt zu haben, mit dem er sich in der von ihm als schön empfundenen Sprache von Goethe, Schiller und Lessing unterhalten konnte.

Und Maximilian Branbury war von einer jungmännlichen Schönheit, die Michael Adlersthal sofort für ihn eingenommen hatte. Seine geistvolle und liebenswürdige Art rundete das vorteilhaft ab.

Michael hatte allerdings beim ersten Kennenlernen zweimal hinsehen müssen, ob sich nicht doch ein flachbrüstiges Mädchen mit Kurzhaarfrisur an die Schule verirrt oder gar eingeschmuggelt hatte. So hatte er Maxi − das hätte auch ein abgekürzter Mädchenname sein können − bei passender Gelegenheit zu einem Saunabesuch eingeladen und erleichtert aufgeatmet, als er ihn in seiner nackten, androgynen Schönheit betrachten konnte.

Maxi hatte einen männlich-zarten, aber wohlgeformten Teenagerkörper. Es war zu sehen, daß er bei stärkerem Training ein perfektes Muskelspiel würde zeigen können. Er war damals bereits 1,76 m groß, wog 58 kg, hatte eine schöne Haut und rosafarbene Brustwarzen. Die wenigen, winzigen Leberfleckchen waren kaum zu sehen. Maxi hatte kurze, schwarze Haare, schwarze Augen, einen schönen, schlanken Hals und ein überdurchschnittlich großes, wohlgestaltetes Geschlecht, überhöht von einer mindestens zwei Zentimeter dicken, dichten schwarzen Wolle.

Seine Nase war schmal, genau richtig in der Größe; sie verlieh Maxis Gesicht eine zusätzliche edle Note. Michael würde es bald lieben, zu beobachten, wie der junge Lord seine Nasenflügel kurz blähte, zwei Sekunden bevor er sein schönes Lachen zeigte. Er hatte perfekte, strahlendweiße Zähne. Seine kleinen Ohren, bei denen die Ohrläppchen nicht angewachsen waren, wie auch Michael selbst das Glück hatte, vollendeten sein Erscheinungsbild auf das Angenehmste.

Am linken kleinen Finger seiner schmalen Klavierspielerhände trug er einen kleinen Siegelring mit seinem Wappen als Lord Branbury.

Michael war überzeugt, daß Apoll und Aphrodite bei diesem fast schon unanständig überirdisch schönen Jungen gemeinsam Pate gestanden hatten.

Maximilian war es mit Michael ähnlich gegangen. Er schätzte die guten Gespräche mit ihm, den ausgezeichneten Literaturgeschmack des Deutschen, sein allgemeines Kunst- und besonders sein Musikverständnis. Er fand es spannend, aus seinem Mund etwas zur gemeinsamen, leidvollen Geschichte zu hören und beide erlebten es als ungemein beruhigend, daß aus beider Familien in den beiden Weltkatastrophen niemand im Kampf ihrer Nationen gegeneinander gefallen, ja nicht einmal verwundet worden war, obwohl jeweils mehrere Männer dabei gewesen waren.

Sie lasen einander vor, mal auf Englisch, mal auf Deutsch. Maxi mochte die romantischen Werke von Hermann Löns und Hedwig Courths-Mahler, worüber sich lustig zu machen Michael sich verkniff. Gemeinsam amüsierten sie sich über Jerome K. Jeromes „Three Men in a Boat” und anderes mehr. Und wenn sie sich Krimis „’reinzogen”, dann wählten sie zumeist aus den Werken von Dame Agatha Christie aus. Dorothy Sayers, Dashiell Hammet und Raymond Chandler wurden nicht vernachlässigt und zuletzt wandten sie sich Georges Simenon zu. Was den Großen Krieg betraf, wie die Briten den Ersten Weltkrieg immer noch nannten − sie tun es bis zur Gegenwart −, so faszinierte Maximilian Branbury die Schilderung von Ernst Jünger in dessen „Stahlgewittern”. Er konnte es sich auf Michaels Nachfrage nicht erklären, warum.

Derjenige von ihnen, der gerade nicht lesen mußte, legte dann den Kopf auf den Bauch des anderen und lauschte gebannt dem ruhigen Ton der Lesestimme. In der warmen Jahreszeit lagerten sie dazu meist unter einer uralten Eiche im Park; regnete es oder war es kalt, so verschwanden sie irgendwo im Internatsgebäude, mal in den Weiten der Bibliothek, mal in einem der Kaminzimmer bei flackerndem Buchenholzfeuer.

Als er Michael bei ihrem ersten gemeinsamen Duschen nach dem Sport das erste Mal nackt sah, betrachtete er ihn, wenn auch noch verstohlen, einen Moment lang ganz genau, als wolle er auf keinen Fall vergessen, was er gesehen hatte.

Bei ihrem ersten Saunabesuch nahm er ihn bei der Hand, näherte sich seinem linken Ohr und flüsterte ihm auf Deutsch zu, daß er sich freue, mit ihm zusammen zu sein. Danach gingen sie schwitzen und schwimmen und waren fortan unzertrennlich. Selbst im Schlafbereich schafften sie es, Nachbarn zu werden. So konnten sie sich auch nach dem Lichtlöschen noch ein wenig flüsternd unterhalten.

In den ersten gemeinsamen Ferien wurde Michael nach Litherington Hall eingeladen. Er bekam sein eigenes Zimmer, das, passenderweise und nicht ohne Absicht, direkt neben Maxis Zimmer lag. Es stand sonst leer und wurde extra für diese Sommerwochen hergerichtet.

Der Earl war auf Geschäftsreisen unterwegs, Maxis Mutter hielt sich mit einer Freundin im Seebad Brighton auf und James war bei seinen Großeltern, Lord und Lady Haversham of Lameral, im schottischen Hochland auf Besuch, wo ihm sein Lieblingspferd „Dragon of Loch Ness” uneingeschränkt zur Verfügung stand, worauf der wilde Teenager sich schon Wochen zuvor ganz närrisch gefreut hatte.

So waren Maxi und Michael in jenem Sommer allein auf Litherington Hall, lediglich betreut von dem schon etwas älteren und äußerst diskreten Butler Algernon McKenzie und der liebenswürdigen und ihre eigene Werbung darstellenden Köchin Hermione Scullington, von Maxi kurz Scully gerufen. Sie war rundlich, überall, wo man bei ihr hinsah, mit einem stets rosigen Gesicht und einem allzeit fröhlichen Lachen. Es machte ihr große Freude, die beiden jungen Herren, unbeeinflußt von Seiner Lordschaft, mit ihren Kochkünsten verwöhnen zu können, die sich glücklicherweise nicht nur auf die englische Küche beschränkten, sondern sehr wohl auch kontinental orientiert waren. Sie hatte als junge Frau in einem großen Hotel in Deutschland gearbeitet und sprach immer noch ein wenig Deutsch, was sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit zum Besten gab.

Michael liebte sie auf Anhieb − und es war gegenseitig, denn sie traktierte ihn nicht mit Porridge oder Plumpudding; beides empfand er als absolutes Brechmittel − und so englisch Maxi war, es war auch nicht gerade sein Ding.

Noch mehr aber liebte Scully ihren hübschen Master Maximilian, wie sie ihn nannte. Er sei viel zu dünn, er müsse essen, teilte sie ihm regelmäßig jeden Tag mit und Maxi wurde nicht müde ihr zu versichern, er sei erst 16, er liebe es so.

Da er durch seine Mutter schottisches Blut hatte, liebte er es, zu Hause im Kilt herumzulaufen. Der Sommer ihres Kennenlernens war ungewöhnlich warm, und so trug er nur seinen Kilt in den Farben des Clans seiner Mutter, kein dazu passendes Hemd und darunter erst recht nichts. Zudem lief er für sein Leben gern barfuß. Nur bei Tisch zog er sich ein altmodisch wirkendes, aber stilmäßig passendes Rüschenhemd an, das gerade erst von einem traditionellen Herrenausstatter aus London geliefert worden war, mit dem seine Familie schon seit dem 18. Jahrhundert in Verbindung stand. Es war weiß und vorn auf der halben Oberkörperlänge unknöpfbar offen. Es gehörte sich nicht, bei aller Nonchalance, an der Tafel mit nacktem Oberkörper Platz zu nehmen. Das galt selbst bei Maxi als American behaviour − er lehnte das strikt ab.

Butler Algernon schätzte es offiziell gar nicht, daß der junge Lord halbnackt herumlief, was er beim ersten Betrachten am Morgen durch erhobene Augenbrauen anzudeuten pflegte, wohlgemerkt − an jedem Morgen, und Maxi antwortete auf diese stumme Rüge stets mit einem freundlichen Lächeln und der bestimmten Feststellung, er liebe es so. Es kam das unvermeidliche „Sehr wohl, Euer Lordschaft” und damit war es für den Rest des Tages ausgestanden. Danach hätte Maxi auch völlig nackt durch Schloß und Park springen können, beides stand der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung − Algernon McKenzie würde nichts mehr gesagt haben. Begegnete ihm Maxi morgens nackt auf dem Weg zum Bad, übersah er es völlig. Er würde nicht einmal etwas gedacht haben, denn er war so erzogen worden, daß er dazu keine fortdauernde Beurteilungserlaubnis zu haben habe. Seine eigene Meinung hatte er verbal schon gleich gar nicht zu äußern.

Doch am nächsten Morgen würde er ob der lockeren Kleiderordnung wieder seine Augenbrauen anheben, Maxi amüsiert sein er liebe es so bekunden und so weiter. Spränge er mehr als nur zur Morgentoilette nackt herum, würde die liebe, runde Scully in ihrer mütterlichen Toleranz lediglich begeistert ausgerufen haben, wie hübsch er doch aussähe. Als sie einmal des Butlers mißbilligende Mimik bemerkt hatte, trat sie mit ihrer beeindruckenden Körperlichkeit vor ihn hin und fragte ihn, ob er, Algernon McKenzie, in Butler-Ausstattung zur Welt gekommen sei oder jemals ein Baby gesehen habe, daß in vollständiger Hochland-Kleidung geboren worden wäre. McKenzie bemerkte daraufhin leicht indigniert, er pflege nicht an Geburten teilzunehmen, die er nicht selbst verursacht habe. Mit angehobenem Kinn und strafendem Blick hatte er sie stehengelassen und doch schmunzeln müssen, als Scully ihm überrascht-bewundernd nachgerufen hatte „Mr. McKenzie, Sie sind ein Teufelskerl!”.

Maxi war ihr in seiner Körperlichkeit bestens vertraut, weshalb auch Nacktheit sie nicht störte, denn sie kannte ihn seit seiner Geburt, hatte ihn einst gewickelt und gebadet, wenn die Nanny verhindert war, die die Dienste auf Litherington aus familiären Gründen verlassen hatte als Maxi Fünfzehn war − eine neue hatten die Jungs vehement abgelehnt, sie würden sie vergiften, zwänge man ihnen eine auf, worauf die Lordschaften nachgaben − und das geringfügige, übrige Personal hatte mit den Privaträumen der Söhne des Hauses nichts zu tun. Maxi wollte es nicht. Einzige Ausnahme war eines der beiden Zimmermädchen, das nur in Begleitung des Butlers Zutritt hatte. Und die Toleranz würde augenblicklich auf Michael übertragen worden sein, hätte Maximilian sich auch nur kurz in diese Richtung geräuspert.

Als er das erste Mal lediglich im Kilt bekleidet in Michaels Zimmer eintrat, staunte Maxis Gast und Freund nicht schlecht.

„Ist das alles? Hast Du nicht etwas vergessen?”

„Warum? Ich liebe es so. Gefalle ich Dir nicht?”

„Du gefällst mir immer, Maxi, das weißt Du doch. Egal, ob Du Schuluniform trägst, einen Smoking, T-shirt und Jeans oder nur Deine schöne Haut. Und deshalb gefällst Du mir auch jetzt in diesem Kilt.”

Maximilian lächelte zufrieden.

„Und welcher Tartan ist das?”

„Der des Clans meiner Mutter. Möchtest Du auch einen? Dann können wir zum Schwimmen gehen.”

Maximilian legte leicht den Kopf schräg, während er sich auf einer Stuhllehne abstützte, Michaels Antwort erwartend.

„Aber gern”, sagte der lächelnd, obwohl er gerade nicht ganz verstand, was ein Kilt mit ihren Schwimmplänen zu tun hatte.

„Dann warte einen Moment und ziehe Dich wieder aus. Komplett.”

Michael machte große Augen, während Maxi das Zimmer verließ.

„Nichts drunter”, murmelte er, „dann darf aber kein Windstoß kommen.” Amüsiert begann er, seine leichte, kontinentale Sommerbekleidung abzulegen. Als Maxi zurückkehrte, warf er gerade seinen Slip aufs Bett.

„Da bin ich wieder. Komm’ her.”

Michael trat, nackt wie er war, näher zu Maxi hin, der ein Leuchten in den Augen hatte, als er seinen Freund wieder so sah, was dem nicht entging. „Er liebt es, mich unbekleidet zu sehen.”

Im nächsten Moment schlang Maxi den Kilt um Michaels Hüften, verschloß ihn, rückte ihn zurecht und trat einige Schritte zurück.

„Du siehst großartig damit aus, könntest damit glatt an den Hochland-Wettbewerben teilnehmen. Aber ob Du das Baumstamm-Werfen schon schaffst …”

Maxi lächelte geheimnisvoll und deutete mit der passenden Bewegung seiner rechten Hand Zweifel an. Michael überging lächelnd die Unterschätzung seiner sportlichen Kräfte, sah an sich herab und fand sein Aussehen äußerst apart und aufregend. Die neuen Freiheiten fand er bequem − und eben neu.

„Nur eine Erektion darfst Du nicht bekommen, dann fällst Du gewaltig auf, mein Lieber.”

Michael riß die Augen auf. So hatte Maxi noch nie gesprochen. Erstaunt fragte er:

„Warum sollte ich denn eine Erektion bekommen, hm?”

„Ganz einfach. Weil Du mich schön findest.”

Michael war platt. Daß zwischen ihnen eine ständig wachsende Freundschaft bestand, war fraglos richtig, daß zwischen ihnen eine erotische Spannung vorhanden war, konnte nicht geleugnet werden, aber daß ausgerechnet der zurückhaltende, fast schüchterne Maximilian einen solchen Sprung nach vorn machte, überwältigte Michael für einen kurzen Moment.

„Wie kommst Du darauf”, spielte er die offensive Bemerkung herunter.

„Deine Augen verraten Dich, immer wieder, seit wir uns kennengelernt haben. Und ich finde es schön, daß Du mich schön findest, denn ich finde Dich auch schön. Wolltest Du das nicht schon lange hören?”

Michael wurde rot, mußte sich durchräuspern und ruderte einen Moment lang wie hilflos mit den Händen in der Luft, als könne er so die passenden Worte finden.

„Äh, ja, kann schon sein. Was man eben so sagt, wenn man sich sympathisch ist, wenn man sich mag.”

„Wenn man sich liebt. Sage es doch ruhig, oder findest Du etwas dabei?”

Maxi ging näher zu Michael hin. Der war ziemlich baff. Hatte ihn dieser schüchterne Junge doch glatt überrannt. Und es kam noch besser.

„Wann küßt Du mich endlich? Ich habe es satt, darauf noch länger warten zu müssen.”

Nun stand Maxi vielleicht noch dreißig Zentimeter von Michael entfernt. Beide sahen sich fest in die Augen, als Michael Maxi bei den Schultern nahm und zu sich heranzog. Des jungen Lords Nasenflügel blähten sich, aber er wollte nicht lächeln. Er sog ganz bewußt den Geruch seines Freundes ein und Michael tat es ihm gleich. Er schloß einen Moment die Augen, genoß den Duft seines Freundes, als er dessen volle, weiche Lippen auf seinen spürte, und sein Puls zu rasen begann. Sie setzten noch einmal ab, sahen sich an, ehe sie ihre Augen wieder schlossen, ihre Lippen sich erneut fanden und ihr erster Zungentanz begann. Und er dauerte lang, dieser Zungentanz, sie wollten sich nicht mehr voneinander lösen, genossen diese erste wirklich intime körperliche Zärtlichkeit, als dürfe sie nur ein einziges Mal stattfinden. Ihre warmen Körper preßten sich aneinander und sie registrierten in ihrer ersten physischen Verschmelzung, daß ihre Schöße voll erblühten.

Michaels rechte Hand fuhr unter Maxis Kilt. Er glitt an den Innenseiten dessen bebender Oberschenkel entlang, begann, dessen heißes Geschlecht „blind” zu liebkosen und ließ es schließlich durch seine Hand gleiten. Er fühlte die nasse Eichel seines Freundes und massierte sie mit seinem Daumen. Ein erstes Stöhnen entrang sich der Kehle des jungen Lords, aber sie küßten sich weiter, als befürchteten sie, der Zauber würde erlöschen, wenn sie einander losließen.

Es war eine gefühlte Ewigkeit vergangen, als sie die Hitze ihrer ersten Leidenschaft füreinander nicht mehr aushielten und sich voneinander lösten. Schwer atmend standen die Verliebten da, sahen sich schweigend an. Ihre Köpfe waren hochrot, ihre Hälse und Brustflächen übersät von unregelmäßigen roten Flecken. Sie waren beide auf das Höchste und Angenehmste erregt, und dieser Rauschzustand nahm ihnen in jenen Momenten die Sprache. Sie konnten nichts sagen, kein einziges Wort verließ ihre Kehlen, dafür sprachen ihre leuchtenden Augen umso mehr.

Michael nahm Maxis Hände, spielte mit den schlanken Fingern, was der junge Lord sich gern gefallen ließ, dann breitete er seine Arme aus, nahm Maxis’ dabei mit, was ihre heißen Oberkörper wieder zusammenführte, und während sich ihre Finger miteinander verschränkten, folgte der nächste intensive Kuß.

Doch plötzlich riß Maxi sich los. Dabei legte er seine rechte Hand auf seine Brust, als wollte er sein tiefes Atmen verdecken, und drückte Michael mit seiner linken sanft aber bestimmt von sich fort. Er sah in die überraschten Augen seines Freundes.

„Nicht hier, mein geliebter Engel, nicht einfach so. Es wäre unser nicht gerecht, der Zauber unserer Liebe würde gleich zerstört, es wäre gar zu vulgär. Die wilde, heiße Vereinigung wird uns geschenkt werden, aber ich will Dich nicht nehmen und mich Dir nicht geben wie eine Hure, die auf schnelles Geschäft erpicht ist, fort und vergessen. Ich will die eine wahre Stunde auf immer und ewig mit einem Lächeln erinnern. Deshalb laß uns zu einer ruhigeren Zärtlichkeit zurückkehren und unser heißes Blut kühlen. Laß uns zu meinem See gehen, wo wir schwimmen werden und uns in unser gemeinsames Arkadien träumen. Möchtest Du mir diese Geduld schenken?”

Im ersten Moment fühlte sich Michael so, als hätte man ihm einen Eimer eiskalten Wassers über den Kopf geschüttet. Ein Mädchen hätte er längst am Boden gehabt, es bestiegen und wild zum Orgasmus getrieben. Alles in ihm schrie danach in einen schönen, warmen Körper einzudringen und eine leidenschaftliche Vereinigung bis zum Höhepunkt zu zelebrieren. Bis vor Sekunden hatte sein Herz so heftig bis zum Hals geschlagen, es in seinem Schoß so wild gepocht und gezuckt, daß sein ganzes Sein sich in einem Zustand tiefsten Erbebens befunden hatte, sein Verstand kurz vor dem Aussetzen war − und nun nahm er ein gefühltes Eisbad. Es fiel buchstäblich alles in und an ihm zusammen.

Ein ihn so abkühlendes Mädchen würde er vermutlich alles mögliche geheißen haben, aber Maxi sah er nur erstaunt an und legte seinen Kopf schräg. Er mußte seine rauschenden Gedanken auf eine Ebene herunterholen, die ihm ein fast wieder sachliches Sortieren erlaubte.

Michael hatte seinem schönen Gastgeber eine erstklassige Fellatio schenken wollen, die erste seines Lebens, wobei „erstklassig” eine hochtrabende Selbsteinschätzung war, und auf eine ebensolche Erwiderung gehofft − und nun sollte er Geduld haben? Warum das denn? Dieser stillen Frage, die der sensible Maximilian in Michaels Gesicht ablesen konnte, schickte der junge Graf ein innerlich sehr lautes zum Donnerwetter hinterher. Aber dann erreichte ein Wort seinen Verstand, das ihn einlenken ließ. Hure! Er war tatsächlich auf dem besten Weg gewesen, sich wie eine billige Hure zu benehmen und Maximilian auf diese Ebene herabzuziehen. Augenblicklich schämte er sich. Es bedurfte einer schönen männlichen Jungfrau, eines in diesem Alter seltenen echten Jünglings, ihn Geduld in der Liebe zu lehren, gerade auch in der körperlichen Liebe. Nun trieb ihm die Scham das Blut ins Gesicht.

„Verzeih”, stammelte er, „verzeih mir. Es hat mich fortgerissen.” Er senkte den Blick.

„Es gibt nichts zu verzeihen, liebster Michael. Du bist nur leidenschaftlich, und das finde ich schön an Dir.” Maxi nahm Michaels Kopf in beide Hände und zwang ihn sanft, sich wieder aufzurichten, damit sie einander wieder ansehen konnten. „Und Du hast gerade Deiner Schönheit etwas hinzugefügt, was ich beglückt erleben darf: die Kunst, sich zu beherrschen.” Er sah Michael tief in die Augen, ehe er fortfuhr. „Mein Lieblingspferd, ‚Duke of Killarney‘, ist ein wunderbarer Hengst, ein bildschöner Rappe, ein höchst wertvoller Deckhengst zudem, der durch jeden Zaun geht, wenn er eine rossige Stute riecht. Wir können ihn dann nicht mehr halten, müssen ihn springen lassen. Aber er ist trotz seiner Schönheit und seines materiellen Wertes nur ein Pferd, ein seinen Instinkten unterworfenes Tier, wild, erfolgreich auf seine Art, aber eben nur ein Tier, das von der Liebeskunst nichts weiß. Er springt, deckt, stöhnt und wiehert dabei und fertig. Willst Du mich behandeln wie eine rossige Stute, die sich bespringen läßt, weil sie gerade aufnahmebereit ist?”

Michael schüttelte stumm den Kopf.

„Das wäre auch das Ende unserer Freundschaft und Liebe gewesen, denn so ließe ich mich nicht behandeln, auch und gerade von Dir nicht.” Maxi sah Michael durchdringend mit seinen schwarzen Augen an.

„Warte ab. Du wirst sehen was geschieht, wenn Du weiterhin Geduld hast. Der Sommer hat gerade erst begonnen. Du wirst mich nehmen dürfen, so wie ich Dich nehmen will, wenn die passende Stunde gekommen ist. Bis dahin wollen wir die Spannung halten, auch wenn es uns quält. Die Erfüllung wird danach umso schöner und beglückender sein. Das verspreche ich Dir. Und daran werden wir uns unser Leben lang erinnern. Eine Hure hat man vergessen, wenn man sie gehabt und bezahlt hat. Möchtest Du, daß ich Dich je vergesse?”

Michael schüttelte wieder stumm seinen Kopf.

„Siehst Du, dafür liebe ich Dich. Und jetzt beantworte mir eine Frage: Kannst Du ohne Sattel reiten?”

Michael nickte stumm.

„Dann komm. Wir reiten zu meinem See und dort werden wir baden und träumen. Ich habe ein gutes Pferd für Dich, das Du leicht wirst führen können. Es ist ‚Lady Catherine’. Sie ist sehr angenehm. Und ich werde ‚Sunshine of Scotland‘ nehmen, sonst kommt mein Hengst vielleicht doch auf törichte Ideen.”

Dabei schmunzelte er, daß seine Grübchen sich zeigten und nahm Michael bei der Hand. Der junge Graf war innerlich tief erschüttert. Noch war ihm nicht bewußt, daß er an diesem Tag eine der wichtigsten Lektionen seines Lebens gelernt hatte, aber er war voller Bewunderung für seinen Freund, so zu ihm gesprochen zu haben.

Eine halbe Stunde später waren sie an Maxis See angekommen. Unterwegs waren sie niemandem begegnet. Sie hatten nach dem rasanten Überqueren freier Weiden durch ein kleines Waldstück reiten müssen, als sich der Weg plötzlich zu einer wunderschönen Bucht hin öffnete. Vor ihnen lag ein glasklarer See rundum von Bäumen gesäumt. Das Ufer war grasbestanden, so daß die Stuten weiden konnten, nachdem die Freunde abgesprungen waren. Dichtes Schilfrohr und Büsche konnten neugierige Blicke fernhalten, sollten sich je Unbefugte in diesem Teil des Besitzes herumtreiben. Eines der zu Litherington gehörenden Dörfer war einige Meilen entfernt und die Dorfjugend wußte, daß sie dort ohne Einladung nicht würde baden dürfen.

„Wie gefällt es Dir hier?”

„Wunderschön, Maxi. Kommst Du oft her?” Michael schulterumarmte den jungen Lord und der legte seinen Arm um Michaels Hüfte. Beide sahen auf den See hinaus.

„Oh ja. Immer wenn ich mit meinen Gedanken allein sein will. Der See gehört bereits mir. Mein Vater hat ihn mir zu meinem 14. Geburtstag geschenkt. Und ich habe noch nie einen Fremden hierher mitgenommen. Du bist der Erste.”

Die Freunde tauschten einen stummen Blick und lächelten sich dabei an.

„Bin ich denn noch ein Fremder?”

„Oh verzeih, mein Lieber, das sollte Dich nicht herabsetzen. Ich meinte, ich hätte noch nie jemanden hierher mitgenommen, der nicht unseren Namen trägt. Bisher war nur mein Bruder James mit mir hier. Hier können wir nackt baden, weißt Du. Das ist ein herrliches Gefühl. Wollen wir? Einmal um den See herum?”

Kaum gesagt, hatten beide auch schon ihre Kilts abgelegt, sich bei der Hand genommen und waren in das angenehm kühle Wasser gestürmt. Nach einem heftigen gegenseitigen Beschaufeln mit fröhlichem Geschrei legten sie sich aufs Wasser und schwammen los.

Nach einer guten dreiviertel Stunde waren sie zu ihrem Ausgangspunkt zurückgekehrt. Schwer atmend kamen sie am Ufer an, wobei sie sich wieder bei der Hand nahmen. Die Stuten waren noch da und zupften weiter am frischen, saftigen Ufergras. Sie schauten nur kurz auf, als die nackten Freunde aus dem Wasser kamen und ließen sich nicht weiter stören. Daß eins von ihnen in der Zwischenzeit ganz „undamenhaft” ein paar deftige Pferdebollen hatte fallenlassen, buchte Michael unter „würzige Landluft” und ignorierte es einfach. Maxi störte es sowieso nicht.

Die Freunde breiteten ihre Kilts als Unterlage auf dem Gras aus und legten sich in die Sonne, die angenehmerweise genau auf sie herabschien. Maxi hatte seinen Kopf auf Michaels Bauch gelegt und nach einem ersten Ausruhen nahm der junge Graf mit seiner rechten Hand Maxis rechte Hand und verschränkte seine Finger mit ihm.

„Weißt Du, ich bin jetzt doch froh, daß wir vorhin nicht miteinander geschlafen haben, so große Lust ich auf Dich hatte und habe.”

„Hast Du das wirklich”, fragte der junge Lord nach und lächelte.

„Aber ja doch. Ein Mädchen hätte ich hemmungslos vernascht. Du weißt, Hengst und durch den Zaun und so. Du machst mir wirklich großen Appetit.” Beide lachten auf.

„Und warum hast Du es mit mir nicht getan?”

„Du bist mir für ein schnelles Vergnügen zu schade.”

„Das ist aber lieb von Dir.” Maxi drückte im noch immer gehaltenen Griff Michaels Hand zur Bekräftigung. Er zögerte dann aber mit einer Frage, die er nach einem kurzen inneren Anlauf schließlich doch stellte.

„Ich möchte nicht indiskret sein, aber hast Du denn schon mit Mädchen geschlafen?” Er suchte danach Michaels Blick.

„Habe ich“, antwortete der spontan. „Und um Dir das indiskrete Nachfragen zu ersparen: Es hat großen Spaß gemacht, und ich werde es wieder machen, wenn ich zurück in meiner Heimat bin. Aber hier, Maxi, bei Dir und im Internat, gehöre ich nur Dir.”

Das genügte Maximilian. Er küßte Michaels Hand und schloß die Augen für einen kurzen Schlummer. Dem Sonnenstand nach zu urteilen war es bald Mittag. Er hatte Hunger und wollte es sich nicht mit Scully verderben. Sie mochte es überhaupt nicht, wenn man zu spät zum Essen kam. Mochte es nun jemand vom Personal oder von den Herrschaften gewesen sein.

*

Michael „erwachte” aus seinen Reminiszenzen. Es war ihm ganz wohlig zumute, fast auch ein wenig wehmütig ums Herz geworden. Er hatte schon einige Zeit nichts von Maximilian gehört, geschweige denn ihn gesehen. Er besaß natürlich ein neues Photo von ihm, das hatte er zum letzten Weihnachtsfest bekommen. So wußte er wenigstens, wie Branbury aktuell aussah. Ein schöner junger Mann von fast vierundzwanzig Jahren war er inzwischen geworden und mit einer bürgerlichen Kunsthistorikerin liiert. Zumindest noch um Weihnachten und Neujahr herum. Doch das konnte sich inzwischen wieder geändert haben, so wie auch seine eigene Beziehung zu Christian Urskureit beendet war. Aus gutem Grund.

Er hatte die Wildheit dieses Jungen genossen und der Knaller von Körper war es sehr wohl wert gewesen, dessen immer wieder aufblitzende Zickigkeit zu ertragen, doch dann war es ihm zuviel geworden − und er hatte ihn an die frische Luft gesetzt.

Er wollte wieder ein weibliches Wesen an sich heranlassen. Nur, im Moment war keine geeignete Kandidatin in Sicht und mit Lou ging es nicht − dachte er.

„Sag’ mal, denkst Du gerade an etwas Schönes?” Konstantin wandte seinen Kopf zu Michael herum.

„Wie kommst Du darauf”, fragte der verwundert zurück.

„Weil Monsieur Bouchon den Kopf ‘rausstreckt, deshalb.”

Michael sah an sich herab. „Oh! Hab’ ich gar nicht gemerkt.”

„Schwindler!”

„Na gut, ja. Ich habe mich an etwas erinnert und auch an ein schönes Idealweib gedacht. Nur woher nehmen und nicht entführen?”

Michael richtete seinen Oberkörper auf und stützte sich nach hinten mit den Händen ab. Er hatte plötzlich eine Idee.

„Du bist doch gerade solo, Kon, nicht wahr?”

„Der Kandidat hat hundert Punkte für die überflüssigste Frage des Tages”, schnaubte der Gefragte etwas ungehalten. „Das weißt Du doch, daß Renata in Berkeley ist und sich inzwischen ziemlich sicher von einem kalifornischen Eight-incher-Hengst besteigen läßt. Was fragst Du denn so blöd?” Konstantin runzelte die Stirn.

Michael ließ sich durch den Rüffel nicht beirren.

„Und Du bist knapp bei Kasse, richtig?”

„Sag’ mal, worauf willst denn Du hinaus? Du weißt doch, daß mein Vater mich auf schmale Kost gesetzt hat.”

„Als ob ich das nicht wüßte!”

„Wir sind alle knapp bei Kasse …”

„Sonst wären wir jetzt auf den Bahamas”, ertönte es mehrstimmig. Alle hatten zugehört.

„Richtig. Und könnte man das nicht ändern?”

„Wie denn? Am Ende Zeitungen oder Briefe austragen? Dürfte kaum die Flugkosten one-way begleichen.” Kon sah etwas ungehalten aus.

„Keineswegs”, beruhigte Michael ihn. „Wir können etwas ganz anderes machen.”

„Und das wäre?” Damian hatte sich erhoben und war näher gekommen.

„Zieh mal Deine Badehose aus”, kommandierte Michael.

„Und dann?” Damian grinste. „Willst Du mir zum allgemeinen Gaudium und meinem Plaisir einen blasen?”

Derweil nestelte Damian das Zugband auf und stieg aus seiner Badeseide heraus. Er bekam keine Antwort.

„Und jetzt?” Er wedelte mit dem neongrünen Textil.

„Jetzt zieht Kon seine Badehose aus”, bestimmte Michael.

„Oh, cool”, schnalzte Damian mit der Zunge. „Eine römische Orgie!” Dabei grinste er breit.

„Quatschkopp!” rügte Michael ihn. Im nächsten Moment stand Konstantin ebenfalls nackt da und fragte „Und nun?”

„Jetzt Alexander.”

Auch der ließ bereitwillig alles fallen, fragte sich aber nicht minder, was das denn nun sollte.

„Sehen wir uns doch einmal an”, forderte Michael seine Freunde auf.

„Da sehen wir aber mal richtig ’was Neues”, spöttelte Konstantin, zog eine geringschätzige Schnute und verschränkte seine Arme.

„Mann, ernsthaft, Kon. Wie sehen wir aus?” Michael sah alle reihum an. Er setzte seine Seht-doch-mal-alle-richtig-hin-Miene auf.

„Klasse seht Ihr aus”, meldete sich eine angenehme weibliche Stimme. Lou war auf das Fragenspiel aufmerksam geworden, aufgestanden und näher gekommen. „Und weiter?” Sie stemmte ihre zarten Hände in die Hüften.

„Und wie sehen wir in Uniform aus?”

„Klasse”, kam es im Chor.

„Und in Smoking oder Nadelstreifen?”

„Klasse!”

„Wie sind unsere Manieren?”

„Klasse!”

„Und wie sind wir im Bett?”

„Erste Sahne!”

„Angeber”, fauchte Lou, aber sie grinste doch.

Die jungen Männer ließen sich davon nicht beeindrucken.

„Und was macht man mit solchen Qualitäten?”

Allgemeines Schweigen. Fragendes Herumschauen. Achselzucken.

„Da macht man einen Eskort auf, Ihr Trantüten im Mitdenken!” Michael ärgerte sich ein wenig, daß seine Freunde derart auf der Leitung standen.

„Wie bitte?” Konstantin war baff.

Damian fand als Erster seine Worte wieder.

„Warum eigentlich nicht? Hm?” Er sah seine Freunde und Lou der Reihe nach an. „Wir kennen uns in den oberen und obersten Gesellschaftskreisen qua Abstammung und Erziehung bestens aus, nicht wahr?”

„Richtig”, stimmte Alexander zu. Die Anderen nickten beifällig.

„Eben. Und wer von uns hat nicht schon einmal auf öden Empfängen gelangweilte Ehefrauen erlebt, die mit ihren dickbäuchigen, nur ans Geschäft denkenden Männern wie bestellt und nicht abgeholt herumstanden, mit schal gewordenem Champagner im Glas, bescheuertem Blah-blah-Small Talk links und rechts, während sie vergeblich nach einem jungen Hengst Ausschau gehalten haben, dem sie den Champagner lieber in die Rückenbeuge oder in den Bauchnabel gegossen hätten oder sich selbst gießen ließen, hm?”

„Richtig”, stimmte Alexander erneut zu. „Wenn ich da an die heiße Prinzessin Urbinowa denke. Hhmmm!” Der junge Prinz brummte mit geschlossenen Augen vor sich hin. „Sie war rassige Fünfunddreißig, Anatol Urbinow siebzig. Das Kätzchen hätte ich vor einem Jahr schon nur zu gern gebürstet.”

Alle lachten auf, auch Lou mußte grinsen.

„Warum hast Du nicht?” Lou war nah zu ihm hingetreten und streichelte seine Brust. „Konnte er nicht?” Dabei sah sie an ihm herab, um ihn gleich darauf schelmisch anzulächeln.

„Er kann immer, Du kleiner Frechdachs, aber ehe ich nicht sicher weiß, daß Elena Anatols Duellpistolen auf die Seite gebracht hat …, ich bin nicht lebensmüde.” Dabei nahm er Lou mit seiner rechten Hand beim Kinn, um sie zurechtzuweisen, aber sie entzog sich dem Griff mit einer ruckartigen Kopfbewegung und schlug ihm auf die Hand.

„Wir haben wohl einen Schisseranfall, lieber Kurijakin, hm? Ficken wollen, aber kein Risiko dabei.”

Lou müffelte Alexander mit gekräuselter Nase und verzogener Mund-Kinn-Partie an.

„Hört schon auf, Ihr Zwei”, ging Konstantin dazwischen. „Aber was Alexander sagt hat etwas für sich. Mir fällt auf Anhieb unsere Karin Tamelow ein, Alexander kennt sie auch. Für die anderen: sie ist Privatdozentin an unserem Institut, fünfundvierzig Jahre alt, geschieden, von ihrem Gewesenen bei der Trennung gut ausgestattet, sie ist sehr hübsch, gute Figur, aber allein.”

„Woher weißt Du das alles”, wunderte sich Damian.

„Ich kann gut mit unserer Dekanatssekretärin”, bekannte Konstantin und senkte schmunzelnd den Blick.

„Ach nee, Herr von Seesenheim hat nebenher schon mal probegevögelt, wie? Da tun sich ja Abgründe auf”, lästerte Michael und klopfte ihm gleichzeitig mit einem breiten Lächeln anerkennend auf die Schulter. „Wie alt ist sie denn?”

„Oh, zweiundvierzig”, leuchteten Konstantins Augen auf, „und eine Figur hat sie, dank ihres unfruchtbaren Mannes nicht kindergeschädigt, da kann man schon zum Sünder werden. Und überhaupt, ihr Mann versteht sie nicht.” Mit geschürzten Lippen und leicht vorgeschobenem Kinn schüttelte er wie bedauernd den Kopf.

„Aber Du hast sie verstanden, Kon, nicht? Du alter Schwerenöter, und uns nichts davon erzählen”, rüffelte Damian den Freund.

„Na ja. Leute, das war im letzten Jahr, ihr Mann war nicht da, es hat sich so ergeben und der Kavalier genießt und schweigt.”

Die ganze Runde lachte herzhaft auf. Neckisch wurde er von allen gestupst und lachte alsbald selber mit.

„Und Du hast es natürlich umsonst gemacht, nicht wahr?” Michaels Blick auf Kon war ein einziger Vorwurf.

„Ja sicher, ich bin auf meine Kosten gekommen und sie …”

„Eben”, unterbrach ihn Michael, den die Geschäftstüchtigkeit gepackt hatte. „Sie ist auch auf ihre Kosten gekommen, kostenlos, und hat mit Dir ohne Zweifel zum ersten Mal wirkliche Chevallerie und den Sex ihres Lebens erlebt.”

„Könnte man so sagen”, gab Konstantin sich selbstbewußt geschmeichelt.

„Damit ist jetzt Schluß, Freunde“, stellte Michael mit Bestimmheit fest. „Fortan werden wir diese Damen zahlen lassen. Und glaubt mir, sie werden gerne zahlen. In den meisten Fällen wird es ohnehin das Geld des eigenen Mannes sein. Dann reut es sie erst recht nicht.” Damit hatte Michael ihr Ziel klar abgesteckt. „Wir werden nicht nur erstklassigen Sex anbieten, sondern auch echte Begleitung, wohin immer die Damen uns mitnehmen wollen. Und Lou wird unsere Organisatorin und Dienstplanchefin, nicht wahr, Lou?”

Die Baroness riß überrascht die Augen groß auf, sah jeden Einzelnen ihrer Freunde an, überlegte kurz und meinte dann lapidar: „Warum eigentlich nicht? Klar, ich übernehme das. Aber wie preisen wir Euch an?”

„Mundpropaganda ist die beste Lösung, denke ich”, schlug Michael vor. „Damian − Dein Vater ist doch Mitglied in diesem elitären Golfclub bei Euch in der Nähe.”

„Richtig”, bestätigte es der Gefragte.

„Darfst Du da mit ’rein?”

„Klar!”

„Gut. Dann gehst Du am nächsten Wochenende mit Lou dorthin. Es werden genügend vernachlässigte Ehefrauen mit ihren Cocktails herumsitzen und darauf warten, daß ihre Männer ihr Handicap verbessern. Und dabei wird sie Dich als Superhengst ins Gespräch bringen. Ihr werdet sehen, das geht herum wie ein Lauffeuer. Ein Anruf hier, ein Anruf da − und Lous Handy als Zentralnummer für uns alle wird nicht mehr stillstehen. Und bis dahin überprüfen wir Männer unsere Garderoben, unsere sinnlichen Düfte und besorgen uns Kondomgroßpackungen.”

„Aber erwähne auch, daß da noch andere heiße Hengste zur Verfügung stehen”, beeilte Alexander sich zu bemerken.

„Du wirst schon nicht zu kurz kommen, Alter”, tätschelte Michael dessen Schulter.

„Aber wie machen wir es mit unseren Namen”, warf Konstantin ein. „Wir können doch nicht mit unseren echten Namen auftreten, oder?”

„Natürlich nicht”, stimmte Michael ihm zu. Er überlegte kurz. „Hm, wie nennst Du mich immer, Kon?”

„Cheval. Das weißt Du doch.”

„Eben. Also bin ich künftig der ‚Chevalier’, Du, Kon, bist der ‚Rittmeister’, Du, Alex, der ‚Großfürst’ und Du, Freckles, bist der ‚Pirat’. Einverstanden?”

„Könnte ich nicht ‚Long John Silver’ sein”, maulte Damian ein wenig.

„Pirat wirkt aber abenteuerlicher, das klingt mehr nach wildem Eroberer. Daß Du einen tollen Schwanz hast, werden die Ladies schnell genug spitz haben.”

„Und es wird sie spitz machen”, lachte Damian. Plötzlich gefiel es ihm gut, der „Pirat” zu sein. Seine roten Haare paßten dazu.

„Und welche Taxe nehmen wir?” Michael wollte auch das gleich geklärt haben. Er sah nur Achselzucken und schlug dann vor:

„Ich denke, für einen Abend und die ganze Nacht sind tausend €uro als Spende nicht zuviel. Für eine ganze Woche Begleitung ohne Sex dreitausend, mit täglichem Sex und Verwöhnprogramm fünftausend und nach zehn Buchungen ein und desselben Begleiters gibt es eine Nacht oder einen Nachmittag umsonst. Dazu Spesen. Was haltet Ihr davon? Und natürlich wird Vorkasse in bar genommen, versteht sich.”

„Einverstanden”, nickte Konstantin zustimmend. Damian und Alexander hielten beide den Daumen hoch.

„Und was bekomme ich?” Lou sollte alles organisieren und wollte ihren Anteil.

„Du bekommst zehn Prozent von unseren Buchungen, Süße. Einverstanden, Jungs?” Michael sah seine Freunde Zustimmung heischend an.

„Klar.” „Immer.” „Selbstverständlich.” Damit war es beschlossene Sache.

„Und das wollen wir jetzt begießen, Leute”, bestimmte Michael.

„Hast Du denn gekühlten Champagner im Haus”, fragte Lou den neben ihr stehenden Konstantin.

„Nein, aber das machen wir anders”, verkündete er grinsend.

Im nächsten Moment hatte Konstantin Lou auf den Arm genommen, die sogleich ahnte, was ihr bevorstand und Widerstand spielte.

„Du wirst es doch wohl nicht wagen, Du unverschämter Kerl”, und dabei boxte sie ihn was sie nur konnte. Aber es nützte ihr nichts. Konstantin strebte mit ihr ungerührt dem Swimmingpool zu, gefolgt von den lachenden Freunden. „Aaah, Du wirst das lassen, Du unmöglicher Mensch”, kreischte sie noch, ehe sie, unter dem herzlichen Gelächter der jungen Männer im hohen Bogen in das kühle Wasser rauschte und untertauchte. Im nächsten Moment sprangen alle Vier hinter ihr her und umringten sie, als sie prustend an die Oberfläche kam.

„Ihr verflixte Bande”, schimpfte sie, mußte aber selber lachen, wobei sie in typisch weiblicher Weise um sich knuffte und boxte, nur, um von Michael erneut untergetaucht zu werden.

Die jungen Männer gaben sich bestens gelaunt der Reihe nach die „hohe Fünf”. Nun würden sie besseren Zeiten entgegengehen und sich von der Abhängigkeit der Geldbörsen ihrer Eltern lösen können. Für Michael würde es schlicht und endlich die Freiheit bedeuten.

*

Bevor sie aus ihrem Porsche Carrera ausstiegen, den sie zuvor auf Hochglanz poliert hatten, instruierte Lou Damian noch einmal, sie reden zu lassen. Er könne mit den Augen flirten, aber im übrigen auf geheimnisvollen Schweiger machen. Sie würde schon die richtige Kandidatin für ihn aussuchen. Damian hatte bewußt drei Tage lang nicht Hand an sich gelegt, um unter Vollspannung zu stehen. Er würde einen Probefick setzen können − und der müsse „sitzen”.

Er hatte sich weiße Leinenhosen herausgesucht, ein hellblaues Seidenhemd, und seine nackten Füße steckten in hellblauen Leinenschuhen. Drunter trug er nichts. Er wollte Monsieur Bouchon sofort und ungehindert zum Einsatz kommen lassen können. Seine Hose war eng genug, um seine Qualitäten optisch gut zur Geltung zu bringen. Die Blicke der Damen würden ohne Zweifel dorthin gelenkt werden, wohin zu blicken es erwünscht war. Um seinen angenehmen Eigenduft nicht zu „erschlagen”, hatte er nur ganz dezent Moschus genommen.

Lou sah an jenem Tag besonders entzückend aus. Man hätte meinen können, sie wolle ausschließlich auf sich aufmerksam machen.

Sie trug ein dekolletiertes blaues Bustier, einen blauen Wickelrock, blieb bauchfrei und hatte ein blaugerändertes weißes Bolero-Jäckchen angelegt. Ihre nackten Füße steckten in hellblauen, schmalriemigen Sandalen.

Als einzigen Schmuck hatte sie neben dem Siegelring den Saphirring ihrer Großmutter auf den linken Ringfinger gezogen. Die drei Steine waren Mehrkaräter. Ihre sorgfältig durchgekämmte Haarflut trug sie offen.

Als sie das große Clubhaus betraten, wurde Damian sogleich von einem Freund seines Vaters begrüßt, der mit wohlgefälligem Blick Louisiana musterte und vorgestellt werden wollte.

„Lou, meine Liebe, das ist Oberst a.D. von Gaylwitz, ein langjähriger Freund meiner Familie. − Herr Oberst, ich darf Ihnen die Baroness Louisiana Tantzow-Lerchenbach vorstellen.”

Lou reichte dem Grauhaarigen die Hand, der sie ergriff, ohne sie zu küssen. Der Handkuß für eine unverheiratete junge Dame verbot sich in der Öffentlichkeit. Lou deutete einen leichten Knicks an.

„Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Baroness. Ich glaube, ich kannte Ihren Herrn Papà, Brigadegeneral Hans-Christian Tantzow …”

„Das war mein Großvater”, korrigierte sie ihn umgehend, mein Vater ist Christian Ludwig Tantzow, Major der Reserve und in der freien Wirtschaft sehr erfolgreich tätig.”

Der alte Oberst räusperte sich. Lou hatte ihm seine Altersklasse verdeutlicht und mit einem freundlichen Lächeln zu verstehen gegeben, daß er mit irgendwelchen Charmeattacken bei ihr nicht würde landen können.

„Ist mein Vater da?” Damian versuchte abzulenken.

Mit einem nochmaligen Räuspern erklärte Gaylwitz ihm, Pintowitz senior an jenem Tag noch nicht gesehen zu haben. Damian heuchelte Bedauern.

„Wie schade. − Tja, meine Liebe, dann muß ich Dir die Anlage ohne Vaters Begleitung zeigen”, womit er Lou bei der Hand nahm. „Wir dürfen uns empfehlen, Herr Oberst.”

Damian und er gaben sich die Hand, Gaylwitz nickte Lou mit einem etwas verunglückten Lächeln zu und ging an die Bar, um seine Niederlage zu bedauern und die dazu passende Laune in einem fünfzigjährigen Whiskey zu ertränken.

Weitere männliche Clubmitglieder vermied Damian geschickt. Er suchte den Sammelpunkt der vernachlässigten Damen; zum Park hinaus fand er ihn. Das Auftreten der Beiden löste augenblicklich Aufmerksamkeit aus. Ein Köpfezuneigen und kurzes Tuscheln setzte ein, als sie sich auf einen Tisch mit vier cocktailversorgten Damen zubewegten.

„Sag mal, Clarissa, ist das nicht der junge Pintowitz?” Dagmar Müller-Gantermann neigte sich flüsternd ihrer Freundin, der Gattin des Staatssekretärs Schastikow zu.

„Ganz ohne Zweifel. Die Ähnlichkeit mit seinem Vater ist unverkennbar, aber wie jung der noch ist.” Die ganz bewußte Bewunderung in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Ihre Augen wurden das Ausrufungszeichen dazu.

„Man möchte sich glatt noch ein paar Jahre hinweglügen, um so etwas ins Bett zu kriegen, nicht wahr?”

„Ganz meine Meinung. Und sieh Dir an, wie er seinen Schwanz zur Schau stellt. Ich fange gleich an, in meinem Paß zu radieren.” Aufgeregt saugte sie am Strohhalm, der in ihrem Cocktail steckte.

„Wer sagt Euch denn, daß er nicht auf wirkliche Frauen steht und nicht nur solch junges Gemüse, hm?” Die das zur Diskussion stellte, war Eleonore de Treville, die Gattin des französischen Generalkonsuls, eine geborene Deutsche.

„Es käme auf die Probe an. Welche von Euch will ihn haben?” Die das sagte, war die Gattin des Inhabers eines großen Autozulieferers, vielfache Millionärin − Gustava Tallianowski.

Eine Antwort bekam sie zunächst nicht, denn Damian und Lou waren schon zu nah herangekommen, aber beide hatten sofort registriert, daß über sie gesprochen worden war und sich mit leichtem Handdrücken darüber verständigt.

Damian und Lou wollten so tun, als würden sie nur den damenquartettbesetzten Tisch passieren wollen, er mit einem artigen Kopfnicken als Gruß reihum, Lou mit einem freundlichen Lächeln, doch das wollten die Vier nicht zulassen.

Madame de Treville übernahm die Initiative. Sie erschnupperte den heißen jungen Hengst in sie überwältigender Weise und sprach ihn an.

„Ja, wenn das nicht der junge Pintowitz ist − und in so zauberhafter Begleitung.”

Ihr Blick musterte das schöne Paar, aber ihr Fokus war eindeutig auf seinen Schoß gerichtet. Monsieur Bouchon war einfach zu deutlich zu sehen. Damians Abenteuerlust hatte bereits für optisch deutliche Reklame gesorgt. Er fühlte es und bemerkte das Interesse an ihm.

„Die heiße Stute estimiert bereits meine Möglichkeiten. Guuut!”

Das Paar, das keines war, blieb stehen.

„Wir haben gerade von Ihnen gesprochen, lieber Damian”, flötete Frau Müller-Gantermann, „ob Sie ebenso gekonnt wie Ihr sportlicher Herr Vater auf dem Platz einlochen könnten und fragten uns, wo Ihr Handicap wohl liegen möge. Wir konnten uns nicht einigen …”

„Tja, und da tauchen Sie gerade rechtzeitig auf”, ging Frau Schastikow dazwischen, „um als unser Paris den Apfel der Entscheidung zu überreichen.”

„Wohl gesprochen, liebe Clarissa, aber unter uns wird unser schöner junger Freund wohl kaum wählen wollen, da er doch in solch angenehmer Begleitung ist, nicht wahr?” Madame de Treville sah ihn dabei mit ihrem schönsten Lächeln an, doch drohte sie ihm in Gedanken, nur ja nicht die falsche Antwort zu geben.

„Zu liebenswürdig, meine Damen, uns Ihre werte Aufmerksamkeit zu schenken”, wobei er ein strahlendes Lächeln aufsetzte. „Ich darf Ihnen meine liebste Freundin vorstellen: Louisiana Freiin von Tantzow-Lerchenbach.” Lou nickte allen vier Damen der Reihe nach zu und lächelte sie höflich an. „Eine von Euch vögelt er gleich. Ich bin gespannt, welche.”

Sodann machte er Lou mit den Damen bekannt, die nun ihrerseits, selbstverständlich ohne sich zu erheben, Lou höflich zunickten. Dabei konnten sie den Neid ob deren blendender Jugend, die sie offensiv, fast schamlos, zeigte, nicht ganz verbergen − und Lou genoß es sichtlich.

Damian vollzog darauf den cercle de courtoisie. Er ging reihum um den Tisch und begrüßte die Damen einzeln mit Handkuß.

„Spielen Sie auch Golf, meine Liebe”, flötete Frau Tallianowski Louisiana an. „Und setzen Sie sich doch zu uns”, lud sie sie huldvoll ein.

Es war kein fünfter Stuhl vorhanden, weshalb Lou Damian nur kurz ansah, der schon auf dem Sprung war, am Nachbartisch eine Sitzgelegenheit zu organisieren, die er ihr gekonnt unterschob, und so nahm Louisiana Platz.

„Danke, mein Lieber”, beschied sie Damian, der artig hinter ihr Stellung bezog.

„Die Zwei vögeln schon mal nicht miteinander”, beurteilte Madame de Treville den Umgang der beiden miteinander.

„Ach, nur ein wenig. Ich habe im letzten Jahr die Rosenheim Open gewonnen und bei den Münsterland Open den Zweiten gemacht. Wirklich nichts Besonderes, aber es hat Spaß gemacht. Mal sehen, was es dieses Jahr noch gibt. Aber ich spiele ganz gern mal mit den kleinen, handlichen Bällen. Vor allem, wenn man männliche Mitspieler dabei außer Atem bringen kann, nicht wahr.”

Sie unterstrich diese Mitteilung mit einem Lächeln, daß sich das Quartett nur vielsagend anzusehen vermochte. Sie hatten die Kleine unterschätzt.

„Aber am liebsten spiele ich Beachvolleyball, bevorzugt nackt − und gemischt. Eine wunderbare Art, Bälle sportlich einzusetzen.” Lou grinste so frech wie sie nur konnte. Sie wollte provozieren.

„Oh!”, ertönte es vierstimmig. Das hatte gesessen. „Sie ist eine wunderbare Ballkünstlerin”, fügte Damian hinzu. „Sie müßten sie nur mal dabei beobachten.” Dabei kraulte er ihr ein wenig den Nacken.

„Und machen Sie auch dabei mit?” Madame de Treville wurde neugierig.

„Oh ja, obwohl es meist schlecht für meinen Partner und mich ausgeht. Sie legt uns mit ihrer Freundin nach drei Runden immer flach in den Sand.”

„Das würde ich mit Dir jetzt gleich auch gerne tun”, stimulierte sich die Tallianowski, die Damian bereits mit Blicken auszog.

„Und was machen Sie sonst? Ich meine, beruflich, liebe Louisiana? Ich darf Sie doch beim Vornamen nennen?” Madame de Treville wollte mehr wissen.

„Aber gern. Ich bin ja noch so jung, fast ein kleines Mädchen”, untertrieb Lou schamlos. Sie bemerkte mit diebischer Freude, daß der Stich getroffen hatte. Um so mehr würde es diese reifen Damen nach einem jungen Hengst gelüsten.

„Ich studiere, und ich bin gerade dabei eine Pferdezucht aufzumachen, eine ganz besondere Pferdezucht, mit speziellem Augenmerk auf Deckhengste. Es ist äußerst lukrativ sich für jeden Sprung gut bezahlen zu lassen. Damian und seine Freunde helfen mir dabei.”

Louisiana bemerkte an den Augen der vier Damen, daß sie augenblicklich verstanden worden war. Damians Anwesenheit wurde unzweifelhaft als Lockzucker erkannt.

„Es ist nicht nur lukrativ, meine Damen, es ist schon ein ganz eigenes, animalisches Erleben, wenn solch gewaltigen männlichen Wesen mit ihren enormen Pferde-Phalli die Lebenssahne abgemolken wird, um danach die aufnahmebereiten Stuten mit neuem Leben zu erfüllen.”

In jenem Moment war Lou sich sicher, daß die Schöße des Quartetts lustvoll überschwemmt waren. Sie bemerkte an sich selbst, daß sie sich heiß geredet hatte. Lou mußte sich stark beherrschen, den Damen nicht augenblicklich vorzuführen, wozu Damian fähig wäre, wenn er losgelassen würde. Dessen Leinenhose gab unübersehbare Signale.

„Da führen Sie aber ein interessantes Leben, liebe Louisiana”, säuselte Madame de Treville, dem sie ein leichtes Schnurren folgen ließ, als sie sich vorbeugte, ihren rechten Arm auf dem Tisch abstützte und lässig ihren Kopf in die Fingergabel von Daumen−Zeigefinger−Mittelfinger legte. „Und sagen Sie, wie kommt man zu solch einem aparten Vornamen?”

„Oh, ganz einfach, indem man Eltern hat, die sich beim Mardi gras in New Orleans so sehr amüsiert haben, daß neun Monate später ein lebenslanges Andenken zur Welt kam, und da der spießige deutsche Standesbeamte ‚Orleans’ partout nicht als Vornamen eintragen wollte, habe ich gleich den ganzen Staat als ersten Vornamen bekommen.”

„Ach, wie apart”, meinte die Schastikow. „Wirklich originell”, beurteilte Madame de Treville die Namenswahl. „Das hat nicht jede.”

„Tja, ich bin einzigartig”, trumpfte Lou auf und erntete ein pflichtschuldiges Gekicher der Runde. Damian lächelte, als wollte er verkünden, die Damen sollten mal nur aufpassen, sich nicht mit ihr zu messen, aber er amüsierte sich mehr darüber, wie Lou diese reiche Frauentruppe bereits an der Angel hatte.

Deshalb entschloß er sich, den zweiten Akt einzuleiten. Er entschuldigte sich mit einem dringenden körperlichen Bedürfnis, verbeugte sich leicht, klopfte Lou dabei mit der rechten Hand kurz auf die Schulter, und begründete sein geplantes längeres Fortbleiben mit der Absicht, seinen Vater suchen zu wollen, der irgendwo auf dem Gelände sein müsse.

Zum vorübergehenden Abschied bat Lou ihn, ihr einen guten Cocktail seiner Wahl bringen zu lassen. Sie wolle sich innerlich erfrischen. Auf dem Weg zu den sehr stilvoll ausgestatteten Sanitärräumen erledigte Damian diesen Auftrag an der Bar und war gespannt, welche der vier Damen ihm folgen würde, denn daß eine kommen würde, dessen war er sich absolut sicher. Jede Einzelne hatte sich bereits in Gedanken oral mit ihm amüsiert; die Blicke waren eindeutig gewesen. Und sein Ego hatte es zutiefst genossen. Jetzt sollte Monsieur Bouchon auch zu seinem Recht kommen. Er pochte bereits ungeduldig.

*

Damian hatte großes Glück, daß bei seinem Betreten ein Bekannter seines Vaters den WC-Bereich verließ und nach ihm selbst niemand kam. Man wechselte ein paar belanglose Worte. Ein kurzes Toilettenvorraumgespräch unter Männern. Danach war es still. Es war niemand mehr da, und es tauchte niemand mehr auf. Die anwesenden Männer waren offensichtlich alle auf dem Platz unterwegs. Das Personal hatte eigene Toiletten.

Damian urinierte in aller Ruhe, wusch sich die Hände und auch Monsieur Bouchon erhielt eine Kopf- und Halswäsche. Danach rieb er ihn wieder mit seiner Lustschwitze ein, um ihn schön geschmeidig einsetzen zu können. Er würde bald feststellen können, daß eine schwarzhaarige Madame La Chatte ihrerseits vortreffliche Vorsorge getroffen hatte, ihn genüßlich empfangen zu können. Gerade als er Monsieur Bouchon wieder warm eingesperrt hatte, öffnete sich die Tür.

„Ups, da habe ich mich doch tatsächlich verlaufen. Wie kann ich mich denn dafür entschuldigen?”

Statt sich zurückzuziehen, trat die angeblich in der Tür Irrende gänzlich ein und schloß die Tür von innen. Passenderweise errötete sie aufs Stichwort. Langsam, sich dabei wie verlegen auf die Unterlippe beißend, kam sie Damian näher.

„Ich bin aber auch ein ungezogenes Mädchen”, säuselte sie Damian an, der sie schmunzelnd erwartete − und mit ihm Monsieur Bouchon, der ungeduldig drängelte.

„Müssen unartige Mädchen nicht den Hintern versohlt bekommen?” Sein Vorschlag schreckte nicht ab, sondern löste ein wohliges Schnurren aus.

„Aber dazu müßte ich mein Höschen ablegen. Willst Du mir dabei behilflich sein, mein strenger Züchtiger?”

Damian nahm die rechte Hand, der nah vor ihm stehenden Dame, die bebend erwartete, was er nun tun würde.

*

„Ist mein Vater inzwischen hier vorbeigekommen?” An Damian war nicht die geringste Unordnung festzustellen, als er zu den vier Damen und Louisiana zurückkehrte. Es mochte eine knappe dreiviertel Stunde vergangen sein. „Ich habe überall nachgesehen, aber er scheint sich französisch verabschiedet zu haben.” Er schmunzelte vielsagend.

„Hauptsache, Du hast es eben französisch gehabt”, dachte sich Lou, denn ihr war natürlich nicht entgangen, daß Damians Schritt entspannt war und Monsieur Bouchon entsprechend genußvoll beschäftigt gewesen sein mußte. Das intensive Fächeln der kurz vor ihm zurückgekehrten Dame war eine unübersehbare Erfolgsmeldung.

„Meine Liebe, darf ich Dich daran erinnern, daß wir bei Konstantin Seesenheim zum Essen eingeladen sind?” Damian drängte zum Aufbruch.

„Oh ja, das hätte ich beinahe vergessen. Die Konversation war aber auch zu interessant”, heuchelte Lou und erhob sich, während Damian den Stuhl unter ihr zurückzog.

„Wir dürfen uns für heute verabschieden, meine Damen, hoffen aber auf ein gelegentliches Wiedersehen”, wobei Damian dem Quartett einen von einem strahlenden Lächeln unterstützten, vielsagenden Blick zuwarf.

Lou wurde zweideutig deutlicher. „Wenn Sie je meine Hengstzucht besichtigen wollen, sind Sie jederzeit herzlich willkommen, wir machen auch Einzelführungen nach Voranmeldung. Ich stehe im Telephonbuch. Aber für heute Adieu.”

Damit nahm sie Damian bei der Hand und die Beiden verließen den Golfclub.

Zurück blieb ein überwältigtes Damen-Quartett, von dem eine Zugehörige, kaum, daß der Grund ihrer Erregung außer Hörweite war, bestürmt wurde, zu berichten, wie es denn gewesen sei.

„Ihr glaubt gar nicht, was dieser Rotfuchs alles drauf hat. Ich habe seit zehn Jahren keinen solchen Orgasmus mehr gehabt. Glücklicherweise habe ich gerade keinen Eisprung, sonst wäre ich jetzt schwanger!”

„Uuuh!” ertönte es in der Runde und drei Damen ärgerten sich gewaltig, daß nicht sie diesem jungen Hengst gefolgt waren, aber sie würden es nachholen. Jede für sich beschloß das in jener Stunde und war gespannt, was diese Louisiana an weiteren Pferden in ihrem Stall zu bieten hatte. Rappe, Falbe oder Fuchs − das war egal. Hauptsache …

*

„Nun erzähl schon”, drängte Lou Damian zu berichten, kaum, daß sie im Wagen saßen und die Türen geschlossen hatten.

„Die hat es wirklich gebraucht, das kann ich Dir sagen. Ich habe schon einige Zeit keine Katze mehr erlebt, die es derart gebraucht hat. Die war erotisch völlig ausgetrocknet, aber als sie mit Monsieur Bouchon näher bekanntgemacht wurde, wandelte sich die Wüste zu einem Feuchtgebiet der Sonderklasse. C’était une expérience extraordinaire, ma chère, vraiment.” Damian schnalzte mit der Zunge. „Nie wieder sage ich etwas gegen Stuten, die die Vierzig überschritten haben, nie wieder. Die reite ich auch eine ganze Nacht durch.”

„Gut, Damian, das bringt uns dann tausend €uro“, stellte Lou geschäftstüchtig fest. „Jetzt muß es sich nur noch herumsprechen. Schaffst Du das auch alle zwei Tage, sobald es richtig losgeht?”

„Täglich, wenn Du willst und mir solche Frauen zuführst. Kein Problem. Aber jetzt fahr zu Kon zurück. Ich habe Hunger.”

*

Am nächsten Tag lagen Damian und Konstantin in paradiesischer Nacktheit am Pool. Alexander und Michael waren noch nicht zu ihnen gestoßen. Die Zwei hatten einen starken Lichtschutz aufgetragen. Die Sonne tat ihr Bestes, die „weißen Hosen” der beiden Freunde einzufärben.

„Wann Lou wohl anrufen wird, um den ersten Einsatz anzufordern, hm?”

Damian blinzelte zu Konstantin herüber, der die Augen geschlossen hielt.

„Weiß nicht”, brummte er vor sich hin, „hoffentlich bald. Mein Monsieur Bouchon und ich möchten endlich wieder etwas zu tun haben. Drei Wochen keinen Sex. Das ist einfach nur unmenschlich.”

„Du bist aber doch gut gelaunt, nicht wahr?” Damian schmunzelte.

„Wie kommst Du darauf?”

„Es muß Dir gut gehen, denn Deine Laune zeigt steil nach oben.”

„Wie?” Konstantins Stirn runzelte sich ein wenig, aber seine Augen blieben immer noch geschlossen.

„Na da!” Damian gab einfach einmal Monsieur Bouchon die Hand und schüttelte sie, besser gesagt ihn. Er hatte ein steifes Genick und sein hochroter Kopf glänzte im Sonnenlicht.

Nun fuhr Konstantin hoch. Er wollte offensichtlich einen ungehaltenen Kommentar abgeben, deutete man seine Mimik richtig, doch er sah nur in Damians lachendes Gesicht.

„An welche Süße hast Du denn gedacht, Alter?”

Konstantin sah an sich herab und mußte selber grinsen. Monsieur Bouchon hatte ihn in voller Größe verraten.

„Ist das nicht zum Kotzen? Da wird man von seiner Dauerfreundin einfach sitzengelassen und dann träumt man nicht nur nachts von ihr und kriegt einen Dauerständer, daß es schmerzt, sie schleicht sich auch noch in die Tagträume ein. Mußte sie mir, verdammt noch mal, vorführen, wie sie sich von einem bestgebauten Kalifornier hernehmen läßt? Der Typ sah richtig gut aus, Mist, verfluchter.”

Konstantin zog eine „Schnute” und Damian grinste schelmisch.

„So so, der Typ sah richtig gut aus, hm? Haben wir da etwa heimliche homoerotische Wünsche, wie?”

Konstantin sah seinen Freund entrüstet an.

„Jetzt spinne Dich aber aus, ja! Was kann ich denn dafür, welche Kerle Renata in meine Tagträume einschleppt.”

„Großer Schwanz?” Damian grinste noch breiter.

Konstantins Zornesfalte vertiefte sich. Monsieur Bouchon machte keine Anstalten, sich zur Ruhe zu legen. Die Adern an seinem Hals waren prall mit Blut gefüllt. Konstantin schien mit sich zu ringen. Er streckte sich wieder aus und verschränkte die Arme unter seinem Kopf. Monsieur Bouchon wippte, als wollte er ihm zustimmend zunicken, er solle ruhig plaudern.

„Na ja, irgendwie schon”, murmelte Konstantin und starrte in den wolkenlos blauen Himmel.

„Was, irgendwie schon?” Damians Neugier wuchs und der Bruder von Monsieur Bouchon wuchs mit. Der hieß der Einfachheit halber auch einfach nur Monsieur Bouchon.

„Ja, zum Teufel”, platzte es aus Konstantin heraus. „Der Scheiß Kalifornier hatte einen verdammten Ten-Incher. Sanft geschwungen wie ein Säbel, so wie es sein muß. Und er konnte fünf Mal nacheinander. Zufrieden?”

„Du bist eifersüchtig, Kon, ganz einfach süß verblödet eifersüchtig, und das gaukelt Dir solche Bilder vor, glaub’ mir”, grinste Damian und tätschelte Konstantins flachen Bauch.

„Und warum reckt Dein Monsieur Bouchon so frech den Hals, hm?” Konstantin sah Damian verschmitzt lächelnd an.

„Weil er Dich und seinen Bruder einfach wunderschön findet.” Schwungvoll erhob er sich, nahm Konstantin Bouchon in die Hand, gab ihm einen Kuß auf den Kopf und machte, daß er, aufspringend und unter herzlichem Lachen, weg kam. Mit einem eleganten Hechter war er im Pool untergetaucht, ehe Konstantin zum Gegenangriff hatte übergehen können.

„Du verdammter … geht‘s noch”, schimpfte er Damian hinterher, der gerade auftauchte und ihm zurief: „Bei mir geht’s immer. Komm’ ‘rein, abkühlen. Du hast zu heiße Gedanken.”

„Und Du bist ein gewaltiger Spinner, verdammter ‚Pirat’! Mach‘ Deine Enterversuche woanders, Freckles.” Doch gerade als er Damian hinterher wollte, bremste ihn der Klingelton seines Handys.

„Das wird doch wohl nicht …”, murmelte er, doch es war …”

„Lou! Hallo! Was gibt’s, meine Schöne? − Tatsächlich? Das ging schneller, als ich dachte. Und wer soll …? − Ich? Prima, ich bin geil genug nach drei Wochen Abstinenz. Und wer ist das und wo? − Und wann? − In drei Stunden schon? Da muß ich mich aber beeilen. Dank‘ Dir, Süße. Wir sprechen uns danach. Tschüs, mach‘s gut. − Ich? Sowieso.” Damit drückte er den Anruf weg. Konstantin atmete tief durch. Der „Rittmeister” hatte seinen ersten Auftrag.

*

Sein Vater war im Ausland, seine Mutter zur Kur in Bad Kissingen, Dauerpersonal hatten sie keines, dafür war sein Vater zu knauserig. So konnte Konstantin sorglos das große Landhaus durchqueren − nackt, wie er war. Er liebte dieses körperliche Gefühl von Freiheit. Wäre sein kleinerer Bruder ihm begegnet, Andreas würde ihn nur schmunzelnd gefragt haben, ob er auf Abenteuer aus sei. Und in der Tat, es würde ein Abenteuer werden.

Zum ersten Mal in seinem Leben würde er für galantes Benehmen, in Wort und Tat, bezahlt werden. War das nun verwerflich? Er war ein Seesenheim. Hatte er das mit seinem Familienhintergrund nötig? Verdammt, er hatte es nötig.

Sein Vater hielt ihn finanziell auf geringster Sparflamme − „Du hast eine gute Ausbildung bekommen, studierst zusätzlich, bist bestens versorgt, hast ein kostenfreies Dach über dem Kopf, Kleidung und genug Nahrungsmittel. Was brauchst Du noch mehr? Ich werde Dir Deine Luxusallüren schon austreiben, Du Lümmel! Suche Dir eine reiche Frau, dann kannst Du meinetwegen deren Geld ausgeben, meines nicht.” − was blieb ihm übrig? Der gelegentliche Zweihundert-€uro-Schein seiner Mutter reichte bestenfalls für einen netten Abend im Monat. Das Budget seines Vaters gab nur Miete, Nebenkosten, Bücher und die Nahrungsmittelgrundversorgung während des Semesters her. Wer konnte damit Staat machen? Niemand. Das war seine Meinung, er empfand das so.

Konstantin stand mit seinen Gedanken derweil unter der Dusche und genoß den Wasserfall einer großen englischen Brause.

Er reinigte seinen Körper so gründlich, wie einst vor jedem Schäferstündchen mit Renata und deren Vorgängerinnen. Monsieur Bouchon reckte und streckte sich dabei so wohlig, daß Konstantin beinahe dem inneren Schrei nach Erfüllung gefolgt wäre, ehe er sich besann und die selbstverliebten Handbewegungen einstellte. Er spülte den dicken Schaum herunter und trat tropfnaß aus der geräumigen Kabine heraus.

Wie aufregend es doch gewesen war, wenn er Renata in dieser Liebeszelle genommen, sie sich dabei stöhnend an ihn geklammert und Monsieur Bouchon seine Hitze, Lust und Wildheit an die Freiin de la Chatte weitergegeben hatte, bis sie alles durchströmte, was sein heißer Körper zu bieten in der Lage war. Und dann die Fortsetzungen im Bett oder auf dem Teppich, auf seinem Schreibtisch, von dem er einfach alles herunterfegte, damit das Tor zum Paradies sich vor ihm öffnen konnte, auf der Chaiselongue − Renata war unersättlich und er mit ihr. Selbst auf der Terrasse vor seinem großen Zimmer hatten sie sich geliebt, bis Andreas einmal hinaufzurufen sich erfrechte, er solle aufpassen, nicht durchs Dach durchzubrechen, ihr Vater würde es kaum begrüßen, wenn sie beide samt Decke beim Decken auf dem Frühstückstisch landeten. Konstantin war danach hinuntergestürmt und hatte seinen Bruder im Pool so lange getaucht, bis der Kleine prustend und lachend versprochen hatte, das nie wieder zu tun.

Konstantin hatte sich inzwischen eingeschäumt und naß zu rasieren begonnen. Er fand es stilvoll, das mit dem immer noch scharfen Rasiermesser seines Großvaters zu tun. Alaun zum Stillen kleiner Blutungen hatte er im Schrank, aber er benötigte es so gut wie nie und auch jetzt ging das Schaben gut. Er spülte sein Gesicht, trocknete es ab und stellte zufrieden fest, daß es sich so schön und glatt anfühlte, wie es sich für ihn gehörte. Den Vergleich mit dem wunderbar glatten Kinderpopo mochte er in diesem Zusammenhang überhaupt nicht. Wer hat schon gern einen Arsch im Gesicht?!

Er nahm ein dezentes Gesichtswasser, sprühte sich nur ganz wenig von einem männlichen Parfüm unter die Achseln und gab sich dezent etwas unter die Kinnpartie. Im übrigen wollte er nach „Konstantin” duften. Er liebte es, wenn weibliche Wesen ihn im Dunkeln an seinem individuellen Geruch erkannten. Und er liebte es, mit seiner Partnerin, eingetaucht in tiefe Schwärze, zu spielen, sie nur an Duft und der Wanderung seiner Küsse erkennen zu lassen, wo er gerade war, wie nahe er dem Zentrum ihrer Lust schon kam, sie nur ahnen zu lassen …

Konstantin hatte plötzlich eine Idee. Er verließ das Bad. In seinem Zimmer suchte er nach dem Handy, fand es erstaunlich schnell und tippte Louisianas Nummer ein. Sie fragte ihn überrascht, was denn los sei. Nachdem er ihr erklärt hatte, was er wollte, war sie begeistert und machte sich nach einem kurzen Anruf sofort auf den Weg.

*

Konstantin traf vor der Stadtvilla ein, deren Adresse Louisiana ihm gegeben hatte. Es gehörte ein großes Grundstück dazu, das von der Straßenseite her sehr gepflegt wirkte und die Handschrift eines Gärtners verriet. In diesem Jugendstilgebäude wohnte Geld. Er würde es bald bestätigt finden, auch die Vermutung mit dem Gärtner, der die weite, parkähnliche Anlage hinter dem beachtlichen Gebäude in perfekter Pflege hielt und, als er im Haus einen Blick hinaus werfen konnte, den fleißigen Menschen beim Rasenmähen mit einem Aufsitzer entdeckte. Der Lärm der Grünpflege würde alle Geräusche im Haus übertönen.

Lou erwartete ihn am Eingang.

„Du siehst einfach perfekt aus”, lobte sie ihn, was er mit einem feinen Lächeln quittierte. „Hast Du etwas anderes erwartet?”

„Sei nicht so eingebildet”, knuffte sie Kon und zog ihn ins Haus. „Sie wartet oben auf Dich. Ich habe sie vorbereitet, so wie Du es Dir gewünscht hast.”

„Ist sie attraktiv?”

„Laß Dich überraschen. Du wirst sie mögen. Und bezahlt hat sie auch schon.”

Lou zog einen Umschlag aus ihrer Gürteltasche und wedelte mit ihm vor Konstantins Nase, die sich kräuselte. Er war nervös, blähte seine Nasenflügel.

„Bist Du aufgeregt”, fragte sie schmunzelnd.

„Ein wenig schon, muß ich zugeben”, wobei er seine Augen weiter öffnete.

„Und Monsieur Bouchon?”

„Oh, er ist einsatzbereit, mache Dir keine Sorgen. Wir werden das Geld nicht zurückgeben müssen.”

„Das ist mein Kon”, klopfte sie ihm strahlend auf die Schulter. „Aber nun komm.”

Sie nahm ihn bei der Hand und fühlte, daß sie trocken war. Lou war zufrieden. Konstantin würde sich so benehmen, wie es zu erwarten war.

In der großen Halle des stilvoll eingerichteten Hauses nahmen sie die links und rechts neben einem fast überdimensionalen Kamin mit davor arrangierter Sitzgruppe hinaufführende Freitreppe, die mit einem geschmiedeten eisernen Geländer versehen war, das aus zahlreichen floralen Elementen bestand. Lou wählte die linke Seite, zog Konstantin vorbei an exquisiten Gemälden, der dafür und das Meisterwerk des Geländers in jener Stunde nicht den wirklich offenen Blick hatte.

Im Obergeschoß strebte sie einem Korridor zu. An dessen Ende befand sich ein großes Fenster, durch das Konstantin einen Blick in den Park werfen konnte. Er sah den Gärtner, der ruhig seiner Arbeit nachging. Dann zupfte Lou an Konstantins Ärmel und deutete auf eine Kirschholztür mit blankgeputztem Messinggriff, als sie seinen Blick hatte.

„Hier ist sie. Hinter dieser Tür. Du wirst sie gleich sehen.”

Konstantin atmete einmal tief durch und nickte Louisiana stumm zu. Seine Augen leuchteten erwartungsvoll.

Lou klopfte an. Eine angenehme Stimme gab den Weg frei.

„Treten Sie bitte ein.”

Lou öffnete, stellte sich innen neben die Tür und machte gegenüber Konstantin eine einladende Handbewegung. Er trat näher.

Ihn umgab augenblicklich die angenehme Atmosphäre des Lebensbereiches einer vornehmen Dame. Der Raum war im Jugendstil eingerichtet. Die Auswahl verriet einen sicheren Geschmack der Bewohnerin, auf jeden Fall der Herrin, die diesen Wohnbereich eingerichtet hatte. Vielleicht hatte das weibliche Wesen, das nun hier lebte, nur den vortrefflichen Gedanken gehabt, an dem schönen Ambiente nichts zu verändern. Er konnte es nicht wissen. Konstantin nahm den angenehmen Duft wahr, der von gepflegten Frauen ausgeht, und es war etwas dabei, das er nie mehr vergessen würde. Es war der ganz persönliche Duft seiner Gastgeberin. In jenem Moment spürte er, daß es ihm über die Bezahlung hinaus größte Freude und Lust bereiten würde, sie mit seinem männlichen Können zu verwöhnen, so wie sie es von ihm begehrte.

Nachdem er den Raum in sich aufgenommen und gesichert hatte, das war der Offizier in ihm, betrachtete er eingehend sein Gegenüber.

Vor ihm stand eine schöne Frau von etwa 45 Jahren. Ihre rotblonde Haarpracht war perfekt als Chignon frisiert. Konstantin hatte so etwas zuletzt bei einem Empfang des Fürsten d’Aubert gesehen, getragen von der Fürstin und ihrer ältesten Tochter, der bildhübschen Prinzessin Chantal Marguerite.

Seine Gastgeberin war seiner Einschätzung nach ungefähr 1,70 m groß, sicher nicht viel mehr, wog 60 bis 62 Kilogramm, was ihn in der Tat erleichterte. Sie hatte einen schönen Teint und schlanke, perfekt manikürte Hände. Ihm war in der Halle ein Flügel aufgefallen. Die Dame des Hauses wüßte sicher ausgezeichnet, ihn zu spielen. Sie trug links den Ehering, rechts funkelten Brillanten. Ihre schönen, kleinen Ohren waren sich selbst Schmuck genug.

Sie war angetan mit einem hellblauen wallenden Chiffonkleid, unter dem sich ihre ohne Zweifel wohlgeformte Büste hob und senkte. Ihre Haut schimmerte blass durch. Die Dame war erwartungsvoll nervös. Durch das für ihn günstig einfallende Licht vermochte Konstantin die Linien ihres Körpers unter dem hauchdünnen Stoff auszumachen. Seine Augen blitzten auf. Ihre schmalen Füße steckten in feinen Seidenpantöffelchen.

Dank Louisianas Vorbereitung konnte nur Konstantin einen optischen Eindruck gewinnen. Sein schönes Gegenüber trug eine breite schwarze Augenbinde, und das würde auch so bleiben. Dadurch fehlte ihm zwar der ohne Zweifel interessante Eindruck ihrer Augen, aber umgekehrt fehlte er auch − und eines war ausgeschaltet: die Gefahr des Verliebens.

„Möchten Sie nicht näher treten?”

Zum ersten Mal hörte er ungedämpft die angenehme Stimme seiner Gastgeberin, und es durchfuhr ihn wie ein Blitz. Seine bereits in Aufruhr befindlichen Sinne speicherten den schönen Mezzosopran für den Rest seines Lebens ab. Über seinen Körper wogte eine Gänsehaut, wie er sie noch nicht erlebt hatte.

Louisiana stupste ihn an, denn Konstantin stand da wie angewurzelt.

„Fürchten Sie sich nicht, mein schöner Kavalier. Ich beiße nicht”, versuchte die Dame ihn zu ermutigen und setzte, gefolgt von einem zauberhaften Lächeln, hinzu: „Noch nicht.”

Konstantin war wie gebannt. Lou schob ihn nun energisch weiter, blieb dabei jedoch stumm. Als aber die Gastgeberin ihm ihre rechte Hand mit graziler Bewegung entgegenstreckte, eilte er zu ihr hin, nahm die zarte Hand und hauchte einen galanten Kuß auf die dezent nach Rosenöl duftende Haut.

„Sie sind also der Herr Rittmeister”, hob die schöne Dame an. Konstantin rieselte es fortwährend den Nacken herunter.

„Ehrerbietigst zu Ihren Diensten, Madame.” Dabei verneigte er sich, obschon ihm klar war, daß sie ihn nicht sehen konnte. Er legte dabei die rechte Hand auf sein Herz.

„Oh, wie höflich, wie chevaleresk, sich zu verbeugen, obgleich ich es nicht sehen kann”, bedankte sie sich und lächelte charmant dabei.

Konstantins Baritonstimme schien ihr gefallen zu haben, mehr noch, sie reagierte körperlich darauf. Er bemerkte, daß sich ihre feine Armbehaarung aufgerichtet hatte.

„Aber ich fühle, daß Sie sich fragen, wie ich es denn wissen konnte, nicht wahr? Nun ja, Sie werden eine exquisite Erziehung genossen haben, und so wäre es normal, daß Sie sich auch gegenüber einer Nichtsehenden so verhalten, als könnten ihre Blicke auf Ihnen ruhen und sie Sie bei Nichtbeachtung der Courtoisie nonverbal tadeln. Ich weiß, daß Sie sich durch die streng erhobene Augenbraue einer Frau ebenso bestraft fühlten, als zöge sie Ihnen eine Reitgerte quer über das Gesicht. Aber durch Ihre Verbeugung wehte mir Ihr gut gewähltes Parfüm ein wenig stärker entgegen. So einfach ist das.”

Konstantin war verblüfft über die feine Sinneswahrnehmung dieser Frau, die er verwöhnen sollte. Was würde sie noch alles bemerken, ohne daß sie es sehen konnte? Am Ende verwöhnte sie ihn? Seine Selbstsicherheit begann für einen Moment zu wanken.

„Haben Sie ein schönes Gesicht?”

Konstantin wandte sich zu Louisiana um, wobei er fragend mit den Achseln zuckte. Sie formte stumm mit den Lippen „Sag es ihr”.

„Wenden Sie sich nicht von mir ab, mein Kavalier. Ihre Herrin soll die Frage nicht beantworten. Sagen Sie mir, wie Sie sich sehen.”

Konstantin schluckte, machte sich straff und antwortete ihr.

„Ja, ich habe ein männlich schönes Gesicht, so wie es meinem Alter entspricht.”

Die Dame lächelte. Konstantins stolzes Selbstbewußtsein gefiel ihr offensichtlich.

„Treten Sie näher. Ich möchte es prüfen.”

Konstantin blieb gut vierzig Zentimeter vor ihr stehen. Die Dame erhob beide Hände, die zärtlich forschend Konstantins Gesicht abtasteten. Zuletzt strich sie mit ihrem rechten Zeigefinger fast liebevoll über seine Lippen.

„Wahrhaftig. Sie haben nicht übertrieben.” Sie unterstrich ihre Feststellung mit einem feinen Lächeln.

Konstantin betrachtete die Dame. Er konnte nun deutlich erkennen, daß sie unter dem Chiffon nackt war. Ihre Brustwarzen zeichneten sich ab. Er war begeistert.

„Gefällt Ihnen, was Sie sehen und das, was Sie ahnen, Herr Rittmeister?”

„Mir gefällt, was ich sehe, und ich bin zutiefst berührt von dem, was ich ahne, Madame. Ich hoffte, Sie beschenken zu dürfen, aber Sie beschämen mich, denn ich bin bereits der Beschenkte.”

„Sie sind ein flinker Charmeur, mein Lieber, aber ich glaube Ihnen, was Sie sagen. Es gibt übrigens keinen Grund für Sie, zu erröten, doch finde ich es schön, daß Sie es noch können.”

Konstantin sah sich zu Lou um, die nur schmunzelte. Er war rot geworden, bis unter die Haarwurzeln.

„Haben Sie einen schönen Körper?”

„Ich trainiere ihn gut und regelmäßig.” Er antwortete dieses Mal, ohne zu zögern.

„Danach habe ich nicht gefragt, Herr Rittmeister.” Ihre Stimme klang in jenem Moment ein wenig strenger.

Konstantin sah sein Gegenüber intensiv an. Es verursachte der Dame ein mildes Lächeln, denn sie spürte es. Dann sprach er unumwunden und ohne falsche Bescheidenheit.

„Ja, ich habe einen schönen Körper. Ich besitze beste Gene. Sagt Ihnen das zu?”

Konstantins Augen blitzten. Er ärgerte sich über seine Arroganz in dem Augenblick, in dem er es gesagt hatte, aber sie hatte ihn gefragt. Nun wußte sie es. Doch im nächsten Moment war das Staunen wieder an ihm.

„Ich möchte Sie sehen.”

Konstantin riß seine Augen groß auf. Bisher hatte er seine Gespielinnen entkleidet. Das Kommando drohte ihm zu entgleiten, aber hatte er es in diesem Raum je besessen?

„Helfen Sie ihm.” Das galt Louisiana. „Ein Fürst der Liebe entkleidet sich nicht selbst. Und dann warten Sie in der Bibliothek, bis ich Sie rufe.” Madame war es offenbar gewohnt, Anweisungen zu geben.

Lou trat heran. Konstantin ging einige Schritte zurück, damit Lou sich vor ihm bewegen konnte. Sie sah ihn lächelnd an und legte den Zeigefinger zum Zeichen des Schweigens auf ihre Lippen. Madame blieb stehen und legte die Hände ineinander.

Konstantin fand, man hätte ihr nur noch eine Handwaage und ein Schwert in die Hände zu geben brauchen und sie wäre das perfekte Abbild der Justitia gewesen, deren Urteil er nun abzuwarten und wehrlos entgegenzunehmen hatte.

Louisiana nahm Konstantin als erstes den Binder ab. Danach entkleidete sie ihn in aller Ruhe, Stück für Stück, und legte alle Teile fein säuberlich zusammen auf einen Stuhl am Fenster. Konstantin hatte wortlos genossen was mit ihm geschah. Nun trug er nur noch seinen Slip.

„Warum zögern Sie, meine Liebe? Ich will ihn in seiner ganzen Schönheit sehen.”

Louisiana lächelte verschmitzt, kniete vor Konstantin nieder, befreite Monsieur Bouchon und begrüßte ihn auf ihre ganz eigene Art. Konstantin holte tief Luft, sagte aber nichts. Mit einem neckischen Fingertippen auf seine Lippen verabschiedete Louisiana sich von ihm, nachdem sie sich erhoben hatte. Als das Türschloß klickte, wurde Konstantin aufgefordert, wieder näherzutreten.

„Nascht Ihre Herrin immer von Früchten, die ihr nicht wirklich gehören?”

„Nein, das hat sie noch nie getan.”

Konstantin wollte gar nicht erst leugnen, daß Lou ihn zum allerersten Mal so intim geküßt hatte. Darüber würde er noch mit ihr zu reden haben.

Er wunderte sich, daß seine Gastgeberin Lou wiederholt als seine „Herrin” bezeichnet hatte, aber er fand, es stand ihm nicht zu, korrigierend zu widersprechen. Es wäre ihm auch keine Zeit dazu geblieben, denn Madame begann, ihn zu erkunden.

Sie trat hinter ihn, berührte vorsichtig seine Arme, strich mit den Oberseiten ihrer Zeige- und Mittelfinger über seine gebräunte Haut, fuhr mit ihren Händen über seine kräftigen Schultern, kraulte im Nacken seinen Haaransatz, was ihm einen wohligen Schauer nach dem anderen den Rücken herunterjagte. Noch atmete er ruhig, doch als er zwei Fingernägel seine Wirbelsäule entlanggleiten spürte, holte er unwillkürlich tief Luft.

„Magst Du das?” Ihre Stimme nahm eine sinnliche Klangfarbe an, die er berauschend fand. Er verführte nicht, er wurde verführt! Von einer schönen Frau, die ihn nicht sehen konnte, die ihn lediglich fühlte und ahnte.

„Ja, mach’ weiter. Ich liebe es.”

Die Antwort war ein kräftiger Klaps auf seinen Arsch. Er zuckte zusammen und spürte ein leichtes Brennen. Madame hatte Kraft. Er staunte. Klavierspielerhände, die derart zulangen konnten.

„Habe ich Dir schon erlaubt, mich zu duzen? Erst, wenn Du den Süden erfolgreich attackiert und erobert haben wirst, werde ich es Dir vielleicht gestatten, mein Rittmeister.”

Sie ließ ihren rechten Zeigefinger zwischen seinen festen, wohlgeformten Pobacken hin- und her gleiten. Einen Moment lang fürchtete Konstantin, sie könnte in ihn eindringen. Doch entschloß er sich, Madame ihren Willen zu lassen, sollte sie Gefallen daran finden, aber sie tat es nicht.

„Strecke Deine Arme zur Seite.”

Er gehorchte. Madame begann, seinen Oberkörper zu erkunden. Konstantin spürte ihren warmen Atem an seinem Rücken, wie sich ihre Brüste gegen seine Haut drückten. Es waren feste Brüste. Vermutlich hatte seine Herrin auf Zeit keine Kinder, aber das war in jener Stunde ohnehin belanglos. Sie massierte vorsichtig seine Brustwarzen, suchte den Weg zu seinem Bauchnabel, spielte mit ihm. Sie begann, mit ihrer rechten Hand seinen schwarzen Pelz zu kraulen, während ihre linke immer noch seinen flachen Bauch liebkoste. Dann bemerkte sie, daß Monsieur Bouchon erwacht und hartnäckig geworden war. Konstantin atmete tief und ruhig. Noch sah er dabei zu, was mit ihm geschah, doch bald würde er vor Lust und Genuß die Augen schließen und alles mit sich machen lassen.

Monsieur Bouchon befand sich ganz in der Hand von Madame. Er war wehrlos und ließ es geschehen. Und es tat ihm gut.

Einen Moment ließ sie von ihm ab. Madame trat vor Konstantin hin, glitt an ihm herab und küßte Monsieur Bouchons lustnassen, hochroten Kopf. Er zuckte, und das übertrug sich auf Konstantin. Ein tiefes Brummen des Wohlbefindens entrang sich seiner Kehle und Brust, die sich in zunehmend schwerem Atmen hob und senkte. Madame liebte Monsieur Bouchon, sie mochte nicht mehr von ihm lassen. Tief nahm sie ihn auf, nur um, plötzlich und unvermittelt, das anfängliche Verwöhnprogramm zu unterbrechen.

Alles in Konstantin schrie, sie solle weitermachen, er sei dem ersten Höhepunkt nahe. Jedoch, sie kannte kein Erbarmen.

„Findest Du es schön, wenn ich Dich quäle? − Ich liebe es, Deine Qual zu erkennen und zu steigern. Du bist ein edler Hengst, und Du verdienst es, gut geritten zu werden, aber zuvor mußt Du daran leiden, Deine Erfüllung nicht sofort zu bekommen. Dann wirst Du es umso mehr genießen können, wenn der Höhepunkt, den ich Dir schenken werde, Dich heiß durchströmt und auf mich überspringt.”

Konstantin konnte es nicht fassen. Binnen kurzem hatte die Frau, die er verwöhnen sollte, ihn fest in der Hand. Monsieur Bouchon tat, was von ihm erwartet wurde: er war hart und ragte, in seiner fein geschwungenen Linie leicht gebogen, steil empor. Er war heiß. Konstantin fühlte eine Erregung und Hitze, wie er es mit Renata nie erlebt hatte. Sie liebte nicht das feine Spiel der Erwartungssteigerung und Erfüllungshoffnung. Immer hatte sie verlangt, daß er sie wild nehme. Renata wollte niedergemacht werden. Das war durchaus in seinem Sinne gewesen.

Nun aber war Konstantin einer offenbar erfahrenen Frau begegnet, die es auskostete, ihn bei sich zu haben, wehrlos gemacht durch Gehorsam, den sie verlangte und bekam. Und daß er gehorchte, lag sicher nicht nur an der bereits gewährten pekuniären Bezahlung. Konstantin fand Gefallen daran. Er fühlte sich erotisch-sinnlich bezahlt. Eine Währung, über die nur wenige Menschen verfügen. In vulgären Münzen und Banknoten war das nicht darstellbar. Konstantin begann, jegliches Zeitgefühl zu verlieren. War er nicht gerade erst vor wenigen Minuten gekommen? Oder war er schon eine halbe Ewigkeit bei dieser geheimnisvollen Frau, deren Namen er nicht kannte, den er vermutlich nie erfahren würde. Lou hatte ihn nicht genannt. Daß sie sich in diesem Raum aufhielt, mußte nicht zwingend bedeuten, daß sie die Herrin dieses Hauses war. Eine reiche Freundin konnte es ihr für den Genuß seiner Dienste zur Verfügung gestellt haben. Er wollte gerade den Gedanken denken, ob es wohl sein könnte, daß sie beide beobachtet würden, unsichtbaren Gästen als erotisches Theater dienten, als er leicht zusammenzuckte, denn Madame berührte ihn wieder und sprach ihn wohltuend leise an.

„Wie ich sehe, mein schöner Freund, kannst Du warten und Dein treuer Assistent steht Dir in nichts nach. Ich werde Dir nun einen weiteren Teil Deiner Belohnung geben. Du wirst nichts tun, als es Dir nur gefallen zu lassen, daß Du mir gefällst, und Du wirst Dir nicht einfallen lassen, Dir ohne meine Erlaubnis Entspannung zu gestatten. Schließe Deine Augen und genieße.”

Konstantin tat, wie ihm geheißen. Es wurde erneut Besitz von ihm ergriffen. Monsieur Bouchon leitete ein so unglaubliches Gefühl von Wonne und Glückseligkeit an sein Gehirn und von dort in seinen Körper weiter, daß Konstantin glaubte, er müsse den Verstand verlieren. Er war noch nie so meisterlich verwöhnt worden. Und gerade, als er im Begriff war, auf dieser Woge einfach davonzuschwimmen, so wunderbar leicht und berauscht fühlte er sich, da brach es unvermittelt wieder ab. Konstantin ahnte, er würde bald die Beherrschung verlieren, wenn sie das noch einmal machte. Es war kaum noch auszuhalten. Ihm war, als schwankte er bereits, als ihre schöne Stimme ihn erreichte.

„Du darfst die Augen wieder öffnen.”

Er tat es und mußte einige Male plinkern, um buchstäblich wieder klar sehen zu können, als sie seine Verwirrung, sein Verlangen, weiter steigerte.

„Möchtest Du mich sehen?”

Konstantin atmete einige Male tief durch.

„Wenn ich um diese Gnade und dieses große Geschenk bitten dürfte, so möchte ich Sie sehr gerne sehen.”

Sein schönes Gegenüber lächelte. Das war genau das, was sie von ihm hören wollte − und im nächsten Moment fiel mit einem leichten Rauschen das zarte Kleid, das Madames Körper so vortrefflich umhüllt, aber nicht verhüllt hatte, zu Boden. Sogleich verlagerte sie ihr Gewicht auf ihr linkes Bein und stellte das rechte ein wenig vor. Ihre schlanken Arme ließ sie herabhängen.

Konstantin war überwältigt. Er hatte schon Frauen dieser Altersklasse in der Sauna und an Nacktbadestränden gesehen, dabei sogar schöne Exemplare entdeckt, doch nie Interesse an ihnen entwickelt, aber was er nun sah, empfand er als extraordinär. Seine Begeisterung machte ihn stumm. Monsieur Bouchons heißes Blut pochte. An Konstantins Schläfen klopfte es − sein Kopf glühte.

„Gefalle ich Dir?”

Ob sie ihm gefiele? Wie sollte er Worte dafür finden? Gab überhaupt irgendein Wortschatz die passenden Worte dafür her, diese Frau zu beschreiben? Er wußte es nicht. Ein göttlicher Künstler mußte sie erschaffen haben, anders war diese perfekte Schönheit nicht zu erklären. Ein normaler Bildhauer müßte wahnsinnig darüber werden, maßte er sich an, solch eine Erscheinung aus einem kalten Marmorblock befreien oder sie in Bronze gießen zu wollen, um sie ein für alle Mal zu bewahren. Ein solches Wesen dürfte niemals sterben dürfen, aber im selben Augenblick schalt er sich für solch einen törichten Gedanken. Ginge solch ein Wunsch in Erfüllung, es wäre schlicht erbarmungslos.

Erbarmen. Hatte sie mit ihm Erbarmen? Sie hatte ihn auf ein Erregungsniveau gehoben, das er schier nicht aushalten konnte. Es verursachte ihm bereits Schmerzen. Lustvolle Schmerzen, aber eben Schmerzen. Konstantin wollte, daß auch sie solch lustvolle Pein durchleben müßte.

„Sie gefallen mir, Madame.”

Diese Nachricht schickte er mit einer leicht tiefergelegten Stimme in ihre Sinneswahrnehmung, was sogleich Wirkung zeigte. Sie begann, sichtbar zu beben. Konstantin ging zum Gegenangriff über.

„Sie gefallen mir, wie einem der Regenbogen gefällt, den Regen und Sonne uns schenken. Sie gefallen mir, wie einem die ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages nach einer kühlen Nacht gefallen. Sie gefallen mir, wie einem die Brandung an einem einsamen Strand gefällt, in die man sich nackt stürzen möchte, um die Kraft des Meeres zu spüren. Sie gefallen mir, wie es einem gefällt, wenn ein Tenor perfekt das hohe C trifft und den Ton halten kann. Sie gefallen mir, wie es einem gefällt, wenn einem Koch ein exquisites Mahl gelingt, das man einen ganzen Abend lang genießen darf. Sie gefallen mir, wie es einem gefällt, einen Geschwindigkeitsrausch zu erleben, den man überlebt hat. Sie gefallen mir, wie mir die Sonne gefällt, wenn ihre Strahlen warm meine Haut berühren. Sie gefallen mir, wie mir das Leben gefällt, seit ich Sie heute das erste Mal gesehen habe.” Konstantin machte eine kurze Pause. „Gefällt es Ihnen, wie Sie mir gefallen?”

„Du bist ein Teufel”, hauchte sie, „aber es gefällt mir wie Du seine Zunge gebrauchst.” Damit berührte sie Konstantins rechte Schulter, glitt mit ihrer zarten warmen Hand langsam seinen Arm herab zu seiner Hand, nahm sie in ihre und führte sie zu ihrem Schoß.

„Koste mich”, flüsterte sie. Konstantin zögerte nicht und tauchte unter ihrer dichten roten Wolke in sie ein. Mit einem ersten leisen Stöhnen nahm sie ihn auf, dort, wo sie warm und lustvoll überschwemmt war. Sie quälte sich selbst, ihn nicht ohne Verzug zur sofortigen und vollständigen Eroberung aufzufordern. Doch sie haßte schnelle Vereinigungen, seit sie ihre Jungfernschaft in einer Blitzaktion verloren hatte, die diese erhoffte schönste Stunde in ihrem Mädchenleben vor fast 30 Jahren entweihte und auf ewig zerstörte.

Aber in dieser Stunde hatte sie wieder die Hoffnung auf ein langsames Steigern ihrer Lust und Erregung und die Bereitschaft gewonnen, sich zu öffnen. Sie genoß dieses außergewöhnliche Exemplar eines männlichen Wesens, dessen Jugend ihm nicht im Weg stand, sondern sein Tun wundervoll ergänzte. Sie pries die Stunde, in der sie sich entschlossen hatte, ganz spontan entschlossen hatte, dem Hinweis einer Freundin auf solch eine Genußmöglichkeit zu folgen.

Seine Finger verschafften ihr herrliche Wogen des Wohlbefindens. Es war wundervoll, wie zärtlich forschend er eine Kostprobe ihres Schoßes nahm.

Konstantin schmeckte, was seine schlanken Finger seiner Zunge zuführten. Sein tiefes, genußvolles Brummen ließ Madame auf das Angenehmste erschauern.

Er naschte noch einmal, so wie er als Junge seine Finger nicht mehr aus einem offenen Honigglas nehmen konnte, hatte er sie dort erst einmal eingetaucht und abgeleckt.

Monsieur Bouchon ließ zugleich seine Antwort hervorquellen, die von Madame punktgenau abgenommen und gekostet wurde.

„Komm, Du darfst mich verwöhnen”, forderte sie ihn auf, nahm ihn bei der Hand und zog ihn zu ihrem großen Bett. Dort setzte sie sich nieder und küßte Monsieur Bouchon, ehe sie sich rückwärts zum Kopfende hinbewegte, auf den Rücken legte und mit einer einladenden Handbewegung Konstantin aufforderte, sich ihr zu nähern.

„Küsse mich und dann bereite mich vor, Dich zu empfangen.”

Konstantin stand über ihr und ließ sich nieder. Seine Zunge drang in ihren leicht geöffneten Mund ein, was sie sogleich erwiderte. Erst zärtlich langsam, dann zur Wildheit gesteigert, genossen beide diese erste Vereinigung. Sie zogen es lange hin, ehe Konstantin sich löste, ihren Hals, ihre Ohren, ihre festen Brüste liebkoste. Ihr Bauchnabel schien eine besonders erogene Zone zu sein, denn dort verweilend löste seine Zunge ein erstes Keuchen bei ihr aus, was ihn tief stimulierte.

Genüßlich kraulte Konstantin ihre lockige Feuerwolke, sog tief den Duft ihrer Haut ein und öffnete das Lippentor zum Paradies. Als er mit seiner Zunge eindrang, bog sie sich ein erstes Mal im Rücken durch, stöhnend und tief atmend. Er hatte das Kommando zurück und würde es nicht wieder hergeben.

Mit unendlicher Zärtlichkeit nahm Konstantin Madames Kitzler zwischen seine Lippen und ließ seine flinke Zunge auf ihm tanzen. Der Atem der schönen Frau ging tief und tiefer, sie sog ihn durch die Nase ein und stieß ihn durch den Mund wieder aus, die Frequenz steigerte sich merklich, bis sie keuchte und sich schließlich in einem ersten Orgasmus entlud.

Für die Dauer ihrer Explosion wurde er zum Gefangenen ihrer herrlichen Oberschenkel. Einen Moment lang wähnte er sich in einem Schraubstock eingespannt, es wurde ganz still, denn er hörte nichts mehr, ehe sie ihn und seine Ohren in ihrer Entspannung wieder freigab. Doch Konstantin ließ nicht locker, ging ohne Pause zur erneuten Stimulation über. Madame streckte sich mit einem tiefen Seufzer und legte ihre schönen Arme auf den Kissen ab.

Konstantin hätte zu gern ihre Augen gesehen, obschon sie sie auch ohne schwarze Binde nun wohl geschlossen hielte. Nach einer gefühlten Ewigkeit verstöhnte und verschrie sich die Verwöhnte in einem zweiten Höhepunkt, bei dem sie funkelnde Sterne und viele Farben sah. Konstantin wurde mit ihrem köstlichen Lustsalz überschwemmt. Er genoß es in vollen Zügen. Auch Konstantin befand sich in einem bis dahin unbekannten Farbennebel. Er wußte, er würde süchtig danach werden.

Monsieur Bouchon verlangte schmerzend nach Erlösung, aber nun war es sein Herr, der ihm keine Gnade gewährte. Konstantin gebärdete sich wie ein junger Honigdachs, der zum ersten Mal den Quell seiner Gelüste gefunden hatte und trotz aller Stiche seiner Verteidigerinnen voll Wonne genoß, was ihm Nahrung war.

Auf die Erschöpfung der Eigentümerin dieses Lustquells nahm er keine Rücksicht und schenkte ihr damit genau das, was sie wollte. Sie hätte ihn ohnehin mit einer Peitsche schlagen müssen, um seinen Besitz herzugeben, doch wäre es fraglich gewesen, ob er von ihr abgelassen hätte. Schläge hätten ihn vermutlich nur weiter angestachelt, sie zu treiben, bis sie sich in Wonne einfach aufgelöst haben würde.

*

Louisiana wäre kein wißbegieriger Mensch gewesen, keine neugierige Frau, wenn sie sich in der gleichermaßen, zum Gesamtensemble des Hauses passend stilvollen Bibliothek, nicht genau umgesehen hätte. Sie schätzte den Bestand auf etwa zwanzigtausend Bände. Den Buchrücken nach zu urteilen hatten mindestens vier, eher fünf Generationen diesen Schatz zusammengetragen.

Sie wußte, daß Konstantin sich Zeit lassen würde und ihre erste Auftraggeberin schätzte sie als Genießerin ein. Mindestens ein Buch würde sie aufmerksam anlesen können, dessen war sie sich gewiß. Ihr war bekannt, daß außer Madame niemand im Haus war und bis zum Abend sein würde. Eine Störung war nicht zu befürchten.

Nach und nach hatte Lou den Bestand durchgesehen. Sie fand viele Klassiker, die auch bei ihren Eltern standen, von denen sie, in neueren Ausgaben, selbst einige besaß. Die Geschichtsabteilung war groß, besonders zu Preußen, und interessanterweise zu Japan. Sie entdeckte dort ein offenbar verstelltes Werk, schon zu Japan gehörig, aber es war ein Kunstbildband. Neugierig nahm sie ihn heraus und blätterte darin.

Sie staunte über die freizügigen Darstellungen körperlicher Qualitäten gerade bei Männern und solcher der Liebeskunst. Ihr wurde warm dabei, als sie sie betrachtete. Unwillkürlich mußte sie daran denken, was in diesem Augenblick nicht weit von ihr entfernt geschah und gestand sich ein, sie würde gern dabei zusehen.

Lou sah sich gern schöne Frauen an, ohne nachhaltig an Frauen sexuelles Interesse zu haben, obschon …, aber es erregte sie, sich vorzustellen, wie Konstantin …

Sie schlug das Buch zu und stellte es wieder an den Platz, an den es wohl aus Versehen gelangt war. Sie sah sich weiter um. Ihr kam der Gedanke, es könnte mehr Erotica vorhanden sein. Lou begann, danach zu suchen. Und sie wurde fündig. Es war − natürlich − der unvermeidliche Marquis de Sade, der ihr als erster ins Auge fiel. Der Name war ein allzu deutliches Signalwort. Aber der interessierte sie nicht, obwohl …

Einen ihrer Galane hätte sie nur allzu gern gepeitscht, aber es war mehr dessen intellektueller Unterbelichtungsfaktor, denn sexueller Lustgewinn, der sie beinahe dazu getrieben hätte, ihn mit einer neunschwänzigen Katze aus dem Haus zu jagen, wenn sie nur eine griffbereit gehabt hätte.

Karl-Detlev Freiherr von Lundbach-Apfelhausen-Sinnenfeldt.

Wenn jemand schon Karl-Detlev hieß! Um Himmelswillen! Fünf weitere unmoderne Vornamen hingen außerdem an ihm, vermutlich allesamt von seinen längst zu Staub zerfallenen Groß- und Urgroßvätern zusammengewürfelt. An ihm war nur sein Name lang gewesen, er selbst gerade einmal zwei Zentimeter größer als sie selbst, aber er hatte ein unanständig hübsches Gesicht. Darauf war sie hereingefallen. Sein Sex war mäßig, sein Humor grenzwertig, aber sein Gesprächspotential war der absolute Rohrkrepierer: es erinnerte sie fatal an die Qualitäten einer blätterkauenden grünen Raupe. Sie muß von Sinnen gewesen sein, vermutlich in einem akuten sexuellen Notstand, daß sie sich mit diesem Etwas eingelassen hatte. Lou konnte es sich nicht mehr erklären.

Nach vier Wochen, vier unendlich öden Wochen hatte ein Glas warmen Champagners ihr den Rest gegeben. Er konnte nicht einmal Getränke rechtzeitig in die Kühlung stellen. Sie hatte ihm die Brühe einfach ins Gesicht geschüttet und war dem Langweiler wortlos entflohen. Daß der überhaupt die Erlaubnis hatte, frei herumzulaufen, ließ sie mit der Polizei hadern. Sie benötigte eine ganze Woche, ihre Empörung loszuwerden, hatte sich nach dem Champagnerschock in ihrer kleinen Studentenwohnung zwei Stunden unter die Dusche gesetzt und abgeschrubbt. Alles von Karl-Detlev mußte weg, ihr Körper gründlich desinfiziert werden.

Sie schalt sich selbst über das ihr immer noch rudimentär anhaftende, sogenannte Standesbewußtsein. Auch ihre Eltern traktierten sie damit. Sie solle ihnen nur ja nicht mit einem Bürgerlichen kommen, am Ende gar katholisch! Als sie ihrem Vater in Erinnerung rief, was ein Prinz in einer Talkshow, die es nicht mehr gab, einmal gesagt hatte, drohte er ihr fast eine Ohrfeige an. Dieser Prinz hatte unter dem Beifall des Publikums bekannt, daß ein Prozent aller Fräulein adlig sei, neunundneunzig Prozent seien aber bürgerlich. Warum sollte er so dumm sein, sich von neunundneunzig Prozent aller Fräulein freiwillig abzuschneiden? Und die meisten Gräfinnen seien so dumm, daß es knalle.

Bei mangelnder genetischer Vielfalt lasse es meist beim Gehirn zuerst nach, davon war sie überzeugt, und genau an solch eine Fehlkonstruktion war sie geraten.

Danach hatte sie kurzentschlossen gehandelt und sich einen gutgebauten Bodybuilder aus ihrem Fitness-Center geschnappt. Durch die zufällig offene Tür des Umkleideraumes der Männer hatte sie ihn gesehen.

Er war nicht übertrieben muskulös; diese durch Anabolika aufgeblähten Typen konnte sie nicht ausstehen. Er hatte einen schönen, klassisch-griechisch definierten Körper, einen Monsieur Bouchon, daß sie leise durch die Zähne pfiff, und als er sie entdeckte und frech anlachte, da machte sie die Tür von innen zu.

Die folgenden drei Nächte erlebte sie einen erotischen Sturm wie schon lange nicht mehr. Christian Müller, so sein guter, alter deutscher Name, den schon der Soldatenkönig als den echten Uradel bezeichnet hatte, war liebenswürdig, auf eine herrliche Weise frech und er nahm sie als weibliches Wesen wahr. Sie konnte sich gut mit ihm unterhalten − in den Pausen − und danach hatte sie den Namen dieses freiherrlichen Mißgriffs vergessen. Er war einfach weg, und sie fühlte sich sauwohl dabei. Und was war Christian gewesen? Ein einfacher Busfahrer von 25 Jahren. Doch warum eigentlich „einfach”? Er hatte eine verantwortungsvolle Aufgabe: Menschen sicher von A nach B zu transportieren. Sie bedauerte aber, daß er eine Freundin hatte, die nur auf einem Kurzurlaub gewesen war, doch sie hatte drei Tage lang ein wundervolles Gegengift gehabt und war es zufrieden.

Lou suchte weiter. Und dann entdeckte sie eine Reihe einheitlich gebundener, roter Ledereinbände mit Goldprägung. Es waren private Nachbindungen, offensichtlich von einem mit ästhetischem Sinn und diskreter Vorsicht begabten Vorbesitzer veranlaßt, denn sie fand, daß dahinter die Originaltitel noch vorhanden waren. Und die entpuppten sich zum Teil in ihrer Eindeutigkeit als nicht überbietbare erotische Darstellungen.

Bei deren Betrachtung und weiteren Illustrationen empfand Louisiana eine tiefe Wärme, ganz unabhängig von der Raumtemperatur, die sehr angenehm war, und ihr Schoß wurde feucht.

Sie fand unter anderem „Ovids Liebeskunst” und entdeckte etwas, von dem sie noch nie gehört hatte: „Wakashudo − der Weg der Jünglinge”. Eine deutsche Ausgabe. Lou überflog die Inhaltsangabe, etwas Text und die Illustrationen. Es war eine Schilderung der homoerotischen Beziehungen im altjapanischen Militär, weit verbreitet unter den Samurai, diesen Männlichsten der Männlichen, die offenbar bis zum Ende der Ausbildung mit etwa 19 bis 20 Jahren sexuell mit ihren Lehrmeistern verkehrten. Danach wurde es wohl beendet. Davon würde sie Michael berichten, aber der kannte das vielleicht sogar. Sie wußte von seiner Beziehung zu Lord Branbury, der nach Michaels Beschreibung über eine weitaus größere Bibliothek verfügte und sicher einschlägige Literatur besaß. Lou staunte über die offensichtliche Toleranz der Japaner.

Bald aber hatte sie einen Lesestoff gefunden, der sie persönlich reizte. Sie ließ sich in einem bequemen Sessel nieder und begann zu lesen.

*

„Warum quälst Du mich so?”

Madame seufzte tief. Hätte sie die Augenbinde nicht getragen, sie würde Konstantin vermutlich mit einem flehentlichen Blick angesehen haben. Schweiß stand auf ihrer Stirn. Ihr Körper bebte noch von der letzten Explosion.

Konstantin hatte seinen meisterlichen Cunnilingus unterbrochen, um die Spannung zu erhöhen, blickte nun auf und leckte seine Lippen. Wortlos erhob er sich, um sich gleich danach links neben Madame niederzulassen. Monsieur Bouchon war anzusehen, daß er nach Beschäftigung lechzte, aber sein Herr blieb trotz aller schmerzhaften Spannung gnadenlos.

Konstantin betrachtete stumm die schöne Erscheinung seiner Liebesgefährtin. Mit seiner rechten Hand nahm er eine erneute Probe ihres nassen Schoßes und hielt sie ihr wie zu einer Parfümbeurteilung unter die Nase. Sie schnupperte, lächelte, nahm Konstantins Hand, hielt sie fest und leckte sie ab.

„Darum!”

Sie verstand.

Konstantin begann, den Schweiß von ihrer Stirn abzulecken. Dabei brummte er leise.

„Und darum!”

Sie verstand.

Er beugte sich zu ihrer Herzbrust hinüber und küßte sie zärtlich. Ihre Brustwarze, die fest aus ihrem süßen, nicht zu großen Hof herausragte, stimulierte er und war erstaunt, daß seine Gespielin das mit einem leisen Stöhnen beantwortete. Die Brustwarze auf der nicht minder schönen Schwesterbrust war aus einem gewissen Gemeinschaftsgefühl heraus ebenfalls fest und dabei trotzdem von einer äußerst angenehmen Weichheit. Konstantin hatte die interessante Erfahrung gemacht, daß die übertriebene Zuwendung der Männer, auch seine, bei den meisten Mädchen und Frauen dort keinerlei Wirkung hatte. Sie zu erregen war so gut wie nie die wilde Zungenarbeit, die darauf verwendet wurde, sondern die Fähigkeit eines erfahrenen Liebhabers, die Frau dort erotisch „anzuschalten”, wo die Natur es sinnigerweise vorgesehen hatte. Und was macht man mit einem Knöpfchen? Man(n) schaltet es an. So einfach geht das. Tremoloschaltung. Gab es beim Auto und im Haushalt nicht − bis zur Gegenwart. Konstantin kannte sie und setzte sie wirkungsvoll ein.

Dann legte er seine rechte Hand auf das Herz von Madame, das wild pochte, und flüsterte ihr zu:

„Und darum.”

Sie verstand.

„Und warum quälst Du Dich so?”

Sie sah ihn mit ihren verbundenen Augen an, als sie das flüsterte.

„Weil ich Dir alles geben will, was Du möchtest, denn ich bin nicht wichtig. Es geht nur um Dich und Dein Wohlbefinden.” Er strich über die Lippen ihres schön geschwungenen Mundes, während er das leise sagte.

Madame lächelte. Konstantin betrachtete sie und fand ihre süßen Grübchen einfach entzückend. Dann holte sie tief Atem, strich ihm mit ihrer linken Hand zärtlich über sein Gesicht, kraulte, langsam ausatmend, die Grube seiner Kehle und hauchte:

„Wie nennst Du ihn?”

Konstantin verstand.

“Monsieur Bouchon.”

Madame schmunzelte.

„Würdest mich bitte näher mit ihm bekanntmachen?”

„Aber gern. Er brennt darauf, Dich zu besuchen und kennenzulernen.”

„Darf ich ihn vor dem Entrée noch einmal küssen?”

„Sehr gern. Er liebt es. Und wie liebst Du das Entrée? Doucement ou bien comme à la hussard?”

„D’abord doucement et après comme il te plaît.”

Konstantin erhob sich, kniete beiderseits Madames Körper und Monsieur Bouchons Kopf wurde geküßt, daß es den Blick seines Herrn augenblicklich vernebelte. Konstantin hielt beide Augen geschlossen. Es war fast zuviel für ihn.

Madame bemerkte sein Zögern und klopfte ihm mit ihrer zur Faust geballten rechten Hand zärtlich aber merklich auf die Brust, als wäre sie eine Tür.

„Poch, poch, meine Herren, vergessen Sie das Eintreten bitte nicht.” Trotz ihrer Erregung brachte sie ein verschmitztes Lächeln zustande − Konstantin und Monsieur Bouchon gehorchten.

Madame machte sich empfangsbereit, Monsieur Bouchons schöner Kopf verschwand im Lippentor und schließlich trat er langsam, fast vorsichtig-schüchtern vollends ein.

*

Louisiana hatte sich einen wahrhaft anregenden Text herausgesucht. Es faszinierte sie, wie dieser Autor geschrieben und welch schöne Worte er seinem Protagonisten im Umgang mit Frauen in den Mund gelegt hatte. Sie liebte es, wie sinnlich ein Phallus beschrieben wurde und was dessen Meister mit ihm zu vollbringen verstand.

Sie vermißte es, einen liebevollen Mann bei sich zu haben, der im Alltag und im Bett zärtlich mit ihr umging, was ihr tatsächlich wichtiger war, als dieser ständige, beide Partner unter Dauerdruck versetzende Anspruch, guter Sex müsse immer auch wilder Sex sein. Hin und wieder ein Parforce-Ritt mochte angehen, aber auf Dauer war das nichts für sie. Sie liebte es, Monsieur Bouchon im Mund zu haben, aber mußte sie deswegen gleich hineinbeißen? Lou gestand sich ein, sie würde gern einmal zugesehen haben, wie Michael und Maximilian sich geliebt hatten. Den jungen englischen Lord kannte sie nur durch Michaels Beschreibungen, aber Michael kannte sie, und sie hielt ihn für einen der zärtlichsten Männer, die ihr je begegnet waren. Sie gestand sich ein, daß sie mit ihm gerne schliefe, wenn nur diese stillschweigende Übereinkunft in ihrer Clique nicht wäre. Würde er jetzt in die Bibliothek kommen, vernaschte sie ihn trotzdem hemmungslos, aber er war nicht da.

Doch sie war da und mit ihr ihre aufgewühlten Gedanken und Gefühle, und ehe sie es sich versah, war ihre rechte Hand da, wo sie genau jetzt für ihr Leben gern Michaels Zunge spüren würde. Sie legte das anregende Buch mit ihrer Linken weg und gönnte sich, was sie sich heimlich von Michael wünschte.

*

Madame und Konstantin kamen gleichzeitig. Es wurde eine unglaubliche Explosion, begleitet von einem gemeinsamen Schreien, als Monsieur Bouchon sich in ihren Schoß ergoß.

Er hatte sein Eindringen und Zurückgleiten ganz langsam begonnen, und allein das machte seine Gespielin schier verrückt. „Oh, welch wundervolle Qualen” hatte sie immer wieder gerufen, ehe sie in unaufhörlichem Stöhnen dem Höhepunkt entgegenvibrierte. Der kam wie ein Erdbeben über sie beide. Konstantin hatte es nicht mehr ertragen können und sein Tempo zu einem Stakkato gesteigert, bis Monsieur Bouchon endlich erlöst wurde − und er mit ihm.

Konstantin fiel für einen Moment komplett zusammen. Im Augenblick dieses Höhepunktes war er gefühlt für eine kleine Ewigkeit nicht mehr in diesem Raum, nicht mehr in seiner Haut, er hatte sich einfach aufgelöst, war verdampft in den Körper dieser Frau übergegangen und hatte deren eigenen Luststurm als Verstärker für sich selbst miterlebt. Um nicht in schönster Weise verrückt zu werden, hatte er sich rematerialisiert, roch plötzlich wieder die Haut und den Schweiß seiner Gespielin. Es war ein unglaublicher Rausch.

Schwer atmend lag Madame unter ihm. Sie hatte ihre Arme hinter sich geworfen, rang nach Luft. Er nutzte ihre Wehrlosigkeit, forderte den Kontakt ihrer Zunge mit der seinigen und stachelte sie sogleich wieder an. Er gönnte ihr keine Pause. Sie trommelte mit ihren zu Fäusten geballten zarten Händen gegen seine Schultern, wollte ihn wegdrücken, aber er ließ es nicht zu. Ihre Zungen rangen miteinander und liebten sich zugleich. Es war ein wildes Laß-mich-los-aber-wehe-du-tust-es.

Konstantin entzog sich diesem Kampf, um Madame für einen kurzen Augenblick zu Atem kommen und in dem Glauben zu lassen, er ließe von ihr ab. Der schöne Galan glitt über ihren schweißnassen Körper, wobei seine Zunge aufnahm was sie kriegen konnte. Madames erleichtertes Aufstöhnen stimulierte ihn und dann war er wieder dort, wo er hinwollte. Die schöne Frau wurde gewahr, was er vorhatte, konnte nur ein schwaches „Oh Gott, nicht dort, nicht noch einmal. Du wirst mich in den Wahnsinn treiben” flüstern, ehe Konstantin den Feuerwald passiert und das Lippentor erreicht hatte. Er öffnete es, ohne um Erlaubnis zu fragen und drang hocherfreut erneut ins Paradies ein.

*

Dumpf hatte Louisiana gehört, welch grandiose Erfolge Konstantin feiern konnte. Es feuerte sie an, sich selbst zu verwöhnen, und sie tat es mit Vehemenz.

Lou schloß die Augen und sah Michael vor sich, der sich anschickte …, doch plötzlich wurde er von Konstantin beiseite geschoben, der sie stimulierte, bis sie einen Schrei hörte …

Erschrocken fuhr sie hoch, sah sich um und horchte ins Haus hinein. Es war ihr eigener gewesen. Sie zog ihre Hand hervor, schnupperte daran und leckte sie ab. Lou atmete tief durch und lachte hell auf. Was für Genuß!

*

Erschöpft war Madame in einen kurzen Schlummer gefallen, nachdem sie und ihr schöner Liebhaber sich zum Abschluß einer zärtlichen Reinigungszeremonie hingegeben hatten. Konstantin erlebte es zum ersten Mal in dieser Form. Es war für ihn eine schöne neue Erfahrung. Bis dahin hatte er sich „danach” allein oder, als Vorspiel für die Fortsetzung, mit seiner Partnerin geduscht oder ein Bad eingelassen.

Ruhig und gleichmäßig atmete sie und gab ein Bild des absoluten Friedens ab. Konstantin hatte sie nur bis zum Brustansatz zugedeckt. Zum Abschied wollte er noch einige Minuten den Anblick ihrer sich in sanftem Rhythmus hebenden und senkenden Brüste gönnen. Sie waren einfach zu schön.

Er selbst saß nackt in einem Foteuille. Am liebsten wäre er nach dem zärtlichen Après-Schmusen neben ihr liegengeblieben, aber nach der Reinigung hatte sie Lou bereits per Haustelephon gerufen − sie mußte jeden Augenblick kommen.

Konstantin war glücklich, daß seine Premiere als bezahlter Galan so wunderbar abgelaufen war. Er hoffte inständig, daß diese schöne Frau ihn würde wiedersehen wollen. Liefe es nicht über eine Buchung bei Louisiana, er besuchte sie auch ohne Bezahlung, aber solch unprofessionelles Denken und gar Handeln triebe ihm seine Freundin, die nicht seine Freundin war, mit Sicherheit aus. Er mochte Lou viel zu sehr, als sich mit ihr diesbezüglich zu streiten. Aber er mochte auch Madame, und das würde es ihm von mal zu mal leichter machen. Als er darüber nachdenken wollte, ob er sich nun als männliche Hure fühlen müßte, öffnete sich nach vorsichtigem Anklopfen die Tür und Louisiana lugte herein.

Sie erfaßte sofort die Situation, kam wortlos leise herein, nahm Konstantins Kleidung auf und ihn bei der Hand. Als sie ihn mit sich hinausziehen wollte, entdeckte sie auf dem Sekretär einen Zettel:

Es war sehr schön. K. der Rittmeister

Sie nahm ihn sofort an sich und schob Konstantin, nackt wie er war, aus dem Raum seiner ersten Bewährung hinaus.

In der Bibliothek warf sie seine Kleidung in einen Sessel und hielt ihm den Zettel unter die Nase.

„Du bist wohl verrückt geworden, was? Vielleicht schreibst Du romantischer Esel auch noch Deinen Klarnamen mit Adresse drauf.” Sie stand direkt vor ihm und schlug ihm, wenn auch nicht heftig, aber spürbar mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Das wäre sehr süß, wenn Du mir solch einen Zettel hinlegtest, aber doch nicht hier, Kon. Die Dame ist verheiratet. Entdeckung hätte Dich früher auf den Duellplatz geführt und heute kann das ebenso unangenehm werden. Dein Vater ist einer der höchsten deutsche Generäle − ein Anruf und bums! Du würdest Dir einen gesellschaftlichen Skandal erster Klasse einfangen!” Sie schickte dem kleinen Vortrag noch ein Unmutsgrunzen hinterher, ehe sie ihn aufforderte, sich anzuziehen. Obwohl − sie sah ihn gern an, und so sah er also aus, wenn er gut drei Stunden erotischen Fronteinsatz hinter sich hatte. Sie fand ihn großartig und bemerkte nach einem erneuten Schnuppern an ihm:

„Hhmmm, Kon. Du duftest wie ein ganzer Rosengarten! Was hat sie mit Dir gemacht? Ich meine, außer, daß sie Dich vernascht hat, hm?” Louisianas Mimik war eine einzige brennende Neugier.

„Madame hat mich nicht vernascht, Du Frechdachs, sie hat mich erotisch verzaubert.” Lou erntete einen zurechtweisenden Blick, während er in seinen Slip stieg.

„Oh, wie galant und überaus damenhaft von ihr”, meinte die Gescholtene und grinste verschmitzt.

„Und am Ende hat sie mich mit Rosenwasser gewaschen …” Er knöpfte sein Hemd zu.

„Und Du? Hast Du sie auch …?”

„Selbstverständlich.”

„Hm, spart schon die Dusche”, meinte Lou mit ironischem Unterton.

„Was hättest Du denn mit mir gemacht?” Konstantin wurde neugierig, während er seine Hose hochzog.

„Ich hätte Dir das Badezimmer gezeigt. Waschen könnt Ihr faulen Kerle Euch selber.”

Daß Lou mit Kon am liebsten stundenlang in einem wohligen Schaumbad säße, einfach mal so, sagte sie ihm nicht. Er könnte auf drollige Gedanken kommen.

„Das hätte ich mir denken können, Du unromantische Trina. Aber sag’ mal, was ist Dir vorhin eigentlich eingefallen, meinen Schwanz in den Mund zu nehmen, hm?” Sein Ton klang verärgert, aber seine Mimik paßte nicht dazu. Er steckte den Binder in eine Hosentasche und zog sich die Socken an.

„Hat es Dir etwa nicht gefallen?” Louisiana lächelte ihn wie ein Lausbub an − weibliche Ausgabe.

„Ja schon, wie könnte es auch nicht, aber …” Er trat in seinen linken Schuh.

„Dann halte doch einfach Deine Klappe, Du Blödmann”, beschied sie ihn und damit war die Diskussion beendet.

Konstantin trat in seinen rechten Schuh, band beide zu, strich über seine Haare, nahm das Jackett über die Schulter und Lou bei der Hand. Der Einsatz war erfolgreich beendet.


*

Derweil hatte Madame sich an ihren Sekretär gesetzt und die schwarze Augenbinde abgenommen. Ihre schönen grünen Augen blinzelten nicht, trotz des starken Sonnenlichts. Ihr Blick ging seltsam geradeaus und nicht zwischen den Gegenständen vor ihr hin und her. Sie öffnete, ohne daneben zu greifen, den Glasverschluß einer großen Tischuhr und ließ vorsichtig die Finger ihrer rechten Hand über Zeiger und Ziffernblatt gleiten.

„Fast drei Stunden”, murmelte sie und lächelte zufrieden. Madame war blind. Ein Unfall, einige Jahre zuvor, den ihr Ehemann zu verschulden hatte, hatte sie das Augenlicht gekostet. Was sie „sah” und ahnte, speiste sich aus der Erinnerung der sehenden Jahre. Für diesen Tag hatte sie genug „gesehen” und erlebt.

Sie nahm eine Plastikflasche, die in dem schönen Raum wie ein Fremdkörper wirkte, rieb sich mit hohem Lichtschutz ein, wartete einige Minuten, ging zu einem Schrank, zog einen hellgrünen Bikini hervor, den sie sogleich anlegte und verließ barfuß ihr Zimmer, um sich hinter ihrem Haus einem Sonnenbad hinzugeben und zu träumen.

Als sie, im Liegestuhl ausgestreckt, die Augen schloß und ihre „sehende” Erinnerung das Bild des Rittmeisters aufbaute, so wie sie ihn empfunden hatte, wußte sie bereits, daß sie ihn „wiedersehen” würde. Warum auch nicht? Er hatte ihr sehr gut getan.

Gegenüber ihrem Mann, der seit ihrer Erblindung nur noch selten zu ihr kam und kaum mehr als ein eingefahrenes Pflichtprogramm herunterspulte, empfand sie kein schlechtes Gewissen. Nach den Parfümspuren, die sie an ihm wahrgenommen hatte, pflegte er Kontakte zu mindestens drei anderen Frauen − und wer weiß, wie viele Kinder er draußen versorgen mußte. Sie wußte es nicht und wollte es auch nicht wissen. Nur eines war sicher: sie hatte keines von ihm.

Und das war Madame.

*

Als Konstantin und Louisiana zum Seesenheim’schen Anwesen zurückkehrten, fanden sie Michael, Alexander und Damian nackt im Pool herumtobend. Als die Drei die Rückkehrer bemerkten, schwangen sie sich augenblicklich aus dem Wasser und bestürmten sie, zu berichten.

Damian erreichte Konstantin als erster und umarmte ihn, obwohl er tropfnaß war.

„Mann, Alter, wie war’s? Hm? Du siehst etwas müde aus.”

„Nicht so schlimm. Es war wundervoll, großartig. Wenn nur alle unsere Damen so sein würden, werden wir ein phantastisches Leben haben.” Er lächelte vielsagend.

Damian konnte sich einen Schabernack nicht verkneifen und klopfte an Monsieur Bouchons „Wohnung” an:

„Hallo, mon cher Monsieur Bouchon! Vous êtes encore là? Weilen Sie noch unter den Lebenden …?”

Alle lachten, doch ehe er sich’s versah, ließ Konstantin sein Jackett fallen, packte Damian und − hatte man’s nicht gesehen − stieß er den Frechling in den Pool.

„Kühl Dich ab, Du Quatschkopp, und laß meinen Freund Bouchon in Ruhe. Der muß sich ausruhen, und ich lege mich jetzt auch ein wenig hin. Wir sehen uns in zwei Stunden und dann feiern wir unseren Eskort-Einstand.”

„Klar, machen wir.”

„Hau Dich nur hin.”

Alexander und Michael klopften ihm anerkennend auf die Schultern. Konstantin nahm sein Jackett auf, gab Louisiana einen Kuß auf den Mund in Kombination mit einem liebevollen Klaps auf den Hintern und verschwand im Haus.

Derweil kletterte Damian erneut aus dem Pool heraus und gesellte sich dem Trio zu.

„Nun erzähl schon, Lou, wie war’s denn?”

„Sag, Lou, hat er in Rosenöl gebadet? Kon duftet wie Laurins Rosengarten.” Michael konnte seine Neugier kaum noch zügeln, doch Alexander bremste.

„Jetzt laßt sie doch mal. Wenn Ihr ständig auf sie einredet, kann sie nicht einen einzigen Satz beginnen und beenden. Hinsetzen und zuhören.”

Die drei jungen Männer ließen sich, so wie sie waren, im Gras nieder. Die Sonne schien heiß herunter und Lou begann ihren Bericht. Sie hatte gebannte Zuhörer.

*

„Wow! Das sind ja tolle Aussichten!” Damian war begeistert. „Michael, ich könnte Dich küssen für Deine phänomenale Idee.”

„Jederzeit”, schmunzelte der zu Damian herüber. Der wehrte ab. „In Gedanken, nur in Gedanken.”

„Feigling!”

„Jetzt habe ich Hunger”, teilte Alexander der Runde mit. „Soll ich für jeden eine Pizza bestellen?”

Allgemein zustimmendes Kopfnicken.

„Lou, Du hast doch die erste Gage, nicht wahr?”

Sie nickte.

„Gut. Konstantin hat uns eingeladen. Wir nehmen alle dankend an.”

Sie wußte, daß Widerspruch sinnlos sein würde. Den Einstand mußte Kon als erfolgreicher Debütant schon geben.

Alexander rief auf seinem Handy, das er von einem Tisch nahm, eine gespeicherte Nummer auf, wartete kurz und dann bestellte er. Die Lieferung würde in einer knappen Stunde kommen, sagte man ihm, den Weg eingeschlossen. Bis dahin würde Kon genügend geschlafen haben, um wieder mithalten zu können und sie selbst könnten sich noch etwas sonnen.

Lou legte nun auch ab und sorgte bei den Freunden für ein Staunen mit großen Augen. Das galt weniger dem Umstand, daß sie sich komplett auszog, gemeinsame Saunabesuche hatten längst alles offenbart, sondern einer Veränderung an ihr. Michael fand als erster seine Sprache wieder.

„Heiliger Strohsack, Lou! Seit wann trägst Du dort denn Blau?”

„Gefällt’s Euch?”

Keck stellte sie sich in Pose und stemmte ihre zarten Hände in die Hüften.

Ihre dichte goldblonde Wolle war ein himmelblauer Buschen geworden.

„Wollt Ihr das vielleicht auch haben?”

Mit leicht schräggestelltem Kopf lächelte sie die jungen Männer schelmisch an.

*

Konstantin hatte gut geschlafen und schickte sich an, zu seinen Freunden und Lou zurückzukehren. Gerade, als er den Eingangsbereich passierte, klingelte es an der Haustür. Vermittels der Sicherungskamera und der Gegensprechanlage erfuhr er, daß ein Pizzadienst liefern wollte. Er mußte sich etwas Zeit erbitten, da er so ganz „ohne” nicht öffnen konnte und wollte. Der nach seiner Schätzung etwa zwanzigjährige Kurier hätte das vielleicht gründlich mißverstanden und so rannte er los, um sich einen Bademantel und Geld zu holen.

Als er öffnete, bemerkte er erst, was für einen großen und gutaussehenden Burschen er vor sich hatte, der ihn frisch und frech mit einem „Hi! Hast Du soviel Hunger oder steigt bei Dir ’ne Party?” begrüßte und fröhlich anlachte.

„Hi! Bist Du immer so neugierig?”

„Nö. Aber fünf Pizzen? Da geht doch ’was ab, oder?”

„Wie heißt Du”, wollte Konstantin wissen, „und was kriegst Du?”

„Jeremias, und das macht sechzig €uro.”

„Ich bin Konstantin Seesenheim.”

Die beiden lächelten sich an.

Konstantin nahm die Packungen entgegen, die Jeremias aus einem Thermobehälter genommen hatte, und legte sie auf einem Stuhl neben dem Eingang ab. Er musterte den Boten, den er noch nie gesehen hatte.

Jeremias wirkte nicht wie ein einfacher Stundenlöhner auf ihn. Neben seinem guten, bei näherem Hinsehen tatsächlich sehr guten Aussehen, hatte er etwas, das auf einen besseren sozialen Hintergrund schließen ließ.

Seine körperliche Erscheinung deutete auf regelmäßigen Sport hin, vermutlich gar Fitnesstraining. Er trug enge Jeans, die einiges verrieten, und lediglich ein knappes T-Shirt, unter dem sich ein schönes Muskelspiel abzeichnete, dazu allerdings einen Nierenschutz wegen des Fahrtwindes auf seinem Motorrad.

Konstantin nahm fünfundsechzig €uro aus seiner Börse und hielt Jeremias die Scheine hin. Der bemerkte das Trinkgeld und bedankte sich sehr höflich, während er das Geld einsteckte.

„Sag’ mal, studierst Du oder warum fährst Du Pizzen aus? Bei Deinem Aussehen solltest Du als Fotomodell arbeiten. Bringt mehr.” Konstantin steckte die Hände in die Manteltaschen.

Jeremias sah erstaunt auf.

„Meinst Du wirklich?”

„Ja, klar, sonst würde ich es nicht sagen. Ich sage immer, was ich denke.”

„Danke für die gute Meinung. Hat mir noch kein Mann gesagt.” Jeremias lächelte ein wenig verlegen. „Und ja, ich studiere. Romanistik und Geschichte.”

„Tatsächlich?”

„Hm-hm.”

„Militär?”

„Fähnrich der Reserve. Warum?”

„Ach, nur so. Wie alt bist Du?”

„Einundzwanzig. Auch nur so?” Jeremias schmunzelte, obgleich ihm das Interview etwas seltsam vorkam.

„Auch nur so. − Freundin?”

„Nein.”

„Schwul?”

„Nein. Auch wenn’s Dich nichts angeht.” Jeremias runzelte ein wenig die Stirn. „Warum willst Du das alles wissen?”

„Ach, nur so. Ich interessiere mich für Menschen.”

„Ich auch”, konterte Jeremias. „Studierst Du?”

„Ja, Politikwissenschaften, im Nebenfach Geschichte.”

„Militär?”

„Leutnant der Reserve.”

„Ach ja? Und wie alt bist Du?”

„Vierundzwanzig.”

„Freundin?”

„Nein.”

„Schwul?”

„Nein.”

Nun lachten beide sich an und gaben sich fest die Hand.

„Wir sehen uns”, meinte Konstantin.

„Sicher”, erwiderte Jeremias. „Entweder hier an der Tür, wenn Du mal wieder großen Hunger hast oder in der Saunalandschaft. Du kennst doch die Römischen Thermen hier in der Nähe, nicht?”

„Oh ja. Gehst Du regelmäßig hin?”

„Jeden Freitag am Abend.”

„Dann sehen wir uns.”

„Na dann. Tschüs.”

Damit schwang Jeremias sich auf sein Motorrad und brauste davon, während Konstantin ihm kurz nachsah, ehe er die schwere Haustür schloß und sich nun beeilte, die Pizzen in den Garten zu tragen, ehe sie abkühlen würden.

„Ich freß’ ’nen Besen mit Pfeffer und Salz, wenn der unsere Truppe nicht verstärken wird”, murmelte Konstantin vor sich hin.

Seine Menschenkenntnis hatte ihm Jeremias’ Eignung signalisiert, obschon er es sich nicht wirklich erklären konnte.


*

„Aaah, da ist er wieder”, schallte es Konstantin entgegen, als er am Pool auf seine Freunde und Louisiana zuging und sich anschickte, jedem eine Pizza auszuhändigen. Er bemerkte die optische Veränderung bei Lou, die sofort bemerkte, daß er es bemerkt hatte, aber er sagte nichts. Die kleine Diskussion in der Bibliothek von Madame hatte ihm zumindest für diesen Tag gereicht.

„Jetzt siehst Du wieder besser aus”, versicherte ihm Michael, während der die Packung öffnete, freudig aufbrummte und genüßlich in die immer noch sehr warme Pizza biß. Daß das Besteck fehlte, störte ihn ausnahmsweise einmal nicht.

„Das ist aber schön, daß ich Dir wieder besser gefalle, mein Lieber”, grinste Konstantin Michael an und dann aßen sie erst einmal alle. Er hatte einen Riesenhunger, war als Erster fertig, zog den Bademantel aus und legte sich auf ihm in die Sonne.

„Und was machen wir heute noch”, fragte Konstantin mit Blick gen Himmel. „Hängen wir hier faul ab oder …?”

„Du darfst faulenzen”, gab ihm Louisiana zur Antwort, „aber wenn mein Handy läutet, hat vermutlich mindestens einer der Anderen heute noch Liebesdienste zu verrichten. Stellt Euch darauf ein, ja!”

Ihr Tonfall ließ keinen Zweifel aufkommen, daß sie niemanden beurlauben würde, sollten Anforderungen kommen. Und sie kamen, keine halbe Stunde später.

*

Mitten in das allgemeine Dösen platzte der Anruf hinein. Louisiana nahm das Gespräch entgegen. Dabei stand sie auf und begann, langsam hin und her zu gehen.

Die jungen Männer richteten sich halb auf, selbst Konstantin war neugierig, obwohl er wußte, daß er an diesem Tag nicht noch einmal zum Einsatz kommen würde. Dann kehrte Lou zu den Vieren zurück.

„Der Großfürst hat Dienst”, verkündete sie und sah den Prinzen aufmunternd an.

„Glückwunsch, Alexander!”

Michael und Damian klopften ihm breit grinsend auf die Schultern. Konstantin hielt ihm den erhobenen Daumen entgegen. Alle waren neugierig, zu wem es wohl ginge. Kurijakin war besonders gespannt, ob er solch ein Glück haben würde, wie Konstantin. Lou ging vor ihm in die Hocke.

„Also, mein schöner Prinz. Du begleitest heute abend eine achtundvierzigjährige Dame in die Oper. Ihr Mann hält sich für längere Zeit in Wien auf − Diplomat. Du verstehst?” Alexander nickte. „Es gibt ‚Eugen Onegin’ in Originalfassung, ein Gastspiel der Russischen Staatsoper. Du kennst diese Oper?”

Alexander sah sie fast empört an − ob er eine der wichtigsten und schönsten Opern Rußlands, ein Werk von Tschaikowsky, wohl kennen würde. Einige Teile könnte er mitsingen.

„Schon gut, schon gut”, beschwichtigte sie ihn, denn sie deutete sein Mienenspiel richtig. „Ich wollte es nur gefragt haben. Also kannst Du schon mal mit Deinen Kenntnissen bei ihr punkten. Sie wird Dich danach zu einem kleinen, späten Essen in ihr Stadthaus mitnehmen und Du sollst Ihr bis morgen früh zur Verfügung stehen.” Sie sah Konstantin an. „Kannst Du ihn einkleiden? Ihr habt wohl ziemlich ein- und dieselbe Konfektionsgröße. Tuxedo wäre vermutlich overdressed. Ich denke, ein dunkler Nadelstreifen genügt in diesem Fall. Es ist keine Premiere. Die war schon.”

„Klar, habe ich alles da, das weißt Du doch.” Konstantin erhob sich und auch Alexander stand auf.

„Und wer ist es?”

„Du wirst Dich bis 19 Uhr vor dem ‚Chez Alexandre’ einfinden und dort wird sie Dich mit einem weinroten Rolls-Royce abholen. Besorge Dir eine gelbe Rose und stecke sie an.”

„Nimm Dir eine aus unserem Garten”, schlug Konstantin vor.

„Danke, das spart einen Weg”, meinte der Prinz.

„Ich weiß nicht, wie sie sich Dir vorstellen wird. Du wirst jedenfalls als ‚Großfürst’ auftreten. Sollte Dich deswegen jemand mit ‚Kaiserliche Hoheit’ ansprechen, genieße es und spiele die Rolle. Mach’ einfach auf Nebenlinie, dann passiert schon nichts, sollte sie jemandem begegnen, der gut informiert ist.

„Komm, mein Lieber”, stieß Konstantin Alexander an. „Jetzt gehst Du erst einmal duschen, richtest Dich und dann suchen wir aus meinem Fundus etwas für Dich aus. Ein Stück Weg hast Du ja, also wollen wir keine Zeit verlieren.” Er drehte sich um. „Bringst Du ihn, Lou, oder soll ich?”

„Nein, ich mach’ das schon.” Sie wollte sichergehen, daß alles glatt ablief.

Konstantin nahm Alexander bei der Hand und zog ihn mit sich. Louisiana grinste.

„Ihr gebt ein hübsches Paar ab”, rief sie beiden hinterher.

„Willst Du baden?”

Konstantin „drohte” mit wackelndem, erhobenen Zeigefinger in die Luft. Sie wollte nicht und sagte nichts mehr.

Es war besser so, denn Augenblicke später ertönte erneut das Klingelzeichen ihres Handys.

*

Alexander stieg unter die englische Brause, ließ aber die Kabinentür offen, damit sie sich besser unterhalten konnten. Konstantin hatte sich auf einen Holzschemel gesetzt. Der Prinz duschte sich erst einmal ab und bat seinen Freund, ihm die Haare zu waschen. Er liebte es, wenn das jemand für ihn übernahm. Da Konstantin nackt war, ging er einfach zu ihm in die große Kabine hinein, zog die Tür zu, hieß Alexander, sich zu ihm umzudrehen und die Augen zu schließen. Dann schäumte er ihn ein erstes Mal ein, massierte dabei gründlich die Kopfhaut und Alexander ließ bald ein leises Brummen des Wohlbefindens vernehmen, was Konstantin schmunzeln ließ. Er spülte ihn ab und wiederholte die Prozedur, nur daß es nun noch stärker schäumte und der Prinz eine dicke weiße Schaumkrone trug. Alexander streckte die Arme zur Seite und stützte sich an den Kabinenwänden ab. Konstantins Sozialverhalten gefiel ihm. Der spülte ihn wieder ab und drückte sich erneut Shampoo in die rechte Hand.

„Deinen Pelz auch”, verkündete er lapidar und schon wurde Alexanders dichte braune Krönung seines „Großfürsten” eingeschäumt und gründlich gereinigt. „Es wäre nicht so gut, wenn Du schon zu Beginn dort verschwitzt riechen würdest, nicht?”

Alexanders gewölbte Brust hob und senkte sich ein wenig deutlicher, als er sagte:

„Nun kannst Du mich auch komplett waschen. Ich wollte schon immer mal einen Badediener haben” und lächelte dabei genießerisch. „En avant!”

Konstantin zögerte einen Moment. Bekamen sie beide unerwartet homoerotische Anwandlungen? Er hatte in der Sauna schon junge Mädchen gesehen, die sich gegenseitig gereinigt hatten. Waren sie deswegen gleich lesbisch? Sicher nicht. Was sollte es also.

„Wenn Du es möchtest”, sagte er lässig. „dann mache ich es gern, wenn Du mir auch mal den Gefallen tust.”

„Sicher, kein Problem”, erwiderte der Prinz, „aber nun mach’ voran, sonst komme ich am Ende zu spät und verpasse alles.” Damit schloß er die Augen und ließ sich einseifen, einschließlich des „Großfürsten”. Daß der sein Wohlbefinden deutlich anzeigte, gehörte für Alexander zum Wohlfühlprogramm dazu. Und Monsieur Bouchon freute sich seinerseits bereits jetzt darauf, so zupackend behandelt zu werden, samt dessen, zu dem er gehörte.

*

„Michael, was hältst Du davon, eine junge Dame zu einer Party zu begleiten und anschließend bei ihr zu bleiben, wenn sie es will?”

Louisiana hatte den Anruf einer reiferen Dame erhalten, die aber keinen Galan für sich wollte, jedenfalls an diesem Abend nicht, sondern für ihre zurückhaltende Tochter, ein Mädchen von zweiundzwanzig Jahren. Sie war Lou als sehr hübsch beschrieben worden, mit einer schönen Figur, sehr intelligent, aber ohne Freund, weshalb die Mutter sich Sorgen machte. Ohne festen Begleiter würde ihre Tochter immer weiter ausgegrenzt und bliebe ihr am Ende noch übrig, hatte sie Lou erklärt. Madame de Treville habe so geschwärmt und sie wolle es nun einmal auf diesem Wege versuchen, ihre Tochter ins Leben hinauszuscheuchen.

Michael war sofort Feuer und Flamme. Er würde sich nicht gleich auf Gala herausputzen müssen, seine Gespielin sei jung und sehr gutaussehend, und es reizte ihn, da sie vermutlich schüchtern sei. Eine wilde Katze von der Kette zu lassen, dazu gehöre nicht viel, dachte er sich, aber eine zurückhaltende in Flammen zu setzen, das sei doch mal eine Aufgabe, motivierte er sich und stimmte begeistert zu.

Lou zog ihr Bikinihöschen an, um auf dem Parkplatz vor dem Landhaus ihr „kleines Schwarzes” aus ihrem Wagen holen zu können.

Zurückkommend, zupfte sie es sich zurecht, nahm Michael bei der Hand, und winkte den Zurückbleibenden zu, die Michael ein freches „Mach’s gut, aber nich’ so oft” nachriefen, wofür er ihnen lachend den Stinkefinger in die Luft hielt.

Im Haus strebte Lou dem Ausgang zur Vorderseite zu, während Michael sich ins Obergeschoß begab, um in Konstantins Fundus nach etwas Passendem zu suchen. Da er seine Freunde nicht beim Ankleiden fand, sah er im Bad nach und bekam eben noch das Ende der intimen Reinigung mit.

Einen Augenblick blieb er stehen und nahm die Szene in sich auf. Da er Konstantin und Alexander in auf den ersten Blick eindeutig zweideutiger körperlicher Verfassung vorfand, überlegte er, ob die beiden spontan auf die Idee gekommen seien, auch mal etwas anderes auszuprobieren, da Kon Alex aber tatsächlich lediglich wusch, nahm er seine anfänglichen Gedanken sofort zurück. Da reinigten sich nur zwei Freunde. Honi soit qui mal y pense.

„Na, Ihr Zwei! Seid Ihr bald fertig? Ich müßte auch mal unter die Brause. Lou hat einen Auftrag für mich bekommen.”

Die jungen Männer sahen Michael überrascht an, Konstantin trat aus der Kabine heraus; daß Monsieur Bouchon noch etwas aufgeregt wirkte, störte ihn offensichtlich nicht. Alexander spülte sich derweil ab.

„Mach’ Sachen! Du gehst heute abend auch noch hinaus?”

„Hm-hm, und es scheint sehr angenehm werden zu können.” Michael lächelte in Vorfreude.

„Und was steht an?” Konstantin nahm ein Badetuch und trocknete sich ab. Dabei sah er Michael neugierig an.

„Ich soll eine Zweiundzwanzigjährige zu einer Party begleiten und dann bei ihr bleiben, wenn sie es wünscht. Ihre Mutter hat das Ganze arrangiert. Wir sind von Madame de Treville empfohlen worden.”

„Ach nee”, staunte Konstantin. „Die gute Treville! Kriegst Du da am Ende eine späte Jungfrau, hm?”

„Du, ich weiß nicht. Sie soll schüchtern sein. Vielleicht. Dann wäre es nicht nur eine vergnügliche, dann wäre es sogar eine wichtige Aufgabe, nicht wahr?”

„Kann man sagen. Das erste Mal ist verdammt wichtig. Wenn ich da an meine Premiere denke …, oh je.” Konstantin winkte ab, als wolle er sagen, „erinnere mich bloß nicht”, aber da war er bei Michael an den Falschen geraten.

„Na, jetzt nicht so schüchtern, heraus damit! Wie war’s bei Dir?”

Da wurden sie von Alexander unterbrochen. „Das können wir uns ein andermal beichten. Jetzt müssen wir uns auf unsere Einsätze konzentrieren.” Sagte es, während er aus der Kabine kam, nahm sich ein frisches Badetuch und rubbelte sich trocken.

„Er hat recht, Michael”, zuckte Konstantin mit den Schultern. „Willst Du ’nen Bademeister?”

„Nee, laß mal, ich mach’ das selber. Aber Du kannst mir ein paar frische Sachen herauslegen, Party eben. Und jetzt schiebt ab, den ‚Großfürsten’ zu richten. Raus mit Euch.”

„Ich putze mir nur noch die Zähne und rasiere mich”, sagte Alexander an, während Konstantin das Bad verließ und Michael in die Kabine kletterte, deren Milchglastür er sogleich hinter sich schloß.

Michael rieb sich gründlich mit einer milden und gut duftenden Waschlotion ein. Dabei dachte er unwillkürlich an sein erstes gemeinsames Duschen mit Maximilian Branbury in dessen elterlichem Schloß.

Plötzlich hörte er, trotz der rauschenden Brause, das laute Gurgeln Alexanders, der das Zähneputzen beendet hatte.

Maxi. Wie schön er war. Trotz seiner Größe fast noch knabenhaft wirkend, und doch schon deutliche männliche Züge. Schöne Züge. Er roch so gut, auch ohne Duschgels, und er hatte ihn plötzlich wieder in der Nase. Michaels Nasenflügel wölbten sich, er … da wurden seine sinnlichen Erinnerungen nicht minder schön unterbrochen. Alexander begann, à capella zu singen. Er tat das immer, wenn er besonders guter Laune war. Michael kannte das Stück. Es war die Arie des Fürsten Gremin aus „Eugen Onegin” … „Wer nie gekannt die Lieb auf Erden” … und er erlebte ein Nackenrieseln schönster Art. Und plötzlich freute er sich wie nicht gescheit, einem Mädchen, das darüber offenbar, außer vom Hörensagen, nichts wußte, zeigen zu dürfen, wie schön nicht nur seelische, sondern auch die körperliche Liebe sein kann. Er würde es dazu bringen, sich ganz vertrauensvoll fallenzulassen, um es wirklich genießen zu können. Es würde kein Vergleich sein zu dem, was er mit knapp Sechzehn erlebt hatte, was ihm nur als schale Erinnerung geblieben war. Michael empfand einen Moment der Scham, daß er ein so derart dummer Junge gewesen war. In der Sekunde hörte er ein lautes „Auh, Scheiße!” Alexander hatte sich beim Rasieren geschnitten und blutete ein wenig.

*

Gegen 19.45 Uhr saß Alexander Nikolaijewitsch Kurijakin in der Opernloge neben Berenice von Wildenbruch, der Diplomatengattin.

Sie war eine schöne Frau, was sie durch eine gelungen gewählte Abendgarderobe unterstrich. Ihre schulterlangen, schwarzen, gewellten Haare trug sie offen. Von ihrer Stirn schlängelte sich eine hellgraue Strähne über ihren schönen Kopf. Es war nicht auszumachen, ob sie echt oder eingefärbt war, aber es verlieh ihr das sinnliche Signalement einer reifen, erfahrenen Frau.

Ihr Satinkleid war silbrig-weiß, gerade so dekolletiert, daß ihre festen, offensichtlich wundervoll geformten Brüste, betupft mit einigen wenigen, ganz hellen Sommersprossen, ein eleganter Augenfänger für jeden Mann und ein Anlaß zu Stutenneid für jede Frau waren; über ihre linke Schulter hing, vom einzigen größeren Schmuckstück, einer weißgoldenen Blattnadel gehalten, die mit Brillanten übersät war, ein schwarzes Seidentuch. Ihr schlanker Hals war straff und glatt, eine sinnliche Versuchung für sich, ihn mit Küssen zu bedecken. Ihre schlanken Hände, mit rundgefeilten, klarlackierten Fingernägeln wurden einzig links vom Ehering und am kleinen Finger von einem weißgoldenen, brillantenbesetzten Ring verziert. Ihre feinen, kleinen Ohren, die sie zeigte, wenn sie sich wie gedankenverloren die Haare zurückstrich, genügten sich in ihrer Schönheit selbst. Alexander fragte sich, wer denn so abgrundtief blöd sein könne, eine solche Frau nicht zu beachten und allein zu lassen.

Ihr Mann, nur wenige Jahre älter als sie, aber mehr mit seinem anspruchsvollen Beruf verheiratet, denn mit ihr, befand sich auf einer Konferenz in Wien, bei der ihre Anwesenheit nicht notwendig war. Sie diente ihm kaum mehr als ein exquisites Accessoire, wenn er seine eigene Attraktivität optisch gestärkt sehen wollte.

Berenice machte das gesellschaftliche Spielchen mit, weil sie nicht ins Abseits gestellt werden wollte. Zudem hatte sie eine sechzehnjährige Tochter, das Küken ihrer drei Kinder, von der sie alle Beeinträchtigungen fernzuhalten fest entschlossen war. Randolph, der Älteste, war bereits aus dem Haus, Ernest, ihr „Sandwich”, stand kurz davor, doch Aledaide brauchte ihr Elternhaus noch und das intakt, zumindest nach außen.

Dennoch war ihre Mutter nicht gewillt, sich jede Lebensfreude zu versagen. Sie hatte nicht nur das Geld ihres Mannes zur Verfügung, sondern auch ihr eigenes, denn sie stammte aus einer wohlhabenden Hamburger Kaufmannsfamilie mit erheblichen Einkünften aus ihren diversen Anteilen − und die gab sie aus, gerade wie es ihr gefiel. Es scherte sie auch nicht, wenn sie etwas vom Konto ihres Mannes nehmen mußte.

An diesem Abend gefiel es ihr, sich einen attraktiven jungen Mann gekauft zu haben. Ihre teure Freundin Clarissa Schastikow hatte sie, kaum halbwegs von dem Abenteuer im Golfclub erholt, auf diesen neuen Quell frischer und erheblicher Freuden hingewiesen. Begeistert hatte sie registriert, wer ihr geschickt worden war.

Vermutlich würde dieser „Großfürst” kein echter Großfürst sein, das war ihr schon klar, aber sie hatte einen Blick für die Einschätzung gesellschaftlichen Ranges und war sich gewiß, daß sie einen schönen Vertreter einer Familie gehobenen Adels vor sich hatte. Warum eigentlich nicht, hatte sie sich gesagt. Seinen Titel und Namen wollte sie gar nicht wissen. Sie wollte seine Gesellschaft und sie wollte seinen Körper. Den Umschlag mit fünf Zweihundert-€uro-Scheinen hatte sie der Kleinen im kleinen Schwarzen dezent übergeben, die sich mit einem lächelnden „Er gehört ganz Ihnen, Gnädigste” verabschiedet hatte.

Ihr Großfürst erwies sich schnell als ein geübter Partner im unverbindlichen Kleingespräch. Sie empfand ihn als charmant, und verboten, ja beunruhigend gutaussehend. Berenice vermutete ihn unter seiner noblen Abendgarderobe als sehr gut gewachsen und gestand sich mit einem feinen Lächeln ein, daß sie die Opernvorstellung am liebsten gestrichen hätte, um ihn gleich … Nun ja, man lasse doch schon mal die Suppe weg und gönnte sich den Hauptgang ohne Umwege. Dann wäre mehr Platz im Magen, irgendwie so, nicht?

Adelaide hatte sie, schneller als sonst, erlaubt, auf die Pyjamaparty einer Freundin zu gehen und bis zum nächsten Tag fortzubleiben, ihr gar das Geld gegeben, ihre Freundinnen zu einem ganzen Tag in einer Sauna- und Badelandschaft einzuladen. Sie solle sich mal richtig amüsieren und keineswegs an hübschen, nackten Burschen vorbeischauen. „Aber Mama!” war die gespielt „empörte” Reaktion ihrer schönen Tochter, aber nach einem leichten Erröten hatte sie dann doch gelacht und sich überschwenglich bedankt.

Ernest war mit einem Freund für die Dauer der Ferien auf die Balearen abgeflogen und würde sich dort heftig die Hörner abstoßen, dessen war seine Mutter sich gewiß. Er war ein schöner Junge und hatte „schwer Schlag” bei den Mädels.

Nun, da Adelaide „versorgt” war, hatte Berenice sich seit langem einmal wieder die ersehnte „sturmfreie Bude” geschaffen, nur daß es keine Bude war, sondern eine große Stadtvilla, in der sie sich von einem jungen Galan auch „jagen” lassen konnte. Mal wieder kreischend wie ein junges Mädchen vor einem wilden Hengst davonzulaufen, nur um sich einfangen zu lassen − darauf freute sie sich wie ein Teenager, der aufgeregt etwas Verbotenes tut, von dem die Eltern nichts wissen dürfen. Nur, daß es bei ihr die Kinder waren, vor allem ihre Kleine. Ihr Ehemann war ihr diesbezüglich eher gleichgültig. Wer konnte schon wissen, was er so alles im Dienst des Vaterlandes außerhalb der deutschen Grenze triebe, würde es ihm nach Dienstschluß langweilig.

„Der Kongreß tanzt”, hatte es schon 1814 in Wien geheißen und beim bloßen Tanzen war es damals ganz sicher nicht geblieben. Gerade Allerhöchste Personen waren dafür bekannt, ihre Gene fleißig verstreut zu haben. Was ihr Gatte innerhalb der deutschen Grenzen trieb, davon hatte sie eine gewisse Vorstellung.

Alexander genoß die einzigartige Atmosphäre, die von einem großen Vorstellungsraum voller Menschen und einem sich mit Instrumentenstimmung vorbereitenden Orchester kurz vor dem Einsetzen der Ouvertüre und dem Heben des Vorhangs ausgeht. Dieses Summen und Brummen, verursacht durch die letzten Unterhaltungen, bevor es ganz still wird und der Begrüßungsapplaus für den ans Pult tretenden Maestro aufbrandet, empfand er als zutiefst anregend und die wohlige Erwartung des Kunstgenusses steigernd. An diesem Abend war es für ihn zugleich die Erwartung nicht nur finanziell beglückender erotischer Stunden.

Da erklangen die letzten Gongtöne als Aufforderung die Plätze einzunehmen, bevor die Zugänge geschlossen und erst zur Pause wieder geöffnet würden, die Beleuchtung wurde zügig heruntergefahren. Es schimmerte nur noch schwach das Licht aus dem Orchestergraben, der Dirigent, ein Italiener, kam herein, verneigte sich, der Applaus verstummte, der Maestro hob den Taktstock − und es begann.

Alexander und Berenice waren allein in der Loge, offenbar eine Dauerloge der Wildenbruchs, wie der Prinz annahm, weshalb es allein an ihnen lag, ob man alle vier Plätze belegte oder nicht. So bemerkte außer Alexander niemand, was während der musikalischen Ouvertüre geschah. Die erotische hob ebenfalls an.

Berenice hielt ihren Blick fest auf die Bühne gerichtet, doch ihre rechte Hand begann, Alexanders Schoß zu erkunden. Zärtlich strich sie über die deutlich tastbare Wölbung. Alexander rutschte ein wenig nach vorn, öffnete seine Beine und lehnte sich wieder zurück. Er spürte, wie sein Blut dorthin strömte, wo Berenice es haben wollte und es ihm selbst sehr willkommen war. Als er ihre Hand nahm und führen wollte, entzog sie sich ihm und klopfte ihm mit einem stummen „Na, na!” auf die Finger. Sein Schwanz hatte sich bald zur vollen Größe gestreckt. Als sie es fühlte, ging sie einen Schritt weiter und knöpfte langsam seinen Schritt auf, ehe sie hineinfaßte und den „Großfürsten” ergriff. Alexander atmete unwillkürlich tief ein und zitternd wieder aus. Dabei schloß er die Augen. Berenice hatte es bereits geschafft, ihn von der schönen Musik und dem Gesang abzulenken. Er hatte nicht damit gerechnet, daß sie, wenn auch im Dunklen sitzend, schon während der Vorstellung die Initiative ergreifen würde − und wie sie sie ergriff − buchstäblich. Und sie ergriff sie nicht nur, indem sie „ihn” ergriff, sie stimulierte ihn durch sanfte Bewegungen, übte Druck mit ihrem Daumen aus, daß es Alexander bald schwerfiel, nicht hörbar aufzustöhnen.

In der Loge genau gegenüber wurde ein Opernglas nicht auf die Bühne gerichtet, um die Kostüme zu studieren, sondern dazu benutzt, aus dem Halbdunkel heraus die Vorgänge in der Wildenbruch-Loge zu beobachten.

Madame de Treville hatte ihre Busenfreundin Müller-Gantermann in ihre Familienloge eingeladen und ihr eine interessant-anregende Extravorstellung versprochen. Dagmar-Schätzchen konnte dem nicht widerstehen.

„Sieh nur, wie gelassen sie tut und zur Bühne schaut, dabei hat sie den jungen Hengst bereits im Griff, wenn Du verstehst, was ich meine.”

„Ob ich verstehe, was Du meinst, Du schlimmes Geschöpf! Genau da, wo sie ihre Hand hat, hätte ich meine jetzt auch gern.”

Die Freundinnen kicherten leise auf.

„Der Junge hat schon die Augen geschlossen − kannst Du es sehen?”

Eleonore de Treville leckte sich die Lippen. Sie wußte, was kommen würde, denn sie hatte par distance den gleichen lustvollen Gedanken.

„Berenice wird bald etwas fallenlassen, und dann abtauchen, um ihn …”

„Sprich es nicht aus, ich bitte Dich, sonst kann ich mich nicht mehr beherrschen.”

„Oh, wie ungeschickt von mir“, schalt Berenice sich mit unterdrückter Stimme. „Jetzt sind mir doch tatsächlich die Bonbons heruntergefallen. … Bemüh’ Dich nicht, mein Lieber, ich mach’ das schon.”

Sie erhob sich, um sich im nächsten Moment zur Seite zu bücken und im Halbdunkel der Loge zu verschwinden. Einen Augenblick später seufzte Alexander leise auf, sog scharf seinen Atem ein, atmete durch die Nase aus und biß sich auf die Unterlippe. Berenice hatte gefunden, wonach es sie gelüstete.

*

Michael hatte sich fesch zurechtgemacht. Er wußte noch nicht, wie seine Partnerin für die nächsten Stunden aussah, wie sie auf ihn wirken würde. Er hoffte insgeheim, sie möge ihm auch privat gefallen, denn als rein mechanisch abarbeitender Jungfernheld war er sich in dem Moment doch etwas zu schade.

Auch die beiden sollten sich vor dem „Chez Alexandre” treffen. Michael bezog gerade Position, als er sie kommen sah. Er hatte nur eine vage Beschreibung erhalten, aber er wußte augenblicklich, daß sie es sein mußte.

Cecilia.

Sie stach unter all den Menschen, die den Platz vor dem großen Bistro belebten oder einfach nur vorbeiliefen, wie ein leuchtendes Signal hervor. Das Mädchen fiel auf, obwohl es das, von seiner Aufmachung her, selbst wohl eher verbergen wollte. Es hätte nur noch gefehlt, daß sie eine altmodische Hornbrille getragen haben würde. Sie kam näher und hatte Michael offenbar als ihr Rendezvous erkannt.

„Verzeihen Sie, sind Sie der Chevalier?” Sie sah ihn mit offenem Blick an, aber Michael bemerkte ihre Zurückhaltung dennoch. Ihr schien nicht wirklich wohl zu sein bei dieser Begegnung. Wer weiß, dachte Michael sich, was ihre Mutter ihr zur Einstimmung auf den Abend und eventuell gar die ganze Nacht an Instruktionen mitgegeben hatte. Er ahnte es nicht. Daß er bereits bezahlt worden war, erfuhr er sogleich.

„Ihre Agentin hat Sie uns vorhin so beschrieben, als Sie bei uns war.”

Die geschäftstüchtige Lou! Sie hatte nichts dem Zufall überlassen und die Peinlichkeit, daß das Mädchen das Geld hätte übergeben müssen, bereits ausgeschaltet.

„Zu Ihren Diensten, mein Fräulein”, verneigte sich Michael und nahm Cecilias Hand. Beider Händedruck war fest. Daß ihrer es war, überraschte ihn ein wenig. Er hatte mit einer gewissen Laschheit gerechnet. Den Handkuß vermied er in der Öffentlichkeit.

„Ich freue mich, daß wir uns gleich erkannt haben”, lächelte er sie an. „Wollen wir uns bei einem kleinen Aperitif im Bistro ein wenig unterhalten?”

Sie nickte, sagte aber nichts. Michael nahm sie bei der Hand und zog sie sanft mit sich.

Im Alexandre fand er zu dieser Stunde noch ein Plätzchen, das ihnen ein gewisses Maß an Intimität beim ersten Kennenlernen bot. Er rückte ihr einen Stuhl zurecht und nahm an dem kleinen Tisch genau ihr gegenüber Platz. Die Bedienung kam schnell, und er bestellte zwei Fruchtsaftcocktails mit etwas Armagnac, wenn es ihr recht sei. Cecilia nickte wieder − stumm.

Michael betrachtete sie. Nicht aufdringlich, aber ein freundliches Interesse signalisierend, das über oberflächliches Kennenlernen hinausging. Er wollte wissen, wen er vor sich hatte.

Cecilia war schwarzhaarig. Sie trug ihre rückenlangen, glatten Haare offen, in der Mitte gescheitelt. Er schätzte ihre Körpergröße auf nicht mehr als 1,74 m. Sie mochte 53, höchstens 54 kg wiegen. Ihre Haltung im Sitzen war gerade und nicht zusammengesunken. Sie hatte eine schöne Büste, aber sie war verhüllt. Cecilia trug ein kurzärmeliges buntes Sommerkleid, mit einem weißen Gürtel um ihre schmale Taille. Ihre schlanken nackten Füße steckten in weißen Pumps. Ihre Hände waren feingliedrig, sehr gepflegt, mit leicht spitz zugefeilten, klarlackierten Fingernägeln. Cecilia hatte schöne, schlanke Arme. Ihr Gesicht war entzückend hübsch, mit einer schmalen, schönen Nase, die sich immer wieder ein wenig kräuselte. Es war wohl ein Zeichen ihrer Nervosität. Ihre leuchteten Augen waren dunkelbraun und hatten einen leichten Schimmer von Traurigkeit. Michael hielt im Moment alle Männer, die dieses Mädchen bisher unbeachtet gelassen hatten, für ausgemachte Esel. Cecilia war zauberhaft. Und sie musterte Michael nicht weniger aufmerksam, als er sie.

Michael konnte nicht glauben, daß er tatsächlich eine Jungfrau vor sich haben sollte, wohlgemerkt eine Jungfrau, keine Sternzeichengeborene. Er wußte plötzlich nicht mehr sicher, wie ihr Status am nächsten Morgen sein würde, aber eines wußte er: sie müßte mehr aus sich machen. Da war eine Menge ungehobenes Potential. Sie müßte andere Klamotten bekommen. Cecilia war offensichtlich nicht geschminkt. Michael mochte allzu deutlich „angemalte” Mädchen und Frauen nicht, aber dezent die Optik zu betonen, das war auch nach seiner Ansicht nie verkehrt.

Da wurden die Cocktails gebracht, und er entschloß sich, den Abstand zwischen ihnen in einem ersten Schritt zu verringern. Er wußte ihren Vornamen und sie sollte seinen wissen. Michael hielt es für zu steif und unromantisch, ein Mädchen entjungfern zu sollen, das ihn selbst in Ekstase nur „Chevalier” nennen könnte. Mit reiferen Frauen würde ihm das vermutlich egal sein, da galt es nicht, eine echte Jungfernschaft zu erobern, aber hier lagen die Dinge anders.

Er erhob sein Glas, stieß mit Cecilia an und stellte sich noch einmal vor.

„Ich heiße Michael. Auf einen schönen Abend für Sie und uns beide.” Dabei sah er ihr fest in die Augen. Sie hielt inne und seinem Blick stand, trank dann aber doch und senkte ihre Augen. Beim Abstellen ihres Glases räusperte sie sich ein wenig. Sie war nervös. Michael gefiel das.

„Was …?” Sie sagten es gleichzeitig, sahen sich an und mußte beide lächeln. Michael empfand es als sehr angenehm, daß sie sich bereits ihr erstes Lächeln schenkten.

„Sie zuerst, Cecilia. Was möchten Sie wissen?”

„Was machen Sie beruflich, Michael?”

Der junge Graf war überrascht. Sie ging offenbar davon aus, daß er kein hauptberuflicher Gigolo war. Michael war plötzlich bereit, mit offenen Karten zu spielen, nur seinen vollständigen Namen würde er ihr nicht sagen. So gab er zu, zu studieren, wobei Cecilias Mimik sich deutlich aufhellte.

Ob er eine Freundin habe und ob er schon mit vielen Frauen geschlafen habe, wollte sie wissen.

Michael hatte Mühe, zu verbergen, wie baff er war. Das hörte sich nicht gerade nach schüchtern an. Die Frage war höchst indiskret, und er wußte von anderen Frauen, daß sie solch eine Frage für ausgesprochen dämlich hielten, aber er fand sie gar nicht so schlimm. Wie sollte sie auch wissen, ob er Erfahrung hätte. Die optische Alterseinschätzung kann da sehr irreführen. Aber was mochte ihre Mutter ihr gesagt haben, was an diesem Abend und der folgenden Nacht stattfinden sollte? Er schmunzelte, verneinte den ersten Teil ihrer Frage und bekannte, er könne es noch überblicken. Michael strich die Vorstellung, sein hübsches Gegenüber sei timide, er vermutete eher, daß sie einmal extrem enttäuscht worden sein müsse und sich daher verschlossen habe. Vielleicht war auch das der Grund, warum sie eher etwas bieder gekleidet war, statt aus ihrem Typ mehr zu machen. Dann erlebte er seine nächste, große Überraschung.

Cecilia nahm einen großen Schluck ihres Cocktails, als wolle sie sich Mut antrinken, und …

„Meine Mutter hat in ihrer großzügigen Fürsorge und Liebe für mich beschlossen, daß ich endlich meine Jungfernschaft verlieren solle und deshalb meine Begegnung mit Ihnen arrangiert. Und ich habe zugestimmt, weil ich neugierig war, wie das ablaufen und wem ich wohl begegnen würde. Die optische und eine erste Manierenprüfung haben Sie bestanden, Michael, und jetzt dürfen Sie mich küssen. Und danach werde ich entscheiden, ob Sie mich im Laufe dieser Nacht entjungfern und darüber hinaus mit mir schlafen dürfen.”

Michael blieb der Verstand stehen. Er hatte mit allem gerechnet, nur damit nicht. Dieses Mädchen war alles andere als schüchtern, und ein dummes Ding war es auch nicht. Cecilia wußte genau was sie wollte. Das Kommando hatte nicht er, das hatte sie.

Michael sah sie einen Moment durchdringend an, ehe er sich vorbeugte, sie sich ihm zubeugte, sie beide ihre Köpfe gegensätzlich leicht schräglegten, die Augen schlossen und ein erstes Mal ihre Lippen sich berührten. Ein Wärmestrahl durchfuhr seinen Körper, ehe er seinen Mund öffnete und seine Zunge nach ihrer forschte, sie ihre lechzend in seinen Mund vorschob und beide miteinander im Tanz verschmolzen. Ohne sich sonst zu berühren, blieben sie so eine gefühlte Ewigkeit miteinander verbunden. Als sie sich schließlich lösten, hatte Cecilia leicht glasige Augen und mußte sich einen Moment lang „sortieren”. Michael war seinerseits leicht benommen und registrierte deutlich, daß Monsieur Bouchon einsatzbereit war.

„Laß uns gehen”, flüsterte Cecilia ihm zu. „Ich möchte auf der Party tanzen, ehe wir uns …, Du weißt schon.”

„Aber erst küssen wir uns noch einmal … auf einem …”, forderte Michael wie ein Teenager, der weiter üben wollte, doch konnte er im Augenblick nichts weiter sagen, denn Cecilia hatte ihm bereits den Mund verschlossen.

*

Es kostete Alexander seine ganze Kraft, sich zu beherrschen. Berenice machte ihn wahnsinnig. Soweit er überhaupt noch denken konnte, empfand er sie als die wohl schamloseste Person, die ihm je untergekommen war. Untergekommen? Sie war über ihn gekommen.

Es erschien ihm bereits wie eine Ewigkeit, daß sie an ihm saugte und leckte. Er wollte sie schon auffordern, das „Bonboneinsammeln” zu beenden, ehe aus den Nachbarlogen spitze „Anfragen” kommen würden, ob man bei ihnen mitmachen dürfe, aber gleichzeitig fühlte er sich so stimuliert, wie selten zuvor. Es machte vielleicht auch der Reiz des Verbotenen, es in von großer Kunst erfüllter Umgebung zu treiben. Aber große Kunst geschah auch an ihm. Berenice genoß es nicht nur, sie gab ihm ein wundervolles Gefühl, begehrt zu sein.

Er schluckte, sog den Atem tief durch die Nase ein, als er es heranrauschen fühlte, zu zucken begann, sich die rechte Hand auf den eigenen Mund preßte, damit sein Aufstöhnen gedämpft würde, ehe Berenice alles empfing, was er zu geben hatte. Er hielt die Augen geschlossen, atmete befreit auf. So sehr er es genossen hatte, so froh war er, daß es vorbei war. Noch nie hatte eine begabte Frau derart bei ihm abgesahnt. Würde er es seinen Freunden berichten, sie glaubten es ihm vermutlich nicht.

Berenice bewegte sich, wie suchend, zu ihrem Platz zurück.

„Ist es denn die Möglichkeit, wie viele Bonbons allein in einer Tüte sich befinden, und ich ungeschicktes Dummerchen lasse alle fallen. Paß auf, mein Lieber, wo Du hintrittst, sonst dürfen wir noch die Reinigung für in den Teppich eingetretene Süßigkeiten bezahlen. Nicht wahr, Du paßt doch auf, ja?”

„Aber sicher, Liebe, ich werde darauf achten.” Alexander amüsierte sich über ihre Unverfrorenheit.

Berenice richtete kurz ihre Kleidung und setzte sich wieder hin. Der Prinz selbst war mental zurück und nahm Tschaikowskys schöne Musik wieder wahr. Der „Großfürst” verschwand in seinem etwas engen, aber warmen Quartier. Hosenstall zu.

„Hast Du Töne”, zeterte Madame de Treville verhalten. „Sie hat ihn vor unser aller Augen gemolken. Man glaubt es ja nicht.” Damit setzte sie das Opernglas ab und wandte sich flüsternd ihrer Freundin zu, die vor lauter Neid ganz schmale Augen bekommen hatte.

„Das hätte ich von Berenice nicht gedacht.”

„Natürlich haben wir das von ihr nicht gedacht, obwohl wir stillschweigend alle genau das von ihr gedacht haben, so wie sie vernachlässigt wird. Daß sie aber die Chuzpe aufbringt, gleich hier ihre Lust auszuleben, das ist ein starkes Stück. Und gib zu, Du hättest es auch gern getan. Trau Dich, es abzustreiten.”

„Natürlich hätte ich, aber der schöne Bursche sitzt nun mal drüben bei Berenice und nicht bei uns zwei unbeachteten Chaisen. Verdammt, sie ist schon ein Satansweib.”

„Aber Dagmar, Süße, was sind denn das für Reden?”

„Ach hör auf! Dir läuft der Sabber doch auch schon aus den Mundwinkeln!”

„Mir läuft der Saft ganz woanders, Schätzchen, und achte mal lieber auf Dich selbst, nicht wahr.”

„Und wir wären ganz zufrieden, wenn die Damen nebenan dazu übergehen könnten, wieder auf die schöne Vorstellung zu achten, statt erotische Volksreden zu halten”, ertönte eine ungehaltene Männerstimme aus der Loge rechts von ihnen.

„Ups!”

„Meine Güte auch”, und das unterstrichen die beiden Vernachlässigten mit einem leisen Kichern.

Alexander bemerkte erst etwas später, daß ihn sein rechter Zeigefinger schmerzte. In der nächsten Pause betrachtete er ihn. Er hatte sich im Höhepunkt selbst quer gebissen.

„Oh!”

*

Cecilia war mit Michael auf der Party ihres Cousins York Heygenrath sofort aufgefallen. Niemand konnte sich erinnern, sie je in männlicher Begleitung gesehen zu haben, wenn man von ihrem Vater und ihren Brüdern einmal absah. Entsprechend wurde sie bestaunt und Michael eingehend gemustert.

York feierte seinen 25. Geburtstag und zugleich sein bestandenes Physikum. Er war Medizinstudent. Ein großer, gutgewachsener und blendend aussehender Mensch, braungebrannt, mit streng, ohne Scheitel zurückgekämmten goldblonden Haaren. Für sein Alter eher ungewöhnlich, trug er einen ebenso goldblonden Schnurrbart.

Er hatte die Nichte seiner Mutter sehr herzlich mit zwei Wangenküssen begrüßt, sich artig für das mitgebrachte Buchgeschenk bedankt und mit nur kurz aufblitzendem Staunen, dann aber sehr freundlich Michael willkommen geheißen. Der entschuldigte sich ein wenig verlegen, ohne Präsent gekommen zu sein, wurde aber formvollendet beruhigt, daß seine Anwesenheit Geschenk genug sei. York fragte ihn sogleich, ob er Lateinamerikanisch tanzen könne, was Michael mit einem kessen Lächeln bestätigte. Das sei gut, denn gleich gehe das Tanzen los, und als erstes wäre Lambada aufs Parkett zu legen.

Cecilia wollte erst abwehren, aber Michael ließ es nicht zu, sie solle einfach locker mitmachen, er führe sie schon. Im Obergeschoß des Hauses war ein großer Salon bis auf Sitzmöbel am Rande ausgeräumt worden und als York das Signal für die Musik gab, legten zehn Paare, die sich aufgestellt hatten, schwungvoll los. Die meisten Mädchen trugen kurze Röcke und waren mit knappen, bunten Oberteilen bauchfrei bekleidet. Sie waren allesamt gertenschlank und sahen toll aus. Ihre Tanzpartner waren durch die Bank durchtrainierte junge Männer in körperbetonter Kleidung.

Michael fiel sofort aus dem Rahmen, denn er legte seine Oberbekleidung ab und tanzte als Einziger mit nacktem Oberkörper. Cecilia wurde rot, aber es gefiel ihr. Sie bekam einen weiteren optischen Vorschuß auf das, was sie nach der Party erwartete, denn sie hatte sich längst entschlossen, mit Michael die Nacht zu verbringen − und er offenbar auch, Auftrag ihrer Mutter hin oder her, denn bei dem körperengen Tanzen bemerkte sie schnell, wie erregt er war, sie zu spüren. Die Musik packte sie beide und bald tanzten sie in der Mitte der sich lasziv miteinander bewegenden Körper. Cecilia verlor alle Scheu, verlor alle Angst, sie könnte vielleicht nicht mithalten. Michael führte sie so mitreißend, daß sie in einen innerlichen Schwebezustand geriet. Für sie war es bereits Sex, was sie mit ihm erlebte, was sie fühlte. Und so nah bei ihm, sein schönes Gesicht vor sich, seinen herrlichen Oberkörper, seinen Schoß, der sich im Rhythmus der Musik an ihrem rieb, seine Erektion − in Wellen durchströmte sie das wachsende Verlangen mit ihm allein zu sein, ganz allein, sich ihm hinzugeben, seine Haut, seine Wärme, seine erotische Hitze zu spüren und seinen angenehmen Körperduft in sich aufzunehmen, sich mit ihm zu vermischen. Sie konnte nicht mehr verstehen, warum sie als erste Reaktion auf den Vorschlag ihrer Mutter ungehalten, ja böse reagiert hatte. Nun war sie dankbar, daß sie die mit Siebzehn gemachte, schlechte, ja böse Erfahrung hinter sich zu lassen bereit war. Ihre Neugier und ihr Wille, endlich ein gerade auch erotisch erfülltes weibliches Leben zu leben, hatten gesiegt.

Da wirbelte Michael sie noch einmal herum und die Musik war zu Ende. Aufjauchzend umarmte Cecilia ihren Tanzpartner und küßte ihn vor aller Augen − und sie küßte ihn intensiv. Ihr Cousin sah es und staunte nicht schlecht, welche Wandlung sie durchmachte.

Nachdem die mittlerweile aufgewühlten Paare sich gesammelt hatten, wurde die Samba als nächster Tanz aufgerufen. Cecilia sah Michael kurz fragend an, sein Blick sagte ihr „kein Problem” − und schon ging es los.

Michael hatte es total drauf. Er führte sich auf, als wären sie beim Straßenkarneval in Rio. Kurz sah Cecilia ihm zu, staunte einfach nur − und dann riß er sie wieder mit.

Nach einigen Minuten heißer Rhythmen und wilden Tanzfiguren drehte Michael sie so, daß sie mit dem letzten Wirbeln genau in seinen Armen landete. Im allgemeinen Jubeln hatte er sie fest im Griff und gab ihr einen leidenschaftlichen Kuß auf den Hals. Er roch ihren Schweiß, spürte ihre Hitze und wäre mit ihr am liebsten in einem leeren Zimmer verschwunden. Sie sah ihn an. Er las in ihren Augen, daß sie ihm widerstandslos folgen würde, doch dann rief York zum Tango auf. Die Bandonion-Musik hob an, und nun zeigte Michael seiner Gespielin, was er unter erotischem Tanzen verstand. Schon bald hörten die anderen Paare auf und sahen den beiden nur zu.

Cecilia gab sich vollständig Michaels Führungskraft hin, dabei zog sie mit, als hätte sie es zuvor trainiert. Ihre eigene Musikalität half ihr vortrefflich dabei.

Als das Bandonion-Playback verklang und Cecilia tief atmend, an Michaels Körper gepreßt, in seine Augen sah, war es um sie geschehen. Ihr Kopf wollte ihn, ihr Schoß wollte ihn. Seine fühlbare Erregung übertrug sich auf sie − und im nächsten Augenblick küßte sie ihn so wild und leidenschaftlich, daß ein Raunen durch die Anwesenden ging. York begann Beifall zu klatschen, in den alle einstimmten und ihn mit lautem Jubel begleiteten.

Lachend sah sich das neue Paar an und herzte sich gleich darauf Wange an Wange, ehe alle Mittänzer auf es zutraten und mit Schulterklopfen beglückwünschten.

„Cilly, ich wußte gar nicht, daß Du so phantastisch tanzen kannst”, kommentierte ihr Cousin, wessen er gerade Zeuge geworden war.

„Du weißt so manches nicht, Yo”, erwiderte sie keck mit einem gewissen Stolz in der Stimme und lächelte ihn mit neuem Selbstbewußtsein an.

„Und Du, mein Lieber”, wandte er sich an Michael, „Du bist wirklich ein Teufelskerl auf dem Parkett. Alle Achtung!”

„Ach, nicht so wild”, wehrte Michael bescheiden ab, „das gehört zur gesellschaftlichen Ausbildung dazu. Aber es hat mir Spaß gemacht, hier mal wieder aufdrehen zu dürfen.”

„Das hat man wahrlich gesehen, und Deine Ausbildung muß vom Feinsten gewesen sein, denke ich mir.”

„Ja, es war ganz gut”, stapelte Michael tief.

„Und was hast Du sonst noch so zu bieten, ich meine tanzmäßig?”

Michael räusperte sich, um sich nicht zu versprechen und meinte …

„Wenn Du zwei Säbel und einen Kilt samt Dudelsackspieler im Haus hättest, dann zum Beispiel auch den schottischen Säbeltanz, aber jetzt würde ich mich gern ein wenig frisch machen, sonst wischte ich meinen Schweiß nur in den Polstern ab.”

„Oder an mir”, dachte Cecilia, und es gefiel ihr, daß sie das dachte.

„Aber natürlich, mein Lieber. Folge mir bitte zum Bad.” Mit einem frechen Augenzwinkern verabschiedete Michael sich kurz von der überwältigten Cecilia, die sich mit beiden Händen Kühlung zufächelte, und ging York hinterher.

„Sag’ mal, wo hast Du denn dieses Prachtexemplar her?” wollten gleich zwei Tänzerinnen von Cecilia wissen.

„Ach, er ist mir zugelaufen”, schmunzelte sie und beendete mit einem „Wo gibt’s denn ‘was zu trinken?” jeden Ansatz zu einer Nachfrage, aber das alles hörte Michael nicht mehr.

*

York öffnete eine Tür und schaltete das Licht an. „So, hier kannst Du Dich frisch machen.”

Er betrat ein großes, sehr geschmackvoll eingerichtetes Bad. Ein Tageslichtbad mit Milchglasfenstern, aber die Dämmerung hatte bereits eingesetzt. Michael folgte ihm und sah sich um.

„Dort findest Du verschiedene Seifen, wohlriechende Körperöle, Lotionen und Parfüms. Bediene Dich nach Belieben. Und dort”, er zeigte auf einen Schrank, „findest Du frische Handtücher. Du kannst auch duschen, wenn Du möchtest. Fühle Dich wie zu Hause.”

„Ich danke Dir, das ist sehr liebenswürdig”, lächelte Michael ihn an. York erwiderte es, klopfte ihm auf die Schulter und wandte sich um, den Baderaum zu verlassen, als er sich an der Tür noch einmal umdrehte.

„Du machst meine Cousine sehr glücklich. Ich sehe das. Und da ich sie sehr gern habe, mag ich auch Dich. Es ist schön, daß Du ihr so gut tust. Betrachte Dich als Ehrengast dieses Hauses.”

York sah den überraschten Michael einen intensiven Moment lang an, ehe er hinausging und die Tür leise schloß.

Michael stützte sich auf dem Rand des hellgrünen Waschbeckens ab und sah in den Spiegel. Was würde dieser Abend, diese Nacht noch bringen? Einen wilden Fick mit einem kleinen Blutfleck auf dem Laken und einem ausgiebigen Après−Schmusen, ein Arm-in-Arm-Einschlafen und ein leises, verstohlenes Hinausschleichen, ehe Cecilia aufwachen würde und ihn vielleicht mit dem süßesten „Guten Morgen, Liebling” an sich fesseln könnte? Michael war plötzlich unsicher geworden. Und wieder erinnerte er sich an den kleinen, aber nachhaltigen Vortrag Maximilians über die Hure. War er eine männliche Hure? Ein Gigolo, der dabei war, sich zu verlieben? Gleich beim ersten Einsatz! Würfe ihn das nicht sofort aus dem Geschäft? Könnte er zärtliche Gefühle völlig ausschalten, wenn er andere Frauen bediente? Er spürte, daß sein Unterbewußtsein anheben wollte, ihm Vorhaltungen zu machen, aber …

Seine Blase unterbrach seine schweren Gedanken. Sie drückte. Michael schlüpfte aus seinem Schuhwerk, zog seine Socken aus, stieg aus seiner Hose und setzte sich zum Urinieren nieder. Nach dem Spülen begann er, sich zu waschen. Er nahm dazu zunächst nur kaltes Wasser. Michael war abgehärtet, es machte ihm nicht aus. Er warf sich einige Handvoll ins Gesicht und über dem Waschbecken gegen den Oberkörper. Da hörte er plötzlich eine sanfte, weibliche Stimme.

„Darf ich Dir helfen?”

Erschrocken drehte er sich um, tropfnaß wie er war. Cecilia stand vor ihm. Sie war so leise hereingekommen, daß er sie nicht wahrgenommen hatte. Er ärgerte sich einen kurzen Moment, daß sie das geschafft hatte, denn einem Offizier hätte solch ein lautloses Angeschlichenwerden nicht passieren dürfen. Im Einsatz wäre das sein sicherer Tod gewesen. Aber er war nicht im Feld, nicht unter Waffen. Wirklich nicht? Blitzschnell entschuldigte er seine arglose Unaufmerksamkeit vor sich selbst. Er fand es schön, daß Cecilia vor ihm stand, obschon sie noch bekleidet und er nackt war.

Ihre Augen wanderten über Michaels Körper. Offensichtlich gefiel ihr, was sie sah, und als sie Monsieur Bouchon betrachtete, blitzten ihre Augen auf, wurden ein wenig größer.

„Er sieht so phantastisch aus, und was für einen Schwanz er hat. Christian und Robert sehen schon irre aus, aber er … Himmel … wenn er damit umgehen kann, wird das die Nacht der Nächte.”

Michael bemerkte, daß sie ihn einschätzte. Das war für ihn in Ordnung. Er nahm das bereitgelegte Handtuch und trocknete sich ab.

Cecilia betrachtete ihn weiter mit einer liebenswürdigen Unverschämtheit, daß es ihm Bewunderung und ein leises Schmunzeln abnötigte. Und doch schlug er für einen Augenblick verlegen die Augen nieder, ehe er sie fest ansah. Plötzlich schämte er sich, was er gleich wieder verwarf. Es gab keinen wirklichen Grund dafür. Er war bezahlt worden, als ein Liebesdienstleister. Im Moment gehörte er ihr, und sie betrachtete, was sie gekauft hatte, beziehungsweise ihre Mutter.

Ihre Blicke gingen ineinander über. Cecilias Nasenflügel blähten sich, und sie taten es immer wieder. Hinter ihrem Rücken griff ihre rechte Hand nach der Türklinke, drückte sie herunter. Mit ihrem zarten Körpergewicht schob sie die Tür zu, ließ die Klinke los und drehte den Schlüssel herum. Sie machte das so geschmeidig, als wäre es ihre zigste Verführungsszene. Michael sah nichts, was auf eine Anfängerin hätte hindeuten können, wenn sie sich nicht auf die Unterlippe gebissen hätte − und sie glühte.

Er sah sich um. Im Moment entdeckte er, was er suchte, nahm es und trat auf Cecilia zu. Sie wollte rückwärts ausweichen, aber da war die Tür − verschlossen. Ihr Atem ging ein wenig schneller. Schon stand Michael vor ihr, zum Greifen nahe. Und da war so viel, was sie hätte greifen können, greifen wollen. Sie drückte sich an die Tür, ihr Kopf verursachte dabei ein leises Klopfgeräusch, sie schloß unter tiefem Einatmen die Augen, als sie Michaels schönen Bariton hörte.

„Wenn Du möchtest … sehr gern.”

Als wollte sie damit „Anlauf” nehmen, holte sie tief Luft und öffnete ihre Augen. Seine waren direkt vor ihr. Ihre Nasen berührten sich. Mit seiner linken Hand stützte er sich über ihrem Kopf an der Tür ab, in seiner rechten hielt er, leicht damit wedelnd, einen hellroten Waschlappen. Sein warmer Atem verursachte ihr eine wohlige Gänsehaut nach der anderen.

„Nimm den”, hauchte er und dabei brummte seine Stimme, daß sie glaubte, ihr müßten die Sinne schwinden. „Er ist so schön rot, wie unser brennendes Blut.”

„Oh Gott, ich werde wahnsinnig”, seufzte es in ihr. „Was mache ich eigentlich hier? Was macht er mit mir? Ich bin schon so naß, daß es gleich tropft. Ich will ihn … wäre doch nur der Stoff schon weg … da unten … damit er … freie Bahn. … Warum küßt er mich nicht? … Seine Zunge … so wunderbar …Verdammt, er ist so schön … was für ein Verlangen. … Michael … jetzt mach’ doch ‘was! … Ich bin so feucht, so heiß … ich dreh’ gleich durch …”

„Sie bekommt gleich ihren ersten Orgasmus, nur weil sie daran denkt. Was für ein wundervoll weibliches Wesen. Gleich koste ich sie, aber erst …”

„Du mußt ihn vorher befeuchten, es ist kein Staublappen, Kätzchen.”

Wie in Trance hatte Cecilia sich an beiden Händen fassen und zum Waschbecken führen lassen, wobei Michael langsam rückwärts gegangen war. Als er mit seinen Pobacken den Rand berührte und stehenblieb, hatte Cecilia den roten Lappen genommen und wie abwesend begonnen, Michaels Oberkörper abzuwischen.

„Wie?”

Es war, als hätte sie sich leicht erschrocken. Ein wenig Verwirrung lag in ihrem Blick, als sie ihn ansah.

„Selbst …”

„Ihr Schoß ist bereit, sie ist bereit, aber jetzt noch nicht.”

„Anfeuchten!” Er nahm ihr den Lappen ab, drehte sich in der Hüfte zum Wasserhahn um und ließ warmes Wasser über den Stoff laufen, stellte es wieder ab, drückte ihn leicht aus und hielt ihn ihr wieder hin.

„Jetzt wäre es richtig.” Dabei lächelte er sie an.

„Oh ja … natürlich … jetzt wäre es richtig, nicht?”

Damit begann sie erneut, seine Brust langsam abzuwischen.

„Genau. Du wolltest mich eben abstauben, als hätte ich hundert Jahre in einer Wunderkammer herumgestanden.”

Cecilia hielt inne, sah ihn an und mußte breit lächeln. „Das hatte ich wohl vor. Wie dumm von mir.”

Sie fühlte, daß der feuchte Stoff wieder abkühlte und tränkte ihn nun selbst erneut mit fast heißem Wasser. Michael stützte sich mit beiden Händen am Beckenrand ab und genoß das Verwöhnen. Es fühlte sich so gut an. Maxi war ein guter Verwöhner gewesen, damals, vor gefühlten hundert Jahren, in einer anderen Zeit, in einer anderen Welt, die nicht wiederkommen würde.

Jetzt war er bei ihr, bei Cecilia, und er war unendlich dankbar, daß Lou ihn zu ihr geschickt hatte und keinen der anderen. Er würde jetzt bei keinem anderen Menschen sein wollen. Michael spürte, daß sie ein außergewöhnliches Mädchen war. Sie tat ihm gut. Er würde ihr die schönste Nacht ihres Lebens schenken und sich selbst daran berauschen, sie unvergeßlich zu machen.

Da legte Cecilia den roten Waschlappen beiseite und begann, an den ausgelegten Seifen zu schnuppern. Schließlich wählte sie eine aus, hielt sie unter den Wasserstrahl, bewegte sie in ihren zarten Händen hin und her bis sie schäumte, wobei Michael ihr zusah, legte sie in die Wandschale und begann, seinen Oberkörper zu reinigen.

Beide blieben während dieser, einen sehr angenehmen Duft verbreitenden, zärtlichen Handlung stumm. Doch sie sahen sich immer wieder an und lächelten dabei. Ihre Augen sagten mehr, als ihre Lippen hätten formulieren können. Wozu die stille Zweisamkeit durch unnötiges Reden stören? So drehte Michael sich ohne Worte einfach um, als Cecilia ihn abgespült und halbwegs trockengewischt hatte.

Sie betrachtete seinen wohlgestalteten Rücken und seinen − „oh Gott, er hat solch einen schönen Arsch!” Unwillkürlich strich sie mit ihrer rechten Hand über seine Pobacken, fühlte, wie fest sie waren. Sie hatte ihren Bruder Ernest einmal tönen hören, er habe so stramme Arschbacken, er könne Nüsse damit knacken. Ob Michael wohl auch mit solchen Sprüchen käme, überlegte sie.

„Gefällt er Dir …?” Michael unterbrach Cecilias Gedanken. „Ich meine, mein Hintern?”

Als sie ein wenig erschrocken links an ihm vorbei in den großen Spiegel sah und bemerkte, wie frech er grinste, tat sie etwas verwegenes, jedenfalls empfand sie es in dem Moment so − sie gab ihm einen ordentlichen Klaps hinten drauf.

„Au!”

„Wie kommst Du drauf, daß mir Dein Hintern gefallen könnte?” Dabei räusperte sie sich, als wäre sie verlegen. Vielleicht war sie es auch.

„Na, weil Du drauf gestarrt hast, und streichelst Du immer alles, was Dir angeblich nicht gefällt?”

„Das habe ich nicht gesagt”, protestierte sie. „Und woher weißt Du denn, daß ich gestarrt habe?”

Daß sie sich damit bereits verraten hatte, nahm sie einfach mal hin.

„Jetzt weiß ich es, da Du es zugegeben hast. Zuvor habe ich es nur geahnt, nein, gespürt habe ich es. Es war schon sehr intensiv, finde ich.”

„So, so. Findest Du, ja?”

„Ja, finde ich. Aber es freut mich, daß er Dir gefällt.”

„Das habe ich nicht gesagt”, protestierte sie erneut.

„Ha, ha!”

Und er bekam den nächsten Klaps.

„Au!”

Die geschlagene Hautfläche rötete sich und wurde gleich wieder gestreichelt. Mit einem verschmitzten Lächeln drehte Michael seinen Kopf herum, nur, um von Cecilias Hand auf der rechten Wange wieder dem Spiegel zugedreht zu werden.

Gleich darauf unternahm sie einen Fingerspaziergang vom Poansatz bis zu seinem Hals, wo sie Michael ein wenig kraulte, aber wirklich nur ein wenig.

„Soll ich Dir auch den Rücken waschen?” Ihre Stimme hatte etwas, daß es ihm wohlig bis in die Zehenspitzen herunterrieselte.

„Das wäre schön, vor allem, wenn Du damit aufhören könntest, mir den Hintern zu verhauen.”

„Magst Du das nicht?”

„Mach’ es noch einmal, und dann erlebst Du ’was!”

„Au!”

Langsam drehte Michael sich um. Cecilia wich einen Schritt zurück. Sein Gesichtsausdruck zeigte ihr an, daß er gleich zum „Gegenschlag” ausholen würde. Aber es war auch ein gewisses Lächeln dabei. So ein ganz gewisses. Er folgte ihr. Sie wich weiter aus, bis sie an die Badezimmertür anstieß. Da schnappte er ihre linke Hand, zog sie zu sich, umarmte sie mit seinem linken Arm, preßte sie an seinen Körper, führte ihre linke Hand hinter ihren Rücken, wo seine linke Hand sie festhielt und − „Au!”

Cecilia sah ihn mit leichter „Schnute” an, Michael ließ locker und sie boxte ihn mit ihrer rechten Faust gegen die linke Schulter. Es beeindruckte ihn überhaupt nicht.

„Au!”

Sie boxte ihn mit beiden Fäusten …

„Au!”

Nun nahm sie ihre Hände lieber zum Reiben ihrer Pobacken und sah Michael gespielt vorwurfsvoll an. Im nächsten Augenblick preßte er seine Lippen auf ihre und begehrte Einlaß − und er bekam Einlaß, als er sich unvermittelt löste und Cecilia herumdrehte. Nun stand er hinter ihr, drückte sich an sie und ließ seine rechte Hand unter ihr Kleid zu ihrem Schoß gleiten. Ihr war klar, was er vor hatte.

„Hier?”

„Nein, nicht hier”, hauchte er ihr ins rechte Ohr. „Ich will Dich nur kosten.”

„Hhmmm”, schnurrte sie, schloß ihre Augen und lehnte ihren Kopf hintüber an seine Schulter. Seine Hand fand ihr Ziel. Mit Wohlgefallen bemerkte er, daß Cecilia nicht rasiert war. Er haßte das. Es wirkte unreif auf ihn, fast krank. Jede Beseitigung von Schönheit regte ihn negativ auf. Hier aber war der schönste Intimschmuck vollständig vorhanden, und er kraulte ihn zärtlich, ehe er mit einem leisen Brummen die Probe nahm und Cecilia dabei zärtlich stimulierte. Ihr Atem ging schneller. Michael zog sich zurück und wedelte mit seinen feuchten Fingern vor ihrer Nase. Sie sog den Duft ihrer eigenen Erregung ein und schnurrte wie eine zutiefst zufriedene Katze. Er strich mit Mittel- und Zeigefinger über ihre Lippen, sie probierte, und er kostete dann selbst. Cecilia war bereit, aber er wollte ihr noch keine Erlösung schenken. Abrupt unterbrach er seine Stimulanz.

„Wir gehen noch einmal tanzen. Komm!”

Es ging ein leiser Ruck durch Cecilia, aber sie war schnell wieder „da”, holte einmal kurz tief Luft und atmete hörbar aus. Ihre Wangen waren tief gerötet.

„Solltest Du Dich nicht vorher anziehen?” Sie grinste ihn schelmisch an und strich ihr Kleid glatt.

„Oh … ja … das sollte ich vielleicht”, sah er lachend an sich herab. „Obwohl … so … unter einer Limbostange durchgetanzt, das wäre sicher der Knaller des Abends, oder?”

„Und was ist, wenn Du aufgeregt wärst und die Stange mit Deinem Stimmungsbarometer von der Auflage stößt … hm?” Ihr Grinsen wurde immer breiter.

Michael konnte es nicht glauben. Cecilias Phantasie sei schon sehr lebhaft, dachte er sich. Und das sollte eine Jungfrau sein? Monsieur Bouchon hatte noch keine vollständig aufrechte Haltung eingenommen, aber schon deutlich sein Potential angezeigt, was Cecilia kommentarlos bemerkt hatte. Michael war jedoch das Aufblitzen in ihren Augen nicht entgangen. Nun aber kleidete er sich an und kehrte Hand in Hand mit ihr zur Party zurück.

*

Es wurde gerade eine Rumba getanzt. Michael gesellte sich mit seinem Mädchen sofort dazu. Beide genossen die langsamen Bewegungen und die Körpernähe dabei.

Als der Tanz beendet war, suchte Michael seine Oberbekleidung. Er zog sich lediglich sein Hemd wieder an, knöpfte es aber nicht zu, sondern knotete es über seinem Bauchnabel zusammen. Da sprach York die beiden an.

„Mögt Ihr nebenan am kalten Büffet etwas zu Euch nehmen? Nach solchen tanzsportlichen Leistungen müßt Ihr doch Hunger haben, oder?”

„Wenn Du mal Zeit hast, würde ich auch gern mit Dir tanzen.”

Ein bildhübsches Mädchen fuhr Michael mit der Hand von hinten über den Rücken und setzte seinen eindeutigen Annäherungsversuch mit einem kessen Fingerstrich über seinen nackten Bauchbereich fort. Dabei lächelte es ihn schon sehr kess an, ehe es weiterging und sich zu einer kleinen Gesprächsgruppe gesellte, nicht ohne sich noch einmal nach ihm umzudrehen.

„Hm, Du hast noch eine Eroberung gemacht, mein Lieber.”

Michael betrachtete durchaus aufmerksam die hübsche Person in ihrem kurzen Rock und dem Bauchfrei-T-Shirt, brünett, braungebrannt und mit leuchtenden, hellbraunen Augen. Und diese perfekten Beine … ach ja …

„Wer ist das?” Michael gehörte ganz Cecilia, aber neugierig war er dennoch. Die begann eine Mimik aufzusetzen, die für die Andere nichts Gutes verhieß.

„Oh, das ist Friederike. Friederike von Sterlitz, genannt Fritzi. Gute Familie. Jura, sechstes Semester. Keinen Freund übrigens. Ihr Tänzer heute abend ist ihr Bruder Roderich, genannt Roddy. Der da hinten, der hellblonde Germane. Ebenfalls Jurist. Der alte Sterlitz ist Gerichtspräsident.” York deutete mit dem Kopf in Richtung eines sehr gut aussehenden Typen von vielleicht 24 oder 25 Jahren, der sich gerade mit einem anderen jungen Mann angeregt unterhielt. Michael betrachtete auch ihn. Er gefiel ihm. Und dann trafen sich kurz ihre Blicke, als der junge Sterlitz zu ihnen herübersah und ein Lächeln über sein Gesicht huschte, ehe er sich wieder abwandte.

Cecilia wurde ungeduldig.

„Komm, laß uns ‘was essen und trinken, ja?” Sie zupfte zur Bekräftigung an seinem Ärmel, nahm ihn gleich danach bei der Hand und zog ihn mit sich.

Das Büffet nebenan war reich an Köstlichkeiten. Es sah wunderbar aus. York hatte an nichts gespart. Da Michael sich aber nicht zu sehr belasten wollte, legte er sich nur ein wenig Geflügel und Gemüsereis auf, dazu ein paar Maiskölbchen, ein Stück Käse und ein wenig Honigmelone. Cecilia nahm dasselbe, und sie wählten jeder nur einen Fruchtsaft als Getränk. Sie wollten sich beide in den nächsten Stunden aneinander berauschen, aber keinen Rausch antrinken. Am Schluß teilten sie eine Banane miteinander. Michael faßte sie in der Mitte, jeder nahm ein Ende in den Mund und so bissen sie zärtlich ab, kauten, schluckten, bis sie sich trafen und zum Bananenkuß verschmolzen. Sehr zu empfehlen.

*

„Liebste Berenice! Wie schrecklich schön Dich hier zu sehen!” Madame de Treville war die personifizierte gute Laune. Dagmar Müller-Gantermann stand ihr dabei strahlend zur Seite

“Und in so wundervoller Begleitung, meine Liebe”, flötete sie so fröhlich wie eine Klarinette. “Möchtest Du uns diesen schönen jungen Mann nicht vorstellen?”

Die Blicke der Damen hafteten schamlos neugierig an Alexander Nikolaijewitsch, mit dem Wissen, was er gerade erlebt und sie beide bedauerlicherweise nur als neugierige Zaungäste hatten beobachten dürfen.

Berenice von Wildenbruch überspielte gekonnt, daß die aufdringlichen Gesellschaftsweiber sie nervten, zumal sie sich auf deren verblüffte Gesichter freute.

“Aber gern, Ihr Lieben.” Als sie das sagte, bedauerte sie, daß sie nicht einen mit Zyankali gewürzten Cocktail überreichen konnte. “Ich darf Euch vorstellen: Großfürst Nikolai. Mein lieber Niko, ich darf Dir vorstellen: Madame de Treville und Frau Müller-Gantermann.”

“Oh, Kaiserliche Hoheit! Welche Ehre!”

Beide Damen versanken im Hofknicks, was Alexander zu einem, aber schnell beherrschten Lächeln verleitete. Er hatte Berenice nur seinen Vaternamen gesagt; mehr mußte sie nicht wissen.

Louisianas Eskorts

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