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Lebenslauf des Autors Georg Schweinfurth

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Lebenslauf des Autors Georg Schweinfurth

Ich bin 1836 in Riga geboren, das in meiner Jugendzeit kaum den zehnten Teil seiner heutigen Bewohner hatte. Trotz der von vielen Russen und Letten bewohnten Vorstädte konnte man es eine durchaus deutsche Stadt nennen, und auf dem Gymnasium wurden, mit Ausnahme des Russischen, alle Fächer in deutscher Sprache gelehrt. Im Kreise meiner Geschwister und Verwandten habe ich nie russisch sprechen gehört, und ich erinnere mich nicht, dort je einen Nationalrussen verkehren gesehen zu haben. Mein Vater war aber Russland gegenüber von äußerst loyaler Gesinnung und hielt streng darauf, dass auch seine Kinder sich einer solchen befleißigten. Als Knabe habe ich mehrere Jahre in einer mitten in Livland gelegenen Erziehungsanstalt verbracht und später die oberen Klassen des Rigaischen Gymnasiums besucht. Frühzeitig ist in mir, durch das Lesen von Reisebeschreibungen angeregt, der Sinn für Forschungen und Entdeckungen in entlegenen Teilen der Welt erweckt worden, und ich suchte mich unauffällig an Strapazen und Entbehrungen aller Art zu gewöhnen, vornehmlich durch ausgedehnte Fußwanderungen, die ich ohne Begleitung in den heimatlichen (baltischen) Provinzen zur Ausführung brachte. 1857 bis 1860 studierte ich in Heidelberg. Nachdem ich in München und in Berlin die naturhistorischen Studien zum vorläufigen Abschluss gebracht hatte, wurden mir von der inzwischen Witwe gewordenen Mutter 10.000 Rubel überwiesen, um die längst geplanten Reisen in Afrika ausführen zu können. So betrat ich am 26. Dezember 1863 zum ersten Male afrikanischen Boden in Alexandria. Ich hatte mir die botanische Erforschung der Nilländer und der benachbarten Gebiete als das zu verfolgende Ziel gesteckt.

Meine erste Reise ins Unbekannte brachte zahlreiche Stichproben der Forschung zustande, die vom Roten Meer aus, das ich in kleiner Barke befuhr, mich an die Küsten von Ägypten und Nubien und in die benachbarten Gebirge führte. Dann zog ich von Suakin landeinwärts nach Kassala und nach Gallabat, wo ich die Regenzeit verlebte, und von wo aus ich später auf dem Rückwege über Sennaar nach Khartum gelangte.


Khartum

Auf dieser meiner ersten Afrikareise habe ich für die Pflanzengeographie wichtige Tatsachen feststellen können. Einige Beiträge zur Vervollständigung des Kartenbildes der durchreisten Gegenden wurden geliefert und, auf der Reise nach Kassala, Maman, die alte Gräberstadt der Bega, entdeckt. Im Sommer 1866, als die Schlacht von Königgrätz geschlagen wurde, war ich auf der Heimreise begriffen. Ich fand gewisse Schwierigkeiten, um über Wien zum Besuch meiner Familie nach Riga zurück zu gelangen.


Berliner Akademie der Wissenschaften

Ich war nun durch Studien und Erfahrung genügend vorbereitet, um mir beim weiteren Verfolg meiner Reisepläne, und in erfolgreichem Wettbewerb mit anderen, die von der Berliner Akademie der Wissenschaften vergebenen Mittel der „Humboldtstiftung für Naturforschung und Reisen“ zuwenden zu lassen, und so dem Ziel meiner Wünsche, den noch zum großen Teil unbekannten Gebieten am oberen Nil, nähertreten zu können. Alexander Braun, Reichert und du Bois-Reymond waren in der Akademie meine erfolgreichen Fürsprecher. Die mir gestellte Hauptaufgabe betraf die botanische Erforschung des Stromgebiets des Bahr-el-Ghasal. Daneben sollten auch geographische und ethnographische Forschungen im Auge behalten werden. Seitens der ägyptischen Regierung wurde meinem Unternehmen von Khartum aus nachdrücklichst Vorschub geleistet, und ich gelangte dadurch bei den im Forschungsgebiet tätigen Khartumer Elfenbeinhändlern zu derartigem Ansehen, dass alle in Liebenswürdigkeiten gegen mich wetteiferten, und in den Niederlassungen der Befehlshaber die bewaffneten Wanderscharen miteinander um den Vorzug stritten, meinen Plänen dienlich sein zu dürfen. Statt mich finanziell auszubeuten, lieferten sie kostenfrei Träger und Proviant. In den Stationen wurde mir ausgiebige Gastfreundschaft gewährt. Ich hatte mir in Khartum eine Art Leibgarde von vier zuverlässigen Nubiern besorgt, aber meine beschränkten Mittel (im ganzen überstiegen sie nicht viel die Summe von 25.000 Mark) hätten bei den weiten Wanderzügen im Innern nicht zur Bezahlung der vielen Träger gereicht, deren ich zur Fortschaffung meines umfangreichen Gepäcks bedurfte.


Mangbettu

Als nach Beendigung des wichtigsten Abschnitts dieser Reise, nach dem gegen Süden bis ins Land der Mangbettu geführten Vorstoß, ich fast meiner ganzen Habe (die Sammlungen waren zum Glück schon auf dem Wege nach Europa) durch eine Feuersbrunst beraubt worden war, für die der Verwalter des Khartumer Großkaufmanns, mit dem ich einen Vertrag abgeschlossen, verantwortlich war, wurde ich, da ich von einer Entschädigungsklage Abstand genommen hatte, großer Zahlungsverpflichtungen enthoben, die schwer zu befriedigen gewesen wären.


Karte: Sudan, Kongogebiet

Hätte ich damals über das Geld verfügen können, das mir später der englische Verleger für mein Buch zahlte, so wäre ich gewiss gern noch einige Jahre in Afrika geblieben und hätte alsdann in der kongowärts zum ersten Male von einem Europäer betretenen Richtung noch manche Entdeckung machen können, denn meine Gesundheit war unerschüttert geblieben.

Im Frühjahr 1872 war ich wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Meinen ersten Reisebericht trug ich der Geographischen Gesellschaft von München vor, aber in Berlin, dem ich ganz angehörte, wurde mir von meinen akademischen Gönnern und seitens der Gesellschaft für Erdkunde mit den zahlreichen alten Freunden der wärmste und ehrenvollste Empfang bereitet. Besondere Beachtung ward meinen Reiseergebnissen in England zuteil. In der zu Brighton tagenden „British Association“ hatte Stanley, der kurz zuvor den verschollenen Livingstone aufgefunden, dessen Ansicht eifrigst verteidigt, dass der Lualaba nordwärts dem Gazellenfluss zuströme. Stanley versuchte damit den Nachweis zu liefern, dass von Livingstone nunmehr die wahre Nilquelle festgelegt sei.


David Livingstone

Seine Worte lauteten dem Sinne nach ungefähr folgendermaßen: „Was Colonel Grant da erzählt, setzt mich in Erstaunen. Ich habe noch nie davon gehört, dass ein Engländer bis zu jenen Gegenden vorgedrungen sei, und nun soll ‚a Herr of some sort‘ dort gewesen sein und hat einen kleinen Fluss gesehen. Keine Spur davon! Ein Fluss, den ein Livingstone entdeckte (Lualaba), kann nur der Nil sein (d. h. andere wären seiner gar nicht würdig).“ Dem aber widersprach aufs entschiedenste Grant, der Reisegenosse von Speke, und er bewies, dass diese Hypothese infolge der vor kurzem durch mich gemachten Entdeckung eines sich mit verkehrter Stromrichtung dazwischen einschaltenden Flusses, des Uelle, durchaus unhaltbar geworden sei. Vom großen Kongo, dessen Festlegung auf unseren Karten in der Folge Stanley zum größten Entdeckungsreisenden Afrikas stempeln sollte, hatte man damals noch keine Ahnung.



Uelle-Fluss

Einige Jahre später, als Stanley von seiner großen Kongofahrt zurückkehrend mich in Kairo kennen lernte, hat er den kleinen Ausfall gegen mich in vornehmer Weise wieder gutgemacht. Von der englischen Kolonie in Kairo wurde ihm damals im Hotel Shepheard ein Festessen gegeben, das Sir George Elliott zustande brachte. Als Stanleys Gast war ich von diesem selbst dazu eingeladen und ich hatte zu seiner Rechten den Ehrenplatz. Stanley hielt sogar noch eine wundervolle Rede, in der er mich feierte.


Henry Morton Stanley – 1841 - 1904

Nach meiner Rückkunft aus Afrika im Sommer 1872 erfolgte die Veröffentlichung des umfangreichen Werkes „Im Herzen von Afrika“ (Band 149e dieser gelben Buchreihe = ISBN 978-3-754104-26-2), dessen Entstehungsgeschichte vielleicht interessieren wird. Ich war im Rheinischen Hof, damals einem guten Hotel an der Ecke der Friedrich- und Leipziger Straße, abgestiegen und hatte dort die Bekanntschaft eines liebenswürdigen und sehr unterrichteten Deutschamerikaners, des Herrn Henry Jacoby, gemacht, der als Berichterstatter des New York Herald in Deutschland tätig war. Er nahm großes Interesse an meinen Erzählungen der Reiseerlebnisse und suchte mich alsbald für das Londoner Verlagshaus Sampson Low, Marston Low & Searle zu gewinnen, das damals durch Stanleys spannende Schilderung „Wie ich Livingstone auffand“ im Buchhandel der Welt eine große Rolle zu spielen begann. Der Titel meines geplanten Reisewerkes wurde bald festgestellt.

(Siehe Band 149 dieser gelben Buchreihe: Im Herzen Afrikas)

Ich schlug die Fassung vor: „Im Herzen von Afrika“, wozu Jacoby verschiedene Varianten in Vergleich stellte, bis er, nach mit Kennermiene (wie bei einer Weinprobe) allerseits geprüftem Wortklang, zu dem Ergebnis gelangt war, dass im Englischen sich „The heart of Africa“ am besten ausnehmen würde.

„Ich werde gleich an Sampson Low schreiben, sagte Jacoby, ich werde als Honorar ... Pfd. Sterling verlangen“ (er nannte einige Tausende). Ich mahnte zum Maßhalten. Endlich kam man überein, den Betrag für sämtliche Editionen auf 2.000 Pfd. Sterling festzusetzen. Freunde hatten bereits geglaubt, mir verlockende Aussichten auf deutschen Verlag eröffnen zu können. Ich erinnere mich wohl, wie Robert Hartmann mir von einem deutschen Verlag gesprochen hatte und von 600 Talern (oder waren es 800?), die sein Angebot seien. Nun stand ich einer ganz neuen Verlockung gegenüber, die mir zunächst phantastisch erschien. Aber es ging alles leichter, als ich gedacht, und es blieb bei der geforderten Summe. Die Antwort aus London traf bald ein und war zunächst in sehr entgegenkommender Weise an mich gerichtet. Herr Marston hatte sich offenbar bei den Londoner Botanikern über das „Vorleben“ des unbekannten Reisenden erkundigt. Es machte auf mich einen drolligen Eindruck, wenn er gar leichten Herzens Zutrauen zu meinen Leistungen zu bekunden schien, indem er sich auf ein aus so fremdem Lager abgegebenes Urteil stützte: – „Wenn Sie bei Schilderungen ihrer Reisen dieselbe Gewandtheit („the same facilities“) an den Tag legen, wie in der Botanik, so entsprechen Sie dem, was ich brauche“, hatte er geschrieben. Von meinen so umfangreichen Reiseberichten (seit 1864) in verschiedenen geographischen und naturhistorischen Zeitschriften – weil für den englischen Leser als nicht vorhanden betrachtet – nahm Mr. Marston nicht die geringste Notiz. Unnötigerweise hatte ich mir darüber Sorge gemacht und befürchtet, sie könnten dem Wert der englischen Veröffentlichung zum Schaden gereichen, dem Reiz der Neuheit Abbruch tun. Davon war bei den Verhandlungen keine Rede, man hielt sich in England nicht mit Nebensachen auf und verzichtete auf kleinliche Bemäkelung.

Was mir zur Empfehlung bei dem englischen Verleger sehr zustatten kam, war der Umstand, dass vor kurzem mein Name, allerdings bei einer mir ganz fremden Angelegenheit, in den englischen Zeitungen und in Verbindung mit Afrika rühmend erwähnt worden war. Die Times hatte einen zwei Spalten langen Artikel von Justus v. Liebig (1. Oktober 1872) gebracht, in dem ich als Zeuge für den Nährwert des Fleischextraktes angerufen wurde. Diesem waren bereits damals direkt nährende Eigenschaften in Abrede gestellt und nur anregende oder reizende zuerkannt worden. Jener erste Vortrag, den ich nach meiner Rückkehr in Deutschland über die Reisen 1868 bis 1871 zu halten hatte, fand vor der Geographischen Gesellschaft zu München, und zwar im Hörsaal des chemischen Laboratoriums statt. Unter den Zuhörern befand sich auch der Freiherr von Liebig. In dem Vortrage war unter anderem erzählt worden, wie ich im Lande der Niamniam aus dem Fleisch zweier am gleichen Tage erlegter Antilopen durch Zerhacken, Kochen, Filtrieren und schließliches Verdicken, durch Eindampfen mir einen Vorrat von zwei Flaschen sehr wohlschmeckendem Fleischextrakt herzustellen gewusst und wie dieser bei bald darauf eintretendem schlimmen Nahrungsmangel zu meiner Ernährung wesentlich beigetragen habe. Am folgenden Morgen, als ich den Botanischen Garten besuchte, wurde mir dort vom Inspektor der große Chemiker selbst vorgestellt. Er hatte mich offenbar erwartet, um mir zu sagen, dass ihn meine Mitteilungen über den selbstbereiteten Fleischextrakt und dessen erprobten Nährwert in hohem Grade interessiert hätten, und um nun daran die Frage zu knüpfen, ob ich wohl gestatten würde, dass er darüber in den Blättern berichte. So wäscht bei der Verkettung von Verdienst und Glück oft eine Hand die andere!


Justus von Liebig – 1803 – 1873

Es darf nicht wundernehmen, dass ich in der Folge von Freunden und Bekannten gelegentlich manches Wort des Tadels zu hören bekam, weil ich mich zur Veröffentlichung des Reiseberichtes zunächst an das Ausland gewandt hatte. Zu meiner Entschuldigung brauchte ich nur anzuführen, dass daraus weder der Wissenschaft Nachteil erwachsen, noch das Ansehen der deutschen Forschung in der Welt verringert worden ist.

Die große goldene Stiftermedaille der Londoner Geographischen Gesellschaft wurde mir nach dem Erscheinen meines „Im Herzen von Afrika“ für dieses Werk zuerkannt, wie die Begleiturkunde besagt, nachdem vor ihr die langjährigen botanischen Forschungen im Nilgebiet, die Feststellung der südwestlichen Begrenzung des Nilbeckens und die Entdeckung des Uelle jenseits dieser Wasserscheide, dann auch die Auffindung und Beschreibung des Zwergvolkes der Akka, als Bestätigung der alten Pygmäensage, unter den verdienstlichen Momenten namhaft gemacht worden waren.


Pygmäe

Außer den englischen in London und in Neuyork erschienenen Ausgaben meines Reisewerks sind auch italienische und namentlich mehrere französische Ausgaben der Öffentlichkeit übergeben worden. Als Kuriosum darf wohl auch die türkische Übersetzung angeführt werden, die in einem starken und illustrierten Band zu Konstantinopel erschien. Die erste deutsche Ausgabe von 1874 in zwei Bänden war bald vergriffen und ich musste später (1878) eine etwas gekürzte zweite in einem Bande zurechtmachen.

In den vier ersten Monaten des Jahres 1874 befand ich mich wieder auf Reisen in Afrika. Ich hatte zum Gegenstand meiner Forschungen die große Oase von el Chargeh gewählt und traf dort auf ihrem Rückzuge mit der von Gerhard Rohlfs zur Erforschung der Libyschen Wüste geleiteten Expedition zusammen.


Gerhard Rohlfs – 1831- 1896

Im August desselben Jahres beteiligte ich mich an der in Belfast abgehaltenen Tagung der British Association, wo ich über die besuchte Oase einen Vortrag hielt.


Heinrich Brugsch – 1827 – 1894

Auf Vorschlag von Heinrich Brugsch hatte mich der Khedive Ismail, laut Dekret vom 19. Mai 1875, mit der Gründung einer geographischen Gesellschaft in Kairo beauftragt, die ich am 2. Juni eröffnete, und die noch heute besteht. Ich blieb aber nur ein Jahr Vorsitzender dieser Gesellschaft und widmete mich, nachdem ich sie bei dem im August 1875 zu Paris abgehaltenen Kongress vertreten, dann eingehend der botanischen und geologischen Erforschung der östlichen Wüste, zu der ich im Frühjahr 1876 den ersten Streifzug, diesen in Gesellschaft von Paul Güßfeldt, ins Werk setzte. Ich habe in diesem Gebiet, mit Kamelen der Maase-Araber (gewöhnlich 12 an Zahl) 10 größere Reisen zur Ausführung gebracht und an Wegstrecke viele Tausende von Kilometern zurückgelegt. Zu der Kostenbestreitung hat mir das preußische Kultusministerium immer beträchtliche Unterstützung gewährt.

Auch im Westen des Niltals unternahm ich ausgedehnte Streifzüge. Viele Karten (30 Stück) entwarf ich von den durchreisten Länderstrecken, die bisher nicht aufgenommen worden waren, und die namentlich im Gebiet der östlichen Wüste zwischen 30° und 26° n. Br. noch als Terra incognita gelten konnten.


Kamel-Karawane – Foto: Sergey Pesterev

Dreizehn Jahre lebte ich als Privatgelehrter in Kairo ansässig und beschäftigte mich vorwiegend mit botanischen Studien. Ein großes Herbarium afrikanischer Pflanzen wurde in meiner Wohnung aufgestellt. Zusammen mit meinem alten Freunde Paul Ascherson, der fünfmal Ägypten besuchte, veröffentlichte ich 1887 im Bande II der Mémoires de l'Institut Egyptien eine Übersicht über die Flora von Ägypten, der 1889 noch ein Nachtrag beigefügt wurde.

Die geologischen und paläontologischen Ergebnisse meiner ägyptischen Streifzüge wurden dem für diese Fächer in Berlin vorhandenen Institut einverleibt, wo sie noch heute 14 Schränke füllen. Blankenhorn hat sie zum Teil auch in seiner 1921 erschienenen, alles Wissen vom Lande erschöpfenden Geologie von Ägypten verwertet.

Im Januar 1876 ist mir vom sächsischen Unterrichtsminister v. Gerber die Berufung auf den Lehrstuhl der Geographie an der Universität Leipzig angetragen worden. Ich war aber nicht gewillt, meine ägyptischen Forschungspläne nach Versuchen von so kurzer Dauer aufzugeben.

Im September 1876 war ich in Brüssel als Gast des Königs Leopold II. und als Mitglied der von ihm zusammenberufenen Afrika-Konferenz, die man als den Vorboten, ja als den ersten Akt der vom König mit so sicherem Zielbewusstsein ins Werk gesetzten Gründung des Kongo-Staats betrachten kann. Unter den 22 Teilnehmern befanden sich noch vier andere Deutsche: Oscar Lenz, Gustav Nachtigal, Ferdinand von Richthofen und Gerhard Rohlfs.


Leopold II. – König von Belgien – 1835 - 1909

Im Jahre 1879 wurde unter Vermittlung des deutschen Konsulats in Kairo meine Naturalisation als Reichsdeutscher ermöglicht, nachdem ich durch einen Machtspruch des Fürsten Bismarck, trotz meines Verbleibs in Ägypten, als preußischer Staatsbürger Aufnahme gefunden hatte.

Im Hochsommer 1880 habe ich den Libanon durchzogen und im Jahr darauf mit Emil Riebeck eine botanische Erforschung der Insel Sokotra, dann auch einiger Teile der südarabischen Küste in Ausführung gebracht.

Im Herbst 1881 teilte ich auf dem in Venedig zusammenberufenen Geographischen Kongress mit A. de Quatrefages den Vorsitz der für die Ausstellung von Karten und Reisewerken eingesetzten Prüfungskommission.

Im Juni 1882 war ich nach einer dreimonatigen mit Kamelen ausgeführten Rundreise um Oberägypten nach Kairo zurückgekehrt, als alle Europäer, die dazu imstande waren, vor dem durch den ägyptischen Oberst Arabi-Pascha veranlassten Aufstand zu flüchten begannen. In Alexandria verbrachte ich, vor und nach der Beschießung der Stadt (d. h. der Forts) durch die englische Flotte, böse Tage und im Hause meines Freundes Eduard Friedheim war ich sogar mit diesem in arge Bedrängung durch den im Aufruhr befindlichen und bewaffneten Pöbel geraten, der wohl einzigen Lebensgefahr, der ich mich entsinne, in Afrika ausgesetzt gewesen zu sein. Es war am 11. Juli, als wir, im Begriff an Leinwandrollen aus den oberen Fenstern herabzugleiten, uns von den bewaffneten Volksmassen der Straße auf einen Balkon ausgesperrt sahen und gegen die Anstürmenden acht Stunden lang standzuhalten hatten. Wir flüchteten später nach dem großen Diakonissenhaus, das bis zur Landung der Okkupationstruppen als Zufluchtsstätte vieler Bedrängten einige Sicherheit darbot.

Im April 1883 konnte ich an Bord des deutschen Kreuzers „CYKLOP“ (Kap.-Leutn. Kelch) von Alexandria aus eine behufs vorzunehmender Schießübungen ausgeführte Fahrt längs der Küste nach Westen mitmachen, die sich bis zu der damals zum türkischen Gebiet gehörigen Hafenbucht von Tobruk ausdehnte. Es war mir gestattet, an dieser selten betretenen Küste verschiedene Exkursionen zu unternehmen und meinen Sammlungen reiche Ausbeute zuzuführen.

Als altes Mitglied der englischen Antisklavereigesellschaft habe ich an den Vorsitzenden Charles Allen von Berlin aus die Aufforderung telegraphiert, es müsse schleunigst gegen die Mahdisten im Sudan vorgegangen werden, weil General Gordon sich in Khartum in äußerst bedrängter Lage befände und es jetzt die elfte Stunde sei, wenn man ihn noch retten wolle. Die Times vom 19. Juli 1884 brachte meine Nachricht als Alarmdepesche, und ich erlitt vielen Tadel wegen Übertreibung der Gefahr. Immerhin glaubte ich mich später rühmen zu dürfen, den Entschluss zum Feldzug wenigstens gefördert zu haben, denn Gordon ist doch nur infolge der verspäteten Hilfe umgekommen.

Obgleich von Anfang an ein sehr eifriges Mitglied der Deutschen Kolonialgesellschaft, war ich doch nicht in der Lage, ihren Bestrebungen von unmittelbar förderndem Nutzen zu sein, zumal, da ich kein einziges von unseren Kolonialgebieten aus eigener Anschauung kennen gelernt habe. Trotzdem wurde mir bereits im November 1886 unter dem Präsidium des Fürsten Hohenlohe-Langenburg die Ehrenmitgliedschaft dieser Körperschaft zuteil. Besonders bei zwei Anlässen bot sich mir eine Gelegenheit, in öffentlicher Rede die kolonialen Interessen zu vertreten. Bei der 59. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte hielt ich 1886 im Zirkus Renz zu Berlin einen Vortrag über „Europas Aufgaben und Aussichten im tropischen Afrika“, wo meine erregten Worte über unsere als „Abenteurer“ missachteten Vorkämpfer stürmischen Beifall fanden, wie mir ähnliches in meinem Leben nie zuteil geworden ist. Ich habe auch in einer am 17. August 1889 von der Deutschen Kolonialgesellschaft veranstalteten Protestversammlung gegen Englands Missachtung des vom Kongovertrag verheißenen freien Handelsverkehrs auf den Strömen, über „Deutschlands Verpflichtungen gegen Emin Pascha“ gesprochen und zur Begrüßung des aus Afrika zurückgekehrten Karl Peters am 25. August 1890 die Festrede gehalten.


Carl Peters – 1856 – 1918

(siehe Bände 152 und 154 in dieser gelben Reihe)

Nach Beendigung der von Karl Peters unternommenen Emin Pacha-Expedition war ich bis August 1891 Vorsitzender des Komitees der Peters-Stiftung, die zu einem die kolonialen Interessen in unserem Ostafrika fördernden Unternehmen (Dampfer auf dem See von Ukerewe) große Summen zusammenbrachte.

Der Vorsitz im „Institut Egyptien“ wurde mir 1887 übertragen. Diese vorwiegend französische Gesellschaft vertrat, in Tradition der vom General Bonaparte 1798 unter gleichem Namen aus den der französischen Expedition beigegebenen Gelehrten gebildeten Körperschaft, schon seit 28 Jahren in Kairo die wissenschaftlichen Interessen.

Am 1. Juli 1888 habe ich meine Wohnung in Kairo aufgegeben, um mich in Berlin ansässig zu machen. Damit meinen umfangreichen Herbarien eine bequeme Aufstellung gesichert würde, räumte mir der mit den Universitätsangelegenheiten im Kultusministerium beauftragte Ministerialdirektor Althoff das obere Stockwerk des an der Südostecke des damaligen Botanischen Gartens (jetzt des „Kleist-Parks“) gelegenen Häuschens ein, des sog. Steuerhäuschens, das ich 20 Jahre lang bewohnt habe, bis es im Jahre 1909 zum Abbruch gelangte, nachdem die große Gartenanlage nach Dahlem verlegt worden war. Auf des gütigen Althoff Betreiben wurden im neuerbauten Botanischen Museum zu Dahlem meinen Herbarien zwei große Stuben eingeräumt und sie kamen dort in ihren 102 Schränken zur Aufstellung. Gegen eine mir gewährte Rente wurde die Sammlung dem Staat vermacht und bei meinen Lebzeiten sollte sie von mir verwaltet werden.

Obgleich ich nun in Berlin als Einwohner eingeschrieben war, habe ich doch in den Winter- und Frühjahrsmonaten immer wieder Ägypten oder Nordafrika (Algerien und Tunesien) aufgesucht, um meinen botanischen Forschungen nachzugehen und die Sammlungen zu bereichern.

Die von mir längst sehnlichst erstrebte Ausbeutung von Jemen konnte ich in den Frühjahrmonaten 1889 und in dem vorhergegangenen Winter zur Ausführung bringen: „in memoriam divi Forskalii“, meines Vorgängers von 1763, wie es die den eingesammelten Pflanzen beigegebenen Zettel bekunden. Von den durch Forskal in Jemen aufgefundenen und neubeschriebenen Pflanzenarten konnte ich an den nämlichen Standorten Belege einsammeln, die den ursprünglichen Originalexemplaren als gleichwertig zu betrachten waren.

Im Jahre 1891 wurde zum Studium von Kolonialfragen und zur vorbereitenden Besprechung von Regierungsvorlagen für den Reichstag in Berlin ein „Kolonialrat“ berufen, dem ich bis zu seiner am 18. Februar 1908 erfolgten Auflösung als Mitglied angehört habe. Als eine Art Ableger blieb vom Kolonialrat noch ein aus 11 Mitgliedern bestehender Sachverständigen-Ausschuss bestehen, zu dem ich gehörte, und dem als „Landeskundliche Kommission“ die Aufgabe zufiel, der kolonialen Zentralverwaltung Vorschläge zu Forschungsunternehmungen in den verschiedenen Gebieten zu unterbreiten. Die letzte Sitzung dieser von Hans Meyer präsidierten Kommission fand am 12. Juli 1919 statt.

In den Jahren 1891-94 unternahm ich drei ausgedehnte Streifzüge, den letzten mit Max Schoeller, Alfred Kaiser und Ernst Anderssen durch die von Italien als „Colonia Eritrea“ in Besitz genommenen Teile von Nordabessinien. Ich erwarb dort, ebenso wie in Jemen sehr umfangreiche Sammlungen von getrockneten Pflanzen und berichtete verschiedenes über meine Wahrnehmungen in deutschen und italienischen Zeitschriften.

Den Juli 1896 verbrachte ich bei meinen Verwandten am Seestrande von Riga, meiner Vaterstadt, die ich seit vielen Jahren nicht mehr aufgesucht hatte, da die Angehörigen sehr häufig nach Deutschland zu kommen pflegten. Ich wiederholte den Besuch im Juli und August 1900 und zum letzten Male im Juli 1905. Mein Vater war 1858 im Alter von 71 Jahren gestorben, die Mutter 1875 im Alter von 77 Jahren. Mein Bruder Alexander, der 12 Jahre älter als ich in Rom im Januar 1895 verstarb, ist, wie der Vater, nur 71 Jahre alt geworden. Er war von seltener musikalischer Begabung und, wie viele Kenner behaupteten, ein Künstler durch und durch. Obgleich er sich meist in Italien aufhielt, hatte er das vom Vater in Riga 1820 begründete Geschäft mit Erfolg fortführen können. Alexander hat eine Familienstiftung mit 12 Legaten hinterlassen, von denen ich eines bezog. Infolge der russischen Revolution ging es verloren.

In den Jahren 1902 bis 1907 war ich vornehmlich bemüht, mit möglicher Gründlichkeit in die Geheimnisse der ägyptischen Steinzeit einzudringen. Indes beschränkte ich mich auf stratographische und morphologische Studien. Vor allem waren es die Höhen und die Steinflächen auf der Westseite des Niltals beim alten Theben (Luksor), wo mir reiche Belehrung geboten ward und sich unerschöpfliche Fundgruben erschlossen für meine großen Sammlungen von wohlerhaltenen Steinwerkzeugen aller Art, die ausschließlich den archäolithischen (eolithischen) und paläolithischen Epochen der Vorzeit angehörten. Von 40 verschiedenen Fundstätten sind sie zusammengetragen worden und an 40 verschiedene Museen und Privatleute habe ich davon Mustersammlungen der Typen verschenkt. Auch bei meinem Aufenthalt in Sizilien und in Tunesien habe ich mich mit großem Eifer diesen von mir in früherer Zeit vernachlässigten Studien hingegeben.

Die Winter- und Frühjahrsmonate der Jahre 1901, 1906 und 1908 verbrachte ich abwechselnd in Algerien und in Tunesien. Ich hielt mich, außer in Algier und Tunis, hauptsächlich in Hamman Rira, Biskra, Hammam, Meskutin, Bona, La Calle und in Gafsa auf, wo die Flora meinen Sammlungen den größten Gewinn darbot.

Von meinen 40 jährigen Besuchen in Ägypten bin ich seit 1874 selten nach Berlin zurückgekehrt, ohne auch einige Kleinigkeiten von Altertümern mitzubringen. Meine Hauptaufmerksamkeit war immer auf pflanzliche Reste gerichtet, die sich in Gräbern unter den Totenbeigaben, aber auch an anderen Stellen vorfanden, und von denen ich Exemplare im Botanischen Museum ablieferte, wo sie in einigen Glasschränken ausgestellt sind. Eine noch unpublizierte Zusammenstellung (4 Kartons meiner Bibliothek), der mir aus dem alten Ägypten nach substanziellen Funden bekannt und nachweisbar gewordenen Pflanzen, umfasst nahezu 200 Spezies. Diese Zusammenstellung ist in dem ersten Bande der „Gartenpflanzen im alten Ägypten. Ägyptologische Studien von Ludwig Keimer (deutscher Ägyptologe – 1892 – 1957), 1924“ ausführlich benutzt worden und soll auch in den späteren Bänden dieses Werkes zu Rate gezogen werden. Die deutschen Ägyptologen haben, auf A. Ermans Anregung, dafür, dass ich „ihren Gesichtskreis erweitert“, zu meinem 80. Geburtstag 1916 mir ein Anerkennungsschreiben gewidmet, das 35 Unterschriften trägt, und das ich als die hervorragendste Ehrung betrachte, die mir an diesem Tage zuteil geworden ist.

In verschiedenen Ländern bin ich Mitglied von 60 verschiedenen wissenschaftlichen Gesellschaften geworden. Ihrer dreißig haben mich zum Ehrenmitglied ernannt, und von diesen als erste die Gesellschaft naturforschender Freunde in Berlin am 9. Dezember 1862, als Gottfried Ehrenberg den Vorsitz führte. Zum Ehrendoktor der Medizin wurde ich von der Heidelberger Universität gelegentlich ihrer Zentenarfeier im August 1913 ernannt, wo ich 41 Jahre vorher meinen Dr. phil. gemacht hatte. Das Prädikat Professor (ohne Lehrauftrag) ist mir vom preußischen Kultusminister v. Puttkammer 1880 verliehen worden.

Januar und Februar 1909 habe ich in den Wüstentälern der Umgebung von Assuan die an den Sandstein und Granitfelsen angebrachten, den ältesten Epochen zugehörigen, zum Teil prähistorischen Graffito-Zeichnungen von Tierbildern aufgenommen, dann auch die dort verbreiteten paläolithischen, nicht aus Kieselstein, sondern aus Quarzit hergestellten Steinwerkzeuge entdeckt, die auch auf eine südliche Herkunft der Urbewohner Licht werfen können.

Nach 46 Jahren verbrachte ich 1912-13 zum ersten Male wieder Winter und Frühjahr in Europa, aber in dem milden Klima von Mentone, wo die Umgebung durch die Menge der prächtigsten Gärten mir besondere Anregung bot und meinen botanischen Sammlungen reichen Zuwachs brachte.

Im Dezember 1913 feierte die geographische Gesellschaft in Kairo das 50jährige Jubiläum, das ihr Gründer in Afrika beging und Dr. Abbate Pascha überreichte mir als Vorsitzender, umgeben von den den verschiedensten Nationalitäten angehörigen Mitgliedern des Vorstandes, ein schön ausgeführtes Gedenkblatt.

Am 14. Mai 1914 habe ich auf Nimmerwiedersehen das schöne Sonnenland Ägypten und seine sympathischen Bewohner verlassen.

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Georg Schweinfurth: Afrikanisches Skizzenbuch

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