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1. Kapitel

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GLORIA FRÖHLICH

TODSICHER

MORDSMÄSSIG

MAKABER

Nachdem sich die energischen Geräusche der Schuhsohlen entfernt hatten und mehr und mehr im Nichts verhallten, war die Stille der emphatische Begleiter der Erlösung von dem kläglichen Rest ihres Menschseins. Selenruhig, ergab sie sich den filigranen, bleichen Fingerknochen, die sich ihr lautlos genähert hatten, als sie aufhörte, zu atmen. Sie wurde gehalten von diesem, bisher so gefürchteten Jetzt, doch nun nicht mehr imaginären Gehilfen nach dem vergeblichen Kampf um ihr Dasein und hatte ergeben hingenommen, wie sich die Endlichkeit sanft und erlösend über sie legte. Ihre Erwartung, sie würde augenblicklich mit einer unvorstellbaren Leichtigkeit in ein gleißendes Licht eintauchen und mit einer jubelnden Engelseskorte in die schwindelnde Unendlichkeit des Universum aufsteigen, erfüllte sich nicht. Es öffnete sich auch kein gewaltiges Portal, durch das sie in eine andere, außerirdische Dimension gelangen und mit entsprechendem Aufwand, vielleicht sogar von ihrem wachsamen Schutzengel, freudig empfangen wurde. Und somit empfand sie schmerzlich ihre Unwichtigkeit und fühlte sich um die versprochene, unermessliche Herrlichkeit, die ihr nach dem Tod zuteil werden würde, betrogen und war auf anderes nicht gefasst und vorbereitet. Und obwohl sie es sich fest vorgenommen hatte, verpasste sie den kurzen Moment, der ihr noch blieb, um sich nach ihrer maroden, noch warmen Leiche auf dem weißen Laken im Hospiz umzuschauen, denn sie entfernte sich mit zunehmender Geschwindigkeit von ihrer letzten Station auf der Erde, tapfer witternd, vielleicht in der Hölle zu landen, da es nicht nach oben ging. Ihre erstaunliche Gelassenheit machte die Ungewissheit, was sie nun ertoten würde, leicht. Und so nahm sie es als gegeben hin, in einer grauen Nebelwand zu verschwinden, in eisiger Kälte mit dem Tod zu verschmelzen und dadurch fast trunken und mit einem Gefühl beginnender Glückseligkeit, in die finstere Ewigkeit einzutauchen.

Die Ewigkeit!

Jemanden ewig lieben zu wollen, ein Schwur mit der Gewissheit, dass dieses Versprechen todsicher begrenzt ist, macht die Sache beruhigend überschaubar. Aber die tatsächliche Ewigkeit war so richtig ewig für immer und ewig ewig. Das bis eben noch vorhandene, substanzielle Gefühl war verschwunden. Sie war jetzt ausschließlich das Leise und Vertraute und das für andere stets unsichtbar Gebliebene, die mit ihrer Leiche nicht mehr vereinte Seele, die sich schwerelos auf und davon machte. Schleichend setzte nun der Prozess ein, bis auf wenig Diffuses jeglicher Erinnerungen an frühere Leben verlustig zu werden.

Der graue Nebel löste sich nicht auf. Ganz im Gegenteil, er wurde dicht wie mittelalterliches Leinen und umschloss sie fester, während sie sich jetzt taumelnd in einem weichen, linksdrehenden Strudel befand und mit geradezu sanfter und gleich bleibender Rotation immer weiter nach unten mitgenommen wurde, tief und tiefer, unendlich tief, dem himmlischen Willen folgend, und mit der spürbaren Erkenntnis, dass ihr Unterbewusstsein fester Bestandteil geblieben war und sie wie ein Schatten begleitete.

Die Rotation verlangsamte sich mehr und mehr, der Strudel löste sich auf und entließ sie mit einer unbeschreiblichen Sanftheit in die unendliche Weite des Universums, in der die Sterne millionenfach funkelten.

Und obwohl sie sich halt-, boden- und grenzenlos meinte, verspürte sie eine phantastische Energie, eine stabile Vertrautheit und wusste intuitiv, was zu tun war, vielleicht aufgrund der Erfahrung mehrfacher Wiederkehr. In unmittelbarer Nähe grummelte in der tiefblauen Dämmerung ein hohes und ziemlich breites Dickicht aus wabernden dünnen und dicken, transparenten Fäden abgestreifter Seelenqualen, das es nun ziemlich beschwerlich zu durchdringen galt. Sie vermutete, eine Art Reinigung von allen irdischen Spuren und eine scheinbar erforderliche Notwendigkeit für jede himmlische Seelenweiterentwicklung, die sie unbeirrt und ohne zu zögern und in der Hoffnung, das Dickicht erfolgreich zu durchschweben, anging. Danach beschwebte sie allein und selenruhig, genau mittig, eine Art Boot, das hinter dem Dickicht zur Verfügung stand, und das umgehend von einer zärtlichen Macht durch eine der schlundartigen Öffnungen einer riesigen, beweglichen und transparenten Blase ins Innere derselben gesaugt wurde. Durch die wiegenden Bewegungen der Blase und des Bootes, spürte sie, wie sich ihr Unterbewusstsein in gleichmäßigem Rhythmus kaum wahrnehmbar von ihr entfernte, sich sofort wieder an sie schmiegte und somit kaum wegzufühlen war, was sie in dieser Situation ziemlich verwirrte. Erst jetzt nahm sie an den Wänden der Blase massenhaft die winzigen, zarten und unverkennbar noch ziemlich unterentwickelten Seelen von Einzellern wahr, die vermutlich von Pantoffeltierchen und Amöben Abschied genommen hatten, und die für die Ewigkeit aussortiert, auch im Weltall für die Artenvielfalt sorgten und somit eine Existenzberechtigung hatten.

Sie suchte durch das Transparent der Blase nach weiteren Himmelsbewohnern, die außerhalb der Blase das Universum beseelten und besiedelten. Aber wo verbargen sich die jauchzenden, himmlischen Heerscharen, die großen und die kleinen Engel, die gerade oder momentan arbeitslosen Schutzengel, die es doch massenweise geben musste und aus dem Universum gar nicht wegzudenken waren. Die Möglichkeit, hier im Jenseits mit ihnen in direkten Kontakt treten zu können, hatte ihre Phantasie in den wechselnden Fleischgehäusen völlig überfordert.

Aber jetzt, als abgekuppelte Seele war sie nur allzu bereit für eine Begegnung mit den wunderschönen, geheimnisvollen, geflügelten Himmelsboten. Mit einem kaum hörbarem Seufzer bäumte sich das Boot nun geringfügig auf, schlich durch eine zweite wurstzipfelartig gekrauste Öffnung, wurde von einer sanften Woge erfasst und auf einen zweckentfremdeten, an günstiger Stelle geparkten Meteoriten nach draußen gehoben. Das Boot schwebte dort so fixsternenfest, dass es ohne Schwierigkeiten verlassen werden konnte. Die Amöben- und Pantoffeltierchenseelen zuerst. Sie schwebten als geschlossene Gruppe in eine Richtung, als würden sie sich gut auskennen und verschwanden umgehend in der Unendlichkeit des düsteren Universums, zielsicher auf dem Weg in andere Galaxien. Auch sie spürte sogleich wieder die Bodenlosigkeit des Weltalls unter sich, nachdem sie das Boot verlassen hatte und nahm eine großartige, himmlische Stille wahr, die in ihr ein unsagbares Glücksgefühl auslöste, dass sie glaubte, zu zerspringen, wäre sie eine einheitliche, amorphe Masse gewesen, die aus der Schmelze von Quarzsand entstanden war. Aber nie hätte sie vermutet, dass es abgesehen von den 100.000 Milliarden Sonnen, die eine große Sterneninsel bilden, eine so genannte Galaxis, und sich als Milchstraße durch das Himmelsgewölbe schlängelt, und in deren Mitte sich die Sonne befindet, und von der die Haut ihrer jetzigen Leiche damals ohne Sonnenschutzfaktor 50 hin und wieder einen unangenehmen Sonnenbrand davongetragen hatte, hier so ein Hochbetrieb herrschte. Und niemals hätte sie angenommen, dass es abgesehen von den unzähligen, mehrere Lichtjahre entfernten Fixsternen der Sternbilder, die sie alle kannte, hier dermaßen rappelvoll sein würde, wenn sie auch noch den Sternhaufen der Plejaden, von denen sie mit bloßem Auge sechs bei sternenklarem Himmel von der Erde aus hatte gut erkennen können, die über Hundert kugelförmigen Sternenhaufen, die um die Milchstraße eine Art Käfig bilden, die Doppelsterne, die veränderlichen Sterne, alle übrigen, nicht selbst leuchtenden Planeten, die sich durch ihr ruhiges Licht von den funkelnden Fixsternen unterscheiden, Kometen, Meteore und natürlich den Mond, dem einzigen Trabanten, der um die Erde kreist, die sie gerade eben verlassen hatte und ebenso die Gas- und Staubwolken, dazu zählte. Und die große, wabernde, transparente Blase spuckte ohne Unterbrechung einen todernsten Seelenneuankömmling nach dem anderen aus, denn auf Erden ist ohne Unterbrechung die Hölle los! Die Hölle? Todsicher ist jedenfalls, und das muss einem doch zu denken geben, dass dort „auf Teufel komm raus“ auf grauenhafte Art und Weise gemordet wird, indem totgefahren, aus mehrerlei Gründen totgeschossen und totgeschlagen, mit Absicht oder aus Versehen auch totgetreten und in Panik bei einer großen Menschenansammlung regelrecht totgetrampelt wird. Und wieso kommt es vor, dass sich jemand, aus triftigem Grund totärgert, und auch Selbstmord als Erlösung in ausweglosen Situationen in Erwägung zieht? Es wird allerdings auch ohne eigene Schuld todtraurig totgeboren, und das ist ein Schicksal, das unser tiefstes Mitgefühl bekommt.

Es wird sich selten totgelacht, weil es wenig zu lachen geben soll, und es kommt vor, dass sich todgelangweilt wird. Aber in den meisten Fällen und nicht gerade todesmutig, aber weil todkrank todbringend und todgeweiht bedeutet, wird eben massenhaft gestorben. Und jeder sehnt sich dann danach, in den Himmel, sozusagen in das PARADIES und nicht in die Hölle zu kommen.

Das Gerangel an der großen, wabernden, transparenten Blase war jedenfalls unvorstellbar groß, denn alle Seelen drängten vorwärts, nachdem sie teilweise mit großen seelischen Nöten durch das grummelnde Dickicht der Seelenqualen geschwebt waren. Manche fanden das sogar todschick, andere aber wanden sich ganz erheblich und blieben, von der Anstrengung todmüde, resignierend darin hängen, weil sie von vornherein bockig auf diese ruinös empfundene Lektion reagierten. Für eben diese war es seelisch kaum zu ertragen, sich fügen zu sollen und unmöglich, irdische Untugenden auch nur teilweise abzustreifen. Doch das grummelnde Dickicht agierte mit Zwirbel und Zwurbel gegen diese Querulanten, bis sie als mehr oder weniger sorgfältig gereinigte Seelen aus dem Dickicht schwebten und sich bis auf sagen wir mal, Zweidrittel, die dieses Erlebnis todsicher todschwiegen, sich ganz wohlzufühlen schienen. Das unruhige Durcheinander der unentwegt nachfolgenden Seelen wurde zu einem dichten Pulk, der sich immer wieder neu zu formieren schien. Aber da die Seelen der Menschen, wie sie jetzt seelennah erfuhr, tatsächlich unsterblich waren, konnte das Gedränge nicht für große Verwunderung sorgen, und so verzeichnete sie den gigantischen, geschlechtslosen Seelenhaufen um sich herum, als das wohl Normalste im Universum.

Unwillkürlich war sie mitten in die Seelenmasse eingeschwebt, schwebte kollektiv auf und nieder, hin und her, und befreit von ihrer Klaustrophilie, genoss sie außerhalb einer Atmosphäre die angenehme Atmosphäre des engen Beisammenseins mit der breit gefächerten Seelenverwandtschaft in vollem Vibrieren. Um sie herum wimmelte es nur so von kleinen, großen, alten und jungen, kranken, einsamen und verlorenen Seelen. Dazu kamen noch die Seelenkrüppel und die wenigen gesunden Seelen, die sich hier aber ausnahmslos alle nach irdisch üblicher, tüchtiger Gegenwehr und somit allesamt nicht freiwillig, aber gezwungenermaßen dennoch Seelen verbunden und in angestrebter, grenzenloser Seligkeit versammelt hatten, um sich vertrauensvoll hinzugeben und für immer in der Ewigkeit zu verschwinden, oder je nach Mentalität, anderes für sich in Erwägung zu ziehen. Es bestand zum Beispiel die Möglichkeit, nicht erst nach himmlischer Erkundung, mehr oder weniger positiver außerirdischer Erfahrung, und nicht ausbleibender Gewöhnung und zu aufkommender Langeweile verurteilt, in der Ewigkeit zu verharren, sondern ganz spontan über den Seelenwanderungsweg zurück zur Erde und in ein neues, ganz normales Fleischgehäuse ohne jegliche Gebrauchsspuren zu schlüpfen. Aber es gab auch unzählige Seelen, die eine Reinkarnation beharrlich ablehnten und oder trotz guter Aussichten, einfach verweigerten. Und dann bekam sie die bemerkenswerte Information, dass seelenlose, nagelneue Fleischgehäuse, bei denen es schon in den Sternen steht, dass sie eines Tages zu VIPS avancieren, unvorstellbar begehrt waren, und dass es für dieses verständliche Begehren, sie zu bewohnen, schon ewig extrem lange Wartelisten gab. Es war alles noch in der Schwebe. Doch bevor so wichtige Entscheidungen getroffen wurden (es gab für reinigungsresistente, reuelose Seelen, die glaubten, für ihre Schandtaten auf Erden nach dem Ausschweben aus dem Leichnam, nicht büßen zu müssen, ohne wenn und aber den Abgang in die Hölle), schaute jede Seele, selenruhig in das gewaltige Seelenbuch, dem Verzeichnis der Seelenmessen, als Information und Zeitvertreib, das aufgeschlagen und für jeden problemlos einsichtig, durch die dichte Seelenmenge schwebte. Es gab niemanden, der glaubte, einer anderen Seele aus der Seele hauchen zu müssen, denn jede Seele hauchte hier für sich selbst. Klagte, hinterfragte, verunglimpfte, vermutete, zweifelte an, zürnte zuweilen, blieb locker, verbreitete Frohsinn oder blieb bemitleidenswert in sich gekehrt, und das alles mit lautlosen Himmelszeichen, ganz nach Seelenart trotz ausreichender oder unzureichender Reinigung. Es ging auch hier lediglich ums Nörgeln und sich wichtig machen. Sogar die etwas starr anmutenden Seelen von Häusern, die eher flexiblen Seelen, die Gärten zu etwas Besonderem machten, und auch die von jahrelang enormen Profit abwerfenden Wurstbuden und anderen Geschäften, mit deren Abgang etwas menschlich Liebgewonnenes und in der Presse bedauernd Erwähntes, für immer verloren gegangen war, waren anwesend, blieben aber im Hintergrund und waren sozusagen eine mehr oder minder kleine Randgruppe. Die Seelen, die mit genetisch bedingter Blindheit gestraft waren, bemühten sich hier nicht zum ersten Mal mit enormer Anstrengung, etwas von dem zu erkennen und zu verstehen, was es in dieser himmlischen Szenerie zu verstehen gab, um ihre Seelenblindheit für immer abzulegen und somit einen Schritt ins angestrebte PARADIES weiter voran zu kommen. Eine Wolke aus Sternenstaub hielt Nahrung für alle Seelen bereit, und es wunderte keine Menschenseele, dass es dafür genügend Abnehmer gab. Als eine Horde Seelenfresser sofort zur Stelle war und sich gierig alles von der Seelennahrung nahm, was sie bekommen konnte und das schließlich bis auf den letzten Rest, war ein derartiges Verhalten für weniger Gierige einfach armselig. Dann gab es noch die wenig Seelenvergnügten, die aus dem Leib geredet oder geschrieen worden waren, weil zwei Fleischgehäuse nicht ein Herz und eine Seele gewesen sind. Die Seele eines ausgebufften Seelentöters, ein gefürchteter Seelenmörder, der auf der Erde weiß Gott keine Seele von Mensch gewesen ist und sein ausgeprägtes Seelenleiden nicht zu ignorieren war, sowie die Seele einer VIP, die sich auf der Erde todgestellt hatte und von seiner Partei lebendig begraben wurde, weil er politisch längst ein toter Mann war, lauerten an den soften Kraterrändern der schwarzen Löcher, um arme Seelen in die unbegrenzten Kapazitäten der finsteren Tiefen zu locken. Und mit einer mörderisch gut getarnten Geste „von mir aus werde selig“ gab einer von ihnen den seligen Seelen ein gut gemeintes Stupserchen, in Form eines soften Drängens durch die eigene Seelenstärke, woraufhin sie selig kreisend um die eigene Achse und zur eigenen Zufriedenheit, für immer und ewig in dem tiefen Schwarz verschwanden und das zweifelsfrei als seelengut und mit recht und im wahrsten Sinne des Wortes, für sich als „Fortkommen“ einstuften. Eine ganze Armada Seelendoktoren verdichteten sich und signalisierten mit ausgeklügelten Himmelszeichen jeder verzweifelten Seele, die sich in einem Seelentief befand, ein auf ihr Profil genau zugeschnittenes Seelenheil und bei spürbarem Erfolg auf seelische Gesundung, einen immerwährenden Seelenfrieden, sprich die ewige Seelenruhe. Andere bekamen wegen chronischer, unerträglicher Seelenschmerzen seelische Wechselbäder, und viele hatten schon etliche Seelenwanderungen ergebnislos hinter sich - und das waren, wenn hochgerechnet wurde, die meisten. Die wendeten sich in ihrer seelischen Not an die Seelenverkäufer, in der Hoffnung, nicht unselig verschachert, sondern an verdiente und mit viel Verständnis für das Jammertal ausgezeichnete Seelsorger vermittelt zu werden, die dann rasch für Abhilfe sorgten, was immer darunter zu vermuten war. Und jene Seelen mit erschreckend lang andauernder, nächtlicher, blickdichter Kinderzimmer-Erfahrung, die sich verständlicherweise damit schwer taten, sich angstfrei und vertrauensvoll in die Finsternis des Universums fallen zu lassen, baten die Seelsorge um Genehmigung dafür, ihr Seelenfünklein, den innersten, göttlichen Teil in sich, für einen angenehmeren Aufenthalt, leuchten zu lassen, um ihre Seelenkraft zu stärken, verbunden mit der Selbstverständlichkeit, den Sternen die Existenzberechtigung nicht zu nehmen. Aber noch niemals war es vorgekommen, dass sich eine einzige, mit akademischem Titel noch schwach behaftete Seele aus seelischem Anlass heraus vorwagte und um „Selen“ als Leitfähigkeit im Dunkeln bat, mit der einleuchtenden Begründung, sie wäre schließlich kein lichtscheues Gesinde. Sie wurde jedoch mit eindeutigem Himmelszeichen abgewiesen und ohne Alternative unzufrieden vibrierend zurückgelassen. Auch sie wendete sich dann an die Seelsorge in einem schleierhaft abgegrenzten Seelsorgebezirk, weil sie diese Institution auf Grund deren ewiger Erfahrung für seelenkundig genug hielt, um ihr zu einem seelischen Wohlbefinden zu verhelfen, damit sie ihre seelische Balance nicht verlor. Ziemlich schwer hatten es die seelisch Verkümmerten leichten Grades ohne seelische Kontakte, was sich in seelischer Niedergeschlagenheit äußern konnte, schlimmstenfalls in seelische Erregung umschlug oder als weit verbreitete Seelenschwäche gedeutet wurde. Und dann wurde dieser Teil im Universum zu einem Austragungsort des Frustes von einer absolut nicht zu reinigenden, irrsinnig zuckenden Gruppe schwer gestörter Seelen, die von der sonst gutmütigen, gekrausten Wurstzipfelöffnung der riesigen, flexiblen, transparenten Blase samt Boot, ziemlich ungehalten und mit Vehemenz ausgespuckt wurde, so dass es dadurch ziemlich viele seelische Erschütterungen gab. Das Benehmen der ausnahmslos, spürbar arg Gestörten, schockierte und soll hier aus Schutz vor Ekel oder sogar Nachahmung, nicht beschrieben werden. Es war jedenfalls ausgesprochen unselig und ganz anders noch als die demonstrativen Auftritte der kranken Seelen. Bei denen ging es eigentlich neben der eindringlichen Forderung nach Unversehrtheit viel mehr um das äußere, erschütternde Erscheinungsbild. Und das war in einigen Fällen derart schockierend, dass es nicht verwunderlich war, dass die kranken Seelen dadurch zu verstörten, ruhelosen Außenseitern wurden. Blutleer, wie Ziegenkäse und so flach wie abgelaichte Maischollen, aber ziemlich gekünstelt, lebens- und wahnsinnig erlebnishungrig. Und das war im Universum völlig unangebracht! Zu ihrer Verwunderung waren Erlebnisse im Universum jedoch gar nicht so abwegig, denn um sie und die anderen neu angekommenen Seelen bei Laune zu halten, bis über jeden weiteren Werdegang mit viel Empathie entschieden war, wurden sie von einer Seele, die so alt war wie das Universum, durch eindeutige Himmelszeichen dazu aufgefordert, mit ihr in eine Richtung weitab der transparenten, großen Blase zu schweben. Wenig später befand sie sich dicht aneinander gedrängt in dem kaum zu beschreibenden, überdimensionalen Seelenhaufen und hatte trotzdem freien Blick auf die grenzenlose Schönheit einer riesigen, ganz besonders zauberhaften Kugel und noch anderen schwebenden, weitaus unattraktiveren Rundkörpern. Außerdem waren seelenlose, merkwürdige „Außerhimmlische“ unterwegs, die wohl mit profanen Aufgaben beauftragt waren, weil sie die Kugel in einer vorgeschriebenen Regelmäßigkeit zu umrunden schienen. Auch sie war himmelsüblich jeglicher Erinnerung aus ihren verlassenen Erdenexistenzen bereits mehr und mehr verlustig geworden. Und so erkannte sie nicht einmal die Seelen aus der Nachbarschaft, die aus ihrem 900 Seelendorf bereits aus ihren Fleischkörpern ins Jenseits abgewandert waren. Aus diesem Grund konnte bei ihr und bei allen anderen Seelen, verhindert werden, Vertrautes zu erkennen oder falls noch schwache Kenntnis vorhanden war, aufzufrischen, wodurch ein gefürchteter, schwerer Seelenschaden vermieden wurde. Desto ergriffener, intensiver und jungfräulich, nahmen sie die Schattierungen der wundervollen, leuchtenden Blau- und Grüntöne der großen, schwebenden Kugel und den strahlend weißen Schleier, der das außergewöhnliche Juwel teilweise grob- oder feinmaschig umwob, mit der für Seelen üblichen Seligkeit als unsagbar himmlisch, geradezu göttlich wahr. Der Vergleich mit den anderen Planeten, die im Weltall herumvagabundierten und nun mit zu ihrem Umfeld gehörten, hinkte dermaßen, dass sie ihn sofort fallen ließ. Auch der rote Planet Mars, hielt ihm nicht stand. Gefangen in einem sonderbaren Rausch für den farblich grandiosen Rundkörper, war sie nicht mehr fähig, sich abzuwenden und tauchte in eine ungeahnte Seligkeit ab.

Mit großer Überzeugung und mehr oder weniger seelischer Stabilität glaubte nicht nur sie jetzt, vor Freude stark vibrierend, ganz fest daran, in der traumhaften und einzigartigen Erscheinung dieser großen, farbigen Kugel das ersehnte „PARADIES“, zu erkennen.

Und das war doch das Ziel aller Seelen, in das sie nach dem Verlassen ihrer fleischlichen Behausungen bis in alle Ewigkeit gelangen und ein himmlisches Dasein zu führen gedachten.

Und es gab weit, breit, hoch und tief, oben und unten wirklich nichts, das großartiger und schöner war als diese wunderschöne, strahlende Kugel. Ein hoffnungsvolles, tröstendes, noch stärkeres Vibrieren ging nun nicht nur durch sie hindurch, sondern durchflutete auch alle anderen Seelen. Und das hatte unvorhergesehene und für alle überraschende Auswirkungen.

Ohne sich zu berühren, begannen die seligen Seelen, sich gemeinsam zu wiegen, dann etwas temperamentvoller zu schaukeln, schwebten höher und senkten sich in großen Wellen, bevor sie wieder an Höhe gewannen. Sie begannen, sich langsam zu drehen und veranstalteten dann einen bemerkenswerten, lang andauernden Seelentanz, der den Sternenstaub sanft auf- und nieder schweben und immer wieder wie himmlisches Sternensilber aufleuchten ließ.

Und nicht nur für sie, für jede Seele im Universum wurde das Begehren, zu dieser farbenprächtigen, im Universum schwebenden Kugel, dem PARADIES, zu gelangen, augenblicklich zu einer nicht mehr beherrschbaren Sucht und das einzig und ausschließlich lohnende Ziel für ihr Seelenleben in der Ewigkeit, verbunden mit der hoffnungsvollen Anwartschaft auf Seligsprechung – irgendwann, ganz bestimmt! Wer’s glaubt, wird selig.

Wenn wir im Himmel wohnen würden, dann könnten wir auf Sterne springen, wir würden von der Erde träumen, mit großer Sehnsucht sie besingen, wir würden von der Liebe träumen, die alle Menschen dort verbindet und würden uns den Wunsch erlauben, dass niemand je die Wahrheit findet.

Todsicher Mordsmäßig Makaber

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