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I. Unerwartete Begegnungen

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»Wenn das Jahrtausend beginnt, das nach dem Jahrtausend kommt,

wird jeder versuchen, soviel Genuss zu erreichen, wie er kann.

Der Mann wird seine Frau so oft verstoßen, wie er sich verheiratet

und die Frau wird durch hohle Gassen gehen

und sich jeden nehmen, der ihr gefällt

und Kinder gebären, ohne den Namen des Vaters zu nennen.

Doch kein Meister wird das Kind führen

und jeder wird zwischen allen anderen allein sein.

Die Tradition wird verloren sein.

Das Gesetz wird vergessen sein.

Als ob es die Verkündigung nie gegeben hätte

und der Mensch wieder zum Wilden würde.«

Johannes von Jerusalem

»Guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es ist Sonntag, der dritte Juni 2012, acht Uhr abends Eas­tern Standard Time. Ich begrüße Sie zu unserer Nachrich­tensendung«, war die angenehme Stimme von Kim Wil­liams zu vernehmen.

Sie war allein. Ihr Kollege Richard White befand sich im Urlaub und auf eine Vertretung wurde aus Kostengründen vom Sender verzichtet.

Aber sie bewältigte das Programm auch durchaus allein, denn insgesamt war es bereits seit mehreren Wochen eine eher ruhige Zeit. Schon lange waren nicht mehr so wenige Katastrophen in aller Welt aufgetreten, die Medien muss­ten sich zunehmend mit Meldungen aus den Bereichen Sport, Innenpolitik und der Regenbogenpresse behelfen.

»Wie Sie es von uns ja bereits gewohnt sind, liefere ich Ihnen jetzt einen Rückblick auf die vergangene Woche und gebe anschließend einen Ausblick auf die kommende«, fuhr sie nun fort. »Auf dem jüngst zu Ende gegangenen Klimagipfel in Genf war das Hauptthema die immer noch aktuelle Kohlendioxid-Problematik. Die Konzentration hat weltweit zwar deutlich nachgelassen, liegt aber noch im­mer über den vertretbaren Grenzwerten, vornehmlich über solchen Metropolen wie Mexico-City oder Buenos Aires. Positiv fiel in diesem Zusammenhang Los Angeles auf, das sein einstiges Image vom Dunstkessel inzwischen abgelegt hat.«

Sie machte eine rhetorische Pause, bevor sie zum nächs­ten Thema kam: »Nun eine sehr erfreuliche Meldung aus unserem Lande: New Yorks Stadtteil The Bronx vermeldet einen neuen Rekord in Sachen Gewaltlosigkeit; seit bereits achtzehn Tagen kam es hier zu keiner Schießerei mehr. Wie der Direktor des FBI, Scott Wallace, mitteilte, ist das die längste schießfreie Periode innerhalb der letzten zwei Jahr­zehnte. Die Gründe hierfür sind allerdings noch nicht ab­schließend ermittelt. Einen verstärkten Einsatz von Polizei­kräften kann man allerdings ausschließen, da es gerade in letzter Zeit zu massiven Stellenkürzungen kam und die Po­lizeigewerkschaft schon seit längerem über einen deutli­chen Personalmangel klagt.«

Wieder folgte eine kurze Pause, dann fuhr sie fort: »Jetzt eine Meldung aus Wichita, Kansas: Der Mann, der behaup­tete eine Wiederverkörperung Jesu Christi zu sein und der seit etwa sechzehn Monaten mehrere Dutzend Anhänger um sich geschart hat, ist tot. Nach ersten Ermittlungen der Behörden hatte er sich geweigert, ein Mädchen, das nach einem Unfall schwer verletzt war, zu heilen. Sie ist die Tochter eines Ehepaares, das ihm seit Beginn seiner äußerst populären Tätigkeit gefolgt ist, und konnte nur durch das energische Eingreifen von alarmierten Sanitätern gerettet werden. Der Mann hatte lediglich an den Glauben der El­tern appelliert, selbst jedoch keinerlei Maßnahmen zur Ret­tung des Mädchens ergriffen. Daraufhin hatte der Vater nicht mehr an seine Behauptung, er sei eine Wiederverkör­perung des Heilands, geglaubt und ihm einen Holzpflock ins Herz gerammt. Der Schwerverletzte starb auf dem Weg ins Krankenhaus.«

Sie lächelte etwas unsicher in die Kamera, wechselte je­doch mit der den Journalisten eigenen Rhetorik das Thema: »Und nun noch eine Meldung von der Wissenschaftsfrakti­on: als wir im Januar live von der UNO-Konferenz in New York berichteten, kam es im Pazifik – westlich von Japan – zu einem Seebeben, das einen Tsunami auslöste. Damals war die gesamte Region schnellstens in Alarmbereitschaft versetzt worden, da es nach ersten Berechnungen der zu­ständigen Behörden zu einer gewaltigen Überschwem­mung an der japanischen Küste und auch Teilen des Inlan­des kommen sollte. Doch wie Sie damals vielleicht auf­merksam verfolgt haben, blieb die Katastrophe aus, der Tsunami verschwand aus ungeklärten Gründen. Inzwi­schen haben die Wissenschaftler auch eine Erklärung des Phänomens erarbeitet...«

Sie stutzte kurz. Offenbar war ihr der Text noch nicht ge­läufig, oder aber sehr ungewöhnlich.

Doch sie fasste sich schnell wieder und mit einem ent­schuldigenden Lächeln fuhr sie fort: »Nach einer eingehen­den Überprüfung aller Daten und Fakten hat sich jetzt her­ausgestellt, dass die damaligen Berechnungen falsch wa­ren…, offensichtlich hat ein Mitarbeiter des Pacific Tsuna­mi Warning Center eine falsche Formel zur Berechnung der Auswirkungen benutzt.«

Sie schüttelte leise den Kopf. Ganz offensichtlich konnte sie sich mit der Erklärung nicht anfreunden.

Aber sie musste sie schließlich auch nur vorstellen und nicht glauben!

Zum Abschluss wandte sie sich endlich der zukünftigen Woche zu: »Zum Ende unserer Sendung nun noch der ge­wohnte Ausblick auf die kommende Woche: In drei Tagen ist es wieder einmal so weit. Unser Nachbarplanet Venus wird die Menschen in aller Welt in Atem halten, denn wie bereits vor acht Jahren geschehen, wird sie auch dann wie­der als Schwarzer Tropfen vor der Sonne vorbeiziehen und eine Mini-Sonnenfinsternis verursachen. Dann hat sich wiederum eine untere Konjunktion ergeben. Sie bedeckt dabei jedoch nur etwa ein Tausendstel der Sonnenscheibe. Auch dieses Mal bieten wir unseren Zuschauern die Mög­lichkeit, das Ereignis live zu verfolgen. Der nächste Venus-Durchgang wird erst wieder im zweiundzwanzigsten Jahr­hundert zu beobachten sein.«

Wiederum blickte sie mit einem Lächeln in die Kamera: »Die Umwelt- und Wetter-Katastrophen, die sich nach dem letzten Venus-Durchgang ergaben, könnten auch für die kommende Woche gelten. Die Meteorologen weisen jedoch entschieden darauf hin, dass das Wetter nicht von den Pla­neten im All, sondern hauptsächlich von den Ereignissen auf der Erde beeinflusst wird, und dass es prinzipiell die letzten Jahre stetig so war – nicht nur nach dem Transit. Auch die Tendenz des Stimmenzuwachses der Parteien, die den Umweltaspekt verstärkt in ihr Programm aufge­nommen haben – in jüngster Zeit, oder bereits in der Ver­gangenheit – und es energisch vertreten, wird sicherlich wieder bei den kommenden Wahlen auftreten. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls in der neuesten Hochrech­nung der UNO zu erkennen, dass die allgemeinen Energie­reserven auf der Erde nur noch bis zum August 2035 rei­chen werden. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, die nächste Sendung mit den Kollegen der Nacht-Schicht sehen Sie um Mitternacht; mich können Sie bereits morgen früh wieder erleben, um zehn Uhr vormittags gibt es unser erstes News-Center. Good bye!«

*

Es dämmerte bereits leicht, als John und A'ísha das mexi­kanische Restaurant im gleichnamigen Stadtteil von San Diego verließen und sich nach einem reichhaltigen und scharfen aber guten Essen wieder zum Auto begaben.

Er öffnete ihr galant die Tür des Cabriolets: »Und jetzt machen wir uns auf zur Grenze, ja?«

»Ja, gern!«, stieg sie ein.

Er umrundete den Wagen, stieg ebenfalls ein und bald fuhren sie weiter in Richtung Süden. »Eigentlich schade, dass wir so spät losgefahren sind, ich könnte dir hier noch eine Menge zeigen!«, bedauerte er.

»So, was denn zum Beispiel?«, blickte sie ihn vergnügt an, doch ein scharfer Beobachter hätte ihre leichte Unsi­cherheit wahrgenommen.

John bemerkte davon jedoch nichts. Er erklärte gesten­reich: »Ja..., also erstmal liegt rechter Hand die Halbinsel Coronado. Dort ist der Heimathafen der US-Pazifikflotte..., ein riesiger Marinestützpunkt. Und dann gibt es da noch den Point Loma, von dort hast du einen fantastischen Aus­blick auf den Pazifik und auf San Diego! Da könntest du dich noch mit ein bisschen Kultur eindecken..., denn dort steht ein Denkmal für Rodriguez Cabrillo, den Entdecker Kaliforniens. – Naja, auf jeden Fall hat er es für die Europä­er entdeckt, er war Portugiese.«

»Ja«, ging sie auf die Anspielung ein, »die Einheimischen oder die Ureinwohner..., also die Indianer, haben es wohl schon vorher gekannt!«

»Genau!«, stimmte er ihr lachend zu und deutete nach vorn, wo nur flaches, ödes, unfruchtbares Land zu sehen war: »Da hinten ist schon Mexiko, wir sind gleich da!«

Nach wenigen Minuten erreichten sie die Grenze. Ihr erster Blick fiel auf den drei Meter hohen Wellblechzaun, der nächste auf den vergitterten Übergang mit der eisernen Drehpforte und die Betonsperren.

»Ist ja wie im Gefängnis hier!«, dachte sie fröstelnd.

»Da drüben ist Tijuana, Mexiko«, riss John sie aus ihren Betrachtungen und deutete auf die gegenüberliegende Sei­te. »Wollen wir rüberfahren oder rüberlaufen?«

»Uuh..., also eigentlich..., würde ich am liebsten hierblei­ben«, erwiderte sie mit runtergezogenen Mundwinkeln.

»Was soll das nun wieder? – Ich dachte du willst mal rü­ber nach Mexiko«, wunderte sich John.

»Ja, aber ich kann nicht«, wich sie seinem Blick aus.

»Warum nicht?«

A'ísha druckste ein bisschen herum, doch John beugte sich nach vorn, suchte den Augenkontakt und hakte mit verwundertem Blick nach: »Also?«

»Ich habe keinen Pass«, erklärte sie dann rundheraus.

»Was soll das heißen? Hast du ihn etwa eben in Sea World verloren?«

»Nein!«, schüttelte sie den Kopf.

»Oder ganz bei mir Zuhause vergessen?«

»Auch nicht!«

»Ja, wo denn sonst?«

»Ich habe keinen Pass!«

Er sah sie zweifelnd an: »Was soll das nun wieder? Wie bist du denn dann überhaupt in die Staaten reingekom­men? Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Schweden schon zu den USA gehört!«

Offenbar hatte er zunächst an einen Scherz ihrerseits ge­dacht, doch allmählich wich die Ironie in seiner Stimme ei­nem wachsenden Unverständnis.

Da beschloss sie intuitiv die Flucht nach vorn anzutreten und ihm die Wahrheit zu sagen: »Ich brauchte für die Ein­reise keinen, ich habe mein eigenes Flugzeug... – ohne Passkontrolle!« Sie schaute ihn nun mit einem etwas verle­genen Lächeln direkt in die Augen und zuckte gleichzeitig wie entschuldigend mit den Schultern.

Sie hatte wirklich keinen Pass gebraucht. Schließlich ver­fügte sie über ein Raumschiff, mit dem sie bequem und je­derzeit – ohne lästige Zollformalitäten – in jeden Winkel der Erde gelangen konnte. Der Ältestenrat hatte angesichts der enormen Sicherheitsbestimmungen und -vorkehrungen der Vereinigten Staaten darauf verzichtet, sie mit einem of­fiziellen – aber letzten Endes gefälschten – Dokument zu versehen.

Einer offiziellen Überprüfung seitens der Behörden hätte es de facto nicht genügt, seit vor wenigen Jahren ein neues, durch Computer gesteuertes Sicherheitssystem jeden Be­wohner – Einheimische wie Touristen – registrierte und letzten Endes auch überwachte.

Da schien es in ihren Augen besser, im Fall der Fälle den Ausweis als verloren zu melden und sich so genügend Zeit zu verschaffen, bis ein günstiger Moment zur Flucht er­reicht war.

John schüttelte nur den Kopf.

*

Tom'ás starrte mit offenen Augen durch die transparente Decke seines Raumschiffes. Er lag nun schon seit Stunden wach und konnte nicht einschlafen. Zu viele Gedanken spukten in seinem Gehirn herum.

»Ich liebe sie! – Ja, ich liebe sie!«, stellte er schließlich fest, um sich gleich darauf schwerste Vorwürfe zu machen.

»Warum habe ich sie bloß verscheucht? – Verdammt noch mal! Diese blöde Mission! Da finde ich ein Mädchen, das mir richtig gut gefällt und das meine Gefühle offenbar erwidert..., und ich darf ihr nicht die Wahrheit sagen, sondern muss diese dämliche Notlüge erfinden! – Das ist nicht fair!« Er wälzte sich herum und schlug mit der rechten Faust wieder und wieder in sein Kopfkissen: »Es ist nicht fair..., absolut nicht fair!«

Er schrie sich den ganzen Frust von der Seele, schlug noch ein paar Mal mit der Faust in sein Kissen und wurde schließlich wieder ruhiger. »Morgen früh fliege ich nach Isra­el!«, überlegte er. »Sie fängt ja beim Militär an…, da muss es irgendeine Möglichkeit geben, herauszufinden, wo das sein wird! – Und dann suche ich sie auf und erkläre ihr alles; und zwar die ganze Geschichte. Ja, genau, so mache ich es!«

Und beruhigt drehte er sich schließlich wieder auf den Rücken, atmete tief und entspannt durch und schlief bald darauf ein.

*

John saß wortlos in seinem Auto. A'ísha hatte die letzten zehn Minuten des Gespräches allein bestritten und ihm er­klärt, woher sie kam, wer sie eigentlich war und einige an­dere Hintergrundinformationen gegeben, ohne jedoch zu viel zu verraten.

Sein erster Ausspruch nach ihrer längeren Erklärung war: »Das ist doch wohl nicht dein Ernst!« Doch weiter hat­te er bisher nichts von sich gegeben, sondern ihr wortlos zugehört. Für seine Gemütsbewegungen schien sie kein Auge zu haben, denn er schluckte des Öfteren, wobei nicht klar zu erkennen war, ob dem ein Lachen, oder eher ein Weinen zu Grunde lag.

Als sie ihren Bericht – Beichte wäre ihrer Meinung nach die treffendere Bezeichnung gewesen – beendet hatte, schaute er sie nur an, eine lange Zeit, ohne ein Wort zu sa­gen oder eine Miene zu verziehen.

Es arbeitete gewaltig in ihm, denn er wusste verständli­cherweise nicht, was er von dem Gehörten halten sollte. Doch nach und nach schien sich in ihm eine Meinung durch- und festzusetzen, und er betrachtete A'ísha mit ei­nem Blick, in dem sie Neugier, Verachtung und einige an­dere Dinge zu erkennen glaubte.

»Was ist mit dir?«, wollte sie daraufhin wissen. »Habe ich dich auf dem falschen Fuß erwischt?«

Er schüttelte energisch den Kopf. »Nein! – Es ist nur..., also, sich so eine Geschichte auszudenken...«

Er schüttelte wieder den Kopf.

»Die habe ich mir aber nicht ausgedacht«, widersprach sie in fast schon störrischem Tonfall. »Es verhält sich alles so, wie ich dir gerade gesagt habe!«

»Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein!«, wiederholte er seine Worte von vorher. Fast schien es, als ob er sie nur mechanisch hervorbrachte, ohne einen tieferen Sinn dahin­ter zu verbergen.

»Doch«, beteuerte sie und wischte sich eine Strähne aus dem Gesicht. Er schaute sie wieder an, blieb aber stumm.

Wenn ein Mensch mit etwas für ihn völlig Unbegreifli­chem konfrontiert wird, reagiert er zunächst mit Ungläu­bigkeit und leichtem Protest. Der nächsten Stufe, in der man eine mentale Mauer um die eigene Person zieht, an der alles abprallt, folgt die letzte Möglichkeit, die schon ein Angstgefühl verraten kann. Von der so genannten Flucht nach vorn, indem man die Sache ins Lächerliche zieht, machte John jetzt auch Gebrauch: »Gleich wirst du mir noch erzählen, dass du in deiner Welt noch minderjährig bist und demnächst ein Weltraum-Polizist kommt, um mich zu verhaften!« Er lachte unsicher.

»Nein, da besteht keine Gefahr, ich zähle auch in meiner Welt zu den Erwachsenen!«, erklärte sie mit einem leichten Lächeln. Ein kleines Stück von der eisigen Mauer, die ihn umgab, schien sie durchbrochen zu haben.

Er schien sie allerdings nicht zu hören, denn er starrte auf einen imaginären Punkt am Horizont.

Sie war jedoch unzweifelhaft die Tochter ihrer Mutter, und sie verstand es, ihm die veränderte Sicht der Dinge häppchenweise, mit einfacher Logik, dem notwendigen Quentchen Humor und der erforderlichen Überredungs­kunst zu präsentieren: »Du brauchst dir also keine Gedan­ken zu machen, sie werden dich hier nicht wegen Verfüh­rung Minderjähriger jagen!«, holte sie ihn in die Wirklich­keit zurück.

»Häh?« Er blinzelte mit den Augen, als würde er aus ei­nem Traum erwachen.

»Ja! Du brauchst keine Angst zu haben«, wiederholte sie, »ich bin schon volljährig und kann durchaus tun, was mir beliebt.«

»Aha!«

Sie schien noch immer nicht vollkommen zu ihm durch­gedrungen zu sein, doch jetzt wechselte sie abrupt die Stra­tegie und strahlte ihn mit einem so liebevollen Lächeln an, dass er unwillkürlich auch eine freundlichere Miene auf­setzte. In diesem Moment konnte er sich unmöglich ihrer Ausstrahlung entziehen. Ihre Augen blitzten, ihr ganzes Wesen schien zu lachen, und es dauerte nicht mehr lange, da musste er sich eingestehen, dass er schon fast bereit war, ihr die Geschichte zu glauben. – Ja, sie war ganz si­cher die Tochter ihrer Mutter. She'kí-ta wäre stolz auf sie gewesen!

John setzte sich kerzengerade in den Sitz und umfasste das Lenkrad, als ob er es nie wieder loslassen wolle. Dann drehte er sich mit einem Ruck zu ihr herum und blickte ihr erneut in die blitzenden Augen. Er schüttelte den Kopf. »Was für ein Wochenende!«, dachte er.

Sie ahnte nur ansatzweise, was in seinem Kopf vorging, doch sie tat das einzig Richtige: sie unterbrach ihn nicht und versuchte mit keiner weiteren Silbe, ihn von der Wahr­heit ihrer Geschichte zu überzeugen.

Und so saßen die beiden nun ruhig nebeneinander und starrten gedankenverloren auf die vor ihnen liegende Grenze, wo etliche Touristen aus Mexiko zurückkamen und für regen Verkehr sorgten.

Nach einer schier endlos erscheinenden Zeitspanne brach John endlich das Schweigen: »Wie kommt es denn eigent­lich, dass du so gut Englisch sprichst? – Sprecht ihr das bei euch auch, oder was?«

»Nein«, sie schüttelte den Kopf, »wir haben unsere eige­ne Sprache. Aber ich spreche viele irdische Sprachen und die gängigsten der westlichen Welt allemal. Die meisten in den so genannten zivilisierten Ländern sind ja auch mitein­ander verwandt. Das stammt alles von den Römern ab, die...«

»Jaja, von denen sich die romanischen Sprachen ableiten, ich bin ja schließlich nicht ganz doof!«, unterbrach er sie schroff. Doch sie vernahm auch eine Spur kühler Ironie in seiner Stimme. Wieder war ein Stückchen in der Mauer durchbrochen.

»Siehst du«, lächelte sie ihn etwas unsicher an, »dann wirst du auch wissen, dass diese Sprachen so eng miteinan­der verwandt sind, dass es nicht weiter schwer ist, gleich mehrere Sprachen aus einer Familie auf einmal zu lernen!«

»Und das hast du, ja? Gelernt, meine ich. – Auf deinem Heimatplaneten?«

»Ja.«

»Über Jahre Unterricht nur in Erdensprachen?«, bohrte er zweifelnd nach.

»Nicht nur«, wehrte sie ab, »aber das gehörte auch zum Lehrplan – neben Geschichte, Kultur und anderen Dingen.«

»Aha.«

Er klang noch nicht wirklich überzeugt, aber es schien in ihm nach wie vor gewaltig zu arbeiten. Auch diesmal dau­erte es nicht lange, bis er sich wieder zu ihr herumdrehte, ihr tief in die Augen sah und halb ernsthaft und halb sar­kastisch fragte: »Was heißt denn »Ich liebe dich'?«

»In welcher Sprache?«, hielt sie dagegen.

»In allen – oder, nee..., in Französisch?«

»Je t'aime«, erwiderte sie.

»Und auf Spanisch?«, wollte er wissen.

»Te quiero«, gab sie gutgelaunt zurück. Allmählich wur­de er wieder so locker wie zuvor.

»Und in deiner Sprache?«

»In meiner Sprache?«, wunderte sie sich.

»Ja«, nickte er belustigt, »ihr werdet ja wohl auch ein, zwei Wörter dafür haben, oder?«

Er blickte sie gespannt an, und sie meinte: »Natürlich, bei uns heißt es ti aho!«

Er blickte sie prüfend an: »Klingt interessant, vielleicht kannst du mir deine Sprache ja mal beibringen?«

»Einfach so?«, lachte sie und blickte ihn nun ihrerseits prüfend an. »Das geht nicht so einfach!«

»Warum? Ihr müsst doch ungeheuer fortgeschritten sein und bestimmt auch effiziente Methoden fürs Lernen entwi­ckelt haben!«

»Schon, aber...«

»Kein aber, ich werde auch ein gelehriger Schüler sein!«, lachte er kurz, doch dann wurde er wieder ernst: »Und du willst ernsthaft behaupten, dass das alles wahr ist, was du mir eben erzählt hast?«

»Ja.«

Er schüttelte den Kopf und blickte wieder starr gerade­aus.

»Was ist daran so schlimm?«, fragte sie.

»Ach, so ein Käse! Das gibt es doch nur im Fernsehen!«, wehrte er sich noch einmal gegen die ungewohnte Situati­on. Doch die Zweifel in seiner Stimme waren längst einer interessierten Neugierde gewichen. Er klang ganz und gar nicht mehr so überzeugt von seiner Meinung wie noch vor wenigen Minuten.

»Nein, das Fernsehen ist nur ein Medium, und die Filme sind nur Gedanken von Menschen, die sie in Bilder und Worte und in Handlung kleiden.«

»Aber...«, überlegte er nun, »wenn das alles wahr wäre, dann müsste doch das Mutterraumschiff irgendwo über den Vereinigten Staaten sein!«

»Nicht direkt, sie wollten meinen Bruder ja nach Europa bringen und dann über dem Atlantik auf uns warten.«

»Auch egal! Aber die NASA und andere Stationen hätten das Schiff längst entdecken müssen! Auch deines!«

Sie schüttelte den Kopf: »Nein, die sind doch getarnt! Ein Schutzschild verhindert, dass wir auf euren Radarschirmen erscheinen, oder sonst für irgendwen sichtbar sind – das habe ich dir doch schon erzählt!«

»Hmm, also gut Fräulein, kannst du es denn auch direkt beweisen, dass du nicht von der Erde kommst?«, strahlten seine Augen verräterisch. Er hatte sich offenbar damit ab­gefunden, dass er zunächst keine andere Erklärung von ihr bekommen würde und so versuchte er sich nun – auf eine für Männer typische Weise – ein Alibi für den Fall zu besorgen, dass ihre Geschichte doch erstunken und erlogen war und er ihr auf den Leim gegangen war.

»Direkt?«, fragte sie.

»Ja, du musst mir schon etwas Handfestes geben, denn du bist allem Anschein nach ja einigermaßen normal gera­ten – jedenfalls nach dem zu urteilen, was ich letzte Nacht so gesehen habe!«

Sie wurde rot, doch verneinte schließlich.

»Tja, dann hast du nicht viele Argumente auf deiner Sei­te«, stellte er lapidar fest.

»Sehe ich denn wie eine Lügnerin aus?«, verlegte sie sich auf die sensible Tour

»Nein, nicht wirklich. Aber wer weiß, vielleicht bist du nur auf mich angesetzt und sollst mich ködern. – Und mor­gen bin ich dann im Fernsehen und komme in irgend so ei­ner Verarschungsshow ganz groß raus!«

Sie lachte und warf dabei ihr Haar hin und her. Er schau­te sie an und blickte direkt in ihre blitzenden, blauen Au­gen.

»Weiber!«, schimpfte er schließlich, doch eine gehörige Portion Zynismus lag in seiner Stimme. »Die sind doch alle gleich! Das ist doch immer das alte Spiel!«

»Männer!«, gab sie in demselben Tonfall zurück. »Die sind doch auch nicht viel besser! Immer hin- und hergeris­sen zwischen dem Adrenalin und den Gedanken an eine bessere Welt und dass sie immer alles unter Kontrolle ha­ben müssen!«

Verblüfft starrte er sie an, doch als er schließlich ein ver­räterisches Zucken um ihre Mundwinkel bemerkte, stieß er wieder hervor: »Weiber!«

»Männer!«, hielt sie dagegen.

»Mädchen!«, beugte er sich zu ihr hinüber.

»Jungs!«, erwiderte sie und lehnte sich im Sitz zurück. Ihre Augen funkelten.

Seine Linke fand ihre Rechte, wanderte den Arm hinauf und erreichte schnell ihr Kinn. Er drehte ihr Gesicht ganz in seine Richtung, beugte seinen Kopf zu ihr hinüber und küsste sie. Sie sträubte sich zunächst ein wenig, doch nicht so stark, dass es ihm bedeutend erschwert oder gar ver­wehrt wurde, und schon bald erlaubte sie ihm, seine Nie­derlage einzugestehen: sie erwiderte seinen Kuss leiden­schaftlich.

Er knabberte zärtlich an ihrem Ohr. »Wie wär's denn mit deinem Raumschiff?«

»Mein Raumschiff?« Atemlos drehte sie sich ein Stück weg und fixierte ihn aus kürzester Distanz.

»Ja, wenn du mir das zeigst, dann ist das doch der abso­lute Beweis – also jedenfalls dann, wenn ich es sehen und anfassen kann!«, beteuerte er und blickte sie auffordernd an.

Sie entschloss sich schnell: »Du wirst sogar einsteigen und damit fliegen können«, entgegnete sie gleichmütig. »Okay, fahren wir zurück, dann zeige ich dir das Schiff!«

»Also gut, vom Rumstehen hier werd' ich auch nicht schlauer.« Er rückte sich wieder in seinem Sitz zurecht und startete den Motor.

*

»Das ist jetzt die letzte Station, mir reicht's!« Oshoshis Lau­ne hatte sich in den letzten Stunden nicht entscheidend ge­bessert, ja, sie hatte sich vielmehr verschlechtert.

Engai hatte ihn zuvor noch zu einem Besuch des Dodger Stadions bewegen können, denn als sie die Gesuchte auch im Echo Park nicht gefunden hatten, war Oshoshi kurzer­hand so frei gewesen ein Taxi zu rufen. Er wollte eigentlich zurück zum Griffith Park – und zu ihrem Schiff.

Doch Engai konnte ihn noch einmal überreden und so hatten sie sich von dem Taxifahrer zum Dodger Stadion bringen lassen. Oshoshis Miene hatte sich jedoch zuse­hends verdüstert und als sie nach einer halben Stunde Sta­dion-Besichtigung nicht die geringste Spur von A'ísha ent­deckt hatten, war er endgültig bedient.

Engai hatte es natürlich bemerkt und versuchte die Situa­tion mit einigen albernen Sprüchen zu entschärfen. Doch das Ergebnis war, dass Oshoshi noch misslauniger wurde.

»Okay, okay«, willigte Engai schließlich ein, »dann fah­ren wir eben zum Schiff zurück!«

»Na endlich!«, stöhnte Oshoshi gequält und doch irgend­wie erleichtert auf. »Lange hätte ich jetzt auch nicht mehr gewartet!«

*

Die Sonne war untergegangen, als A'ísha und John auf dem Highway Number Five gen Norden fuhren. Sie hatten lange Zeit kein Wort mehr gewechselt, jeder hing seinen Gedanken nach, doch hin und wieder glitt ein verstohlener Blick zu dem Nachbarn.

»Ob es richtig war, ihm davon zu erzählen?«, fragte sich A'ísha. »Vielleicht dreht er total durch oder verrät mich an die Polizei oder ans Militär...!«

»Ob sie mich total verarschen will, oder ob wirklich was dahin­tersteckt?«, fragte er sich. »Sie sieht ja eigentlich ganz normal aus und ist echt ein toller Typ, aber das jetzt...!«

»Ich kann nur hoffen, dass er mein Raumschiff nicht für ein Geheimprojekt der Air Force hält, sondern mir schnell glaubt«, überlegte sie schon einmal die weiteren Schritte. »Immerhin muss ich noch einen Auftrag ausführen und kann mich nicht stundenlang mit einem Erden-Menschen darüber auseinander­setzen, dass es auf anderen Welten auch noch Menschen gibt!«

Als sie Carlsbad erreichten, brach John das Schweigen – fast so, als wäre der Tag ganz normal verlaufen. Er erklärte ihr – der Fremden – die landschaftlichen Gegebenheiten: »Hier ist der Gulf of Santa Catalina, da kann man auch ei­nen tollen Sonnenuntergang bewundern. – Eigentlich hät­ten wir hier auf der Rückfahrt halten müssen, aber jetzt ist die Sonne ja schon weg!«

»Ach«, meinte sie sarkastisch, »bist du plötzlich ein Freund von Sonnenuntergängen geworden? – Erst seit ges­tern oder auch schon vorher?«

»Ha ha«, gab er zurück, »wenn du einen Witz machen willst, dann flieg lieber wieder zurück nach Hause und kauf dir einen besseren!«

»Hmm«, grinste sie schelmisch, »kann ich leider nicht, bei uns gibt's kein Geld.«

»Kein Geld?« Er schaute sie verwundert an und verlor für einen Moment den Verkehr aus den Augen.

»Guck lieber auf die Straße, soviel ich mich erinnere, bist du hier der Pilot«, machte sie ihn jedoch schnell darauf auf­merksam, und er reagierte entsprechend, indem er seinen Blick wieder geradeaus richtete und sich auf den Verkehr konzentrierte. »Kein Geld«, brummte er dabei entrüstet vor sich hin, »so ein Quatsch! – Woher genau kommst du denn nun eigentlich?«

»Ich könnt's dir ja zeigen, aber ich denke, dann ist es bes­ser, wenn du kurz anhältst.«

»Okay, der nächste Rastplatz ist unserer!«, ließ er verlau­ten und tatsächlich dauerte es nicht lange, bis ein solcher auf den Schildern angekündigt wurde. Kurz darauf fuhr John auf einen kleineren Parkplatz, auf dem nur wenige andere Besucher standen. Er wurde langsamer und dirigierte den Wagen schließlich in eine Parkbucht.

»So, bitte aussteigen!«, forderte er A'ísha auf, als er ge­halten und den Motor abgestellt hatte.

Beide verließen den Wagen und traten ein paar Schritte vom Auto weg. Über ihnen präsentierte sich ein fast wol­kenloser Himmel mit zahlreichen leuchtenden Sternen.

Sie trat hinter ihn und streckte ihre Hand an seinem Kopf vorbei: »Siehst du den Polarstern, an der Deichsel vom kleinen Wagen?«

Er suchte kurz, fand sich jedoch dank ihres Hinweises schnell zurecht: »Ja, hab' ihn!«

»Gut, jetzt folge meinem Finger! Da kommt erst das Sternbild Perseus..., mit sehr vielen und sehr weit verteilten Sternen..., und dann kommen sechs recht helle Sterne..., das sind die Plejaden.«

Sie hatte ihren Finger weiter nach rechts geschwenkt, und John war diesem mit seinem Blick gefolgt: »Ja, habe sie..., und da kommst du her?«

»Nicht direkt! Unsere gemeinsamen Vorfahren kommen von dort..., das heißt im eigentlichen Sinne kommen alle von der Erde..., aber vor langer Zeit waren die Völker so­weit entwickelt, dass sie ins All flogen. Einige ließen sich auch in anderen Welten nieder, und von denen stammen wir – und auch andere – ab. Bei uns sagt man, dass sich so auch die unterschiedlichen Rassen entwickelt haben. Die stammen somit von verschiedenen Planeten..., ich habe zum Beispiel noch nie einen Menschen der schwarzen oder gelben Rasse gesehen..., die sind in anderen Sonnensyste­men gelandet. Melissa war der Erste! Witzig, nicht?«

»Tss, das gibt es ja wohl nicht!«, staunte John.

»Doch doch, die Kenntnis von anderen Rassen basiert bei uns nur auf Überlieferungen«, bekräftigte A'ísha. »Die Ein­zigen, die mal andere gesehen haben, sind unsere Agenten, wenn sie in fremden Gebieten operiert haben und dann da­von berichteten. Das kommt allerdings nicht sehr oft vor, denn die Berichte sind natürlich nicht jedermann zugäng­lich.«

»Wie bei uns«, nickte er. Es schien wie ein Reflex. Fast machte er den Eindruck, als wäre er bereit, ihr die ganze Geschichte abzunehmen.

Sie nickte bedeutungsvoll.

»Und wo kommst du nun eigentlich her?«, hakte er plötzlich nach. »Deine Vorfahren möchte ich ja nicht besu­chen«, fügte er scherzhaft hinzu.

Sie lachte. Wieder war ein gehöriges Stück in der Mauer durchbrochen! »Wir mussten vor einigen Generationen umziehen, unsere Welt verlassen und in ein neues Sonnen­system wandern«, erklärte sie. »Du kannst es von hier aus allerdings nicht sehen..., es steht am südlichen Himmel!«

»Aha«, meinte er, »und wann war das alles?«

»Was? Dass die anderen Menschen in die ganzen Welten geflogen sind und euch hier später wieder besucht haben?«

Er nickte.

»Och, das ist sehr, sehr lange her! Mehrere hunderttau­send Jahre schon.«

»Ach herrje! Und von dort kamen welche hierher? Zu uns?«

»Ja!« Sie trat einen Schritt zurück. »Das hat sich auch in euren Mythen gehalten. So haben zum Beispiel die Grie­chen die Plejaden als sieben Töchter angesehen, die von ei­nem Jäger namens Orion verfolgt und von Zeus schließlich an den Himmel gesetzt wurden. Das waren natürlich We­sen von diesen Sternsystemen und wegen der sieben Töch­ter nennt man die Plejaden auch Siebengestirn. Obwohl es – wie du siehst – eigentlich nur sechs sind, die eine gewisse vergleichbare Helligkeit ausstrahlen.«

»Dieser Orion war demnach also kein Typ im Sinne von einem einzelnen Jäger, sondern ist vielmehr die Bezeich­nung für das Sternensystem, aus dem die Wesen kamen, die die Töchter verfolgten?«

»Genau!«

»Und die waren echte Machos, oder wie?«

»Naja..., nicht alle, aber einige schon.«

»So, so« Er trat einen Schritt auf sie zu und ergriff ihre Hände: »Und du bist also eigentlich so etwas wie eine Ver­wandte, ja?«

Sie lachte: »Na, das klingt ja fast wie Tante, oder so!«

»Kann aber auch wie eine Schwester sein«, schmunzelte er und zog sie an sich heran.

Sie ließ es geschehen, auch als er sie küsste, doch nach ei­ner Weile fragte sie: »Wollen wir nicht weiterfahren? Du willst doch noch mein Raumschiff sehen... – als schlagkräf­tigen Beweis!«

»Also eigentlich ist es mir total egal, woher du kommst und warum du nicht über die Grenze wolltest«, flüsterte er. »Und wenn du eine Illegale bist, macht mir das auch nichts aus!«

»Aha«, meinte sie, »also bin ich dir egal...« Sie wich einen Schritt von ihm zurück und hob den Kopf.

»Nein! Nicht du! Es ist mir nur egal, woher du kommst!« »Tja, dann kann ich dich leider nicht weiter treffen, denn ich muss immer noch meine Aufgabe hier erfüllen und wenn du jemandem sagst, ich sei eine Illegale...«

»Ich sage niemandem etwas«, versprach er und zog sie wieder an sich, »nicht einmal wenn sie mich foltern!«

»Gesunde Einstellung!«, stellte A'ísha ironisch fest. »So wirst du bestimmt hundert Jahre alt!«

»Nicht wahr? – Aber gut, ich will mal nicht so sein und dir den Show-Effekt stehlen...« Damit trat er wieder zum Auto und öffnete ihr die Tür: »Fahren wir?«

Sie schlüpfte wieder ins Auto. »Okay!«

Er schloss die Tür und stieg ebenfalls ein: »Dann wollen wir mal sehen, was die Karre so kann!«

»Männer!«, meinte sie nur, doch sie grinste dabei.

Trotz Überschreiten des Tempolimits um gut zwanzig Meilen wurden sie von keinem Polizisten gestoppt oder weiter belästigt. So erreichten sie Los Angeles bereits nach anderthalb Stunden.

»So, welcher Park ist es denn?«, wollte er nun wissen. Neugier schwang in seiner Stimme mit.

*

»Was für ein Mist!«

Oshoshi stapfte missmutig neben Engai durch den Grif­fith Park. Beide sahen nicht mehr sehr frisch aus und ihre Stimmung, die sich während der Taxifahrt offenbar nicht gravierend geändert hatte, passte dazu. Vor allem Osho­shis Laune war nichts weniger als gut: »Und wenn wir noch stundenlang gesucht hätten, meinst du, dann hätten wir sie gefunden, häh?«

»Ist ja gut, ist ja gut!« Engai klang müde. »Ich gebe zu, ich habe mich geirrt, und es war meine Schuld, dass wir sie verloren haben. Aber immerhin haben wir heute gleich noch mal einen tiefen, kulturellen Einblick auf diesem Pla­neten dazu gewonnen!«

Oshoshi warf ihm jedoch einen zornigen Blick zu, und Engai verstummte.

Still trotteten sie weiter, bis Engai einen Entschluss fasste: »Diesmal warten wir im Raumschiff ganz einfach bis sie kommt, und wenn wir morgen wieder so früh wie heute aufstehen, kriegen wir sie bestimmt! Wir setzen uns wie ge­plant vor ihr Schiff und folgen ihr dann ein zweites Mal!«

»Und dann verlieren wir sie hoffentlich nicht wieder!«, brummte Oshoshi.

Sie hatten ihr Schiff mittlerweile ohne weitere Zwischen­fälle erreicht und diesmal schlug Engai vor: »Wir sollten uns aber jetzt noch schnell davon überzeugen, dass ihr Schiff immer noch da ist! – Nicht, dass wir morgen früh al­lein hier sind!«, wiederholte er Oshoshis Worte vom Vor­abend.

»Stimmt auffallend«, gab dieser zurück, »checkst du das? Du hast ja schon Übung!«

»Sehr witzig«, gab Engai zurück, »aber um deinetwillen bin ich so frei!«

»Wunderbar!«

Engai ging in die Zentrale, setzte sich lässig auf den Pilo­tensitz und startete das Schiff. Schnell hatte er die Stelle er­reicht, wo A'íshas Schiff noch immer in einer Höhe von zehn Metern verharrte und überprüfte es sorgfältig auf In­sassen. Gespannt wartete er auf das Ergebnis, doch umge­hend meldeten die Scanner, dass keine Lebensform an Bord war. Nachdem er den Vorgang der Überprüfung wie­derholt hatte – sicher ist sicher – steuerte er das Schiff wie­der auf seinen alten Platz zurück.

Er aktivierte den Automatik-Modus und überlegte kurz, begab sich dann jedoch in seine Schlafkabine.

»Und? Ist es noch da?«, tönte es von Oshoshi herüber.

»Ja!«, gab Engai leicht genervt Auskunft, enthielt sich aber eines weiteren Kommentars.

»Dann gute Nacht! Morgen früh geht's früher raus als heute morgen!«

»Ja ja, gute Nacht!«, gab Engai zurück und war schon bald eingeschlafen.

*

Eine knappe Viertelstunde nach Engais Überprüfungsflug erreichten John und A'ísha den Griffith Park. Er parkte das Auto, und sie führte ihn unbemerkt – wie sie meinte – zu ihrem Schiff. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass niemand sie beobachtete, drehte sie an ihrer Uhr und drückte zwei Knöpfe, woraufhin sich das elektromagneti­sche Feld neutralisierte, das Raumschiff in seiner ganzen Größe sichtbar wurde und gleichzeitig in Richtung Boden – auf sie zu – schwebte.

Schließlich hielt es einen Meter über dem Boden.

John war nicht so überrascht wie jemand, der die Sache unvorbereitet gesehen hätte, aber dennoch glaubte er sei­nen Augen nicht zu trauen: »Ja, Hölle noch einmal!«, staun­te er, als er die silberne Scheibe erblickte und fuhr erschro­cken ein paar Schritte zurück.

»Ganz ruhig«, flüsterte A'ísha, es soll doch unser Ge­heimnis bleiben!«

*

Aber sie waren schon gehört worden.

Auf einer kleinen Lichtung in einem Gebüsch, keine fünf­zig Meter von den beiden entfernt, lag ein Liebespaar, das sich an diesem schönen Juniabend in den Park gesetzt hatte und die Natur auf sich wirken lassen wollte.

Betty Sullivan und Ralph Shearer waren kurz vor John und A'ísha angekommen und hatten sich ungesehen auf die Lichtung gesetzt, die ringsum von Gebüsch umstanden und somit für Vorübergehende nicht einsehbar war.

Sie waren schon ein paar Schritte weiter bezüglich des Liebesspiels. Er hatte sein Hemd und sie ihre Bluse ausge­zogen, und genau in dem Moment, als er sie von ihrer Hose befreien wollte, ertönte Johns Ausruf.

»Psst!«, machte sie und drängte ihn zurück.

»Was denn?«, fragte er unwirsch und griff wieder nach ihrem Hosenknopf.

»Hast du das nicht gehört?«

»Gehört? Was gehört?«

»Na..., den Schrei!« Sie richtete sich halb auf und griff nach ihrer Bluse.

»Nein, ich habe nichts gehört, komm doch!«

Er erhob sich ebenfalls ein kleines Stück und versuchte sie wieder an sich zu ziehen.

»Lass doch mal«, wehrte sie ihn jedoch mit beiden Ar­men energisch ab und richtete sich nun ganz auf, »viel­leicht ist da hinten jemand...«

»Ach, und wenn schon! Hier findet uns keiner!«

»Ich will aber mal gucken...« Damit stand sie auf und tat ein paar Schritte bis zum Rand des Gebüsches.

Nun kam er auch hinzu und begann wieder an ihrer Hose rumzufummeln. »Das war bestimmt ein Kind!«

»Kann schon sein«, murmelte sie, »naja, hier ist jedenfalls nichts!«

»Na siehste!« Er zog sie wieder herunter auf den Wald­boden und küsste sie.

*

»Und? Überrascht?«

John hatte nun die letzte Stufe des für ihn Unbegreifli­chen erreicht – die Fassungslosigkeit. Er hatte sich schon seine Gedanken gemacht und war fast davon überzeugt, dass es hier auch etwas Ungewöhnliches zu sehen gab, doch das Schiff übertraf seine kühnsten Vorstellungen.

Er ging einmal um das Raumschiff herum, hatte sich al­lerdings noch nicht so ganz von dem letzten Endes doch unerwarteten Anblick erholt: »Ja..., kann man schon sagen! – Aber das ist ja gar keine Untertasse! Sieht eher wie zwei aufeinander gestellte Teller aus!«

Sie lachte: »Ja, die menschliche Fantasie ist nunmal durch nichts zu ersetzen! Ist zwar kein Klassiker«, fügte sie hinzu, »und ich habe es jetzt auch erst seit zwei Tagen..., aber es gefällt mir noch immer wie am ersten Tag«, lächelte sie, seine Worte vom Vorabend wiederholend. »Es ist ziemlich schnell und verbraucht dabei quasi nichts!«

Er erinnerte sich an seinen Vortrag vom vergangenen Abend und ging auf das Spiel ein: »Sieht sehr schick aus«, ließ John verlauten und umwanderte noch einmal die sil­berne Scheibe.

»Ja, und unter der Blechhülle hat es auch ordentlich was zu bieten! Zwar keinen Achtzylindermotor, aber einen Ge­nerator, der genug Energie entwickelt, um jede Stadt dieser Welt jahrelang mit Energie zu versorgen. Eine Automatik habe ich auch, die sorgt dafür, dass mir nichts entgeht und unterstützt mich beim Fliegen und Landen. Du würdest es wohl als Computer bezeichnen! Und es ist immer schneller als die NASA erlaubt«, fügte sie mit einem Lächeln hinzu. »Keine eurer Raketen oder Flugzeuge erreicht auch nur die Hälfte der Geschwindigkeit, die ich problemlos erreichen kann! – Man kann natürlich auch ganz entspannt auf der Stelle schweben und die Natur genießen. Dann heben sich die Antriebskräfte auf!«

John hörte ihrem Vortrag schweigend zu. Es war klar, sie gab es ihm jetzt mit gleicher Münze zurück, aber sie ver­fügte über das weit fortgeschrittenere technische Mittel!

»Damit lege ich in einer Sekunde drei Meilen zurück und schaffe problemlos dreißigtausend Meilen pro Stunde«, er­klärte A'ísha ihm im Fachjargon eines Automobilverkäu­fers.

Und nun schwang richtiger Stolz in ihrer Stimme mit: »Verbraucht wird dabei nur Energie in Form von Sonnen­energie, die unsere Generatoren in Strom umwandeln. Die Akkus halten wochenlang und werden nach der Rückkehr im Mutterschiff wieder aufgeladen!«

»Hölle! Wahnsinn! Das gibt es ja einfach nicht!«

Er war diesmal noch lauter geworden als vorhin, und sie bremste ihn noch mal: »Psst! Du hetzt uns noch die kom­plette Polizei von Los Angeles auf den Hals! – Wir wollen lieber reingehen.« Sie trat unter das Schiff. Eine runde Öff­nung wurde sichtbar, aus der eine schmale Treppe automa­tisch herniederfuhr. Sie erklomm flink die Stufen und dreh­te sich dann um: »Komm!«

Er folgte ihr ins Innere des Schiffes.

*

»Still!«

»Was ist denn?«

»Psssst! Jetzt musst du es aber gehört haben! Da rief einer irgendetwas!«

»Ach, Betty, nicht schon wieder!«, nörgelte Ralph.

»Doch! Ich will das jetzt wissen!«, blieb sie stur und stand auf. Sie trat wieder bis zum Rand des Gebüschs, doch sie konnte bei der herrschenden Dunkelheit nur vage Umrisse und Schatten erkennen.

Ralph trat hinter sie, legte seine Hände um ihre Hüfte und küsste sie auf die Schulter.

»Lass doch mal, Mensch!«, war sie jetzt leicht gereizt. »Da hinten, siehst du das nicht?«

Ralph spähte angestrengt in die angegebene Richtung, doch es war schon zu dunkel, als dass er etwas Genaueres hätte sehen können.

»Nein, ich sehe nichts! – Wenn die was haben, werden sie schon wieder rufen.« Er umarmte und küsste sie wieder und versuchte sie zu Boden zu ziehen. Für einen längeren Moment stand sie kurz davor seinen Verführungskünsten zu erliegen, doch dann siegte die weibliche Neugier und mit einer Körperdrehung entwich sie seinen Liebkosungen.

»Was soll denn das?«, maulte er. »Nun komm schon, das war nichts!«

»Ich gehe jetzt hin und guck nach«, erklärte sie jedoch fest entschlossen, ergriff ihre Bluse und stürmte im nächs­ten Moment auch schon durch die Büsche.

»Das gibt's doch gar nicht! Weiber!«, stöhnte er.

Missmutig zog er sein Hemd wieder an und trabte hin­terdrein. Als er seine Freundin wieder erreicht hatte, glaub­te er seinen Augen nicht trauen zu dürfen, denn diese stand wortlos hinter einem großen Baum und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf ein Objekt, dessen Umrisse er nun trotz der Dunkelheit deutlich erkennen konnte: »Ein UFO! Ich werd' verrückt!« Schnell zog er sie ganz hinter den Baum zurück.

Betty stand fast unter Schock, und er mühte sich redlich sie wieder zum Sprechen zu kriegen. »Hey..., alles okay mit dir?«

Sie hustete leicht: »Das..., das ist..., ist ein... UFO«, stam­melte sie, »ein UFO!«

»Ja, ganz ruhig! – Ich werde mal gucken...«

»Du gehst nicht weg! Lass mich nicht allein!« Sie wurde fast hysterisch.

*

John stand im Innern des Schiffs. A'ísha hatte die Öffnung am unteren Teil in der Mitte geschlossen, und die Treppe war wieder automatisch hochgefahren.

»Das ist die Kommandozentrale«, deutete sie nach vorne und drehte sich dann um. »Hinter uns ist die Energiever­sorgung..., in eurem Sprachgebrauch auch Maschinenraum genannt.«

»Und da?«, fragte er nach oben deutend. Es war mehr ein Reflex als echtes Interesse, das John im Moment noch be­kundete.

»Da wird geschlafen, gegessen, und zum Waschen und Duschen ist dort ein kleines Bad.«

»Ja, Wahnsinn!« Bedächtig betrat er die Kommandozen­trale.

Sein erster Blick fiel auf die Instrumententafel, sein zwei­ter ging zur Decke hoch. Er konnte aufrecht stehen.

»Das muss zwei Meter hoch sein!«, konstatierte er in Ge­danken, um gleich darauf zu fragen: »Da blinkt irgendein Licht, hast du die Tür nicht zugemacht?«

Erschreckt folgte sie dem Wink: »Oh nein! Das ist der Stille Alarm! Es muss jemand im Umkreis von fünf Radien sein! Wir werden beobachtet!«

Sie stürzte nach vorn, ließ sich in einen von vier neben­einander stehenden Sitzen fallen und betätigte ein paar Knöpfe. Auf einmal erschien vor den Sitzen ein Bildschirm, der ein scharfes Bild der Umgebung draußen wiedergab.

John entdeckte sie zuerst: »Da! Links! – Hinter dem Baum!«, deutete er aufgeregt auf den Monitor.

»Ich sehe sie..., ein Mann und eine Frau! Verdammt!«, fluchte A'ísha und erntete einen verwunderten Blick von John. So hatte er sie noch nie erlebt. Ihre sonst so fröhliche Art war wie weggewischt.

»Setz dich hin! – Wir müssen weg!«

»Aber...«

»Kein aber, schnell jetzt!«

Er setzte sich schnell auf den mit Vinyl bezogenen Sitz aus Schaumstoff neben ihr und versuchte sich an der Sitz­fläche festzuhalten. Sie startete das Raumschiff. Im Hand­umdrehen erreichten sie eine Höhe von fünfzehn Kilome­tern. Gleichzeitig hatte A'ísha dafür gesorgt, dass sie nicht senkrecht, sondern in einem sechzig-Grad-Winkel aufstie­gen, so dass sie sich schnell von der Stätte und dem Griffith Park entfernten. Jetzt flog sie langsamer, und schließlich stoppte sie das Schiff.

John hatte bisher noch keine Zeit für weitergehende und intensivere Betrachtungen gehabt, doch jetzt fiel sein Blick auf den Boden vor ihm, der transparent war und ihm infol­gedessen einen Blick auf die tief unter ihnen liegende Erde und das Lichtermeer von Los Angeles ermöglichte: »Uaaahhh!«

Erschrocken sah A'ísha ihn an: »Was ist denn?«

»Der Boden! – Wir sind in den paar Sekunden ja irre weit hoch geflogen!«

»Ja, wir sind mit achthundert Metern pro Sekunde gestie­gen und jetzt fünfzehn Kilometer hoch. – Ich bin einfach nur schnell weg«, fügte sie erklärend hinzu und überlegte dann laut: »Die haben uns bestimmt gesehen..., hoffentlich gibt das jetzt keinen Ärger!«

»Ärger?«, wunderte sich John. »Mit wem sollte es wohl Ärger geben?«

»Na, überleg doch mal! – Was würdest du denn machen, wenn du nachts im Park ein außerirdisches Raumschiff entdecktest?«

»Hmm«, brummte er, »ich würde sehr wahrscheinlich zur Polizei gehen..., obwohl, vielleicht auch nicht, die glau­ben dir eh kein Wort!«

»Und wenn aber doch?«

»Tja, dann verständigten die wohl den nächsten Luftwaf­fenstützpunkt und dieser würde dann wiederum eine Staf­fel Abfangjäger hinschicken!«

»Siehst du? Das ist genau das, was ich nun überhaupt nicht gebrauchen kann!«

»Aber die können dir doch nichts anhaben, oder?«

»Prinzipiell nicht, aber sie können mich erheblich bei meiner Mission stören...«

»Wieder diese Mission«, stöhnte John ungehalten, »was genau soll das eigentlich alles?«

»Das habe ich dir doch schon erzählt! Ich bin hier, um die Menschheit intensiv unter die Lupe zu nehmen!«

John holte tief Luft. Er hatte sich wieder einigermaßen unter Kontrolle und wurde allmählich ruhiger: »Ich wollte es ja zuerst nicht glauben..., habe es für einen schlechten Scherz gehalten, aber das...«

»Dachtest du denn wirklich, ich hätte dich angelogen?«, schaute sie ihn leicht gekränkt an.

»Nun ja, du musst selbst zugeben, dass es nicht unbe­dingt glaubwürdig klingt, wenn du behauptest, von einem anderen Planeten zu kommen!«

»Bei euch vielleicht nicht, bei uns ist das Alltag! – So in etwa, als würde jemand aus dieser Zeit ins fünfzehnte Jahr­hundert zurückfliegen und Kolumbus ein Flugzeug zur Er­kundung des Seeweges nach Indien zur Verfügung stellen!«

»Das mag ja sein, aber trotzdem ist mir das alles ein biss­chen zu viel des Guten! Immerhin war gestern Abend ein ganz gewöhnlicher...«

»Oh, du Armer, magst du vielleicht etwas trinken?«, spottete sie. Sie hatte ihre Selbstsicherheit wieder gewon­nen. »Dann geht's dir bestimmt schnell wieder besser!«

»Oh ja, bitte! – Was hast du denn hier?«

»Wasser oder Fruchtsäfte! Apfel, Orange, Grapefruit..., so ziemlich alles was du dir vorstellen kannst und auch eini­ges, was du nicht kennst! Allerdings keinen Alkohol – du weißt, den vertrage ich so schlecht!« Sie schenkte ihm ein ironisches Lächeln.

»Danke, danke«, wehrte er lachend ab, »ich nehme erst­mal ein Glas Wasser!«

»Okay, kommt sofort.« Damit verschwand sie geschwind aus dem Raum. Sie kehrte jedoch schon nach wenigen Au­genblicken zurück und drückte ihm ein Glas in die Hand: »Bitte!«

»Dankeschön, das ging ja richtig schnell!«, zeigte er sich verwundert.

»Na ja, die Bar ist ja auch nicht wirklich weit entfernt!«

»Du hast eine Bar hier drin? – Die muss ich sehen!« John hatte schlagartig alle Berührungsängste verloren.

Sie holte ihn jedoch schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück: »Nicht im eigentlichen Sinne, mir fiel nur kein anderes Wort ein...«

»Ach so...! – Aber zeigen kannst du sie mir doch sicher­lich trotzdem..., oder hast du da vielleicht verbotene Sa­chen drin?«, grinste er.

»Nee«, lachte sie, »komm mit!«

Er folgte ihr wieder in den Gang in der Mitte des Schiffes. Unter sich sah er die Stufen, die er vorhin hinaufgeklettert war. Sie waren eingezogen worden.

»Also«, drehte sie sich zu ihm herum und deutete in den Raum, den sie gerade verlassen hatten: »Das hier ist die Kommandozentrale, die Instrumente ringsum dienen zur Steuerung und Kontrolle des gesamten Schiffes. Es ist alles von hier aus steuer- und regelbar; und zwar von einem ein­zigen Piloten.«

Sie drehte sich um und wies auf den gegenüberliegenden Raum: »Der Maschinenraum, den ich dir vorhin schon ge­zeigt habe, wird nur von unseren Technikern gewartet, an­sonsten ist das gesamte Raumschiff sehr pflegeleicht. Ich komme auch nur im Notfall da hinein, eine richtige Tür wie diese hier gibt es nicht, sondern nur die Luke, die du dort siehst!«

»Und wie gelangen eure Techniker dann hinein?«

»Von außen! Natürlich müssen sie vorher das Kraftfeld abschalten und...«

»Kraftfeld?«

»Ja, das Schiff ist eigentlich immer von einem Kraftfeld umgeben, jedenfalls sobald es das Mutterschiff verlässt. Wenn du das Schiff von außen berührst – solange das Kraftfeld eingeschaltet ist –, dann fühlt es sich an wie Schmierseife, irgendwie glatt und rutschig..., schmierig halt! Das liegt daran, dass du nicht bis zur Außenhaut, also zum Metall des Schiffes durchdringst, sondern nur das Kraftfeld zu spüren bekommst! Dadurch wird die Reibung in einer Atmosphäre sehr stark verringert..., daher gibt es nämlich auch keinen Knall wenn wir die Schallmauer durchbrechen.«

»Kann man das denn jederzeit abschalten?«, fragte John naiv. Er kam sich wie ein Zukunftsreisender vor.

»Natürlich«, lachte A'ísha, »sonst könnten doch unsere Techniker nie an die Außenhülle heran! – Aber das wird dann alles auf dem Mutterschiff gemacht, wenn man unter­wegs ist, ist das nicht vorgesehen!«

»Aber dann kann doch niemand das Schiff verlassen! Wie bist du denn rausgekommen?«

»Hast du vorhin denn nicht gesehen, dass ich diese Uhr zum Reinkommen benutzt habe?« Sie hielt ihm ihren Arm entgegen,

»Ich? Nein! – Ich denke, da stand ich noch ein bisschen unter Schock!«

»Das mag sein, auf jeden Fall ist jeder Pilot im Besitz so einer Uhr, damit verschafft er sich Zugang zu seinem ska'ba und...«

»Ska'ba?«

»Raumschiff! – Wir nennen es ska'ba.«

»Ach so! Na, du musst mir eure Ausdrücke schon erklä­ren, sonst kann ich deinen Ausführungen nicht so folgen!«

»Okay«, willigte sie ein, »das hier ist ein ska'ba, ein Raumschiff für den Interplanetarflug, vergleichbar mit ei­ner Mischung aus Auto und Flugzeug. Die nächstgrößere Klasse sind die ske'ves, die können bis zu zehntausend Personen befördern. Bei euch würde man sie vielleicht als Transport- oder Zubringerschiffe bezeichnen. – In mein Schiff, also in Schiffe dieser Klasse, passen maximal vier Personen, obwohl...«, verfiel sie in Sarkasmus, »insgesamt passen da auch zehn rein..., also zum reinen Transport...«

Schnell wurde sie jedoch wieder ernst: »Und schließlich gibt es noch die großen Mutterschiffe, die bei uns sky'ba genannt werden, die sind so groß wie eine ganze Stadt! – Natürlich nicht wie L. A., oder so, aber es passen bis zu hunderttausend Leute hinein. Damit fliegen wir durch das All.«

John hörte ihr staunend zu und hob nur ab und zu die Augenbrauen – als Zeichen der Verwunderung und gleich­zeitiger Aufmerksamkeit. Er fühlte sich wie ein kleines Kind, dem erklärt wird, dass es keinen Weihnachtsmann gibt.

»Die Operation, die wir durchführen, wird von einem solchen Mutterschiff geleitet, allerdings sind natürlich kei­ne hunderttausend Personen an Bord! – Dafür aber leider einige Waffen...«, setzte sie mit unheilvoller Stimme hinzu.

»Waffen!«, fand John seine Sprache wieder. »Was für Waffen?«

»Tja, alles was unsere Technologie so hergibt, fürchte ich! Angefangen bei einfachen, kleineren Strahlengeräten, mit denen alle unsere Schiffe ausgestattet sind, über mittelgro­ße bis hin zu ganz großen. Du kannst es entfernt mit euren Laserstrahlen und Atomwaffen vergleichen, nur sind unse­re erheblich weiter in der Entwicklung und somit auch in ihrer Zerstörungskraft. – Die Schäden, die man damit an­richten kann, sind entsetzlich!«

A'ísha schüttelte sich, und John merkte ihr an, dass das zwar nicht ihr Fachgebiet war, ihr aber dennoch gewisse Einzelheiten bekannt waren. »Diese Strahlen werden hauptsächlich gegen bewegliche Ziele eingesetzt, für ande­re, also Feststehende und Größere gibt es dann noch die tib'urs.«

»Tib'urs?«

»Ja, ihr würdet Bombe dazu sagen, wobei die Kleinen, mit denen auch unsere ska'bas ausgerüstet sind, eine Sprengkraft entwickeln, die in etwa dem Zehnfachen eurer Handgranaten entspricht.«

»Und da gibt es natürlich auch noch Größere?« John machte keinen fröhlichen Eindruck bei dieser Frage.

»Natürlich«, nickte A'ísha, »die ske'ves sind nicht mit tib'urs ausgerüstet, denn sie dienen in der Regel nur dem Transport von Material, aber unsere großen Schiffe sind mit tan'yr-kods und tor'da-elcs ausgerüstet.«

»Klingt ja gefährlich«, spöttelte John, doch ihm war nicht ganz wohl bei der Geschichte.

»Das ist es auch«, nahm ihm A'ísha jede Illusion, »schon ein tan'yr-kod kann je nach Voreinstellung entweder ein kleines Dorf oder eine große Stadt vernichten!«

John musste schlucken: »Und ein tor'da-elc?«

A'ísha stockte kurz, bevor sie langsam weitersprach. »Damit kann man Planeten zerstören. Ein halbes Dutzend von ihnen an den richtigen Stellen platziert und wenig spä­ter würde es in eurem Sonnensystem einen zweiten Asteroi­dengürtel geben!«

»Puuh!«, entfuhr es John, und er verdrehte die Augen. »Das ist ja der reine Wahnsinn! – Und das habt ihr mit uns vor? Na, herzlichen Dank auch!«

»Nein«, beschwichtigte sie, »das beabsichtigen nur einige Wenige bei uns, weil sie es so sehen wie ich dir bereits er­klärt habe! Aber es gibt auch einige Vernünftigere, die da­für gesorgt haben, dass ihr euch noch einmal bewähren könnt und dass ihr vorher geprüft werdet!«

»Und darum bist du hier! Um die Menschen zu prüfen«, stellte John fest. Er wurde wieder etwas ruhiger und atme­te tief durch.

»Ja, ich hier in Amerika und mein Bruder in Europa«, be­stätigte sie. »Wir sind zwar keine typischen Agenten, wie ihr sagen würdet, aber wir sind von allen Personen unserer Heimatwelt am besten mit eurer Kultur, euren Sitten und Gebräuchen vertraut..., auch auf Grund der Erziehung durch unsere Eltern und Großeltern, und außerdem haben wir Erdgeschichte studiert..., über Jahre! – Daher hat man uns beauftragt, auf der Erde Erkundigungen einzuziehen und Beobachtungen zu machen und nach Ablauf einer be­stimmten Frist wieder auf das Mutterschiff zurückzukeh­ren, um dann dort dem Rat Bericht zu erstatten.«

»Welche Frist? Wie lange haben wir noch?«

»Es waren mal drei Erdentage, jetzt sind es allerdings nur noch... – sie blickte schnell auf ihre Uhr – anderthalb!«

»Anderthalb Tage!«, schrie John auf, und in Gedanken wiederholte er den Schrei. Dann wurde ihm bewusst, dass es sehr schnell sehr ernst werden konnte. Das galt nicht nur für ihn, sondern für die gesamte Menschheit – für den gan­zen Planeten.

Doch er war der Einzige, der davon wusste – und das gab ihm für einige Augenblicke genug Stoff zum Nachden­ken.

*

Séth'ra-an'úilc betrat sein Quartier. Es war nur schwach er­leuchtet, und als er mit einer Geste einige geheimnisvolle Zeichen in die Luft malte, verlosch es vollständig.

Er setzte sich auf den Boden, schloss die Augen und at­mete tief und gleichmäßig. Nach kurzer Zeit öffnete er sie wieder. Sie schienen nun ganz schwarz zu sein. Er griff mit der rechten Hand in eine Tasche seines Gewandes und hol­te eine zehn Zentimeter große, metallisch aussehende und matt scheinende Kugel hervor. Nun vollführte er mit seiner linken Hand einige Gesten über der Kugel, die schnell von einem orangeroten Licht umgeben war, das sich stetig aus­weitete.

Nach einiger Zeit verbarg er die Kugel wieder in seiner Tasche. Im Raum war keine Änderung zu bemerken, doch weit draußen im Weltall hätte ein Sternenbeobachter eine Änderung wahrnehmen können, denn mitten im All schien etwas zu schweben, das lediglich dadurch wahrzunehmen war, dass es je nach Position des Betrachters einige Sterne verdeckte, die zuvor noch sichtbar waren.

Es machte den Eindruck eines Schwarzen Lochs, das sich langsam aber unaufhörlich vergrößerte.

Return of God

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