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Zweiter Aufzug

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Erster Auftritt

(Die Szene: des Sultans Palast.)

Saladin und Sittah spielen Schach.

Sittah.

Wo bist du, Saladin? Wie spielst du heut?


Saladin.

Nicht gut? Ich dächte doch.


Sittah. Für mich; und kaum.

Nimm diesen Zug zurück.


Saladin. Warum?


Sittah. Der Springer

Wird unbedeckt.


Saladin. Ist wahr. Nun so!


Sittah. So zieh

Ich in die Gabel.


Saladin. Wieder wahr.—Schach dann!


Sittah.

Was hilft dir das? Ich setze vor: und du

Bist, wie du warst.


Saladin. Aus dieser Klemme seh

Ich wohl, ist ohne Buße nicht zu kommen.

Mag's! nimm den Springer nur.


Sittah. Ich will ihn nicht.

Ich geh vorbei.


Saladin. Du schenkst mir nichts. Dir liegt

An diesem Plane mehr, als an dem Springer.


Sittah.

Kann sein.


Saladin. Mach deine Rechnung nur nicht ohne

Den Wirt. Denn sieh! Was gilt's, das warst du nicht

Vermuten?


Sittah. Freilich nicht. Wie konnt' ich auch

Vermuten, daß du deiner Königin

So müde wärst?


Saladin. Ich meiner Königin?


Sittah.

Ich seh nun schon.—ich soll heut meine tausend

Dinar', kein Naserinchen mehr gewinnen.


Saladin.

Wieso?


Sittah. Frag noch!—Weil du mit Fleiß, mit aller

Gewalt verlieren willst.—Doch dabei find

Ich meine Rechnung nicht. Denn außer, daß

Ein solches Spiel das unterhaltendste

Nicht ist: gewann ich immer nicht am meisten

Mit dir' wenn ich verlor? Wenn hast du mir

Den Satz, mich des verlornen Spieles wegen

Zu trösten, doppelt nicht hernach geschenkt?


Saladin.

Ei sieh! so hättest du ja wohl, wenn du

Verlorst, mit Fleiß verloren, Schwesterchen?


Sittah.

Zum wenigsten kann gar wohl sein, daß deine

Freigebigkeit, mein liebes Brüderchen,

Schuld ist, daß ich nicht besser spielen lernen.


Saladin.

Wir kommen ab vom Spiele. Mach ein Ende!


Sittah.

So bleibt es? Nun dann: Schach! und doppelt Schach!


Saladin.

Nun freilich; dieses Abschach hab ich nicht

Gesehn, das meine Königin zugleich

Mit niederwirft.


Sittah. War dem noch abzuhelfen?

Laß sehn.


Saladin. Nein, nein; nimm nur die Königin.

Ich war mit diesem Steine nie recht glücklich.


Sittah.

Bloß mit dem Steine?


Saladin. Fort damit!—Das tut

Mir nichts. Denn so ist alles wiederum

Geschützt.


Sittah. Wie höflich man mit Königinnen

Verfahren müsse: hat mein Bruder mich

Zu wohl gelehrt. (Sie läßt sie stehen.)


Saladin. Nimm, oder nimm sie nicht!

Ich habe keine mehr.


Sittah. Wozu sie nehmen?

Schach!—Schach!


Saladin. Nur weiter.

Sittah. Schach!—und Schach!—und Schach!—


Saladin.

Und matt!


Sittah. Nicht ganz; du ziehst den Springer noch

Dazwischen; oder was du machen willst.

Gleichviel!


Saladin. Ganz recht!—Du hast gewonnen: und

Al-Hafi zahlt.—Man lass' ihn rufen! gleich!

Du hattest, Sittah, nicht so unrecht; ich

War nicht so ganz beim Spiele; war zerstreut.

Und dann: wer gibt uns denn die glatten Steine

Beständig? die an nichts erinnern, nichts

Bezeichnen. Hab ich mit dem Iman denn

Gespielt?—Doch was? Verlust will Vorwand. Nicht

Die umgeformten Steine, Sittah, sind's,

Die mich verlieren machten: deine Kunst,

Dein ruhiger und schneller Blick…


Sittah. Auch so

Willst du den Stachel des Verlusts nur stumpfen.

Genug, du warst zerstreut; und mehr als ich.


Saladin.

Als du? Was hätte dich zerstreuet?


Sittah. Deine

Zerstreuung freilich nicht!—O Saladin,

Wenn werden wir so fleißig wieder spielen.


Saladin.

So spielen wir um so viel gieriger!—

Ah! weil es wieder losgeht, meinst du?—Mag's!—

Nur zu!—Ich habe nicht zuerst gezogen;

Ich hätte gern den Stillestand aufs neue

Verlängert; hätte meiner Sittah gern,

Gern einen guten Mann zugleich verschafft.

Und das muß Richards Bruder sein: er ist

Ja Richards Bruder.


Sittah. Wenn du deinen Richard

Nur loben kannst!


Saladin. Wenn unserm Bruder Melek

Dann Richards Schwester wär' zu Teile worden:

Ha! welch ein Haus zusammen! Ha, der ersten,

Der besten Häuser in der Welt das beste!

Du hörst, ich bin mich selbst zu loben, auch

Nicht faul. Ich dünk mich meiner Freunde wert.

Das hätte Menschen geben sollen! das!


Sittah.

Hab ich des schönen Traums nicht gleich gelacht?

Du kennst die Christen nicht, willst sie nicht kennen.

Ihr Stolz ist: Christen sein; nicht Menschen. Denn

Selbst das, was, noch von ihrem Stifter her,

Mit Menschlichkeit den Aberglauben würzt,

Das lieben sie, nicht weil es menschlich ist:

Weil's Christus lehrt; weil's Christus hat getan.—

Wohl ihnen, daß er so ein guter Mensch

Noch war! Wohl ihnen, daß sie seine Tugend

Auf Treu und Glaube nehmen können!—Doch

Was Tugend?—Seine Tugend nicht; sein Name

Soll überall verbreitet werden; soll

Die Namen aller guten Menschen schänden,

Verschlingen. Um den Namen, um den Namen

Ist ihnen nur zu tun.


Saladin. Du meinst: warum

Sie sonst verlangen würden, daß auch ihr,

Auch du und Melek, Christen hießet, eh'

Als Ehgemahl ihr Christen lieben wolltet?


Sittah.

Jawohl! Als wär' von Christen nur, als Christen,

Die Liebe zu gewärtigen, womit

Der Schöpfer Mann und Männin ausgestattet!


Saladin.

Die Christen glauben mehr Armseligkeiten,

Als daß sie die nicht auch noch glauben könnten!

Und gleichwohl irrst du dich.—Die Tempelherren,

Die Christen nicht, sind schuld: sind nicht, als Christen,

Als Tempelherren schuld. Durch die allein

Wird aus der Sache nichts. Sie wollen Acca,

Das Richards Schwester unserm Bruder Melek

Zum Brautschatz bringen müßte, schlechterdings

Nicht fahren lassen. Daß des Ritters Vorteil

Gefahr nicht laufe, spielen sie den Mönch,

Den albern Mönch. Und ob vielleicht im Fluge

Ein guter Streich gelänge: haben sie

Des Waffenstillestandes Ablauf kaum

Erwarten können.—Lustig! Nur so weiter!

Ihr Herren, nur so weiter!—Mir schon recht!—

Wär' alles sonst nur, wie es müßte.


Sittah. Nun?

Was irrte dich denn sonst? Was könnte sonst

Dich aus der Fassung bringen?


Saladin. Was von je

Mich immer aus der Fassung hat gebracht.—

Ich war auf Libanon, bei unserm Vater.

Er unterliegt den Sorgen noch…


Sittah. O weh!


Saladin.

Er kann nicht durch; es klemmt sich allerorten;

Es fehlt bald da, bald dort—


Sittah. Was klemmt? was fehlt?


Saladin.

Was sonst, als was ich kaum zu nennen würd'ge?

Was, wenn ich's habe, mir so überflüssig,

Und hab ich's nicht, so unentbehrlich scheint.—

Wo bleibt Al-Hafi denn? Ist niemand nach

Ihm aus?—Das leidige, verwünschte Geld!—

Gut, Hafi, daß du kömmst.


Zweiter Auftritt

Der Derwisch Al-Hafi. Saladin. Sittah.

Al-Hafi. Die Gelder aus

Ägypten sind vermutlich angelangt.

Wenn's nur fein viel ist.


Saladin. Hast du Nachricht?


Al-Hafi. Ich?

Ich nicht. Ich denke, daß ich hier sie in

Empfang soll nehmen.


Saladin. Zahl an Sittah tausend

Dinare! (In Gedanken hin und her gebend.)


Al-Hafi. Zahl! anstatt empfang! O schön!

Das ist für Was noch weniger als Nichts.—

An Sittah?—wiederum an Sittah? Und

Verloren?—wiederum im Schach verloren?—

Da steht es noch das Spiel!


Sittah. Du gönnst mir doch

Mein Glück?


Al-Hafi (das Spiel betrachtend).

Was gönnen? Wenn—Ihr wißt ja wohl.


Sittah (ihm winkend).

Bst! Hafi! bst!


Al-Hafi (noch auf das Spiel gerichtet).

Gönnt's Euch nur selber erst!


Sittah.

Al-Hafi; bst!


Al-Hafi (zu Sittah). Die Weißen waren Euer?

Ihr bietet Schach?


Sittah. Gut, daß er nichts gehört.


Al-Hafi.

Nun ist der Zug an ihm?


Sittah (ihm nähertretend). So sage doch,

Daß ich mein Geld bekommen kann.


Al-Hafi (noch auf das Spiel geheftet).

Nun ja;

Ihr sollt's bekommen, wie Ihr's stets bekommen.


Sittah.

Wie? bist du toll?


Al-Hafi. Das Spiel ist ja nicht aus.

Ihr habt ja nicht verloren, Saladin.


Saladin (kaum hinhörend).

Doch! doch! Bezahl! bezahl!


Al-Hafi. Bezahl! bezahl!

Da steht ja Eure Königin.


Saladin (noch so). Gilt nicht;

Gehört nicht mehr ins Spiel.


Sittah. So mach und sag,

Daß ich das Geld mir nur kann holen lassen.


Al-Hafi (noch immer in das Spiel vertieft).

Versteht sich, so wie immer.—Wenn auch schon;

Wenn auch die Königin nichts gilt: Ihr seid

Doch darum noch nicht matt.


Saladin (tritt hinzu und wirft das Spiel um).

Ich bin es; will

Es sein.


Al-Hafi. Ja so!—Spiel wie Gewinst! So wie

Gewonnen, so bezahlt.


Saladin (zu Sittah). Was sagt er? was?


Sittah (von Zeit zu Zeit dem Hafi winkend).

Du kennst ihn ja. Er sträubt sich gern; läßt gern

Sich bitten; ist wohl gar ein wenig neidisch.—


Saladin.

Auf dich doch nicht? Auf meine Schwester nicht?

Was hör ich, Hafi? Neidisch? du?


Al-Hafi. Kann sein!

Kann sein!—Ich hätt' ihr Hirn wohl lieber selbst;

Wär' lieber selbst so gut, als sie.


Sittah. Indes

Hat er doch immer richtig noch bezahlt.

Und wird auch heut bezahlen. Laß ihn nur!—

Geh nur, Al-Hafi, geh! Ich will das Geld

Schon holen lassen.


Al-Hafi. Nein; ich spiele länger

Die Mummerei nicht mit. Er muß es doch

Einmal erfahren.


Saladin. Wer? und was?


Sittah. Al-Hafi!

Ist dieses dein Versprechen? Hältst du so

Mir Wort?


Al-Hafi. Wie konnt' ich glauben, daß es so

Weit gehen würde.


Saladin. Nun? erfahr ich nichts?


Sittah.

Ich bitte dich, Al-Hafi; sei bescheiden.


Saladin.

Das ist doch sonderbar! Was könnte Sittah

So feierlich, so warm bei einem Fremden,

Bei einem Derwisch lieber, als bei mir,

Bei ihrem Bruder, sich verbitten wollen.

Al-Hafi, nun befehl ich.—Rede, Derwisch!


Sittah.

Laß eine Kleinigkeit, mein Bruder, dir

Nicht näher treten, als sie würdig ist.

Du weißt, ich habe zu verschiednen Malen

Dieselbe Summ' im Schach von dir gewonnen.

Und weil ich itzt das Geld nicht nötig habe;

Weil itzt in Hafis Kasse doch das Geld

Nicht eben allzuhäufig ist: so sind

Die Posten stehngeblieben. Aber sorgt

Nur nicht! Ich will sie weder dir, mein Bruder,

Noch Hafi, noch der Kasse schenken.


Al-Hafi. Ja,

Wenn's das nur wäre! das!


Sittah. Und mehr dergleichen.—

Auch das ist in der Kasse stehngeblieben,

Was du mir einmal ausgeworfen; ist

Seit wenig Monden stehngeblieben.


Al-Hafi. Noch

Nicht alles.


Saladin. Noch nicht?—Wirst du reden?


Al-Hafi.

Seit aus Ägypten wir das GeId erwarten,

Hat sie…


Sittah (zu Saladin). Wozu ihn hören?


Al-Hafi. Nicht nur nichts

Bekommen…


Saladin. Gutes Mädchen!—Auch beiher

Mit vorgeschossen. Nicht?


Al-Hafi. Den ganzen Hof

Erhalten; Euern Aufwand ganz allein

Bestritten.


Saladin. Ha! das, das ist meine Schwester!

(Sie umarmend.)


Sittah.

Wer hatte, dies zu können, mich so reich

Gemacht, als du, mein Bruder?


Al-Hafi. Wird schon auch

So bettelarm sie wieder machen, als

Er selber ist.


Saladin. Ich arm? der Bruder arm?

Wenn hab ich mehr? wenn weniger gehabt?—

Ein Kleid, Ein Schwert, Ein Pferd,—und Einen Gott!

Was brauch ich mehr? Wenn kann's an dem mir fehlen?

Und doch, Al-Hafi, könnt' ich mit dir schelten.


Sittah.

Schilt nicht, mein Bruder. Wenn ich unserm Vater

Auch seine Sorgen so erleichtern könnte!


Saladin.

Ah! Ah! Nun schlägst du meine Freudigkeit

Auf einmal wieder nieder!—Mir, für mich

Fehlt nichts, und kann nichts fehlen. Aber ihm,

Ihm fehlet; und in ihm uns allen.—Sagt,

Was soll ich machen?—Aus Ägypten kommt

Vielleicht noch lange nichts. Woran das liegt,

Weiß Gott. Es ist doch da noch alles ruhig.—

Abbrechen, einziehn, sparen, will ich gern,

Mir gern gefallen lassen; wenn es mich,

Bloß mich betrifft; bloß mich, und niemand sonst

Darunter leidet.—Doch was kann das machen?

Ein Pferd, Ein Kleid, Ein Schwert, muß ich doch haben.


Nathan der Weise: Ein Dramatisches Gedicht, in fünf Aufzügen

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