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Maria

Eine starke Frau in einer schwierigen Situation in einer unruhigen Zeit, eine Frau, die von Anfang an das Leben Jesu ermöglicht, begleitet und mit durchlitten hat. In ihr begegnet uns das Urbild der Mutter, die einerseits mitten im Geschehen steht und andererseits seltsam im Abseits. Von Anfang an muss Maria es lernen, loszulassen und mit dem Wissen zu leben: Dieses Kind „gehört“ mir nicht, es ist das Kind Gottes – ein Mensch, der für andere da sein soll und wird und dabei am wenigsten für mich, seine Mutter. Ein Leben für andere – schon gleich die Geburt des Kindes wird zu einem öffentlichen Ereignis – für die „Hirten auf dem Feld“, für die „Weisen“ und auch für Herodes. Von Anfang an liegt der Schatten solch einer Öffentlichkeit auf dieser Frau und ihrer jungen Familie, sie müssen fliehen, sich dieser Öffentlichkeit entziehen und dorthin gehen, wo keiner sie kennt – nach Ägypten.

Ich lerne von Maria, dass auch unsere Kinder uns nicht gehören, dass sie ein Geschenk Gottes sind und dass es Aufgabe der Mutter, des Vaters ist, diese Kinder zu schützen, zu fördern, sie aber dann auch ihre eigenen Wege gehen zu lassen. Nach und nach und seltsam aus dem Abseits gilt es, diese Gotteskinder lieb zu haben und mehr und mehr loszulassen.

Maria kannte Jesus wie sonst niemand, und doch musste sie sehr bald erkennen, dass es da eine Seite an ihrem Sohn gab, zu dem sie als Mutter und engste Bezugsperson keinen Zugang hatte. Ich denke an die Erzählung über den zwölfjährigen Jesus im Tempel. Der jugendliche Jesus war scheinbar im Trubel des Passahfestes verloren gegangen – alle Eltern, die schon einmal ein abhandengekommenes Kind verzweifelt gesucht haben, wissen, was Maria in dieser Situation durchgemacht hat. Als sie Jesus schließlich im Tempel umringt von einigen Schriftgelehrten finden und ihn mit einer Mischung aus Wut und Erleichterung zur Rede stellen, fragt er sie verwundert: „Wisst ihr nicht, dass ich in meines Vaters Haus sein muss …“

Nein, das wusste sie nicht, und sie verstand es auch nicht – ich glaube, sie hat ganz bis zum Schluss nicht verstanden, was da mit ihrem Sohn geschah – für sie gehörte Jesus einfach und zunächst mal zur leiblichen Familie. Umso schmerzhafter für sie, zu erkennen, dass dieser Aspekt im Leben Jesu zunehmend an Bedeutung verlor. Ich denke an die Erzählung, bei der Maria Einlass zu einer bereits überfüllten Veranstaltung mit Jesus begehrt. Sie lässt Jesus ausrichten: „Deine Mutter, deine Familie ist hier und will dich sehen.“ Und Jesus lässt zurück ausrichten: „Meine Familie, meine Schwestern und Brüder sind die, die mir nachfolgen.“

Das muss der leiblichen Mutter sehr, sehr wehgetan haben. Ihr eigener Sohn signalisiert ihr: Hier geht es um Beziehungen und Inhalte, zu denen du als leibliche Verwandte nicht automatisch Zugang hast – ja, man hat den Eindruck, dass die enge, leibliche Verwandtschaft diese neue und andere Beziehung zu Jesus geradezu verhindert. Das erinnert mich an das irische Sprichwort: „Freunde sind Gottes Entschuldigung für Verwandte.“

Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Eltern und Kinder sich irgendwann voneinander entfremden (müssen) und dass es zukünftig Menschen geben wird, die an diesem von mir so geliebten Kind viel näher dran sind als ich. Das tut weh.

Von Maria lerne ich, trotz aller Entfremdung dabei zu bleiben, im Hintergrund mit zu hoffen, mit zu beten und grenzenlos weiterzulieben, wenn nötig bis zum bitteren Ende.

Josef

Das, was von diesem Menschen rüberkommt, wirkt seltsam spröde und wortkarg. „Typisch Mann“, sagen vielleicht die einen, „nicht wichtig“, sagen vielleicht die anderen.

„Typisch Mann.“ Immer wieder begegne ich dem Vorwurf, dass Männer in Konfliktsituationen selten bereit seien zu reden. „Männer reden nicht“, und in der Tat, uns ist kein einziges Zitat von Josef überliefert – nichts. Und dennoch ist er der, der im Hintergrund die Verantwortung trägt, der still leidet und verdauen muss, was ihm da passiert, was ihm da als Mann und Familienoberhaupt zugemutet wird. Sicherlich hat er noch viel weniger als Maria verstanden, was da vor sich ging, und trotzdem war er wohl ein tiefgläubiger Mensch, der wusste, wann Gott zu ihm sprach, und der dann aus einer Intuition heraus diesen Rat beherzigte und so gut er konnte umsetzte.

Ganz „untypisch Mann“ achtet er auf seine Träume, erkennt in ihnen mitunter die Stimme Gottes, das erfordert ein hohes Maß an Sensibilität. Von wegen „nicht wichtig“ – Josef ist neben Maria die wichtigste Bezugsperson im Leben Jesu.

Ich lerne von Josef, dass es überlebensnotwendig sein kann, auf meine Träume zu achten, und dass es sich lohnt, ein zweites oder drittes Mal hinzuschauen und zu hören, wenn etwas in meiner eigenen Ehe vor sich geht, das mir rätselhaft erscheint. Ich lerne, dass hinter der „spröden Schale“ des wortkargen Handwerkers ein großzügiger, sensibler und verantwortungsvoller Mensch stecken kann.

Das Kind

Natürlich ist Jesus nicht irgendein Kind – Gott macht sich auf den Weg, um uns gewissermaßen „von Mensch zu Mensch“ zu begegnen. Gott, der Schöpfer des Kosmos, bleibt nicht ein ferner und unnahbarer Gott, sondern kommt als Baby auf diese Welt, wie jeder andere Mensch auch. Dieser Gedanke allein ist schon völlig unfassbar. Welches Interesse sollte der Schöpfer des Kosmos an einer Beziehung zu uns kleinen, schwitzenden, egoistischen und selbstzerstörerischen Bewohnern eines kleinen Planeten eines Rand-Sonnensystems haben?

Ich denke, es ist die Liebe, die Gott diesen Weg führt, die Liebe zu diesem Geschöpf, das er einmal „zu seinem Ebenbild“ erschaffen hat. Nur wenn er selbst Mensch wird, kann er verstehen, warum sein Geschöpf so denkt, lebt und handelt, wie es der Mensch nun einmal tut. Nur wenn er am eigenen Leib die Gefährdungen, das Leid, die Freuden, die Versuchungen durchlebt hat, kann er uns verstehen, begleiten und erlösen.

Und all das geschieht und beginnt mit der Geburt. Man könnte sagen, Gott „gibt sich“ von Anfang an das volle Maß an Problemen, die man als Erdenneuling haben kann: Er kommt als kleines hilfloses Baby mitten in einer großen Volkszählung völlig improvisiert (in einem Stall) zur Welt. Als er die Geburt unter diesen medizinisch-hygienisch widrigen Umständen heil überstanden hat, muss er sich sofort auf die Flucht begeben, um nicht umgebracht zu werden. Ich lerne, nicht mehr neidvoll auf das Leben der Reichen und Schönen zu schielen, die scheinbar im goldenen Himmelbett geboren und in der samtroten Sänfte zu Grabe getragen werden. Ich lerne, meinen eigenen Lebensweg von Kindesbeinen an als ein Geschenk zu verstehen, das Gott für mich vorgesehen hat – weit über dem Wohlstandsniveau, das er sich selbst zugebilligt hat.

Die Hirten

Um Pfarrer oder Priester zu werden, um „hauptamtlich“ von Gott reden zu dürfen, muss man an einer Universität die drei alten Sprachen Latein, Griechisch und Hebräisch erlernen und ein langjähriges Studium absolvieren. Größer könnte der Kontrast zu den Menschen, die die Nachricht von der Ankunft Gottes als erste erhalten, kaum sein: die Hirten als erste menschliche Zeugen, als erste Anbeter des Gotteskindes sind die „Fortsetzung-auf-zwei-Beinen“ des Bildes vom Stall. Die Hirten hören die Botschaft, folgen der Botschaft und beten das Kind an. Wir Theologen lesen den biblischen Text, mitunter sogar im Urtext, zerlegen seine einzelnen Elemente nach den Regeln, die wir gelernt haben, übersehen dabei oftmals, dass zunächst einmal wir ganz persönlich gemeint sind, hören folglich auch keine Botschaft für uns selbst (wohl aber für andere), und mit der Anbetung stehen wir sowieso auf „Kriegsfuß“. Ich beziehe mich da ausdrücklich mit ein, denn ich merke, dass ich oftmals fast schon „blinde Flecken“ für die einfache und direkte Sprache Gottes in meinem Leben habe.

Von den Hirten möchte ich lernen, den Lichterglanz, die Lieder und die Botschaft von Gottes Ankunft im Unscheinbaren dieser Welt zunächst einmal auf mich wirken zu lassen. Ich möchte lernen, auf das, was Gott mir sagt, zu hören und es auch umzusetzen, und ich möchte staunend lernen, Gott anzubeten.

Der Engel

Vor vielen Jahren war ich mit meiner damaligen Freundin (und heutigen Frau) unterwegs in die Schweiz zu meinen Eltern. Ich fuhr damals so einen wunderschönen alten VW Variant, mit Motor hinten und Doppelvergaser. Etwa auf der Höhe von Stuttgart passierte es: ein Hinterreifen platzte. Glücklicherweise konnte ich das Auto gut und schnell auf dem Seitenstreifen zum Stehen bringen. Ich stieg aus, positionierte das Warndreieck und wollte dann den Wagenheber und das Ersatzrad aktivieren – jedoch: Der Wagenheber war eingerostet und unbrauchbar, und das Ersatzrad war platt. Ratlos schaute ich abwechselnd zu den nutzlosen Hilfsmitteln, dem geplatzten Reifen am Auto und meiner Freundin. Keine fünf Minuten später hielt auf der Gegenfahrbahn ein großer Abschleppwagen des ADAC, der Fahrer stieg mit einer Werkzeugtasche bewaffnet aus, holte von der großen Ladefläche einen Reifen mit Felge und kam zu uns herüber. Ohne große Worte zu machen, bockte er den Wagen hoch, wechselte das Rad und verschwand, ohne irgendetwas in Rechnung zu stellen, wieder auf die andere Straßenseite, noch ehe wir uns richtig bedanken konnten, und fuhr davon.

Es ist mir ja fast ein bisschen peinlich, aber meine erste bewusste „Engelbegegnung“ war die mit einem „gelben Engel“. Seitdem habe ich gelernt, darauf zu achten und zu lernen: Es gibt Engel, die uns genau im richtigen Moment begegnen, aber es gibt auch viele Momente, in denen wir sie klagend vermissen. Jeder Mensch kann für einen anderen zum Engel werden, wenn wir den Mut und die Sensibilität entwickeln, auch für andere da zu sein.

Ich lerne, dass unsere Welt in dem Maße froher und menschlicher wird, in dem wir unsere „Engelmöglichkeiten“ entdecken und anderen zugutekommen lassen – gäbe es mehr davon, gäbe es weit weniger Gleichgültigkeit und mehr Zivilcourage. Ich lerne, in den Engeln, die mir begegnen, die Schönheit der Fürsorge Gottes zu entdecken.

CLEMENS BITTLINGER

Weihnachtswundernacht 3

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