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Zum Weinbau

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Die Rebpflanze ist in unserem Raum seit dem Tertiär heimisch, in den Kaltzeiten des Quartärs wohl nach Südwesten abgedrängt, aber bei Erwärmung immer wieder, so auch nach der letzten kalten Phase, in unseren Raum, vor allem in die feuchten Auewälder, zurückgekehrt. Dies ist botanisch belegt, ebenso wie die Tatsache, dass schon die steinzeitlichen Jäger und Sammler die Früchte zu schätzen wussten. Trotzdem wurde das wichtigste Produkt der Rebe, der Wein, bis nach der Zeitenwende in unseren Raum importiert. Erst gegen Ende des 1. Jahrhunderts schien es den Römern wohl sinnvoller, den Wein vor Ort zu produzieren als ihn über große Strecken zu transportieren. Belege dafür sind Traubenkerne und Rebruten, die man in entsprechenden Kulturschichten gefunden hat (z.B. in Mainz). Dass sich der Rebanbau aber in diesem Zeitabschnitt rasant ausbreitete, bezeugen über das ganze Land verstreute Fundorte von Werkzeugen wie Karste, Winzermesser und Keltern. Es scheint sicher, dass seit dieser Zeit der Rebanbau kontinuierlich bis heute in unserem Gebiet betrieben wird. Zwar stagnierte er wohl etwas während der Völkerwanderungszeit, aber die Dichte der (seit dem 8. Jahrhundert auch urkundlichen) Belege in fränkischer Zeit bezeugen die flächendeckende Verbreitung der Kultur etwa in den Grenzen des heutigen Weinanbaugebietes. Aus dem Wormser Stadtgebiet wird Pfeddersheim 763 und Worms 766 erstmals erwähnt. Aus karolingischer Zeit ist die Einrichtung von Mustergütern bekannt (z.B. in Ingelheim). Vor allem bezeugen aber die Erlasse zu Anbau und Bewirtschaftung (Rebschnitt, Weinausbau und -lagerung) die große Bedeutung dieses Wirtschaftszweiges. Ein weiterer Markstein in der Weinbauentwicklung wird ebenfalls durch Karl den Großen gesetzt, der bessere Rebsorten, besonders die Burgunderrebe, einführte. In der Folgezeit übernahmen die Klöster und anderen geistlichen Institutionen die Fortentwicklung der Weinbergs- und Kellerwirtschaft, wobei sie selbst die besten Lagen besetzten. Die Qualität des rheinhessischen Weines erreichte überregionales Renommee. Allenthalben entstanden Weinmärkte, die ein weites Einzugsgebiet bis nach Holland hatten. Und man kaufte sich von außerhalb in der Region ein. So hatten zum Beispiel die Klöster von Fulda, Würzburg, Prüm, Metz und Tholey Weinbergsbesitz in Rheinhessen. Der Wormsgau war das Herzstück von »des Reiches Weinkeller«. In den folgenden Jahrhunderten wurde die Rebfläche weiter ausgedehnt, erreichte teilweise deutlich weitere Verbreitung als heute, sicher nicht zuletzt auch eine Folge der günstigen Klimaphase. Aber da die Maxime »Masse statt Klasse« war, ging die Qualität zurück und der gute Ruf des Weines verloren. Damit begann ein langsamer, aber lang anhaltender Niedergang, verstärkt durch den Bauernkrieg (1524/25), den Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) und den Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688–1697). Südweinimporte und der wachsende Konsum von anderen Getränken wie Kaffee forcierten die Krise. Um 1700 konnte der regionale Eigenbedarf kaum noch gedeckt werden. Man versuchte gegenzusteuern. Neupflanzungen durften nur in ausgewiesenem Weinbergsgelände stattfinden, qualitativ hochwertige Rebsorten mussten gesetzt werden, so um 1700 in großem Umfang der Riesling. Der Weinbau erholte sich etwas. Aber andere Weinbaugebiete wie Rheingau und Mosel waren vorbeigezogen. Die Folgen waren Preisverfall und Absatzprobleme der vergleichsweise schlechten Massenweine. Im 19. Jahrhundert taten Reblausbefall und andere Krankheiten wie Sauerwurm, Schimmel und Peronospora ein Übriges. Um 1910 war der rheinhessische Weinbau auf dem absoluten Tiefpunkt. Kurz vorher setzten gezielte Förderungsmaßnahmen ein: Ausbildung der Winzer in Weinfachschulen; Entwicklung und praktische Umsetzung von neuen Techniken in Weinbau und Kellerwirtschaft; Rebzüchtung in Fachinstituten. Dazu wurden die Landeslehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Gartenbau in Oppenheim (1895) und die Landesanstalt für Rebzüchtung in Alzey (1907) gegründet. Winzergenossenschaften zur Steigerung des Absatzes entstanden (Gau-Bickelheim 1897), staatliche Musterbetriebe (Weinbaudomänen) wurden eingerichtet. Trotzdem trat zunächst keine entscheidende Veränderung ein.

Erst nach 1950 kam eine Entwicklung in Gang, die letztlich zu dem heute doch hohen Standard der Rheinhessenweine führte. Das lässt sich an der Betriebsstrukturentwicklung ablesen (Grafik 5). Der oben beschriebene Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe trifft in gleichem Umfang auf die Weinbau treibenden Betriebe zu, was nicht verwunderlich ist, da es sich meist um Mischbetriebe handelt. In Worms halbierte sich die Zahl zwischen 1979 und 1999 von 430 auf 210. Ebenso parallel ist der Rückgang der Kleinbetriebe und der Zuwachs der größeren Unternehmen über 5 ha Rebfläche zu sehen. Aber genau gegenläufig ist die Flächenentwicklung. Während der Ackerbau seit 1950 kontinuierlich zurückgeht, wächst die Rebfläche stürmisch, von 350 ha auf 1600 ha im Jahr 2000 (Grafik 4b), wobei 90 Prozent der Fläche von den größeren Betrieben bewirtschaftet werden (Grafik 5). Hier werden anno 2000 in 150 Haupterwerbsbetrieben immerhin über 1000 Arbeitskräfte beschäftigt, davon 240 Vollzeitkräfte. Die Gründe dieses positiven Trends sind regionaltypisch und gehen nicht zuletzt auf die Förderungsmaßnahmen der Jahrhundertwende zurück. Rheinhessen wurde, angestoßen durch die Alzeyer Rebzucht, zum Musterland der Neuzüchtungen. Bis in die 1960er Jahre war die Region »Weißweinland« (über 90 Prozent der Fläche), ausschließlich mit den Rebsorten Müller-Thurgau, Silvaner und Riesling bestockt (Grafik 6). Dann nach 1960 und verstärkt ab 1970 wurden Kerner, Scheu, Bacchus, Faber, Huxel und 25 weitere Sorten (viele in Alzey gezüchtet) angepflanzt. 1985 standen so deutlich mehr Neuzüchtungen als klassische Sorten im Ertrag. Der Weinbau gewann durch diese Sorten- und damit Geschmacksvielfalt weltweit viele neue Freunde. Und eben zu dem Zeitpunkt – die Zugkraft der Neuzüchtungen begann schon etwas zu erlahmen – setzte eine neue Entwicklung ein, die gegenwärtig fast beängstigende Ausmaße annimmt. Der Markt forderte Rotwein und die Region reagierte. Zwischen 1980 und 2000 vervierfachte sich die Rotweinproduktion, wobei der stärkste Zuwachs wiederum einer neuen Rebsorte, der Dornfelder, zuzuschreiben ist, während die klassischen Portugieser und Burgunder nur langsam ansteigen. Heute sind schon 20 Prozent der Rebfläche mit roten Trauben bestockt, mit wachsender Tendenz. Im Jahr 2000 betrug die Neuanpflanzungsrate der roten Sorten über 50 Prozent. Anzumerken ist noch Folgendes: Dass die Grafiken 5 und 6 sich einmal auf Rheinhessen und einmal auf Worms beziehen, hat Gründe in der statistischen Erhebung, ist aber für die Aussage ohne Belang, da Stadtregion Worms, Wonnegau und Rheinhessen in diesen Strukturen fast austauschbar sind.


Grafik 5: Die Weinbaubetriebe in Worms nach Größe und von ihnen bewirtschafteter Rebfläche im Vergleich der Jahre 1979 und 1999


Grafik 6: Die Veränderung der Anteile der Rebsorten an der bestockten Rebfläche in Rheinhessen zwischen 1964 und 2000

Zum Schluss ein paar Worte zum Weinbau innerhalb der einzelnen Wormser Stadtgemeinden. Aus den spärlichen Daten lässt sich ablesen, dass die aufgezeigte Entwicklung von Betriebsstruktur und Anbau auch auf die Einzelstadtteile übertragbar ist: Rückgang der Betriebszahl, Wachsen der Rebfläche, Sortenvielfalt. Die größten Gemeinden mit Weinbau sind in der Reihenfolge Abenheim, Herrnsheim, Pfeddersheim und Heppenheim. Aber bis auf Ibersheim und Rheindürkheim stehen auch in allen anderen Stadtteilen Rebfelder. Interessantes ergibt sich, wenn man Rebfläche und Gemarkungsfläche zueinander in Bezug setzt. Dann wird Leiselheim zur Weinbaugemeinde schlechthin, denn hier sind 40 Prozent der Flur mit Reben bestockt, gefolgt von Abenheim mit knapp 30 Prozent. Herrnsheim (14 Prozent) und Pfeddersheim (10 Prozent) folgen erst mit großem Abstand. Die weltbekannten Weinlagen im inneren Stadtbereich (Liebfrauenmilch) werden in den entsprechenden historischen Kapiteln angesprochen.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass im Wormser Bereich auch alle wirtschaftlichen Probleme der deutschen Nachkriegslandwirtschaft erkennbar sind, aber dank der Sonderkultur Weinbau doch zum großen Teil abgepuffert werden. Deswegen hat wohl auch in Zukunft, selbst in einem urbanen Ballungsraum wie Worms, die Landwirtschaft, insbesondere der Weinbau, eine hoffnungsvolle Zukunft, selbst wenn das wirtschaftliche Gewicht nicht mehr sehr bedeutsam ist. Für den Erhalt des Kulturlandschaftsgefüges ist das sehr erfreulich.

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