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Claudias Onkel

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„Mammi, Mammi, darf ich eine Katze haben? Biiiittteee...“ Marlene flehte ihre Mutter an, aber diese blieb erst einmal hart. „Eine Katze kommt bei uns nicht ins Haus! Weißt du wie lange es dauert, bis man die richtig erzogen hat? Ich meine so, dass sie auch wiederkommt, wenn man sie nach Draußen lässt?“ Marlene verzog das Gesicht und blickte ihre Mutter traurig an. „Aber..., die Lehmanns habe doch auch eine und die Krollbergs von gegenüber auch. Die können uns bestimmt Tipps geben... außerdem haben wir doch noch gar kein anderes Haustier!“

Sie war kurz vorm Heulen. Das war gemein, jede ihrer Freundinnen hatte ein Haustier, nur sie nicht. „Was die anderen haben oder machen ist mir egal. Denk doch mal daran was ist, wenn wir in den Urlaub nach Spanien fahren. Wer kümmert sich dann solange um die Katze? Und was ist, wenn du nach 3 Wochen keine Lust mehr hast?“ „Das wird nicht passieren, außerdem seid ihr ja auch noch da.“

Ihre Mutter schüttelte den Kopf „Nein, wenn du eine Katze haben willst, werde ich dir dabei helfen sie zu pflegen und zu erziehen. Aber du wirst dich hauptsächlich um sie kümmern müssen. Ich habe dafür keine Zeit und Papa schon gar nicht, er ist doch die ganze Woche über unterwegs. Da kann er sich nicht auch noch darum kümmern.“ „Och man! Immer auf die kleinen, dummen die nicht fliegen können!“

Marlene verzog sich beleidigt auf ihr Zimmer und dachte nach. Sie wollte unbedingt eine Katze haben, aber natürlich wollte sie auch, dass ihre Eltern ihr halfen. Ihre Freundinnen erzählten immer von ihren Tieren, wie niedlich sie doch seien und so, aber von sauber machen und erziehen hatten sie ihr noch nichts erzählt.

Am nächsten Tag quetschte sie ihre beste Freundin Claudia aus. „Du hast doch auch eine Katze, wie muss man die denn pflegen, füttern, erziehen und so?“ „Willst du dir eine Katze anschaffen? Also, ich habe meine zum Geburtstag bekommen. Von meinem Onkel und auch noch ein dickes Buch über Katzen dazu, da stehen echt interessante Sachen drinnen.“ „Ich will auch eine Katze, aber meine Eltern spielen da nicht so mit. Sie meinen ich müsste sie selber erziehen und mich auch immer um sie kümmern, da meine Eltern dafür keine Zeit haben. Außerdem mag mein Vater Katzen nicht so besonders gerne.“

„Weißt du was? Meine Oma hat einen Schrebergarten, da bin ich sehr oft und da könnten wir deine Katze erst mal unterbringen bis du deine Eltern soweit hast. Ich weiß auch schon woher du ein kleines Kätzchen bekommst!“ „Echt? Woher?“ „Naja, eine der vielen Katzen von meinem Onkel hat Junge bekommen und ich habe ihm vor 3 Wochen dabei geholfen, sie zum Tierarzt zu bringen. Der eine kleine Kater ist dermaßen knuddelig, er wird ganz bestimmt gefallen.“ Marlene konnte es kaum fassen, sie würde einen kleinen Kater großziehen, aufgeregt trat sie von einen Fuß auf den anderen.

„Wann kann ich ihn denn mal sehen?“ „Wir können gleich nach der Schule hingehen wenn du willst. Er muss aber noch ein paar Wochen bei der Mutter und den anderen aus seinem Wurf bleiben. Die ersten Wochen sind die wichtigsten für die kleinen Katzen, sie lernen und da sehr viel für später.“ „Und deine Oma wird auch nix dagegen haben, dass ich meinen Kater bei ihr auf dem Garten lasse?“ „Ach bestimmt nicht, sie hat dort so viele Mäuse, die könnte er alle fressen und meine Oma ist ja auch jeden Tage auf dem Garten, also könnte sie dem Kater zu Not auch mal etwas zu Essen hinstellen. Ich leihe dir auf jeden Fall schon mal mein Buch aus. Das solltest du dir gut durchlesen, denn es stehen sehr viele Informationen über Katzen drinnen.“

Marlene konnte das Ende der Schule gar nicht abwarten und rutschte immer ungeduldig auf ihrem Stuhl herum. Gerade heute schienen sich die Stunden ins Endlose zu ziehen. Alle 2 Minuten sah sie auf die Uhr, aber es war immer noch nicht so weit. Endlich gongte es und Marlene stürmte aus der Tür, jetzt würde sie gleich ihren kleinen Kater das erste Mal sehen.

Draußen wartete sie ungeduldig auf Claudia, die in einer anderen Klasse war. Endlich kam diese angetrottet. „Komm her, lass uns gleich losgehen!“ freudig fiel sie Claudia um den Hals. „Bleib ruhig, wir müssen erst noch bei mir vorbei und Bescheid sagen.“ „Wieso Bescheid sagen? Also, ich brauche nicht anzurufen, wenn ich mal nicht zum Mittagessen da bin, ist ja eh kein anderer da.“ „Bei mir ist noch mein Bruder da und meine Mutter macht immer für uns das Essen, sie würde sich Sorgen machen, wenn ich nicht kommen würde.“

Also gingen die beiden erst zu Claudia nach Hause. Marlene wäre am liebsten gerannt, aber Claudia wollte nicht. „Die laufen doch nicht weg. Ob wir da nun 5 Minuten früher ankommen oder nicht, ist doch egal.“ „Aber ich bin so aufgeregt und freue mich so.“

Bei Claudia angekommen bestand Claudias Mutter noch darauf, dass sie zusammen zu Mittag aßen. Marlene schlang ihre Portion Nudeln so schnell es ging runter. Dabei spritzte sie die ganze Soße durch die Gegend, als gehöre es sich so. Als sie fertig war, hatte Claudia man gerade erst die Hälfte ihres Tellers gegessen. „Nu beeile dich doch!“ hetzte sie Claudia, aber diese ließ sich nicht hetzen. „Ich glaube du musst dir erstmal das Gesicht waschen gehen, du siehst nämlich im Moment aus wie ein kleines Indianermädchen“ meinte Claudias Mutter lachend.

Marlene verschwand schnell im Bad und sah sich im Spiegel, sogar unter dem Haaransatz hing die Soße und ihr T-Shirt sah auch nicht gerade sauber aus. Schnell wusch sie sich und ging dann wieder zurück in die Küche. Claudia war inzwischen fertig und die beiden konnten endlich losgehen.

Als sie bei Claudias Onkel angekommen waren klingelten sie, aber er schien nicht da zu sein. Von drinnen konnten sie schon seine vielen Katzen miauen hören. „Wo ist er denn nur, normal lässt er seine Katzen nicht alleine.“ „Hat er denn keine Frau oder Kinder, die sich um die Tiere kümmern können?“ Marlene taten die Katzen leid, da sie anscheinend Hunger hatten und nichts zum Essen da war. Warum sonst sollten sie so laut jammern?

„Können wir nicht irgendwie in das Haus rein und ihnen wenigstens etwas zum Essen geben? Vielleicht ist ja auch etwas passiert?“ Claudia überlegte und nickte dann zustimmend. Hinter dem Haus gab es noch eine Terrassentür und sie könnte offen sein. Dazu mussten sie nur über die Mauer von seinem Haus klettern. Wenn die Tür nicht offen war, mussten sie bis in den 1. Stock klettern, dort gab es ein Fenster, das im Sommer immer offen war.

„Ich mache mir allmählich auch Sorgen“ stimmte Claudia ihrer Freundin zu. „Nicht nur um die Katzen, sondern auch um meinen Onkel. Wo ist er nur? Seit Jahren wohnt er hier ganz alleine mit seinen Katzen und hat nur zum Einkaufen das Haus verlassen und wenn eine seiner Katzen zum Arzt musste. Er hatte große Angst vor den Menschen, aber er mochte Kinder und hat sie auch gerne mal zu sich eingeladen.“

Aus dem Haus kam nun ein lautes Fauchen, gefolgt von einem kläglichen Miauen. Dann war es verdächtig still. „Was geht da nur vor?“ fragte Marlene ängstlich. „Es hört sich an, als würden sich die Katzen da drinnen gegenseitig bekämpfen, aber warum?“ Auch Claudia hatte jetzt Angst, aber sie war genau wie Marlene zu neugierig um wegzulaufen. Somit beschlossen sie, über die Mauer zu klettern um dann durch die Terrassentür ins Haus zu gelangen.

„Was arbeitet dein Onkel eigentlich?“ fragte Marlene, als sie oben auf der Mauer saßen und sich zum Garten umdrehten. „Der? Der ist so faul, dass er gar nichts arbeitet. Er hat nach seiner Ausbildung zum Tierhelfer 6 Richtige im Lotto gehabt und den größten Teil des Geldes hat er günstig angelegt. Durch die Zinsen hat er jetzt genug Geld um sich ein faules Leben zu machen. Außerdem untersuchte er das Verhalten der Katzen und veröffentlichte seine Arbeiten in Zeitschriften und Büchern. Ich glaube er arbeitete gerade an einem weiteren Buch über Katzen.“

Sie sprangen von der Mauer in den Garten. Es war für die Katzen ein sehr schöner Garten, gerade weil er sehr ungepflegt war. Überall wuchsen Büsche und Bäume, in denen sich die Katzen sehr gut verstecken und auf die Lauer legen konnten. Das Gras wuchs hoch, so dass sie sich lautlos an ihre Beute anschleichen konnten. Alles war verwuchert und die Rückseite des Hauses war von wildem Wein und tiefgrünem Efeu umrankt.

Wie gesagt, ein Paradies für Katzen. Wäre da nicht dieser komische Geruch gewesen, der den beiden erst jetzt auffiel. Es roch sehr streng nach Verwesung. Auf der Straße hatte Claudia es auch schon gerochen, dachte aber es käme aus dem Gully und hatte nichts weiter gesagt. Aber jetzt? Hier im Garten roch es noch intensiver und selbst Marlene, die keine feine Nase hatte, roch es ebenfalls. Hier gab es keinen Gully, der stinken konnte.

„Hier stimmt etwas nicht“ meinte Claudia leise. „Ja, du hast Recht. Es stinkt nach tot, brrrr.“ Marlene schüttelte sich und Claudia durchlief ein kalter Schauer. Sie erinnerte sich an die letzten Male wo sie hier war. Da waren hier im Garten mindestens 10 Katzen rumgetollt und man hat fast dauerhaft ein Miauen gehört. Mal von der einen, mal von der anderen Katze. Und nun? Im Moment war es still, zu still. Doch halt, was war das? Ein Vogel sang und er schien auf einem der Bäume hier im Garten zu sitzen. Sie hatte noch nie in diesem Garten einen Vogel gesehen, wo war er und wieso war er hier? Hier gab es Katzen, die ihn töten würden und das wussten die Vögel auch.

Katzen? Ja, wo waren die eigentlich? Sie hatten noch keine einzige gesehen seit dem sie über die Mauer gesprungen waren und auch keine mehr gehört. Seit vorhin, als sie das laute Fauchen gehört hatten. „Was ist hier los, Marlene, wo sind die Katzen und vor allem warum sind auf einmal Vögel in diesem Garten.“ „Ich weiß es nicht, aber ich glaube wir sollten lieber verschwinden und deiner Mutter Bescheid sagen. Wer weiß, was hier passiert ist. Nachher meinen noch alle wir wären Schuld daran.“ Marlene hatte inzwischen richtig Angst. Ihr war es egal, ob sie nun eine Katze bekommen würde oder nicht, sie wollte nur noch von hier weg. Weg von diesem ekelhaften Geruch, der sie irgendwie an die Einäscherung ihres kleinen Bruders erinnerte. Lange hatte sie nicht mehr daran denken müssen. Warum kamen gerade jetzt die Bilder so deutliche und klar wieder hoch?

Ihr Bruder war mit 3 Jahren von einem LKW überfahren worden, weil er angeblich auf die andere Straßenseite zum Eisladen wollte. Das war aber nicht so. Marlene und ihre Eltern, die alle 3 dabei waren, hatten gesehen, wie das jüngste Familienmitglied vorher mit einer streunenden Katze gespielt hatte. Die Katze rannte dann urplötzlich auf die Straße und Greg natürlich ohne zu gucken hinterher.

Marlene, damals 5 Jahre alt, wollte ihn noch aufhalten, schaffte es aber nicht. Die Katze saß auf der anderen Seite und schien zu grinsen, das sah aber nur Marlene. Ihr Bruder wurde von einem Reifen des Lkws erfasst und mitgeschleift, bis dieser endlich zum Stehen kam. Da war es aber schon zu spät für Greg gewesen. Ohne es auszusprechen verschwiegen sie alle die Katze und schoben die Schuld sozusagen auf den Eisladen. Kurz danach sind sie dann umgezogen, da sie es dort nicht mehr ausgehalten haben. Die Katze hatte Marlene bis dahin nie wieder gesehen, aber insgeheim war sie ihr dankbar gewesen. Sie hatte ihren kleinen Bruder nämlich gehasst, da er immer wieder bevorzugt wurde, weil er ja noch so klein war und es noch nicht konnte, oder noch nicht wusste. Außerdem war er in ihren Augen ein kleines Biest gewesen. Er hatte sie immer geärgert, wenn sie auf ihn aufpassen sollte.

Ihre Eltern entschieden sich zu einer Einäscherung und bei der Verbrennung hatte es genauso gerochen wie hier im Garten von Claudias Onkel. Er wohnte hier mit ganz vielen Katzen und schien nicht da zu sein, oder lebte er eventuell nicht mehr? Wer wusste das im Moment schon. Es war jedenfalls alles sehr gruselig und Marlene hatte Angst.

„Wann hast du deinen Onkel das letzte Mal gesehen?“ Claudia dachte kurz nach und zuckte leicht mit den Schultern „ich glaube das ist schon 2 Wochen her, da waren die Kitten gerade frisch geboren und ich war mit ihm gemeinsam beim Tierarzt für die ersten Untersuchung mit Impfung.“ Marlene nickte „und warst du auch im Haus?“ Claudia schüttelte den Kopf „nein, wir haben uns direkt beim Tierarzt getroffen.“

Langsam und ängstlich näherten sie sich der Terrasse und musste über etliche herumliegende Gartenmöbel steigen. Auch die Terrasse sah sehr ungepflegt aus und bedurfte einer Grundreinigung. Wie von Claudia erwartet, war Terrassentür nur zugezogen und nicht abgeschlossen. Man konnte sie also einfach aufziehen und so ins Haus gelangen.

Im angrenzenden Wohnzimmer war es erst einmal Dunkel, da die Jalousien heruntergelassen waren. Es dauerte einige Zeit, bis sich die Augen der beiden Mädchen an die Dämmerung im Haus gewöhnt hatten. Draußen war ja heller Sonnenschein gewesen und nur durch die offene Terrassentür fiel ein wenig Licht. So konnten sie wenigstens die Umrisse der Möbel erkennen, die in dem Raum standen.

Im Wohnzimmer standen ein Sofa, ein Sessel, ein Regal, welches aus irgendeinem Grund fast leer war und noch ein Tisch mit 4 Stühlen. An der Decke hing eine Lampe, die sanft hin und her schaukelte. Im gesamten Haus war es gespenstisch still, zu still. Noch dazu war der strenge Geruch nach Verwesung hier im Haus noch intensiver als im Garten.

Marlene schaute am Regal runter und auf den Boden. Dort lagen auf mehreren Haufen Unmengen von Büchern, Zeitungen und noch mehrere undefinierbare Knäuels, die wie vergessene Wäscheberge aussahen. „Hat dein Onkel immer so viele Sachen auf dem Boden liegen?“ fragte sie, in der Hoffnung ein `Ja´ als Antwort zu bekommen. Claudia schüttelte zu ihrer Besorgnis den Kopf. „Das passt nun ganz und gar nicht zu ihm, er hat immer alles ordentlich weggeräumt. Seine Wäsche hat er immer in den Wäschekorb getan und ich habe nie erlebt, dass das Regal so leer war wie heute. Seine Bücher waren sein Stolz, er hat auch ein paar selber geschrieben, die hat er besonders pfleglich behandelt hat. Da war er richtig stolz drauf.“

Langsam schlich sich die Angst in die Knochen der Mädchen ein. Claudia ging auf einen der als Wäschehaufen deklarierten Hügel zu und wollte gerade dagegen stupsen, als dieser sich urplötzlich bewegte. „Ih!“ schrie sie auf und ging schnell 2 Schritte rückwärts, wobei sie gegen Marlene stieß, die ihr gefolgt war. Die beiden fielen zu Boden und fingen panisch an zu schreien. Der Haufen fing an langsam auf sie zuzukriechen. Ganz langsam und mit vielen Pausen, aber er bewegte sich merklich. Das war zu viel für die beiden, sie nahmen ihre Beine in die Hände und rannten was das Zeug hergab. Sie wollten einfach nur noch raus. Raus aus diesem Spuk und weg von Wäschebergen, die sich bewegten.

Araffra

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