Читать книгу Vom Parthenon zum Pantheon - Heiner Knell - Страница 6

Vorwort

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Mit den beiden im Titel dieses Buches genannten Bauwerken wird nicht zufällig und keineswegs wegen des sprachlichen Reizes der einander ziemlich ähnlich klingenden Namen auf zwei berühmte Exempel der Architekturgeschichte verwiesen. Als besondere Höhepunkte antiker Baukunst spannt sich mit ihnen ein weit ausgreifender Bogen, der den Rahmen dieses Themas umschreibt, zu dem – gleich Meilensteinen der Architektur – weitere Beispiele gehören. Mit ›Meilensteinen‹ sind dabei Bauwerke gemeint, die nicht nur – wie viele sonstige historische Bauten – im eiligen Vorübergehen flüchtig wahrgenommen werden, sondern bei denen es sich im Interesse von Erkennen und Verstehen historischer Grundlagen der Architektur lohnt, etwas geduldiger zu verweilen. Es sind dies Beispiele, die nicht zuletzt auch wegen ihrer besonderen Eigenart und hervorragenden Qualität sowie ihres ungewöhnlich guten Erhaltungszustands weltberühmt geworden sind und mit Recht zitiert werden, wenn von antiken Bauwerken und deren vorbildlicher sowie nach wie vor weltweit nachwirkender Bedeutung die Rede ist.

Da dies nicht nur wahrhafte Exempla einer qualitativ exzellenten Architektur sind, sondern zugleich auch Bedeutungsträger historischer Ereignisse, ideologischer Interessen oder politischen Engagements, gehört zu ihrer Betrachtung zugleich ein Hinweis auf ihren historischen Kontext. Dass er bisweilen etwas weiter ausgreift als nur auf das unmittelbare Datenmaterial der zitierten Bauwerke, ist in der Sache selbst begründet. Dabei sind durch die hierfür ausgewählten Beispiele innerhalb einer Geschichte der Architektur gleich Meilensteinen Impulse gesetzt worden, die nicht ohne weiterwirkende Folgen geblieben sind. Deshalb können sie zugleich als Stellvertreter einer weiter gedachten und zugleich stark komprimierten Geschichte antiker Architektur und Baukunst verstanden werden. Allerdings soll nicht verschwiegen sein, dass die Geschichte der antiken Architektur nicht erst mit dem im Titel genannten Parthenon beginnt. Auch dieses einzigartige Meisterwerk griechischer Baukunst stützte sich vielmehr auf Erfahrungen, die ihrerseits bereits durch ältere Vorbilder gewonnen wurden.


Abb. 1 Olympia, Zeustempel. Sequenz von einer zeichnerischen Rekonstruktion des Aufrisses der Ringhallenflanke.

Zu solchen Bauten gehört an vorderster Stelle der für jede Geschichte der antiken Architektur unverzichtbare und gut zwei Jahrzehnte vor dem Athener Parthenon entstandene Zeustempel in Olympia, an den hier wenigstens mit ein paar Zeilen erinnert werden soll. Wahrscheinlich wurde dieser von dem Architekten Libon (Pausanias V 10,3) aus dem benachbarten Elis entworfene Tempel anlässlich der um 470 v. Chr. mit einem erweiterten Wettkampfprogramm neu organisierten olympischen Spiele begründet. In dieser Zeit konnten die Griechen voller Stolz und in gesteigertem Selbstbewusstsein auf den knapp zehn Jahre zuvor errungenen Sieg in dem dramatischen, die Existenz der Griechen und ihrer Stadtstaaten bedrohenden Krieg gegen das überaus mächtige Perserreich zurückblicken. Dabei verdient der Zeustempel in Olympia nicht nur wegen dieser besonderen historischen Ereignisse vorab einen ausdrücklichen Hinweis, sondern im hier dargestellten Zusammenhang vor allem auch deshalb, weil mit ihm als dem reinsten Exempel der Architektur des ›Strengen Stils‹ griechischer Klassik die zum Kanon geronnenen Formen der dorischen Ordnung – wie beispielhaft in einer Sequenz von einem Aufriss der Tempelflanke demonstriert (Abb. 1) – besonders gut und in reinster Form überliefert sind. Hierbei ordnet ein System eine von unten nach oben geschichtete Folge der Glieder und deren Ort im Aufbau dieser in ihren Formen genormten Architektur. Deshalb gleicht ein Säulenjoch grundsätzlich der Länge eines Architravbalkens, während der Triglyphenabstand im Fries einem halben Joch, der Abstand der Mutuli einem viertel Joch und der Abstand der Dachziegel einem achtel Joch entsprechen. Soweit Bauten dieser Art und Ordnung bekannt geworden sind, ist gut überliefert, dass diese dorische Ordnung für eine längere Zeit zumindest grundsätzlich mit diesem System und seinen Prinzipien verbunden geblieben ist. Deshalb brauchen die Formen dieser Ordnung bei den nachstehend zitierten Beispielen nicht mehr eigens erläutert zu werden.

Die meisten Beispiele der Architektur aus der griechischen und römischen Antike sind in kaum noch zu zählenden Einzeluntersuchungen der Bauforschung sowie innerhalb handbuchartiger Gesamtdarstellungen veröffentlicht worden, sodass eigentlich kein offenkundiger Bedarf für eine weitere einführende Zusammenfassung in dieses Thema besteht. Allerdings tut man sich angesichts der Vielfalt an Publikationen und deren bisweilen heterogener Zielsetzung schwer, konkrete und unmittelbar verständliche Informationen zu finden, die zu wesentlichen Aussagen über Eigenart, typologische Merkmale und architekturgeschichtliche Bedeutung solcher Bauwerke beitragen. Demgegenüber wird in diesem Buch nach bewährtem Prinzip verfahren: Aus dem Bestand bisher bekannt gewordener antiker Bauwerke wurden einige besonders repräsentative Beispiele ausgewählt, die gleich Meilensteinen auf dem langen und verzweigten Weg der Architekturgeschichte auch stellvertretend für andere, hier nicht genannte Bauten ein exemplarisches Verständnis antiker Architektur ermöglichen. Dabei wird bewusst auf jede Art einer vermeintlichen, bisweilen auch methodisch zweifelhaften Entwicklungsgeschichte verzichtet, weil der Entwicklungsbegriff Disziplinen wie der Biologie oder der Botanik entlehnt ist und damit den Eindruck entstehen lassen könnte, auch der Wandel von Architektur oder Kunst unterläge gleichsam a priori einer natürlichen und aus naturwissenschaftlicher Sicht evidenten Gesetzmäßigkeit der Entstehung und einem der Gattung innewohnenden zyklischen Wachstum mit Blüten und Früchten, anschließendem Niedergang und späterem Neubeginn. Stattdessen überliefert die Geschichte der Architektur – dies gilt auch für jede andere Gattung der Kunst und Kultur – einen mehrfachen Wandel, der gegebenenfalls als solcher betrachtet, beobachtet und begründet sowie interpretiert werden kann, ohne sich dabei in Aussagen zu einer letztlich unbegründeten Entwicklungsgeschichte versteigern zu müssen.

Deshalb steht ohne weitere Vorrede ein Musterbeispiel wie der Parthenon auf der Athener Akropolis mit seiner von Iktinos und Kallikrates entworfenen Architektur sowie den von Phidias und seinen Mitarbeitern geschaffenen Bildwerken als ein in dieser Reichhaltigkeit und Qualität niemals übertroffenes Gesamtkunstwerk zuerst im Mittelpunkt der Betrachtung. Dabei kann es für ein Verständnis des Parthenon förderlich sein, wenn auch auf den sogenannten Vorparthenon und damit auf ein etwas älteres Beispiel hingewiesen wird, das dem Parthenon und dessen Bedeutung zeitlich vorausgegangen ist.

Darüber hinaus ist mit dem Bau der zum Teil bereits gleichzeitig nach Entwürfen des Mnesikles begonnenen Athener Propyläen eine Architektur entstanden, die in ihrer Art innerhalb der Geschichte repräsentativer und qualitativ anspruchsvoller sowie progressiv gestalteter Bauwerke vorbildlich gewesen und geblieben ist. Auf diesen Bau folgt in einer Geschichte einflussreicher Architekturen mit dem wahrscheinlich von Kallikrates entworfenen Erechtheion auf der Athener Akropolis ein in seiner Bauform ebenso unkonventionelles wie in der Ausführung seiner Architektur sowie seines Ornament- und Skulpturenschmucks kostbares Meisterwerk, das angesichts der überaus reichhaltigen Ausstattung auch an eine in architektonische Formen übertragene Schatztruhe denken lässt.

Mit dem gut zwei Generationen später entstandenen Theater in Epidauros, das fast 15.000 Zuschauern Platz bot, folgt ein nächster Meilenstein innerhalb einer Geschichte antiker Architektur, der nicht zuletzt wegen der unglaublichen, bis auf den heutigen Tag nicht wirklich begründbaren Qualität seiner Akustik zu den nach wie vor am meisten bewunderten Schöpfungen antiker Baumeister zählt.

Anschließend leitet ein Blick auf die wahrscheinlich von Pytheos beeinflusste Planung und Ausstattung der spätklassisch-hellenistischen Stadt Priene zu bestimmten, für die Baugeschichte höchst bedeutsamen urbanistischen Fragen über, ehe mit dem von den Architekten Paionios und Daphnis als monumentalem Dipteros entworfenen Apollontempel in Didyma die hier besprochene Reihe der Meilensteine aus der Geschichte griechischer Architektur endet.

Hieran anschließend konzentriert sich die weitere Darstellung baugeschichtlicher Meilensteine der Antike auf Beispiele römischer Architektur, die – wie kaum anders zu erwarten ist – zum größten Teil in Rom selbst entstanden sind und deren Ruinen noch heute zum Denkmälerbestand dieser Stadt und damit zu ihrem unverkennbar gebliebenen Gesicht gehören. Dabei nimmt das Augustusforum mit seiner durch Bauskulptur programmatisch überhöhten und sowohl formal als auch inhaltlich gezielt inszenierten Platzgestalt, das der Princeps selbst nach über vierzigjähriger Bauzeit im Jahr 2 v. Chr. eingeweiht hatte, eine besonders herausragende Position ein.

Dass darüber hinaus auch bedeutende Werke von Ingenieuren zu den maßgeblichen Meilensteinen antiker Architektur gehören, belegt eindrucksvoll der bereits um 20 v. Chr. – also in früher römischer Kaiserzeit – entstandene, unter der Bezeichnung Pont du Gard berühmt gewordene Aquädukt. Dies gilt ebenso für das weltweit größte und deshalb zu Recht auch als Kolosseum bezeichnete Amphitheater, das Kaiser Titus im Jahr 79 n. Chr. mit ebenso umfangreichen wie spektakulären Veranstaltungen eingeweiht hatte: In Bezug auf logistische Planung und bauliche Konstruktion ist es einem Weltwunder vergleichbar. Zu Ehren dieses Kaisers wurde außerdem der ihm postum gewidmete Titusbogen in Rom errichtet, mit dem ein dauerhaft wirksames Signal römischer Baukunst entstanden ist. Kaum weniger bedeutsam und folgenreich für die Geschichte der Architektur als einer Gattung mit besonderem Einfluss auf das öffentliche Leben und die sich darin spiegelnden Gesellschaftssysteme ist der von dem Architekten Rabirius entworfene, wahrscheinlich im Jahr 92 n. Chr. fertig gewordene Palast der flavischen Kaiser auf dem Palatin Roms. Dies war nicht nur ein kostbar ausgestatteter Wohnpalast und ein Ort, an dem sich der Kaiser aus der Öffentlichkeit in ein prunkvolles Privatleben zurückziehen konnte, sondern zugleich sein Amtssitz und seine offizielle Repräsentationsstätte. Somit diente dieser Palast dem Kaiser sowohl als großzügig ausgestattete Wohnung als auch anderen Zwecken, die in seiner Machtposition und einer Erfüllung offizieller oder von ihm selbst bestimmter Rechte und Pflichten begründet waren. Deshalb war dies nicht nur eine aufwendige Palastarchitektur, sondern als Meilenstein der Architektur zugleich der Prototyp einer kaiserlichen Residenz, durch deren Gebäude privates Leben und offizielle sowie öffentliche Regentschaft gleichermaßen gegenwärtig repräsentiert waren.

Einen weiteren Meilenstein bildet die in ihrer monumentalen Gestalt als triumphales Siegeszeichen errichtete und gemeinsam mit dem zu ihren Füßen ausgebreiteten Kaiserforum von dem Architekten und Ingenieur Apollodor aus Damaskus entworfene Trajanssäule, die angesichts ihrer intensiven und weltweiten Wirkungsgeschichte zu den maßgeblichen Impulsen gehört, die von römischer Architektur ausgegangen sind. Zuletzt richtet sich der Blick auf das gleichfalls von Apollodor aus Damaskus, dem Staatsarchitekten Trajans, begonnene und von dessen Nachfolger Hadrian eingeweihte Pantheon in Rom, durch das mit seinem spektakulären Kuppelsaal ein besonderer, kaum zu übertreffender Höhepunkt in der Geschichte antiker Architektur überliefert ist.

Dabei mag es einem glücklichen Umstand verdankt sein, dass die ein dreiviertel Jahrtausend umfassende Reihe ausgewählter Meilensteine antiker Architektur mit dem Parthenon, einem für seine Bauzeit einzigartigen und in seiner spezifischen Qualität unübertroffenen Meisterwerk beginnt und mit dem Pantheon, einem nach Entwurf, Ausführung und dadurch erzielter Wirkung gleichermaßen unerreichten Höhepunkt der Weltarchitektur endet.

Es ist nicht auszuschließen, dass bei der Auswahl der im Folgenden genannten Beispiele und ihrer Definition als Meilensteine der Architekturgeschichte auch Vorlieben und persönliche Einschätzungen sowie Bewertungen des Verfassers eine Rolle gespielt haben. Allerdings entsprechen sie wohl weitgehend einem auch innerhalb der Fachwelt verbreiteten Urteil, sodass dieses Vorgehen durchaus sachkundig und insofern begründet ist. Dabei stützt sich der Verfasser natürlich zuerst auf die archäologischen Befunde der zitierten Bauwerke und darüber hinaus auf das von Archäologie und Bauforschung veröffentlichte wissenschaftliche Schrifttum, auf das im Anhang für jedes besprochene Gebäude in einer zusammengefassten Form verwiesen wird. Deshalb sind beträchtliche Teile des Inhalts dieses Buches den Arbeiten zahlreicher Kolleginnen und Kollegen verdankt, ohne dass hierfür jeder oder jedem Einzelnen in angemessener Form gedankt werden könnte.

Vom Parthenon zum Pantheon

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