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Abnehmen ist gar nicht schwer, darüber sprechen jedoch sehr

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Da hat man relativ schnell, relativ viel Gewicht verloren und denkt man könnte seine Methode und seine Erfahrungen an Interessierte weitergeben und würde dafür Zustimmung und vielleicht auch Lob ernten. Stattdessen findet man sich in einer Situation wieder, in der man sich permanent rechtfertigen muss. Ich glaubte, ich dürfte meine Meinung auch äußern, nachdem ich mit diesem Thema doch auch tagtäglich konfrontiert wurde und werde.

Nachdem ich viele Jahre übergewichtig war, hatte ich es vor einigen Jahren geschafft dauerhaft abzunehmen. Nach anfänglichem Lob kam dann mit zunehmendem Zeitablauf immer wieder die Frage: „Na? Wie sieht es denn aus mit deinem Gewicht?“ Ganz offensichtlich erwartete und erhoffte man den Eintritt des Jo-Jo-Effekts. Dieser hat sich allerdings bis heute nicht bemerkbar gemacht. Da meine Methode bei den meisten Menschen heftigen Widerstand hervorrief, nach dem Motto: „Das kann nicht sein, das darf nicht sein“, und ich bemerkte dass meine Methode von einigen Zeitgenossen (in ihrem Sinne) umgedeutet wurde, indem behauptet wurde, ich würde hungern, bis zur Erschöpfung Sport treiben, mit eiserner Disziplin dem Hunger widerstehen, entschloss ich mich, alles zu notieren. Einfach so, damit es „gesagt“ ist. Nach monatelangem Zögern schickte ich das Manuskript an einen Verlag. Irgendwann war es dann soweit, dass mein Buch „Schlank ohne Frühstück“ veröffentlicht wurde. Niemand außer H. wusste davon. Die Reaktionen hierauf wechselten zwischen Begeisterung, Anerkennung, Irritation, Skepsis, bis zur totalen Ablehnung: „Nichts werden Sie erreichen! Nichts! Nichts! GAR nichts!“ (wobei man mir mit dem Finger vor meiner Nase herumfuchtelte. Meine Intention war ja auch eher, dass andere (Übergewichtige) etwas erreichen.) Ein Affront wäre das, was ich getan hätte, ich hätte mich auf ein Feld begeben, auf welchem ich nichts zu suchen hätte. Die Tatsache, dass sich viele kluge Köpfe mit einem Thema befassen, entbindet mich jedoch nicht vom Denken. Die Methode ist absolut unspektakulär und erfordert nicht das Absolvieren von „Programmen“. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass diese harmlosen Mitteilungen im privaten Umfeld für soviel Aufregung sorgen würden. Worum geht es? Ich hatte zufällig festgestellt, dass ich nach dem Weglassen des Frühstücks überhaupt keinen Hunger verspürte und dadurch „von alleine“ circa 10 bis 12 kg abgenommen hatte. Genau weiß ich das nicht, weil ich mich aus lauter Frustration überhaupt nicht mehr gewogen hatte. Mit Studien oder Doppelblindstudien kann ich ebenfalls nicht dienen. In meinen vielen Gesprächen mit fremden Personen nach Erscheinen des Buches, konnte ich allerdings feststellen, dass viele Schlanke ebenfalls nicht frühstücken, oder eine andere Mahlzeit auslassen, während Übergewichtige zum Teil jahrzehntelang vom Abnehmen sprechen. Für die Ablehnung gibt es viele Gründe, z.B. wirtschaftliche. Klar, jemand muss ja die Frühstücks-Cerealien essen, obwohl man diese theoretisch auch zur Mittagszeit verspeisen kann. Und ein Immobilienbesitzer, welcher an eine Bäckereikette vermietet hat, klebt natürlich an der Decke, wenn er von meinen Ansichten hört. Einrichtungshäuser können anscheinend keine Möbel mehr verkaufen, wenn sie ihre Kunden nicht vorher mit Frühstück versorgt haben. Über andere Gründe kann ich nur spekulieren. Es wird von vielen erwartet, dass das Abnehmen als Leistung anerkannt wird. Dafür ist es erforderlich, dass man sich schindet, kämpft, leidet. Wenn man sich nicht mit Leidens- und Entbehrungsschilderungen überbieten kann, nicht berichten kann, wie mit eiserner Disziplin die totale Körperbeherrschung praktiziert wurde, dann ist das Abnehmen nicht erstrebenswert. Es gibt viele Bereiche wo man seine Willenskraft und Stärke unter Beweis stellen kann, beim Abnehmen ist dies nicht unbedingt erforderlich. Andererseits gilt das Frühstück als die wichtigste Mahlzeit des Tages. Das predigen die Ernährungsexperten seit Jahren. Und die Übergewichtigen nehmen den Ratschlag gerne an, er kommt ihnen in ihrer Sucht sehr entgegen. Obwohl ich das Wort Sucht nicht in den Mund nehmen darf. Es gibt ja die Kaufsucht, die Spielsucht, die Geltungssucht, die Nikotinsucht, die Alkoholsucht, die Drogensucht, nur die Esssucht gibt es nicht. Wobei ich mit dem Wort Sucht nicht die Fälle von schweren Essstörungen meine, die der medizinischen Behandlung bedürfen, sondern die „normale“ Esssucht, die zu 10 bis 20 kg Übergewicht führt. Hier kann ich durchaus mitreden. Es haben sich sogar Grüppchen von Befürwortern und Gegnern um mich herum gebildet, obwohl ich das nicht möchte. Ich hatte geglaubt, dass mein Umfeld sehr viel aufgeschlossener reagieren würde. Ich möchte auch nicht missionieren, es könnte aber doch sein, dass der eine oder andere aus dem Geschilderten für sich selbst, seinen Lebensumständen entsprechend, einen zeitlichen Plan entwickelt, welcher das Abnehmen ungeheuer erleichtert. Es bleibt jedem selbst überlassen, ob und wie er abnehmen möchte, es ist manchmal aber nur schwer zu ertragen, wie sich Abnehmwillige wiederholt mit der immer gleichen Methode sinnlos quälen, um „es allen zu beweisen“. Ich denke, dass es an der Zeit ist einen neuen Ansatz zu verfolgen, nachdem mit dem Althergebrachten kein dauerhafter Erfolgt erzielt wird. Eine Bekannte sagte einmal zu mir, sie habe zwar gehört, dass ich ein Buch geschrieben hätte, „man“ hätte sie aber überzeugt, noch einmal eine Diät zu machen. Sie habe schon viele Diäten gemacht und zu Beginn würden diese auch gut funktionieren, nur später, wenn dann Probleme auftauchen würden mit dem Ex oder mit den Kindern, dann würde sie dies immer vollkommen aus der Bahn werfen und sie würde in alte Gewohnheiten verfallen. Aber dieses Mal soll alles anders werden. Sie wäre fest entschlossen das Programm durchzuziehen um am Ende, im Sommer, ein Etuikleid, welches, viel zu eng, schon seit Jahren im Schrank hängt, anziehen zu können. Sie hätte auch sehr leckere Rezepte bekommen. Viel Gemüse, pochiertes Obst. Heute Abend bereits würde es heiße Himbeeren geben. Kann man etwas gegen Himbeeren sagen? Ich wünschte ihr viel Erfolg. Sie trainierte mehrmals pro Woche in einem Fitnessstudio. Das tue ich auch. Ich tat es auch in der Vergangenheit, joggte zusätzlich durch den Wald. Das hat mir zu guter Fitness verholfen, nicht jedoch zu Schlankheit. Als ich die Bekannte im Sommer zufällig wieder traf, musste ich feststellen, dass ein neues Ballonkleid fällig war. Ihre Beraterin hatte ihr vorgeworfen keine Disziplin zu haben. Es wurde schon öfters die Frage gestellt, warum Diäten so beliebt sind. Dazu kann ich sagen: Weil man guten Gewissens seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen kann. Man kann einkaufen, Rezepte studieren, kochen und essen. Immer mit der Begründung: „Ich muss ja essen. Hier steht’s, in meinem Plan.“ Und die Mitmenschen äußern Verständnis, natürlich, sie muss essen, sie tut etwas, was Anerkennung findet. Aber indem man Essenspläne befolgt, kommt man aus dem Fahrwasser nicht heraus. Man tut das, was man sonst auch tut, einkaufen, kochen, essen. Das kann man natürlich tun, allerdings nicht dann, wenn man abnehmen möchte. So gesund und kalorienarm die Lebensmittel auch sein mögen, sie bewirken keine Abkehr vom essen.

Abnehmen ist gar nicht schwer, darüber sprechen jedoch sehr

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