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Wir richten uns im Gutshaus ein

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Tierarzt Dr. Preuß fuhr am Tag danach sein restliches Mobiliar nach Klütz. Indessen berieten die drei Frauen, welche Familie in welchem der Zimmer wohnen sollte. Sie wurden sich schnell einig: Großmutter Alwine Diethert erhielt das kleinste Zimmer. Sie bat aber darum,

dass meine 1¼-jährige Cousine nachts mit ihr zusammen darin schlafen sollte. Tante Else und Sohn Wolfgang wurde der zweitgrößte Raum zuerkannt, während meine Mutter mit uns drei Jungen in das größte am Ende des Flurs befindliche Zimmer einzog.

Ich half mit meinen bescheidenen Kräften bei der Einrichtung der Räume mit. Dazu nutzten wir das Mobiliar, das noch herrenlos auf den Fluren, in den unbewohnten Räumen und Abseiten herumstand, in erster Linie Schränke der verschiedensten Formen, Farben und Größen, Kommoden, aber wenig Tische und Stühle.

Am schnellsten ging es bei der Ausstattung des Zimmers meiner Oma. Ein weißes Bett stand bereits links neben dem Fenster. Wir schoben einen gleichfarbigen Kleiderschrank rechts daneben, danach eine Kommode dazu. Von irgendwoher hatte Tante Else ein Kinderbett beschafft, und vor den einzigen Stuhl im Raum wurde ein kleiner Tisch gestellt.

Das Zimmer meiner Tante war bereits recht üppig möbliert. Hier hatte die Sekretärin des Verwalters Boeck, Ursula Gehrke, bis Ende Juni 1945 gewohnt. Dann hatte Tierarzt Preuß den Raum mit seiner gesamten Ausstattung genutzt. Wir fanden zwei Betten vor, zwei Nachttische, einen dazu passenden Schrank, einen kleinen runden Rauchtisch mit zwei Stuhlsesseln. Hier brauchten nur die beiden Betten in die gewünschte Position geschoben zu werden. Mir gefielen im diesem Zimmer vier künstlerisch sicher wertvolle schöne Aquarelle an den Wänden. Noch interessanter war für mich eine hinter diesem Raum befindliche geheimnisvolle Abseite, die mit dunkelbraunem Paneel getäfelt war und etliches Mobiliar enthielt, insbesondere einen großen braunen Schrank, der von oben bis unten mit Fotoalben und belletristischer Literatur voll gestopft war. Ursula Gehrke las vermutlich mit Begeisterung, musste ihre umfangreiche Bibliothek aber offensichtlich bei ihrer Abreise nach Niedersachsen hier zurücklassen. Wie ich mich erinnere, haben in dieser Abseite durchreisende Verwandte und Tagesgäste übernachtet.

Die längste Zeit mussten wir für die Ausstattung unseres Zimmers aufwenden. Hier hatte Dr. Preuß die Möbel zurückgelassen, die er in seiner jetzigen Klützer Wohnung nicht aufstellen konnte, einen mit kunstvollen Schnitzereien versehenen Eichenholztisch, eine Waschtoilette mit Marmorplatte, darauf eine große weiße Steingutschüssel mit dazu passendem gleichfarbigen Wasserkrug, darüber einen langen ovalen mit braunem Holz eingefassten Spiegel, der an der Rückseite mit einem Haken in einem Ring in der Wand befestigt war, ein braunes Bett mit Sprungfedern. Jedes dieser Möbelstücke trug an der Rück- oder Unterseite einen Aufkleber mit dem Vermerk „Gräflich von Bothmersches Fideikommiss“. An der Wand hatte Dr. Preuß die Reproduktion eines hübschen Kupferstichs zurückgelassen, der eine anmutige junge Frau an einem geöffneten Fenster darstellte und den französischen Titel „Soir d’été“ (Sommerabend) trug.

So schön, kunst- und wertvoll das hier vorgefundene Mobiliar auch immer war, für die Einrichtung eines Zimmers für eine vorerst vierköpfige Familie reichte es nicht aus. Deshalb mussten die beiden Teile des ehemaligen Doppelstockbettes als Ehebetten an der Wand aufgestellt und mit Bretterböden und Strohsäcken versehen werden. Sie wirkten neben dem Gräflich von Bothmerschen Fideikommiss als absoluter Stilbruch. Daneben wurde ein cremeweißer Kleiderschrank aufgestellt, den wir vom Flur mit vereinten Kräften hereingeschoben hatten. An einer weiteren freien Wand fand ein dunkelbrauner Wäscheschrank seinen Platz. Hinzu kam noch eine Kommode. Beide passten gleichfalls überhaupt nicht zu dem gräflichen Mobiliar. Mit viel Mühe trieben wir zwei völlig ungleiche Stühle als Sitzgelegenheiten auf, die natürlich für uns vier Personen in keiner Weise ausreichten. Was tun? Mit einem raschen Blick aus dem Fenster gewahrte Tante Else im Gutsgarten eine lange grün gestrichene Bank. Sie wurde hereingeholt und stand nun etliche Jahre hinter dem wunderschönen Eichenholztisch.

Wahrscheinlich aus der Amtszeit von Verwalter Boeck stammte ein transportabler Ofen, der für diesen großen Raum aber viel zu klein war. Es war November geworden, und uns verlangte bei der nasskalten Witterung, die wir in unserer Heimat nicht kannten, nach Wärme. Doch beim Anheizen mit dem nicht ausgetrockneten Holz bildete sich jedes Mal in unserem Zimmer eine blaue, zum Husten reizende Wolke.

Meine Mutter bestimmte, dass unser einhalbjähriger Bruder Klaus in einem der Holzbetten schlief, während Wilfried und ich uns das „gräfliche“ Bett teilten.

Das nächste Problem, das es zu lösen galt, war die Schaffung einer Kochstelle. In den ersten Tagen nach unserem Einzug ins Gutshaus hatte uns Frau Margarete Goerl gestattet, unsere Mahlzeiten auf ihrem Herd zu kochen. Doch das führte zu Schwierigkeiten. Meine Mutter hatte nicht so viel Muße, die ganze Zeit neben ihrem Kochtopf zu stehen. Wenn sie nachsehen wollte, ob ihre Kartoffeln nun endlich gar wären, musste sie feststellen, dass in ihrer Abwesenheit eine andere Köchin ihren Topf anstelle des unsrigen auf die Flamme gesetzt hatte, über der unsere Mahlzeit gebrodelt hatte, und sich auch mit dem von uns gelieferten Brennholz bedient hatte. Da musste eine andere Lösung gefunden werden.

Meine Mutter hatte erfahren, dass unser Mitbewohner im Gutshaus, Otto Albrecht, von Beruf Maurer war, und sie bat ihn, auf dem Korridor vor unserem Zimmer einen Herd zu mauern. Nach langem Zureden war Albrecht einverstanden, forderte aber, dass wir die nötigen Mauersteine und den erforderlichen Lehm beschafften. Er ermittelte auch sofort, dass ein Schornstein an der Stelle des Flurs entlang führte, wo der Herd entstehen sollte. Durch diesen Abzug gelangte auch der Qualm aus unserem Ofen ins Freie.

Aus der Zeit seiner Tätigkeit als Maurer auf Schloss Bothmer besaß Albrecht noch eine gut erhaltene Herdplatte, Ringe, Türen aus Gusseisen sowie die erforderlichen Schamottesteine. Einen ganzen Tag lang suchte die Familie auf dem Gutshof die nötigen Mauersteine zusammen, die auf dem Flur aufgestapelt wurden, und wir fanden in der Nähe des Gutshauses direkt an der Straße nach Goldbeck eine Stelle, an der fetter Lehm in ausreichender Menge vorhanden war.

Albrecht arbeitete sehr zügig und war nach einem Tag mit seinem Werk fertig. Er war in Arpshagen der erste Einheimische, der uns hilfsbereit und entgegenkommend begegnete.

Da der neue Herd am Ende des oberen Korridors stand, von dem ständig ein kaum merklicher Luftzug durch das Treppenhaus und die Flure bis zum Verandaeingang wehte, drangen auch alle Kochgerüche bis dorthin durch, sodass die Mitbewohner des Hauses an manchen Tagen genau wussten, was bei uns auf dem Speisezettel stand.

Die beiden Frauen setzen sich durch

Ende 1946 bemühten sich Else und Irmgard Lederer verstärkt darum zu erfahren, wo ihre immer noch nicht aus dem Krieg zurückgekehrten Ehemänner verblieben waren. Sie schrieben an Luise Hermann geb. Lederer, die Schwester ihres verstorbenen Schwiegervaters, die noch in deren Geburtsort Neckarwestheim lebte. Heinrich und Gottlob Lederer hatten mit ihren Frauen vor ihrer letzten Begegnung während des Krieges abgesprochen, dass sie alle vier im Falle ihres Überlebens ihren Verbleib der genannten Tante Luise mitteilen würden. Auf diese Weise erfuhren Else und Irmgard Lederer aus Neckarwestheim zu ihrer Freude, dass ihre Männer das Inferno des 2. Weltkrieges als Kriegsgefangene überlebt hatten, Gottlob zuerst in Leningrad, dann in einem Lager am Swir in Russland, Heinrich in dem Dorf Ennezat in Frankreich. Sooft es möglich war, korrespondierten sie miteinander. Gottlob hatte aus Leningrad sogar noch nach Ebenau geschrieben. Seine Briefkarte kam aber nach einem abenteuerlichen Irrweg erst mit unglaublicher Verspätung bei der Empfängerin in Arpshagen an. Darüber ist an anderer Stelle noch zu berichten. Vorerst ließen die beiden Ehefrauen ihre Kinder ablichten, als ein Fotograf in Arpshagen erschien, und sandten ihren kriegsgefangenen Männern je ein Foto. Die Hoffnung, ihre Männer eines Tages für immer an ihrer Seite und in der Familie zu haben, war für beide eine weitere Motivation, sich mit ihrer ganzen Kraft auf der Siedlung zu engagieren.

1946 traf als erster Heimkehrer Max Kapanusch aus der Kriegsgefangenschaft in Arpshagen ein. Kurze Zeit später übernahm die Familie Glass (Vater Karl, Mutter Martha, Sohn Walter, „Walli“, Tochter Maria) die Siedlung Nr.3, zog in die Gutshausküche und -speisekammer ein und erhielt im alten Viehhaus einen Stellplatz für seine schwarze Kaltblutstute mit auffallendem Hängebauch und die anderen Tiere. Als nächster Siedler traf Philipp Müller jun. mit seiner Frau und seinem Sohn Klaus in Arpshagen ein. Er war in Potsdam Polizist gewesen, musste sich aber nun nach Beendigung des Krieges beruflich völlig neu orientieren. Das Zimmer über der Waschküche war für die Großfamilie Müller viel zu klein geworden, sodass sie im Erdgeschoss des Gutshauses in zwei Räume einzog.

Zimmerleute aus Klütz gestalteten den ehemaligen Speisesaal der Gutspächterfamilie Boeck um, sodass durch das Einziehen von zwei Wänden daraus drei Wohnräume für die Familie Klopp entstanden, in die Anna Klopp mit ihren Kindern Werner, Dieter und Rosemarie aus Tarnewitz einzog. Offensichtlich war der Speisesaal für Klopps Einzug blockiert worden. Karl Klopp folgte seiner Familie kurze Zeit danach und wurde trotz seiner Verwundung als Soldat und seiner irreparablen Beinbehinderung Siedler. Aus Kühlenstein traf als vorletzter Neubauer Otto Bischoff mit Frau und den erwachsenen Kindern Waltraud („Traudchen“) und Eberhard („Hardi“) im Gutshaus ein und bezog das von Familie Müller frei gezogene Zimmer über der Waschküche.

Nachdem Hildegard Dreyer mit ihren Töchtern eine Wohnung in Klütz erhalten hatte, folgte als schließlich letzte die Familie Wohlfeil (Vater Friedrich, „Fritz“, Mutter Emma mit den erwachsenen Kindern Edith und Felix), die in die von Dreyers geräumten Zimmer einzogen.

Die Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe unterhielt im Gutshaus Arpshagen ein Büro mit dem damals einzigen Telefonanschluss im Gutsdorf. Hier waren die Herren Teut und Kröpelin tätig, die jeden Morgen von Klütz hierher zur Arbeit kamen und sich dabei speziell auf dem Gutshof den Weg durch den Schlamm bahnen mussten. Was sie da eigentlich im Büro aufschrieben und berechneten, was sie in Vordrucke und Listen eintrugen, ist mir unbekannt geblieben. Herr Teut, der mit der Flüchtlingswitwe Brauner zusammenlebte und sie später auch heiratete, empfand wohl für die Bewohner des Gutshauses Sympathie und Verständnis, vielleicht sogar Mitleid. Möglicherweise regte sich gar sein Gerechtigkeitssinn, als er eines Tages meine Mutter beiseite nahm und ihr zuflüsterte: „Frau Lederer, heute Nachmittag findet im Schweinestall die Verlosung der Schweine statt. Aber Heinrich Frederich hat sie ganz allein in die Hand genommen und davon nur die einheimischen Siedler informiert. Bitte verraten Sie niemand, dass ich Ihnen das verraten habe!“

Nun war meine Mutter zeit ihres Lebens nie autoritätsgläubig, und wenn sie spürte, dass ihre Grundsätze von Gerechtigkeit verletzt wurden oder gegen ihr rechtlich zugesicherte Interessen verstoßen wurde, nahm sie ihr Herz in beide Hände und forderte freimütig und entschlossen ihre Rechte ein, so auch diesmal. Kurzfristig informierte sie die bei dieser Aktion ausgegrenzten Siedler und erschien mit etlichen von ihnen zu der vorgesehenen Zeit im Schweinestall. Frederich fragte sichtlich überrascht: „Und was wollen Sie hier?“ Selbstbewusst entgegnete Irmgard Lederer: „Dasselbe wie Sie! Wir wollen auch an der Schweineverlosung teilnehmen. Wir haben hier in Arpshagen viele Pflichten, aber auch Rechte, und die wollen wir jetzt wahrnehmen.“ Widerstrebend musste Frederich nun alle hier im Stall Versammelten an der Verlosung teilnehmen lassen, und meine Mutter hatte Glück: Sie zog ein Los, das sie zur Besitzerin einer tragenden Sau machte. Dadurch verbesserte sich ihre wirtschaftliche Ausgangsposition auf der Siedlung erheblich. Als die Sau geferkelt hatte, konnte sie einige Ferkel anderen Neubauern überlassen, die dafür das Ablieferungssoll meiner Mutter für Schweine-, sogar für Rindfleisch übernahmen. Außerdem konnte im folgenden Winter ein Schwein für den privaten Verbrauch geschlachtet werden.

Als ein weiterer uns wohlwollend und freundlich gesinnter Mecklenburger erwies sich der Bauer Bibow aus Tarnewitzerhagen, dem Irmgard Lederer in den Sommermonaten 1945 von Oberklütz aus beim Dreschen geholfen hatte und der ihr dafür Produkte von seinem Hof versprochen hatte. Eines Tages erschien er mit einem ganzen Kastenwagen voller Erzeugnisse von seinen Feldern und aus seinem Garten, die in unserem Gutshauskeller abgeladen wurden. Mehrere Säcke Kartoffeln, Möhren, Rotkohl, Weißkohl, Wruken, Porree, Sellerie, Beutel mit Erbsen, weißen Bohnen und Kartoffelmehl sorgten für mehrere Wochen für Abwechslung auf unserem Speiseplan. Großmutter Alwine Diethert verschenkte von diesem unerwarteten Überfluss sogar noch einiges an die Mitbewohner des Gutshauses.

Der eiskalte Winter 1946/1947 hatte dafür gesorgt, dass unsere Holzvorräte wegen des ständigen Heizens und Kochens zur Neige gegangen waren. Zuletzt verheizten die Lederer-Schwestern sogar die Bohnenstangen aus dem Gutsgarten. Es machte sich erforderlich, einen Baum zu fällen. Aber dafür fehlte es an notwendigen Geräten. Irmgard Lederer lieh sich beim Bauern „Kötter“ (wegen seines großen zottigen Hundes so genannt) Wulf in Klütz eine Schrotsäge, zwei Äxte und zwei Beile aus. Der zeitweilige Gespannführer Fritz Schmidt baute den Wagen für den Holztransport um und bedauerte lebhaft, dass er seinen aus der Heimat mitgebrachten „Bobschi“ nicht anspannen durfte. Zu dritt ging es in den Wald, in dem sich zur gleichen Zeit auch eine Gruppe einheimischer Neubauern um Stefan Patynowski gleichfalls zum Fällen eines Baumes eingefunden hatte.

Else Lederer suchte mit geübtem Auge einen Baum aus, der so stand, dass er beim Fallen keinen anderen mitreißen oder gar beschädigen konnte. Fachgerecht schlugen und sägten die beiden Frauen in Fallrichtung über der Wurzel eine tiefe Kerbe und sägten derart routiniert von der anderen Seite, dass sich der Baum in der gewünschten Richtung neigte und fiel, ohne Schaden anzurichten. Die hämischen plattdeutschen Kommentare ihrer Zaungäste, für die feststand, dass Frauen wie diese und dazu noch Flüchtlinge niemals einen Baum zu fällen imstande seien, ignorierten sie einfach.

Sie machten sich zügig an das Entfernen der Äste und Zweige, die Fritz Schmidt auf den Wagen lud, und zersägten den Stamm in etwa gleich große Teile, während Stefan Patynowski einen Baum ansägte, dessen Krone sich beim Fallen in denen zweier anderer verfing und den Waldboden nicht erreichte. Doch Zeit zur Schadenfreude blieb den beiden Frauen nicht, die die Stammteile aufluden, während die Männergruppe in sicherem Abstand ihrem Ärger wegen des Misserfolgs lauthals Ausdruck gab.

Bedauerlicherweise verletzte sich Kutscher Fritz Schmidt auf der Rückfahrt seinen Daumen so schlimm („Oj, oj, moj palez, moj palez!“), dass er ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen musste und den Lederer-Schwestern danach nicht mehr zur Verfügung stand.

Nach dem Abladen des Holzes holten Else und Irmgard die Gutskreissäge in die Nähe des Gutshauses; Else schloss sie an das Starkstromnetz an und wollte die Stammteile ohne Schutzhandschuhe und -brille zu Kloben zersägen. Das beobachtete Karl Glass, machte sie

auf die Verletzungsgefahr aufmerksam und nahm ihr die gefährliche Arbeit ab.

Aus keinem plausiblen Grund mussten 1947 die für das Ablieferungssoll bestimmten Schweine nicht wie üblich auf dem Bahnhof in Klütz, sondern in Dassow abgeliefert werden. Irmgard Lederer fragte Stefan Patynowski, ob er ihr Schwein nicht auf seinem Wagen nach Dassow mitnehmen könnte. „Nein, das geht nicht, die Schweine würden sich unterwegs beißen“, gab er zur Antwort und machte sich mit seinem Gefährt auf den Weg. Irmgard blieb nichts übrig, als ihr Schwein mit Hilfe zweier Männer auf den eigenen Wagen zu laden, die Pferde anzuspannen und das Schwein selbst nach Dassow zu transportieren. In Hohen Schönberg überholte sie Stefan Patynowski, dessen Wagen am Straßenrand stand, weil die Achse gebrochen war, und der nun meine Mutter darum bat, sein Schwein auf ihren Wagen laden zu dürfen. Da gab Irmgard Lederer selbstbewusst zur Antwort: „Aber Herr Patynowski, das geht doch nicht, wie Sie selbst festgestellt haben, die Schweine würden sich auf der Fahrt beißen!“ In Dassow fand sie beherzte Männer, die ihr das Schwein vom Wagen luden.

Auf diese Weise setzten sich die beiden Frauen mehr und mehr gegenüber den überheblichen einheimischen Männern durch, deren spöttische Bemerkungen über das Unvermögen des schwachen Geschlechts allmählich verstummten.

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