Читать книгу Suchtfaktor Liebe - Ina Pohlmann - Страница 6

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Ich möchte schließlich einen verständnisvollen Mann, der auch zuhören kann. Ja aber doch nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen und in den ersten 10 Minuten direkt abchecken wollen, ob Haus, Heirat und Kinder gewollt und damit direkt in greifbare Nähe rücken. Überrumpelungstaktik ist interessant, allerdings würde ich nicht allzu viel auf die Antworten bauen. Eine Frau gilt als Neuerwerbung – sie will umworben sein. Er auch.

Eigentlich bin ich hierfür die Falsche, weil ich darin nie sehr gut war. Ich ging immer geradeaus und direkt drauf zu, ohne Umschweife Kontakt mit vielen Sinnen, um die Antworten auf meine provokative Fragen und Aktionen direkt zu analysieren. Hat den Vorteil, dass mein Gegenüber nicht damit rechnet und meist sehr authentisch reagiert, schon mal auch irritiert die Flucht ergreift. In den meisten Fällen kam ich drum herum umworben werden zu müssen, da es mir sehr unangenehm ist und ich dann gerne peinlich berührt reagiere. Sicherlich ist das ein Kriterium, das Männer ganz reizvoll finden. Ich nicht. Es ist mir peinlich, wenn ich umworben werde. Warum eigentlich? Weil es mir unangenehm ist so Mädchenhaft zu erröten. Das bringt mich aus der Fassung und da ist doch lieber der Mann das Opfer. Letztlich ist es egal, wer wen umwirbt. Oder nehme ich Dir etwas weg, das Du für Deine männliche Identifikation benötigst? Dein männliches Hirschtum, der Gockel, der Hengst. Ich gebe Dir Tiernamen, sieh an. Gehört womöglich auch zum vorherigen Kapitel.

Ohne Umwege zum Ziel – Werbung bedeutet anpreisen, sich selbst. Oder heißt es eher - Du willst mich haben! Da habe ich wohl mein Leben lang etwas falsch verstanden und dann wundere ich mich, dass die Traumprinzen zum Albtraum mutieren. Nun gut, ist ein wenig übertrieben. Aber da möchte ich das Spielchen umgehen und mache es meinem Auserwählten einfach und dann erwische ich die absolute Mogelpackung.

Du hast nur nicht richtig hingeschaut – offensiv ist eben doch nicht immer der Weg. Vor allem, wenn man dadurch die weibliche Intuition nicht spürt. Diejenigen, die umwerben, sind uninteressant. Wie schade, das wären sicher die Traumprinzen gewesen! Ich kenne unzählige interessante na sagen wir mal Kennenlerngeschichten. Aus den plötzlichen unerwarteten Zusammenkünften sind die langfristigsten der mir bekannten Beziehungen geworden.

Ich werbe doch nur, weil ich es nötig habe, es reizvoll finde, gerne spiele. Und da sind wir nun bei dem mittlerweile Lieblingsspielplatz der Erwachsenen, den Werbeplattformen der Single-Überdrüssigen und der nicht nur oder ausschließlich feste Beziehungssuchenden. Das Internet, ein Spielfeld der Superlative und auch der passiven Exekutive, in der jeder finden kann was er sucht, sofern er sich auf die Spielregeln einlässt.

Von wegen, hier kann jeder alles und keiner nichts. Hier sind nur die allerbesten Exemplare vertreten, auf den Straßen läuft nichts Adäquates mehr herum. Ja, glaub ich’s denn noch? Sind wir nicht alle von der Straße, oder muss ich mich jetzt auf die interaktive Welt der Matrix einlassen, die da Absolut erscheint? Geht nichts mehr ohne Netzwerk oder organisierte Partnerbeschaffung, Flirtinitiative oder one-night-dates? Ich bin begeistert! So weit haben wir es gemeinsam gebracht, dass Leute lieber abends auf der Couch versuchen Börsen zu hacken, um interessante Bekanntschaften für ihre vielfältigen Interessen zu daten. Wir lassen uns in matching points kategorisieren und über Persönlichkeitsprofile und deren Analysen gegenseitig zuordnen, was nun wie zu wem und warum passt. Ein Vorgehen, das uns dazu veranlasst unsere Visualität unserem Gespür vorzuziehen. Zumal es recht einseitige Darstellungen unserer eigenen Person für eine andere sind. Was will der andere von mir, damit er mich will? Was gebe ich Preis, was verschweige ich vorerst? Was macht mich attraktiv für den anderen? Diese Fragen und noch viele mehr treiben uns um. Und warum?

Nur damit wir das bekommen, was wir wollen – einen Mann, eine Frau, Liebe, Sex. Man muss der Typ dafür sein, sich auskennen, modern und aufgeschlossen die Hosen runter lassen. Macht nur keiner. Selten. Also was ist es dann anderes als tanzen gehen? Nur da habe ich den Vorteil die Anziehung zwischen zwei Menschen zu spüren. Ich befürchte, dass uns genau diese Fähigkeit immer mehr abhanden geht und wir nach Alternativen forschen. Absurd zu glauben, dass das wirklich dauerhaft funktionieren kann, ohne dass wir abstumpfen zu Individuen, die sich alles vorkauen lassen, weil ihr Gefühl sie zu oft betrogen hat. Wer hat hier wen betrogen. Vielleicht wollen wir aber genau das? Anstatt sich selbst zu bearbeiten und das richtige Gespür für die Liebe zu entwickeln oder wieder zu entdecken, ziehen wir uns lieber auf die vermeintliche Tatsache zurück, dass ab einem gewissen Alter das Feld abgegrast ist, die meisten sich nur noch als Getretene und als Resultat ihrer eigenen Erfahrungen wahrnehmen, oder aber einfach nur zu faul sind das Feld selbst wieder aufzurollen. Habe ich was vergessen? Seht es mir nach, es ist ja auch allzu verwirrend selbst zu urteilen.

Die Jungen müssen In sein, weil sie ansonsten am social network, ihrem neuen sozialen Leben, nicht mehr teilnehmen und das ist ein fundamentales Glied der neuen Lebenskette. Sehr traurig, dass wir Erwachsenen uns diesbezüglich für unsere Heranwachsenden nicht besser schlau machen, um Ihre Oase zu bilden für diese ganze irreale Welt, die längst schon zwingend ein Teil ihrer eigenen Realität geworden ist. Das ist ziemlich armselig, zumal uns das Lieben keiner abnehmen kann. Wer In sein will muss leiden?

Im Netz in allen Belangen schön zu sein ist ein absolutes Muss, um Shit-Storms zu vermeiden. Mobbing auf höchstem internationalem Niveau. Und das wird jetzt noch kultiviert. Wir sind doch so offen und frei, frei andere in ihre Schranken zu weisen und öffentlich zu denunzieren, bloßzustellen oder auseinander zu nehmen?

Das ist zwar nur eine der vielen Seiten der Medaille, aber darauf musst Du erst mal vorbereitet werden und sein, damit Du nicht in Fettnäpfe trittst, ungewollte Fehler passieren, nicht wieder gut zu machende Aktionen Dir und anderen das Leben schwer machen. Ein Exkurs in die interaktive Unwirklichkeit, die wir in unsere Realitäten transportiert haben.

Es gibt viele Erfolge in den Börsen – das ist nicht abzustreiten, aber sollte es dann nicht so geschehen? Und haben die meisten den oder die Partnerin nicht relativ schnell gefunden? Jemand, der sich über Gebühr lange in diesen Foren aufhält, der möchte sich dort aufhalten oder seine Werbekampagne ist unzureichend. Aber was rede ich denn da, sind es nicht alles nur Vorurteile? Na und? Die gibt’s doch nun mal auch und sie sind Teil unseres Erlebens. Lässt das nicht auch Rückschlüsse ziehen auf das Klientel, das sich dort bewegt – in den Portalen dieser Welt und auch auf den Straßen? Pro und contra? Nur weil ich eine gute Erfahrung damit gemacht habe, ist es auch auf Dich übertragbar? Nö.

Nachdem ich mich nunmehr selbst wieder einige Tage in Partnerbörsen des Internets herumgetrieben, gestöbert, angemeldet, zurechtgefunden und mehr oder minder erfolgreich das Terrain abgecheckt habe, kam ich nicht umhin mich sehr schnell wieder abmelden zu wollen. Verstehe ich nun doch nicht so recht, was so faszinierend an diesem oberflächlichen Medium sein soll, dass vorgibt, zumindest auf dem einen oder anderen Portal, seriöse Partnervermittlung zu betreiben. Also ich fand da im wahrsten Sinne des Wortes nicht nur schattierte Fotos sondern auch kurzzeitige schemenhafte Kontakte, die scheinbar bei einem interessanteren Exemplar meiner Gattung nicht einmal vorhatten sich zu verabschieden sondern zwangsläufig den Kontakt einstellten. Schließlich ist „Mann“ nicht Multi didaktisch veranlagt und muss sich konzentrieren auf das was er tut.

Liebchen, nicht so einseitig – Du warst es schließlich, die sich darauf eingelassen hat, um den eigenen Marktwert abzuchecken. Vielleicht hat „Mann“ das gespürt?

Ja, vielleicht hat er es aber auch durchschaut, dass er ward durchschaut.

Wie dem auch sei – mein Medium ist es nicht, da bleibe ich lieber Single, als in Börsen Herum zu chatten und immer wieder denselben Müll herunterzubeten, damit sich ein eventuelles Treffen arrangieren lässt. Soweit ist es bei mir willentlich gar nicht erst gekommen, da ich, entsetzt über die Tendenz des „nicht auf eine einzelne Person einlassen Wollens“, meine mühselig erstellten Profile kurzerhand wieder gelöscht habe.

Feigling! Was heißt hier Feigling, wenn ich zur Überzeugung gelangt bin, dass ich Kontakte lieber in Natura schließe, anstatt eine wie auch immer geartete Werbung über meine Person zu betreiben, die ein möglichst ansprechendes Profil über mich für Dich ergibt, damit DU auf mich aufmerksam wirst eventuell die Eine für Dich sein zu können...

Wie einseitig vielseitig und was für ein Zoo der Begierde – ernstgemeint? Oftmals sicherlich, aber wie trennst Du die Spreu vom Weizen? Wie die Mücke von der Biene? Wie sie von mir? Die Qual der Wahl haben zu müssen, was für ein Elend. Selber schuld? Auf jeden Fall.

Es zwingt uns schließlich niemand dazu uns zu outen, jemanden zu suchen geschweige denn zu finden. Wir werden überrollt von einer Welle missmutiger Singles und anderer Geschöpfe, die allen Ernstes behaupten, Beziehung sei das einzig erfüllende und vor allem legitime Lebensmodell. Warum nur ergeben wir uns dieser Farce? Stehen wir auf, wir (oftmals) Rebellen der 70er, moderne Gerne-Alleinleber, Spießertum-überdrüssig-Seier und Konsorten, Sesselpupser-Nicht-sein-Woller und vor allen Dingen Auf-jeden-Fall-und-für-immer-Selbstbestimmer. Wer will so was und vor allem so jemanden? Also ich jedenfalls nicht. Keinen Möchte-gern-Aufsteher aber trotzdem Sitzenbleiber. Keinen Cool-in-der-Ecke-Steher-und-Gucker anstatt Selbst-Ansprecher. Keinen Profile-Checker, der meist selbst nicht so viel zu bieten hat, wie seine eigenen Ansprüche ihm weismachen wollen. Das gilt im Übrigen übertragen für die gesamte Spezies Mensch unabhängig der sexuellen Orientierung. So wird das nix und vor allem werden wir frustriert doch im Tal der Singles untergehen. Es sei denn wir machen uns auf den Weg wirklich Werbung für uns zu machen – lächeln wir jemanden an im Supermarkt, helfen wir der älteren Frau bitte nur über die Straße wenn sie auch wirklich will, begeben wir uns kinderlos auf Spielplätze, um unsere Kinderfreundlichkeit zu untermauern. Sind wir es nicht, kinderfreundlich, dann bitte nicht so tun als ob. Das will kein Mensch. Aufhören mit verbogener Werbung und unserer eigenen inneren und äußeren Verbiegung. Niemand möchte den Wolf im Schafspelz, den Kinderhasser als Ziehpapa, die Walküre als Hausmutti. Sein wir stolz auf das was wir wirklich sind, seien wir echt und ehrlich. Und wenn schon nicht den anderen gegenüber, dann doch wenigstens uns selbst.

Eine Single-Börse ist und bleibt eine Single-Börse und kein Eheanbahnungsinstitut und hat auch nicht den Anspruch auf ehrliche Fakten. Auch dies wird – wie alles andere – oftmals missbräuchlich gehandhabt und macht dann alles andere als glücklich. Wenden wir uns doch endlich wieder den realen Körpern zu, die in der virtuellen Wahrheit nicht zum Zuge kommen. Gehen wir mal wieder aus. Mit wem? Mit uns – und wenn nötig oder nicht anders möglich gerne auch alleine! Frauen, wir wollen immer emanzipiert dastehen, karrierebewusst alles inklusive Haushalt und sogar Kinder gegebenenfalls alleine hinkriegen, aber ein Lokal alleine zu betreten ist nichts für euch?

Wenn wir doch so taff sind, warum nicht auch das! Was ist aus den Männern geworden, die Frauen angeblich verstehen und doch nicht zum Zuge kommen? Ein bisschen weniger cool und ein wenig mehr Mann, ein bisschen weniger emanzipiert und ein bisschen mehr Frau. Das wär’s doch, oder? Aber wie sollten wir eine Entwicklung aufhalten können, die uns vorgaukelt, was schön und gut ist und was nicht! Wir sind das Volk! Kommt mir irgendwie bekannt vor...

Suchtfaktor Liebe – haben wir das wirklich nötig? Scheint so – ich finde es jedenfalls toll mit einem Mann zusammen zu sein. Da ist auch nichts gegen einzuwenden, wenn wir da nicht in eine Abhängigkeit geraten, die uns unfrei entscheiden lässt. Sind wir überhaupt noch in der Lage wirkliche Herzensentscheidungen zu treffen?

In keinem Fall sollten wir Neues überbewerten und unsere gesamte Existenz und unser Wohlbefinden davon abhängig machen.

Ja, wir sind süchtig nach Liebe. Eigentlich haben wir vergessen was das bedeutet – Liebe. So sehr sind wir abgelenkt von dem Weg, der uns dorthin bringen soll, dass wir etwas Wesentliches übersehen: Eine Mail hat keinen Unterton, eine SMS transportiert keine Gefühle, ein Portraitfoto ist kein Gesicht. Alles was wir über ein drittes Medium anstatt auf direktem Wege übermittelt bekommen bedarf unserer eigenen Interpretation. Wir geheimnissen in jedes geschriebene Wort, in alles Visuelle unsere eigenen Emotionen hinein, weil diese fehlen. Erst der direkte Kontakt macht wahr. Alles vorher ist Geplänkel und kann ziemlich heftig in die Hose gehen.

Aber es gibt da auch was Gutes zu berichten – es ist ein geschützter Bereich, in dem wir uns in Partner-Werbebörsen bewegen. Dafür bezahlen wir ja auch.

Solch ein Schutz ist in Natura anders zu gewährleisten. Was macht diese Form der Anbahnung mit uns, wenn es zum zigsten Male nicht geklappt hat? Wir alleine auf unserem Sofa, geknickt und einsam, weitere Chat-Versuche und die Spirale dreht sich weiter...

Zu Hause sieht es keiner, dass wir uns so fühlen wie wir uns fühlen. Aber warum verstecken? Die Schneckenhäuser bringen uns nicht weiter.

Von wem wir hier noch gar nicht gesprochen haben sind diejenigen, die sowieso kein Problem mit der Kontaktaufnahme haben – die haben jetzt noch ein zusätzliches Spielfeld dazugewonnen, welches ihnen unkompliziert ermöglicht auf mehreren Hochzeiten zu tanzen. Man ist mittlerweile eifersüchtig auf SMSen, Internetkontakte, virtuelle Treffen. Für bestehende feste Beziehungen eine zusätzliche neue Herausforderung. Wir werden wieder mit unseren ursprünglichen jedoch abgelegt geglaubten Kontrollmechanismen konfrontiert. Misstrauen wächst. Vertrauen bedeutet heute mehr denn je, dem oder der Liebsten seinen privaten Account zu öffnen, Handys offen liegen zu lassen und zu akzeptieren, dass die eigene Privatsphäre keine mehr sein darf. Und warum das Ganze? Weil wir alle zu blöde sind zu erkennen, was diese neuartigen Formen der Kommunikation eigentlich in unserem Sozialverhalten bewirken – wir trennen uns temporär von unserer zwischenmenschlichen Realität, auch der Realität bewusst im Hier und Jetzt zu leben, eine reale Beziehung zu führen. Was ist mit der Beziehung zu uns selbst? Bewerbe ich durch solche Profile und Verhaltensweisen wirklich mein wahres Selbst, oder bin ich damit auch schon ein Abklatsch, eine Werbekampagne, eine Flucht aus meinem Leben, eine virtuelle Person unter dem Deckmantel einer Chiffre?

Jetzt ist aber mal gut – es ist ja schließlich nicht alles schlecht. Ich kenne da einige Paare, die haben sich ziemlich schnell gefunden – sind allerdings dadurch auch wieder sehr schnell in eine gemeinsame reale Welt zurückgekehrt. Als Mittel zum Zweck ist das wirklich eine tolle Sache, wenn man es mag und kann. Wenn ich allerdings jede freie Sekunde vor dem Ding klebe, mich ein- und auslogge oder am besten fortwährend online bin, dann habe ich ein Problem. Es gehört schon eine ganze Menge Disziplin dazu es wieder zu lassen und in geregelte Bahnen zu lenken. Suchtfaktor? Ja und zwar nicht nur Liebe. Wir potenzieren dadurch auf Dauer unsere Leidensfähigkeit: So schnell kann man nie wieder eine Abfuhr nach der anderen kassieren. Im wahren Leben ist das besser zu timen. Vielleicht gehört man aber auch zu den attraktiveren Vertretern. Dann kann man selbstverständlich den Spieß umdrehen und sein Ego kurzerhand aufpolieren. Gar kein Problem. Alles ist drin. Wer’s braucht.

Suchtfaktor Liebe

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