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KAPITEL 7


Spargo bemerkte, dass Breton zusammenzuckte; er selbst blieb ganz ruhig, als er einen kurzen Blick auf das Bild warf. „Also das ist der Herr?“

„Als ob er leibhaftig vor mir stände. Den habe ich gleich wiedererkannt, Mr. Spargo.“

„Sind Sie sich Ihrer Sache auch ganz sicher? Es gibt mehrere Abgeordnete, die einen grauen Bart haben.“

Aber Webster schüttelte den Kopf.

„Nein, nein, ich irre mich nicht. Das ist ganz sicher, so wahr ich William Webster heiße. Das ist der Gentleman, der mit dem anderen sprach. Ich kann Ihnen sonst nichts sagen.“

„Nun, dann ist es gut. Ich danke Ihnen vielmals. Ich werde Mr. Aylmore aufsuchen. Bitte, geben Sie mir noch Ihre Adresse in London. Wie lange werden Sie noch hierbleiben?“

„Ich wohne im Beachcroft-Hotel, Bloomsbury, und ich bleibe noch eine Woche hier. Ich hoffe, dass meine Information Ihnen etwas nützt. Ich habe ja gleich zu meiner Frau gesagt ...“

Spargo brachte die Unterhaltung höflich zu Ende und begleitete seinen Besucher zur Tür. Dann wandte er sich an Breton, der noch immer auf das Album starrte. „Nun, habe ich Ihnen nicht gesagt, dass wir durch den Artikel bald Nachricht bekommen würden? So ist es auch gekommen.“

Breton nickte. Er schien tief in Gedanken versunken zu sein.

„Ja, .ja“, sagte er dann.

„Was denn?“

„Mr. Aylmore ist mein zukünftiger Schwiegervater.“

„Ja, das ist mir auch schon eingefallen. Sie haben mich ja gestern seinen Töchtern vorgestellt.“

„Woher wussten Sie denn, dass das gerade seine Töchter waren?“

Spargo setzte sich lachend an den Schreibtisch. „Instinkt. Sie können es auch Intuition nennen. Also, sehen Sie, wir haben doch etwas herausgefunden. Marbury, wenn das der richtige Name des Toten ist, war also an dem Abend mit Mr. Aylmore zusammen.“

„Was werden Sie jetzt unternehmen?“

„Ich werde natürlich Mr. Aylmore aufsuchen.“

Spargo nahm das Telefonbuch auf und blätterte darin. Mit der anderen Hand griff er nach dem Apparat.

„Sie brauchen nicht zu telefonieren“, sagte Breton. „Mr. Aylmore ist um zwölf Uhr gewöhnlich im Atlantic and Pacific Club in St. James anzutreffen. Wenn Sie wollen, werde ich Sie dorthin begleiten.“

Spargo sah auf die Uhr und klappte das Buch zu. „Nun gut. Es ist jetzt erst elf, ich habe noch etwas zu tun. Punkt zwölf werde ich Sie vor dem Club treffen.“

„Einverstanden.“

An der Tür wandte sich Breton noch einmal um. „Was halten Sie von dem, was Sie eben erfahren haben?“

Spargo zuckte die Achseln. „Wir müssen abwarten, was uns Mr. Aylmore zu sagen hat. Anscheinend war dieser Mr. Marbury ein alter Bekannter von ihm.“

Als Breton gegangen war, sprach Spargo mit sich selbst. „Danesworth ... Painsworth ... sehr sonderbar. Es ist doch ausgezeichnet, dass Mr. Webster eine so gute Beobachtungsgabe besitzt. Ich weiß nur nicht, warum Mr. Aylmore plötzlich als Danesworth angesprochen wird. Sollte er früher einen anderen Namen gehabt haben? Wer ist eigentlich dieser Mr. Stephen Aylmore?“

Spargo ging zum Bücherschrank und nahm eines der Nachschlagebücher heraus, die dort standen. Schnell wandte er die Seiten um, bis er fand, was er suchte. „Aylmore, Stephen“, las er laut, „Mitglied des Parlaments für Brookminster seit neunzehnhundertzehn. Wohnhaft: 23 Saint Osythe Court, Kensington, Buena Vista, Great Marlow. Mitglied des Atlantic and Pacific Clubs. Interessiert sich für südamerikanischen Unternehmungen.“

Spargo legte das Buch weg. „Hm, daraus kann man nicht viel ableiten. Also so weit wären wir. Nun müssen wir weiter sehen.“

Er nahm die Fotografie von Mr. Aylmore aus dem Album, steckte sie in ein Kuvert und verwahrte dieses in seiner Brieftasche. Dann verließ er sein Büro, rief ein Taxi und fuhr zum Anglo-Orient-Hotel. Er hatte Breton eben absichtlich fortgeschickt, weil er diesen Besuch allein machen wollte.

Mrs. Walters erkannte ihn sofort wieder und ließ ihn in das Privatzimmer hinein. „Sie sind doch der Herr, der mit Mr. Rathbury hier war?“

„Haben Sie den noch einmal gesehen?“, fragte Spargo.

„Nein, aber ich dachte schon, dass es gut wäre, wenn er noch einmal käme, denn ...“‚ sie machte eine Pause und sah Spargo eigentümlich an. „Sie sind doch ein Freund von ihm? Sie wissen wahrscheinlich genauso viel wie er über die Sache.“

„Ja, wir beide bearbeiten diesen Fall zusammen. Sie können mir alles sagen, was Sie ihm sagen wollten.“

Die Frau suchte in ihrer Tasche und zog eine alte Geldbörse heraus, aus der sie einen kleinen, in Seidenpapier eingewickelten Gegenstand nahm. „Das fanden wir heute Morgen auf Nummer zwanzig unter dem Toilettentisch.“ Sie wickelte das Papier aus. „Das Zimmermädchen brachte es mir. Zuerst dachte ich, es wäre ein Stückchen Glas, aber mein Mann meinte, es könnte auch ein Diamant sein. Der Kellner, der den Whisky auf Nummer zwanzig brachte, während Mr. Marbury Besuch hatte, erzählte mir später auch, dass die beiden Herren ein Papier betrachtet hätten, in dem viele solche Steine lagen.“

Spargo nahm das glitzernde kleine Ding in die Hand. „Das ist ganz sicher ein Diamant. Stecken Sie ihn wieder ein. Ich werde Mr. Rathbury aufsuchen und ihm alles erzählen. Nun möchte ich Sie noch etwas über den anderen Herrn fragen. Sie haben ihn doch gesehen? Würden Sie ihn wiedererkennen, ich meine, wenn ich Ihnen eine Fotografie von ihm zeigen würde? War es dieser Mann?“

Spargo sah an ihrem Gesichtsausdruck sofort, dass sie ihn wiedererkannte.

„Ja, das ist der Herr, der mit Mr. Marbury hierherkam. Ich würde ihn unter Tausenden erkennen. Vielleicht zeigen Sie das Bild einmal dem Portier und dem Kellner.“

Die beiden erkannten die Fotografie auch sofort wieder.

Nachdem sich Spargo noch kurze Zeit mit Mrs. Walters unterhalten hatte, fuhr er zum Atlantic and Pacific Club. Ronald Breton wartete schon vor der Tür auf ihn. Spargo erzählte nichts von seinem letzten Besuch und sie betraten zusammen das Club-Gebäude und fragten nach Mr. Aylmore.

Spargo betrachtete den Mann mit besonderem Interesse, der gleich darauf in das Empfangszimmer kam. Er kannte ihn schon von dem Bild her, hatte ihn aber noch nie persönlich gesehen. Dieser Vertreter von Brookminster gehörte zu den Männern, die in stiller Arbeit ihrem Vaterland unschätzbare Dienste erwiesen. Es lag ihm fern, sich vorzudrängen und die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Spargo sah einen Mann von klarem Verstand und kühler Überlegung vor sich, der anscheinend eine strenge Schule durchgemacht hatte und nicht gern viele Worte machte.

Breton stellte Spargo vor.

Aylmores Gesichtsausdruck hatte sich nicht im Mindesten verändert, nachdem Spargo ihm erklärt hatte, um was es sich handelte. „Ja, es stimmt, dass ich einige Zeit mit Mr. Marbury zusammenblieb. Ich traf ihn, wie Sie ganz richtig bemerkten, in der Halle des Parlaments, und ich war sehr erstaunt, ihm dort zu begegnen. Ich habe ihn seit vielen, vielen Jahren nicht mehr gesehen.“

Er machte eine Pause und sah Spargo an, als ob er sich überlegte, was er einem Journalisten sagen und was er ihm nicht sagen wollte. Spargo schwieg und wartete.

„Ich habe Ihren Artikel heute Morgen gelesen und ich war gerade im Begriff, als Sie eben kamen, mich mit Ihnen oder mit der Polizei in Verbindung zu setzen. Sie werden meine Aussagen doch für Ihre Zeitung verwerten?“

„Ich werde nichts veröffentlichen, was Ihnen nicht angenehm ist. Wenn Sie irgendwelche Befürchtungen haben, mir etwas mitzuteilen ...“

„O nein, keineswegs. Ich weiß nur kaum etwas. Marbury war ein Mann, mit dem ich früher in geschäftlicher Verbindung stand. Aber es ist schon lange her, vielleicht zwanzig Jahre oder noch länger. Als er mich dort in der Halle ansprach, musste ich mich anstrengen, um mich wieder an ihn zu erinnern. Da er mich nun so zufällig wiedertraf, bat er mich um einen Rat. An dem Abend war im Parlament nicht viel zu tun und da er früher so etwas wie ein Freund von mir war, begleitete ich ihn in sein Hotel. Er erzählte mir, dass er eben aus Australien zurückgekommen sei. Ich will Ihnen auch sagen, worüber er mich um Rat fragte. Es handelte sich um Diamanten und zwar um australische Diamanten.“

„Ich wusste nicht, dass in Australien auch Diamanten gefunden werden“, bemerkte Spargo.

Mr. Aylmore lächelte. „Das glaube ich. Aber von Zeit zu Zeit sind in Australien Diamanten gefunden worden, und nach Ansicht von Sachverständigen wird man eventuell noch große Mengen dort entdecken. Marbury besaß jedenfalls eine ganze Reihe. Er zeigte sie mir in seinem Hotel.“

„Was hat er denn anschließend mit den Steinen gemacht?“, fragte Spargo.

„Er steckte das Waschlederbeutelchen in seine Westentasche. Es waren etwa sechzehn bis zwanzig kleine Steine. Ich riet ihm, einen Experten aufzusuchen, und nannte ihm Mr. Streeter. Ich kann Ihnen auch sagen, wie er in den Besitz von Mr. Bretons Adresse gekommen ist.“

Unwillkürlich fasste Spargo seinen Bleistift fester, mit dem er sich Notizen machte.

„Ich selbst habe sie ihm gegeben“, fuhr Mr. Aylmore fort. „Ich schrieb sie auf ein Stück Papier, allerdings in großer Eile. Er wollte einen Juristen sprechen und da ich nur wenige Rechtsanwälte kenne, gab ich ihm den Rat, Mr. Breton aufzusuchen. Wir hatten kein Papier bei uns und so riss er ein Stück von einem Brief ab, den er in seiner Tasche hatte. Aus Ihrem Artikel habe ich erfahren, dass man weder Papiere noch Geld bei ihm fand. Ich kann Ihnen aber versichern, dass er außer den Diamanten eine große Summe Geld bei sich hatte, als ich mich von ihm verabschiedete. Und in seiner Brieftasche bewahrte er viele Papiere und Dokumente auf.“

„Wo haben Sie sich denn von ihm getrennt? Soviel ich weiß, haben Sie das Hotel mit ihm verlassen?“

„Ja, wir sind dann noch ein wenig zusammengeblieben, da wir uns nun einmal getroffen hatten. Es gab viel zu erzählen und es war eine milde, schöne Nacht. Wir gingen über die Waterloo Bridge und kurz darauf habe ich mich von ihm verabschiedet. Das ist alles, was ich Ihnen sagen kann. Persönlich habe ich den Eindruck - obgleich ich keinerlei Anhaltspunkte dafür habe -, dass Marbury an die Stelle gelockt wurde, wo man ihn fand, und dass er von jemand ermordet wurde, der davon wusste, wie viel Wertvolles Marbury bei sich hatte.“

„Ich habe auch eine Vermutung“, sagte Breton schüchtern. „Vielleicht ist sie nicht brauchbar, aber es wäre doch möglich, dass irgendein Passagier von Marburys Dampfer ihm dauernd folgte. Middle Temple Lane ist nachts sehr einsam und verlassen, wie Sie wahrscheinlich wissen.“

Die anderen sagten nichts dazu.

Mr. Aylmore erhob sich wieder, um das Zimmer zu verlassen. „Mehr kann ich Ihnen leider nicht mitteilen, Mr. Spargo. Sie sehen, es ist nicht viel. Bei der Totenschau werde ich wohl alles wiederholen müssen, was ich Ihnen eben sagte. Aber Sie können meine Aussagen ruhig verwenden.“

Spargo verabschiedete sich von Breton und dessen zukünftigem Schwiegervater. Als er wieder auf der Straße war, nahm er ein Taxi und fuhr zu Scotland Yard. Er hatte mit Rathbury abgesprochen, alle Neuigkeiten auszutauschen.

Mord in Middle Temple

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