Читать книгу Quantensprung zur Klarheit - Jeru Kabbal - Страница 10

Erstes Kapitel Die Geschichte Ihres Lebens

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I ch möchte Ihnen eine Geschichte erzählen. Es ist die Geschichte Ihres Lebens, die Geschichte eines jeden Lebens.

Nachdem Sie empfangen worden waren, lebten Sie neun Monate lang im Leib Ihrer Mutter – wenngleich Ihnen nicht bewusst war, dass neun Monate verstrichen. Ihrem eigenen Empfinden nach waren Sie immer schon da. Seit Ihren allerersten Anfängen waren Sie da – immerfort, für alle Zeiten. Für Sie war es Ewigkeit. Es war das Paradies. Sofern Ihre vorgeburtliche Entwicklung normal verlief, war alles, was Sie wollten oder brauchten, schon da – stets und ausnahmslos, noch ehe überhaupt ein Bedürfnis in Ihnen entstand. Niemals kam ein Gefühl des Mangels in Ihnen auf. Alles war exakt so, wie es sein sollte.

Und dann, eines Tages, war es Zeit für Sie, geboren zu werden. Innerhalb von Minuten änderte sich Ihre gesamte Situation. Sie wurden aus dem Paradies geworfen, hinein in das, was wir Leben nennen. Und zwar ohne Vorwarnung. Niemand bereitete Sie auf diese radikale Veränderung vor. Es war ein ungeheurer Schock.

Nachdem Sie eine Ewigkeit in der Dunkelheit verbracht hatten, war plötzlich überall grelles Licht.

Nachdem Sie eine Ewigkeit an einem Ort verbracht hatten, wo stets genau die richtige Temperatur geherrscht hatte, war es plötzlich sehr kalt.

Nachdem Sie eine Ewigkeit an einem Ort verbracht hatten, wo alle Klänge sanft, gedämpft und vertraut waren, wirkte plötzlich jeder Ton unnatürlich laut und schrill, unangenehm und bedrohlich.

Nachdem Sie eine Ewigkeit von allen Seiten von Weichem und Warmem umgeben und genährt worden waren, war da plötzlich nichts mehr. Sie befanden sich in einem weit offenen Raum. Sie wurden in ein Tuch oder Kleidungsstück eingewickelt, das die Erwachsenen um Sie herum für weich hielten, das für Sie hingegen rau wie Sandpapier war.

Und als hätte dieser immense Schock nicht schon ausgereicht, begannen Sie auch noch unter Atemnot zu leiden, falls Ihre Nabelschnur zu früh durchschnitten wurde. Sie hatten das Gefühl, Sie würden sterben. Um am Leben zu bleiben, mussten Sie anfangen, selbst zu atmen. Doch dieser erste Atemzug war nicht etwa angenehm; die Luft fühlte sich beißend und heiß an.

Innerhalb weniger Minuten gerieten Sie also von einem paradiesischen Zustand in einen Schockzustand. Von Bequemlichkeit, Sicherheit, Geborgenheit und Vollkommenheit – das heißt, vom Paradies des Mutterleibs – in einen Zustand, in dem Sie meinten, sterben zu müssen. Das Erste, was Sie ganz bewusst machten, war der Versuch, Ihr Leben zu retten. Sie waren von Panik erfüllt.

Wenn Sie in Gefahr sind, haben Sie die natürliche Neigung, Ihre Energie zurückzuhalten. Schauen Sie sich Säuglinge an, die soeben geboren wurden. Die meisten ballen ihre Hände zu kleinen Fäusten und halten ihre Augen fest geschlossen. Wir glauben, das sei ganz natürlich, doch ein Kind signalisiert damit: „Ich muss mich schützen, um mein Leben zu retten. Ich habe Angst, loszulassen.“ Als Sie geboren wurden, als Sie sich in diesem Zustand der Panik befanden, war das Einzige, was Sie zu Ihrem Schutz tun konnten: sich zusammenzuziehen. Nicht nur Ihr Körper zog sich zusammen – nein, auch auf einer sehr tiefen Ebene zog sich etwas zusammen. Und das hat sich seither nicht wieder entspannt.

Alle Säuglinge – selbst die, die auf eine humane, sanfte und natürliche Art geboren werden – begreifen sehr schnell: „Ich kann nichts für mich tun. Ich bin von anderen abhängig. Ich bin jetzt in einer schwierigen Lage.“

Doch Sie besaßen den Instinkt, zu überleben. Und überdies die Intelligenz, zu erkennen, wie hilflos Sie waren. Als Sie sich im Mutterleib befanden, sorgte Ihre Mutter für Sie. Nach Ihrer Geburt – als Sie sich in höchster Gefahr fühlten – begann Ihr eigener Schutzmechanismus, in Aktion zu treten. Ihre ersten Gedanken entsprangen der Angst:

„Ich bin schwach. Ich bin hilflos. Ich bin in Gefahr.“

„Ich bin schutzlos. Ich bin verletzbar. Ich bin der Situation nicht gewachsen.“

„Ich kann nicht für mich selbst sorgen.“

„Ich bin irgendwie von allem getrennt.“

„Ich werde nur dann überleben, wenn irgendjemand oder irgendetwas für mich sorgt.“

Sie formulierten das natürlich nicht in diesen Worten – gleichwohl war das entsprechende Gefühl da.

Die allererste Programmierung

Es ist äußerst wichtig für Sie, zu begreifen: Ihr erstes Selbstbild, Ihre ersten Einstellungen und Annahmen über sich selbst entstanden bereits in diesen Momenten Ihres Lebens. Und diese waren: „Ich bin schwach. Ich bin hilflos. Ich werde nur dann überleben, wenn jemand für mich sorgt.“

Das ist das erste Programm, mit dem Ihr mentaler Computer bestückt wurde – und nach all den Jahren ist es noch immer aktiv. Danach gab es keinerlei Neuprogrammierung. Es gab lediglich Erweiterungen, höhere Stufen des ursprünglichen Programms. Tief in Ihrem Inneren tickt immer noch dasselbe Gefühl wie damals: „Ich bin schwach, hilflos, verletzbar, der Situation nicht gewachsen, und ich kann nicht für mich selbst sorgen. Ich brauche jemanden, der mein Überleben sichert.“

Es mag schwierig sein, dies zu akzeptieren. Es ist freilich wichtig zu sehen, dass dies den Anfang Ihres Ichs prägte. Es war der Beginn Ihres Schutzsystems. Es war der Beginn Ihres Denkens. Und das Programm ist heute noch so frisch wie an dem Tag, an dem Sie geboren wurden – auch wenn es in der Zwischenzeit überlagert und überdeckt wurde.

Wir wollen diesem Gedanken eine Weile nachgehen und uns ansehen, wie dieses ursprüngliche Programm zur Herausbildung weiterer Programme führte. Stellen Sie sich sich einmal als Säugling vor. Sie sind vollkommen hilflos. Sie sind zudem sehr intelligent, offen und verletzbar. Und Sie wissen: Sie selbst können nichts für sich tun. Nach einigen Tagen bemerken Sie: Jemand kümmert sich regelmäßig um Sie. Sie wissen noch nicht, dass diese Person Ihre Mutter oder vielleicht auch eine Großmutter oder Schwester ist. Aber diese freundliche Frau kommt ins Zimmer, hebt Sie auf, füttert Sie, wechselt Ihre Windeln und sorgt dafür, dass Sie sich geborgen und zufrieden fühlen. Sehr bald schon erkennen Sie: Ihr Überleben hängt von dieser freundlichen Frau ab.

Die freundliche Frau bedeutet das Überleben schlechthin. Die freundliche Frau ist „Mrs. Gott“. Und da Sie eine außerordentliche natürliche Intelligenz und Sensibilität besitzen, spüren Sie ihre Stimmungen, ihre Einstellungen, die Anspannung, die sie vielleicht ausstrahlt. Sie spüren auch ihre Angst. Und Sie reagieren sehr fein darauf; Sie spannen sich an, Sie verkrampfen sich. Also: Wenn Mrs. Gott angespannt ist, wie ist dann wohl der Zustand der Welt um Sie herum?

Früher oder später beginnt diese freundliche Frau, Ihnen zu verstehen zu geben, dass ihr manche Dinge, die Sie tun, gefallen, wohingegen andere ihr nicht gefallen. Bald beginnt sie, bestimmte Dinge von Ihnen zu erwarten, und Sie fangen an, diese Dinge ganz selbstverständlich zu tun. Während Sie lernen, immer mehr Dinge zu tun, benutzen Sie Ihre neuen Fähigkeiten, um ihr zu gefallen, sie bei guter Laune zu halten – und, ja, sie zu manipulieren.

Vielleicht ist es eines der ersten Dinge, die ein Säugling lernt: sein Schreien als Hilfsmittel einzusetzen. Wenn es funktioniert – das heißt, wenn die Mutter kommt, sobald das Kind schreit –, dann schreit das Kind immer mehr, um zu bewirken, dass die Mutter kommt. Kommt die Mutter nicht, gibt das Kind dieses Hilfsmittel auf und verstummt. Wird viel Aufhebens darum gemacht, wann und wie Sie laufen lernen, dann werden Sie versuchen, schon sehr bald laufen zu können. Sie nutzen Ihre gesamte Intelligenz und all Ihre Fähigkeiten, um Ihr Überleben zu gewährleisten. Schon sehr früh lernen Sie, andere und sich selbst zu manipulieren – aus einem einzigen Grund: um Ihr Überleben zu sichern. Dafür entwickeln Sie Überlebensstrategien – Verhaltensmuster, die dazu beitragen, dass Ihre Bedürfnisse befriedigt werden und Sie sich besser fühlen.

Selbst wenn Sie dann später laufen und sprechen und vieles andere tun können, wirkt tief in Ihrem Inneren dasselbe, ursprüngliche Programm weiter: „Ich bin schwach, ich bin hilflos, ich bin schutzlos, verletzbar, der Situation nicht gewachsen, und ich werde nur dann überleben, wenn jemand für mich sorgt.“ Sämtliche Strategien, die Sie später herausbilden, basieren auf jenen Gefühlen der Hilflosigkeit, die Sie als Neugeborenes hatten. Sie entstehen nicht aus den aktuellen Situationen Ihres gegenwärtigen Lebens, sondern entspringen diesem ersten Gefühl: „Ich kann nicht für mich selbst sorgen. Daher muss ich andere Menschen beeindrucken. Es ist wichtig, was andere Menschen von mir denken. Wenn sie mich nicht mögen, werden sie wahrscheinlich nicht für mich sorgen.“ Die ursprüngliche Angst bleibt bestehen, zusammen mit der ursprünglichen Spannung.

Sie begonnen also, Ihr Leben zu manipulieren, um Gefahren zu vermeiden und Ihre Sicherheit zu gewährleisten. Mit der Zeit begriffen Sie, dass manche Dinge besser funktionierten als andere. Manche Dinge brachten Ihnen die Aufmerksamkeit ein, die Sie haben wollten, und manche Dinge verschafften Ihnen die Geborgenheit und Sicherheit, die Sie sich wünschten. Andere Dinge wiederum hatten die gegenteilige Wirkung. Sie riefen bei Ihren Eltern Wut hervor und erzeugten folglich Unsicherheit in Ihrem Leben. So lernten Sie schon sehr früh, die Strategien zu wählen, die sich als effizient erwiesen, und jene außer Acht zu lassen, die offensichtlich nicht funktionierten.

Ihre Entwicklung bis zum Alter von vier Jahren

Dieser Prozess ging weiter, bis Sie etwa vier Jahre alt waren. Zu diesem Zeitpunkt hatten Sie bereits alle wichtigen Erfahrungen gemacht: wie es ist, geliebt zu werden, wie es ist, abgelehnt zu werden, wie es ist, hungrig zu sein, wie es ist, sich nicht zurechtzufinden, wie es ist, sich einsam zu fühlen. Sie hatten bereits gelernt, auf fremde Menschen zu reagieren. Sie hatten bereits gelernt, zu reagieren, wenn Ihnen etwas gegeben oder fortgenommen wurde. Sie hatten bereits gelernt, sich introvertiert oder extrovertiert, aggressiv oder passiv zu verhalten.

Im Alter von vier Jahren beherrschten Sie all diese Strategien schon perfekt. Sie wurden – wie alles, was Sie sich bisher angeeignet hatten – Teil Ihrer Abwehr, Ihres Schutzsystems, Ihrer Art und Weise, sich selbst am Leben zu halten. Natürlich lebten Sie in dem Gefühl, alles hinge von den Menschen ab, die sich um Sie kümmerten. Später wurde dies auch in Ihren Beziehungen zu anderen Menschen äußerst wichtig für Sie. Denn wenn Sie nur weiterhin das Richtige täten, würden auch diese Leute weiterhin Sorge für Sie tragen. Die Grundlage aller unserer Strategien ist unsere frühkindliche Furcht, nicht selbstständig für unser Überleben sorgen zu können. All unsere Manipulationen, all unsere Einstellungen, all unsere Strategien beruhen auf dem Bestreben, diese allererste Ur-Angst zu überwinden.

Stellen Sie sich selbst als „Vierjähriges“ vor. Sie haben seit Ihrer Geburt bestimmte Einstellungen, Eindrücke und Programme, die in Ihnen wirken. Weitere Programme kamen hinzu, als Sie zwei Monate, sechs Monate, ein Jahr, zwei Jahre, drei Jahre alt waren – und so weiter. Je länger diese Programme bestanden, desto fester fixiert wurden sie. Das älteste und am tiefsten verankerte Programm ist noch immer: „Ich bin schwach, ich bin hilflos, ich bin schutzlos, ich bin verletzbar, ich bin von allem Dasein abgeschnitten, und ich kann nur dann überleben, wenn jemand für mich sorgt.“

Als Sie vier Jahre alt waren, waren Ihre grundlegende Persönlichkeitsstruktur, Ihre grundlegende Einstellung zu sich selbst, zu anderen Menschen und zur Welt bereits herausgebildet. Eigentlich hat sich seitdem auf der unterbewussten Ebene nicht viel geändert. Sie haben Ihre Strategien perfektioniert. Sie haben gelernt, bestimmte Einstellungen zu verbergen, von denen Sie wissen, dass andere sie nicht mögen. Sie haben gelernt, bestimmte Einstellungen und Strategien zu Ihrem Vorteil zu nutzen. Schon als Sie vier Jahre alt waren, waren all Ihre Programme am Werke – freilich in einer unverstellteren, reineren und offeneren Form. Wenn Sie sich heute selbst wirklich verstehen wollen, dann müssen Sie das vierjährige Kind verstehen, das Sie einst waren.

Wenn wir von dem „Vierjährigen“ sprechen, meinen wir von nun an die Gesamtheit all jener Strategien, Einstellungen, Programme und Konditionierungen, die Sie sich bis zum Alter von vier Jahren angeeignet hatten.

Dieses „Vierjährige“ ist in dem Teil Ihres Selbst „gespeichert“, der Ihnen nicht bewusst ist: Im Unterbewusstsein, das sage und schreibe neunundneunzig Prozent der Psyche ausmacht! Es ist also viel raumfüllender als der bewusste Teil Ihres Selbst. Das bedeutet: Das Programm des Vierjährigen ist viel größer und stärker als Sie – als Ihr bewusstes erwachsenes Selbst. Es bedeutet außerdem: Ihre kindlichen Einstellungen sind viel machtvoller als die Einstellungen, die Sie jetzt als Erwachsener haben. Das ist sehr wichtig, da das Unterbewusstsein keinen Unterschied zwischen der Vergangenheit und dem Hier und Jetzt machen kann, zwischen dem, was Erinnerung und dem, was Realität ist.

Der Unterschied zwischen Erinnerung und Wirklichkeit

Die Erinnerung ist nicht die Wirklichkeit – auch wenn sie für das Unterbewusstsein, für das „Vierjährige“, durchaus wirklich erscheint. Vielmehr ist sie eine künstliche Wirklichkeit, wie ein Film. Wenn Sie in einem Kino ganz nahe an die Leinwand herangehen, dann ist da nur eine ebene Fläche, auf der Licht flimmert – das wissen Sie. Es sind keine Menschen auf der Leinwand, und was Sie sehen, ist nicht wirklich. Sie können unter den Zuschauern sitzen und echte Tränen weinen, aber das bedeutet nicht, dass das, was sich auf der Leinwand abspielt, real ist. Sie schauen sich eine Illusion an – und reagieren darauf.

Ich will damit nicht sagen, dass Erinnerungen nutzlos sind. In der Tat wären wir ohne sie verloren; wir bedienen uns ihrer in vielfältiger und zweckmäßiger Weise. Mit Hilfe der Erinnerung beherrschen wir beispielsweise unsere Muttersprache oder das Autofahren. Doch die Erinnerung muss in einen Kontext gestellt werden.

Schon sehr früh in Ihrem Leben halten Sie Ihre Erfahrungen in Ihrem Inneren unbewusst fest – Sie „speichern“ sie „ab“, als würden Sie ein Fotoalbum anlegen. Manche Bilder sind traumatisch oder furchterregend – andere heiter, und wieder andere sind nichtssagend und uninteressant. Doch alles wird akribisch festgehalten. Indem Sie also durchs Leben gehen und alles, was Sie erleben, abspeichern, sammeln Sie eine beträchtliche Anzahl von Eindrücken – Sie haben gewissermaßen ein eigenes Museum mit Tausenden, ja vielleicht Millionen von Fotos. Diese Fotos werden in Ihrem Kopf auf Abruf zu Heimvideos zusammengesetzt, in denen permanent unterschiedlichste Szenarios geboten werden. Wie ein gigantisches Kino, in dem gleichzeitig diverse Filme spielen: Tragödien, Komödien und Liebesgeschichten.

Das läuft in Ihrem Unterbewusstsein ab – allerdings mit Hilfe unzähliger Leinwände. Wenn jemand sagt: „Wie du dies und jenes getan hast, gefällt mir nicht“, dann wird Film Nummer 28 im Kopf abgespult. Sagt jemand: „Deine Haare sehen schön aus“, dann wird Film Nummer 45 abgespult. Diese Filme werden pausenlos gespielt, und Ihr Unterbewusstsein glaubt an sie. Diese Filme sind ihm vertraut – es schaut sie an, seit es sie gibt. Für das Unterbewusstsein sind sie wirklicher als das wahre Leben. Das Unterbewusstsein erlebt sie immer und immer wieder neu.

Wir alle projizieren diese alten Filme auf unser gegenwärtiges Leben und glauben, wir erlebten die Wirklichkeit. Gleichwohl, in Wahrheit erleben wir zumeist nur die alten Filme. Ihr Unterbewusstsein, Ihr vierjähriges Selbst, kann nicht unterscheiden zwischen diesen alten inneren Filmen und Ihrem wirklichen Leben zum gegenwärtigen Zeitpunkt.

Wenn Ihnen gegenwärtig etwas geschieht, beginnt direkt ein alter Film in Ihrem Kopf – ein Film, der dem, was in Ihrem jetzigen Leben passiert, ähnelt. Wenn es zufällig ein Film über etwas Unangenehmes ist, dann glaubt Ihr Vierjähriges, dieses Unangenehme würde jetzt wieder passieren, und es fürchtet, es werde nicht überleben. Es reagiert mit Panik; daher reagieren auch Sie, der Erwachsene, mit Panik. Doch Sie wissen nicht, warum.

Einmal arbeitete ich mit einem Mann namens John an seinem Rückführungsprozess. (Jeru bezeichnete mit Rückführung einen Bewusstseinszustand, in dem der Betreffende emotional in ein früheres Alter rutscht und auf etwas reagiert, was zur damaligen Zeit geschah: Wenn ich im gegenwärtigen Moment Angst habe, mein Überleben jedoch tatsächlich nicht gefährdet ist, dann entspringt meine Angst diesem sog. rückgeführten Zustand – jenem frühkindlichen Zustand, in dem mein Überleben tatsächlich in Gefahr war, da ich ein hilfloses Baby war.) Johnny hatte schreckliche Beziehungen zu Frauen. Er war ungefähr vier Jahre alt, als er einmal im Garten spielte, während seine Mutter am Zaun stand und mit einer Nachbarin plauderte. Er hörte seine Mutter sagen: „Eigentlich haben wir Johnny gar nicht gewollt.“ Das genügte. Der kleine Johnny hörte das und rannte auf der Stelle weg, von Schmerz überwältigt. Sicher hatte seine Mutter gleich hinzugefügt: „Aber, wissen Sie, als er dann da war, haben wir uns unheimlich gefreut.“

Doch der kleine Johnny hörte nur: „Ich bin nicht gewollt.“ Und weil diese Erfahrung so schmerzlich war, speicherte er die Erinnerung daran tief in seinem Unterbewusstsein ab und vergaß sie dann. Von diesem Zeitpunkt an fühlte er sich vollkommen verloren und allein in der Welt, ungeliebt, ungeschützt und abgelehnt. Natürlich sagte ihm seine Mutter später viele Male, wie sehr sie ihn liebe.

Doch Johnny hatte stets das Gefühl, er könne ihr nicht trauen und sie wolle ihn nicht wirklich bei sich haben.

Als John dann erwachsen war, beeinträchtigte dieses Gefühl, verlassen und allein zu sein, seine Beziehungen zu Frauen. Es war nur eine Erinnerung – und überdies wahrscheinlich brüchig und ungenau –, aber sein vierjähriges Selbst durchlebte dieses schreckliche Gefühl von damals jedes Mal wieder, wenn es diesen inneren „Film“ sah. Für diesen Mann war er real, und die Vergangenheit blieb dadurch im Hier und Jetzt lebendig. Tatsächlich ist die Vergangenheit für die meisten Menschen dank dieses Mechanismus beharrlich und sehr lebendig.

Die Illusion der Vergangenheit

So etwas wie Vergangenheit gibt es jedoch nicht. Ihr „Vierjähriges“ fürchtet sich vor etwas, das nicht mehr existiert. Es hat Angst vor diesen Erinnerungen; es hält die Erinnerungen für die Wirklichkeit. Es meint, der Film sei wirklich. Wenn ein Drache auf der Filmleinwand erscheint, glaubt das Kind, es sei ein echter Drache. Sie müssen das Kind darauf hinweisen: Es ist kein echter Drache, sondern nur Licht, das auf die Leinwand projiziert wird – nur eine Illusion.

Als Sie ein Kind waren, verdrängten Sie bestimmte schmerzliche Erinnerungen, weil Sie die nicht noch einmal erleben wollten. Doch jetzt können Sie sehen: Diese Erinnerungen gehören der Vergangenheit an und können folglich nicht mehr von Belang sein. Ihre Vergangenheit ist jetzt ebenso belanglos für Sie, wie meine Vergangenheit für Sie belanglos ist. Weder meine Vergangenheit noch Ihre Vergangenheit können Ihnen etwas anhaben, außer wenn Sie es irrtümlicherweise glauben, außer wenn Sie es zulassen.

Es ist für Sie von fundamentaler Wichtigkeit, zu begreifen: So etwas wie die Vergangenheit gibt es nicht. Es gibt nur das Jetzt, mit einer Ansammlung von Erinnerungen, wie alte Fotos in einem Album. Obwohl Sie diese im Hier und Jetzt betrachten können, können Sie sehen, dass es verblichene Fotos sind, alte Bilder aus der Vergangenheit. Je mehr Distanz Sie zu diesen Fotos bekommen, desto besser können Sie sehen, dass sie nicht das wirkliche Leben im Jetzt darstellen.

Sie brauchen auch keine Angst vor Ihren Erinnerungen zu haben. Ihr „Vierjähriges“ fürchtet sich jedoch vor einigen Erinnerungen, weil es die Angst, die damit verbunden war, nicht erneut erleben möchte. Glauben Sie nicht, Sie könnten Ihrem „Vierjährigen“, das tatsächlich an Drachen glaubt, mit Beschwichtigungen kommen! Die Panik würde nicht etwa nachlassen, sondern noch mehr die Kontrolle übernehmen! Vielmehr müssen Sie Ihr Unterbewusstsein davon überzeugen: Es kann ihm nichts passieren, wenn es diese alten Fotos anschaut; die Drachen können ihm nichts mehr anhaben.

Wir können uns nicht ändern, solange wir unsere alten Filme für die Wirklichkeit halten. Wir müssen uns von ihnen befreien. Und dazu müssen wir zuerst einmal erkennen, dass sie eben nur Filme sind, nicht das wahre Leben. Und dann müssen wir die Filme abschalten und unser Unterbewusstsein, das „Vierjährige“, davon überzeugen, dass sie nicht mehr von Belang sind.

Das klingt zwar ganz leicht, kann aber sehr schwierig sein. Es erfordert ständige Aufmerksamkeit und Übung, zu lernen, so in der Gegenwart zu leben, dass der Film als eine Illusion, als eine Täuschung erkannt wird. Doch sobald Sie imstande sind, sich selbst von lähmenden Erinnerungen zu lösen, werden Sie frei sein. Das ist das ganze Geheimnis. Solange Sie unbewusst glauben, Ihre Erinnerungen seien real, haben diese die Macht, Ihr gegenwärtiges Leben zu belasten.

Es gibt keinen neuen Wunsch

Auch durch lang gehegte Sehnsüchte oder Wünsche, die niemals für Sie in Erfüllung zu gehen scheinen, können Sie Ihr Leben unglücklich machen. Jeder Wunsch, den Sie heute haben, erwächst aus einem unerfüllten Wunsch vergangener Zeiten. Wenn Sie ihn weit genug zurückverfolgen, kommen Sie bei Ihrer frühesten Kindheit an.

Ein Beispiel: Nehmen wir an, Sie sagen: „Ich möchte heute Abend in die Innenstadt gehen.“ Das ist ein Wunsch. Aber wir fragen vielleicht: „Warum wollen Sie heute Abend dorthin?“, und Sie antworten möglicherweise: „Ich möchte zur Eröffnung eines neuen Nachtclubs gehen.“ Also wollen Sie in Wirklichkeit gar nicht in die Innenstadt; Sie wollen zur Eröffnung eines neuen Nachtclubs. Befände sich der Club am Strand, würden Sie zum Strand wollen.

Die Absicht, zur Eröffnung eines Clubs zu gehen, ist ein Wunsch, hinter dem wieder ein anderer Wunsch steht. Wir könnten fragen, warum Sie zu dieser Eröffnung wollen. Sie antworten beispielsweise: „Weil ich dort meine Freunde treffen möchte.“ Das ist ein weiterer Wunsch, nicht wahr? Also fragen wir, welcher Wunsch wiederum hinter diesem liegt. Sie erwidern: „Weil ich auch zu den „Szene“- Leuten gehören möchte.“ Zu den „Szene“-Leuten zu gehören, ist ein weiterer Wunsch. Also fragen wir, warum Sie zu den „Szene“-Leuten gehören wollen. Ihre Antwort lautet: „Weil ich beliebt sein will.“ „Warum wollen Sie beliebt sein?“ „Damit ich viele Freunde habe.“ „Warum wollen Sie viele Freunde haben?“ „Damit ich nie allein bin.“ „Warum wollen Sie nie allein sein?“ „Weil sich dann immer jemand um mich kümmern wird.“ „Und warum wollen Sie, dass sich jemand um Sie kümmert und sorgt?“ „Weil ich nicht für mich selbst sorgen und allein nicht überleben kann.“

Das ist keineswegs zu einfach dargestellt, es ist die Wahrheit. Der Grund, warum Sie heute Abend in die Innenstadt gehen möchten, liegt also in Ihrer frühen Kindheit, in der Sie sich hilflos und abhängig fühlten. In Wirklichkeit möchten Sie mit vielen Freunden zusammen sein, damit immer jemand da ist, um für Sie zu sorgen – weil Sie sich tief in Ihrem Inneren noch immer schwach und hilflos fühlen.

Sie können dies mit jedem Wunsch durchexerzieren, Sie werden stets entdecken, dass sein Ursprung in der Kindheit liegt. So etwas wie einen neuen Wunsch gibt es nicht. Er ist lediglich eine neue Ausdrucksweise für einen alten Wunsch. Sie versuchen immer noch, etwas zu bekommen, das Sie – Ihrer Erwartung und Hoffnung zum Trotz – als Kind nicht bekamen. Wenn Sie beispielsweise den Wunsch haben, beliebt zu sein, dann haben Sie auch den Wunsch, sich modisch zu kleiden, Sie wollen gut frisiert sein und so weiter. Sie haben andere Wünsche, die aus diesem Wunsch, beliebt zu sein, erwachsen.

Jeder dieser Wünsche hat weitere Auswüchse – „Äste“. Er zieht diverse andere Wünsche nach sich. Er wird dergestalt zu einer Art Baum. Sie beginnen mit einem Wunsch, der sich in zwei Wünsche verästelt, dann in vier, dann in acht; diese wiederum verästeln sich zu unzähligen weiteren Wünschen. Aber alle können auf einen Ursprung, einen Baumstamm zurückverfolgt werden. Überdies gleichen Wünsche den Früchten an einem Baum. Sie hängen an einem kleinen Zweig, der wiederum an einem kleinen Ast, dieser an einem größeren Ast und der größere Ast schließlich an dem Baumstamm. All Ihre Wünsche erwachsen aus dem ursprünglichen Wunsch: Jemand möge für Sie sorgen, damit Sie überleben. Dies allein war stets das wirkliche Anliegen Ihres Unterbewusstseins; doch jetzt, wo Sie ein erwachsener Mensch sind, hat dieser Wunsch unzählige Formen und Ausdrucksweisen.

Die Angst, nicht zu überleben

Lassen wir die Wünsche einen Augenblick beiseite, und betrachten wir die Ängste. Es ist unschwer zu erkennen, dass jede Angst im Grunde auf die Angst zurückzuführen ist, nicht zu überleben. Fürchten Sie, zu ersticken? Fürchten Sie, zu ertrinken? Das sind lediglich unterschiedliche Formen der Angst, nicht zu überleben. Vielleicht meinen Sie, Sie hätten auch Ängste, die nichts mit dem Überleben zu tun haben. Doch wenn Sie diese genauer unter die Lupe nehmen, werden Sie entdecken: Tatsächlich hängen sie alle mit dieser Existenzangst zusammen.

Beispielsweise die Sorge darüber, was andere Menschen über Sie denken – eine der häufigsten Ängste überhaupt. Diese Angst setzte in Ihrer Kindheit ein, als Sie sich beunruhigt fragten, was Ihre Mutter wohl über Sie denken mochte. Sie fürchteten, wenn sie Sie nicht liebte oder Sie beide nicht gut miteinander auskämen, würde sie Sie verlassen – wodurch Ihr Überleben in Gefahr wäre. Von diesem früheren Kontext ausgehend machen Sie sich noch heute Sorgen darüber, was andere Menschen über Sie denken.

Um es ganz klar zu sagen: Alle Ängste können auf die Angst, nicht zu überleben, zurückgeführt werden. Und alle Wünsche können zu dem Wunsch, zu überleben, zurückverfolgt werden.

Wir wollen Ängste und Wünsche jetzt einmal anders betrachten. Ein Wunsch ist eine Angst, die in einer positiven Weise zum Ausdruck kommt; und eine Angst ist ein Wunsch, der in einer negativen Weise zum Ausdruck kommt. „Ich möchte reich sein“ ist nur eine andere Art, zu sagen: „Ich habe Angst, arm zu sein.“ „Ich möchte gut informiert sein“ bedeutet dasselbe wie: „Ich habe Angst, nicht zu wissen, was los ist.“ „Ich möchte meine Umgebung kontrollieren“ bedeutet dasselbe wie: „Ich habe Angst, dass meine Umgebung mich kontrollieren könnte.“

Jede Angst, die Sie haben, kann als Wunsch ausgedrückt werden, und jeder Wunsch, den Sie haben, als Angst. Die beiden sind nicht einmal die zwei Seiten einer Medaille; vielmehr sind sie ein und dasselbe, nur unterschiedlich formuliert.

Es gibt mehrere Übungen, die Ihnen helfen, sich Ihre Wünsche stärker bewusst zu machen. Eine ist das Falltürspiel, das im fünften Kapitel vorgestellt wird. Es ermöglicht Ihnen, zu sehen, dass all Ihre gegenwärtigen Wünsche ihren Ursprung in der Vergangenheit haben und diese Vergangenheit nichts als eine Ansammlung von Erinnerungen ist – die Dinge geschehen nicht mehr, und Sie müssen sich nicht mehr davon beeinflussen lassen.

Ich hätte noch viel mehr darüber zu sagen. Doch dies ist das Wesentliche der Geschichte, die ich erzählen wollte.

Die Geschichte Ihres Lebens.

Die Geschichte eines jeden Lebens.

Es ist die Geschichte von Ängsten, vom Unterbewusstsein, das von einem „Vierjährigen“ programmiert wurde, von Erinnerungen und Wünschen. Aber es ist eine Geschichte mit einem glücklichen Ausgang. Zumindest kann die Geschichte einen glücklichen Ausgang haben, denn es ist Ihre Aufgabe, sie zu Ende zu schreiben.

In diesem Buch werde ich erklären, wie Sie die Angst Ihres „Vierjährigen“ beobachten können, ohne zuzulassen, dass es die Kontrolle übernimmt. Wie Sie zentriert und ganz im Jetzt bleiben und sich selbst in die Richtung lenken können, die Sie anstreben. Ich werde Ihnen helfen, offen zu werden – offen für Veränderungen und offen für die Wahrheit, wer Sie wirklich sind.


Quantensprung zur Klarheit

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