Читать книгу 15000 Jahre Mord und Totschlag - Joachim Wahl - Страница 27

Fragen über Fragen

Оглавление

Während die meisten Autoren davon ausgehen, dass die Schädelnester in der Ofnet-Höhle über einen längeren Zeitraum sukzessive belegt wurden, vermutet David W. Frayer von der University of Texas, dass es sich um Opfer eines Massakers handelt. Die demographische Zusammensetzung des vorgefundenen Kollektivs spricht eher dagegen. Zumindest lassen die Schmuckbeigaben eine gewisse Achtung und Pietät gegenüber den beigesetzten Köpfen erahnen. Solche Accessoires kommen bei Männern, Frauen und Kindern vor und waren in einigen Fällen womöglich auf einer Haube oder Ähnlichem aufgenäht. Was mit den restlichen Körpern geschah, wissen wir nicht. Einige Fachleute meinen deren Überreste in den vorgefundenen Brandknochen zu erkennen.

Unbestritten ist, dass die Menschen wohl alle gewaltsam ums Leben kamen, doch über das Motiv können wir nur spekulieren: Sind sie dem Überfall einer fremden Sippe zum Opfer gefallen und aufgrund des unnatürlichen Todes von Angehörigen dieser besonderen Behandlung unterzogen worden? Wurden sie von den eigenen Leuten vielleicht als Opfer gezielt getötet, und wenn ja, weswegen? Könnte sich dahinter ein Abwehrzauber gegen böse Geister verbergen? Oder wurden Mitglieder eines anderen Clans geopfert? In Anlehnung an völkerkundliche Parallelen käme Kopf- oder Ahnenkult in Betracht, wobei zu Letzterem die große Zahl von Kindern nicht passen würde. Und Kopfjagd? Auch ohne die Vorstellungswelt der Beteiligten näher zu kennen, dürfte es wohl keine besondere Leistung gewesen sein, ein Kleinkind zu töten. Dass Männer in den Schädelnestern der Großen Ofnet-Höhle deutlich unterrepräsentiert sind, ist jedoch ein Völkerkundlern nicht unbekanntes Phänomen: In Trophäensammlungen von Kopfjägern finden sich ähnliche Verteilungen. Kinder und Frauen sind zweifellos leichter zu überwinden – allerdings wertvoll für den Fortbestand einer Sippe und vielleicht gerade aus diesem Grund bevorzugt ausgesucht worden!?

Doch nicht nur dieser Aspekt weist die vorliegenden Kopfbestattungen als rituell motiviert aus. Die Tatsache, dass im gesamten Höhlenbereich keine entsprechende Kulturschicht gefunden wurde, zeigt: Die Mesolithiker haben hier nicht gewohnt, sondern diesen Ort offenbar ausschließlich zu kultischen Zwecken aufgesucht. Die Verwendung von Rötel war auch bei „normalen“ Körpergräbern Teil ihrer Bestattungskultur.

15000 Jahre Mord und Totschlag

Подняться наверх