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III
Dina

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Und trotzdem bin ich zu spät! Wie man es dreht und wendet, keine Ausrede kann entschuldigen, dass ich schon wieder verschlafen habe! Wer kommt aber auch auf die verrückte Idee, mitten in der Nacht in die Prärie rauszureiten?

Also gut. Ich werde geduldig das milde Lächeln über mich ergehen lassen. „Das ist typisch Dina“, werden sie sagen, „immer kommt sie zu spät! Wenn die Welt untergeht, wird sie es verschlafen!“

Ich stoße das Tor auf; an den Anbindeplätzen stehen noch mehr Pferde als sonst. Señor Davis nickt mir nur von Weitem zu, als er mich sieht; er hat alle Hände voll zu tun damit, im Paddock seine Jährlinge von der Herde zu trennen und in verschiedenen Koppeln unterzubringen.

Ich sehe, wie die Jungs und Piper ihm helfen, die Mustangs auseinanderzutreiben. Einige von ihnen sind an Menschen gewöhnt und lassen sich führen, aber die jungen Stuten und Hengste springen immer wieder fort und traben mit geblähten Nüstern am Zaun entlang. Die Herde ist in heller Aufregung, die sofort von mir Besitz ergreift.

Ich überlege, zu den Anderen hineinzuklettern, aber dann lehne ich mich nur an den Zaun und beobachte fasziniert das bunte Treiben. Wunderschöne edle Pferde aller Farben drängen sich dicht aneinander, prusten aufgeregt in den Sand oder traben mit erhobenen Köpfen umher.

Robin und Andy versuchen gemeinsam, einer sandfarbenen Stute ein Halfter anzulegen, aber sie wehrt sich mit allen Kräften, wirft den Kopf nach oben, steigt und schlägt mit den Vorderbeinen. Piper nähert sich der Stute langsam von der Seite und versucht, sie mit sanften Worten zu beruhigen. Andy schließt das Halfter mit ruhiger Hand und Robin lobt das Pferd ausgiebig. Dann wandert sein Blick zu mir und er mustert mich mit gespielter Überraschung.

„Dina, was machst du denn hier?“ Aber sein Grinsen kehrt schnell zurück. „Hast du gut geschlafen?“

Ich stecke ihm die Zunge raus, aber zum Glück fordert der Mustang wieder seine Aufmerksamkeit; die Stute tänzelt an seinem Strick, rempelt ihn an und springt bei der Berührung erschrocken zur Seite. Robin verliert das Gleichgewicht und kann sich geradeso abfangen, bevor er im Sand landet. Ich grinse schadenfroh, während er vor sich hin flucht: „¡Bruja! Ein sehr passender Name für dieses Pferd!“

„Das geschieht dir ganz recht!“, rufe ich frech und kassiere einen finsteren Blick. Schnell mache ich das Zeichen gegen böse Flüche, damit er mir nicht mit seinen telekinetischen Fähigkeiten zuleibe rückt, aber Robin rollt nur mit den Augen und wendet sich ab.

Erst jetzt entdeckt mich Piper und kommt lachend auf mich zu. Sie klettert über die Umzäunung und begrüßt mich mit einer Umarmung. Ich entschuldige mich sofort bei ihr für mein Zuspätkommen, aber sie winkt ab.

„Bist du ohne mich klargekommen mit den Jungs?“, frage ich besorgt.

Piper nickt beruhigend, aber als ihr Blick die Männer streift, die vor dem Stall ihre Reitpferde absatteln, sehe ich, wie sie wieder ins Grübeln gerät. Ich entdecke Danny im selben Moment und ahne nichts Gutes.

Um sie ein wenig abzulenken, knuffe ich sie in die Seite und verlange: „Erzähl mir, wie groß die Prärie ist! Ihr seid bestimmt lange geritten; ich will alles wissen!“

Pipers Pferdeschwanz wippt, als sie begeistert nickt. Jetzt gehört ihre Aufmerksamkeit wieder mir. „Du kannst es dir nicht vorstellen, Dina!“

Andy öffnet neben uns das Tor für die Stute und Robin führt den Mustang am langen Strick in Richtung des Round Pens, seines Ausbildungsplatzes.

„Und die Herde?“, frage ich weiter, während wir ihm folgen.

„Sie sind wundervoll!“ Piper strahlt. „Ihre Hufe im Sand, der Wind in ihren Mähnen, dieser stolze Blick ...“ Sie versucht, mit Robin Schritt zu halten, und fährt der Stute langsam über das golden glänzende Fell. „Einfach wundervoll!“

Andy, der ein Stück vorausgegangen ist, grinst über Pipers romantische Anwandlung und legt einen Arm um sie. „Du bist auch wundervoll, mein Engel!“, grinst er, und ich muss einen Schritt zur Seite gehen, um ihnen Platz zu machen.

Piper lächelt glücklich. Als er sich von ihr löst, um seinem Bruder zu helfen, lässt sie ihn nur widerwillig gehen.

Wir setzen uns auf eine Bank außerhalb des Zirkels und sie blickt verträumt zu den beiden hinüber, als sie das Pferd losmachen und locker im Kreis traben lassen.

„Ach Piper, du hast so ein Glück!“, gestehe ich seufzend. Einen Moment hört sie mich gar nicht, aber dann kehrt sie in meine Welt zurück.

„Ach, wieso denn?“, fragt sie. „Was ist denn mit dir und Leo?“

Ich zucke mit den Schultern. Eigentlich habe ich keine Lust, mich jetzt diesen melancholischen Gedanken hinzugeben. „Ich habe das Gefühl, es ist alles anders“, beginne ich, „seit dem Wolf Forest, den Vampiren und dieser seltsamen Fähigkeit ...“

„Er versteht dich nicht, was?“ Piper sieht mich mitfühlend an, während das Pferd vor uns seine Runden dreht und beruhigt schnaubt.

„Er hört mir nicht einmal zu; von übernatürlichen Dingen will er nichts wissen. Wahrscheinlich hält er mich für verrückt ...“ Ich sehe Piper an, dass sie nicht weiß, was sie davon halten soll, und erkläre weiter: „Manchmal habe ich Träume ...“

„Visionen?“, fragt sie sofort, und ich sehe die Alarmbereitschaft in ihrem Blick.

Schnell schüttele ich den Kopf. „Ich glaube, es sind nur Träume. Mir wäre es ja auch lieber, wir könnten das alles hinter uns lassen. Aber irgendwie verfolgt es einen doch ...“

Piper nickt gedankenversunken. Doch die Art, wie sie die Jungs beobachtet, zeigt mir, dass sie sich um sich selbst am allerwenigsten Sorgen macht.

„Irgendwann werden wir schon davon loskommen“, murmele ich und krame nach ein bisschen Optimismus. „Im Grunde ist es ja vorbei, nicht wahr?“

„Hoffentlich“, sagt sie leise.

„Aber wo wir bei Leo sind ...“, lenke ich ab. „Er spielt mit seiner Band am Samstag im Black Apple. Vielleicht sollten wir hingehen, würdest du mitkommen?“

Sie zuckt mit den Schultern. „Warum nicht … Wahrscheinlich ist es ganz gut, mal auf andere Gedanken zu kommen. Vielleicht sollten wir die Beiden auch fragen ...“

Mein Blick wandert wieder zu dem Pferd, das gerade von der Bahn abweicht und die Richtung wechselt, während Robin und Andy sich bemühen, ihm den Weg abzuschneiden.

Ich rufe meine Einladung zu ihnen herüber, aber Robin schüttelt sofort den Kopf. „Tut mir leid, aber ich habe da andere Verpflichtungen“, deutet er an, bevor er die Stute in einen Galopp treibt.

„Nadine?“, fragt Piper mit einem vielsagenden Unterton.

Ich will sofort wissen: „Wer ist Nadine? Du hast schon wieder eine neue Freundin? Ich komme ganz durcheinander! Was war denn mit Vicky?“ Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, aber Robin hebt nur die Schultern in seinem üblichen Gehabe.

Andy lacht und stichelt: „Ach, Vicky war letzten Monat aktuell! Robin war schon immer eher praktisch veranlagt ...“

Sein Bruder boxt ihn in die Rippen, aber auch er muss darüber lachen. „Wehe dir, wenn sie das hört!“

„Nein, aber im Ernst“, setzt Andy an, auch wenn er ganz und gar nicht ernst sein kann. „Am Wochenende bekommen wir Besuch aus Mexiko.“

Piper hebt die Augenbrauen. „Achso?“

„Unsere Mutter hat ihre Schwester eingeladen, mit ihrer kleinen Tochter herzukommen. Vielleicht werden sie sogar hierbleiben ...“

„Das ist schön.“ Piper versteht sofort. „Eure Mutter möchte wieder ein Kind hier haben, nicht wahr?“

Andy nickt. „Selva hat nicht den besten Ruf in unserer Familie, ihre Tochter hat keinen Vater.“

„Wie alt ist sie?“, fragt Piper.

Andy überlegt. „Ich habe sie das letzte Mal gesehen, als sie noch ein Baby war – wie lange ist das her?“ Er wendet sich an Robin.

Sein Bruder zuckt mit den Schultern, während er das Pferd weiter um sich herumgehen lässt. „Ein paar Jahre.“

Während ich die Informationen sortiere, versuche ich, Robins Bewegungen zu folgen und zu verstehen, was er tut. Auch wenn er mit uns spricht, hält er den Blickkontakt zu der jungen Stute aufrecht und gibt ihr zu verstehen, dass sie ihm folgen soll.

Eine Weile beobachten auch Andy und Piper schweigend die Szene: Das Pferd ist unentschlossen und scheu und traut sich nicht, den Kopf zu senken. Aber nur wenige Runden später verringert es den Abstand und beginnt, entspannt zu kauen, als ob es fressen würde.

„¡Atención, Chicas!“, kündigt Robin an. „Ihr werdet gleich etwas höchst Faszinierendes erleben!“

Und tatsächlich dauert es nicht lang, bis der wilde Mustang Robin wie ein treuer Hund völlig frei hinterherläuft. Piper applaudiert begeistert und auch ich gestehe Robin ausnahmsweise meine Anerkennung zu.

„Genug für heute“, entscheidet Andy und streichelt die Stute am Hals. Robin legt ihr wieder das Halfter um und sie erkennt die Lektion wieder und lässt es sich diesmal gefallen.

„Buen Caballo“, lobt Robin und Andy meint: „Vielleicht hättest du nicht so voreilig sein sollen!“

„Was heißt denn Bruja?“, fragt Piper.

„Das heißt Hexe!“ Robin zwinkert ihr zu.

Als wir zurück zum Stall gehen, frage ich Piper, was wir am Samstag anziehen sollen und versuche dabei, alle anderen Gedanken zu verdrängen.

„Wirklich schade, dass ihr nicht mitkommen könnt“, meint sie zu Andy. Über ihre Garderobe will sie jetzt scheinbar noch nicht nachdenken.

„Ihr werdet etwas verpassen, die Musik ist wirklich gut!“, sage ich zu Andy und hake mich bei Piper ein. Ich betone: „Und man bekommt den Kopf frei beim Tanzen!“

Andy nimmt ihre andere Hand und versucht ebenfalls, sie aufzumuntern. „Du könntest danach herkommen“, beginnt er und sieht sie von der Seite an, „und bei mir bleiben ...“

„Du meinst über Nacht?“, frage ich entrüstet und viel lauter als nötig. „Das wird aber zuerst mit der Anstandstante besprochen!“ Ich grinse sie an und Piper schmunzelt.

Aber dann sagt sie: „Ich fürchte, meine gute Erziehung wird mir das nicht erlauben!“

Andy blickt verärgert auf seine Schuhspitzen, als er weitergeht. „Trägt deine gute Erziehung vielleicht scharfe Sporen und einen Südstaatenhut?“

Piper seufzt. „Meine Mutter gibt leider viel zu viel auf seine Meinung.“

„Immer noch dieselben Probleme mit Danny?“, seufze ich.

„Du ahnst gar nicht, was er sich heute Morgen wieder geleistet hat!“, deutet Andy an, aber als ich ihn frage, was er meint, schüttelt er nur den Kopf und Piper erklärt, dass es völlig bedeutungslos ist. Sie sieht aus, als ob sie Andy damit beruhigen wollte.

Um nicht weiter in der Wunde zu stochern, lenke ich vom Thema ab. „Sag mal, wie siehst du überhaupt aus, Piper?“, frage ich grinsend und zupfe an den Fransen ihres Ponchos.

Jetzt lächelt sie wieder. „Den hat mir Celeste gegeben, sie hatte wohl Angst, dass ich sonst erfriere! Ihr habt wirklich eine tolle Mutter!“, sagt sie zu Andy, aber als er etwas erwidern will, bleibt Robin plötzlich wie angewurzelt stehen. Beinahe wäre sein Pferd in Brendan hineingelaufen, der mit seinem Einhorn wie aus heiterem Himmel vor uns mitten auf dem Weg auftaucht.

„¡Malhaya!“, flucht Robin, als sein Pferd sich losreißt. „Bist du verrückt geworden?“

Brendan springt sofort aus dem Sattel, um ihm zu helfen, aber Andy ist schneller und fängt die Stute wieder ein.

„Tut mir leid“, murmelt Brendan, aber Robin reißt seinem Bruder den Strick aus der Hand und meint: „Ach, vergiss es, halb so wild!“ Dann deutet er auf Brendans Kopf. „Sag mal, hast du dich auf deinen Hut gesetzt, oder bist du in eurem niedrigen Stall aufgestiegen?“

Brendan tastet mit den Händen nach der Beule im Filz und nimmt den Hut ab, um ihn wieder zu richten. „Was? Nein ich bin gegen einen Baum gestoßen ...“, erklärt er. „Ich muss unbedingt mit euch reden!“

„Ich habe gehört, dass du auf unsere Schule wechselst!“, sage ich, um ihm zu gratulieren, aber er winkt ab, als wäre das völlig unbedeutend.

„Das kann ich euch später erklären. Wir hatten gerade eine sehr beunruhigende Begegnung am Wald.“ Er wendet sein Einhorn und geht mit uns zum Stall.

„Ihr wart im Wolf Forest?“, fragt Piper alarmiert. Anscheinend kann sie am besten deuten, was genau Brendan mit sehr beunruhigend meint.

„Nur am Waldrand!“, sagt er schnell. „Aber ich musste die Zeit anhalten, deswegen war ich so plötzlich hier.“ Er schickt einen entschuldigenden Blick zu Robin.

„Warum war das nötig?“, fragt Andy fast sachlich, aber seine Zügen wirken angespannt.

„Wir haben einen Werwolf gesehen“, erklärt Brendan zögerlich. „Er hat versucht, uns anzugreifen, also musste ich schnell handeln. Ich habe befürchtet, er könnte uns folgen, also bin ich vorsichtshalber bis hierher geritten, bevor ich die Starre gelöst habe.“ Er mustert sorgfältig die Umgebung, als könnte der Wolf ihm noch immer gefährlich werden.

„Ein Werwolf? Mitten am Tag?“, frage ich. „Wie kann das sein?“

„Keine Ahnung, wie das sein kann!“, fährt er mich an. „Ich weiß nur, was ich gesehen habe.“

„Und was meint Justo dazu?“, fragt Piper, während Robin sein Pferd in den Laufstall bringt.

„Er glaubt nicht, dass es einer war“, gibt Brendan zu, aber er vermeidet es, mich anzusehen. „Er behauptet, es wäre irgendein Wesen ...“ Brendans Einhorn schnaubt, protestierend über seinen Tonfall und schubst ihn mit der Nase.

„Tja, wenn er das sagt ...“, murmele ich leise.

„Mich würde einfach interessieren, was ihr davon haltet“, erklärt Brendan. In seiner Stimme liegt eine ungewohnte Entschlossenheit. Aber vielleicht ist es auch Angst. Ich versuche, Argumente zu finden, die gegen einen Werwolf sprechen, aber Brendan blickt mich herausfordernd an. „Warum hast du denn davon nichts gewusst? Hattest du vielleicht eine Vision, von der du uns nichts erzählt hast?“

Ich rechtfertige mich. „Natürlich hätte ich euch davon erzählt! Vermutlich heißt das nur, dass es überhaupt nichts zu bedeuten hat, und dass du nichts weiter als einen harmlosen Kojoten gesehen hast, der dir mal wieder Angst einjagte!“

Brendan schüttelt lange den Kopf, dann blickt er zu Andy, der genauso nachdenklich aussieht. „Es war kein Kojote, da bin ich mir ganz sicher“, betont er noch einmal. „Dafür war er viel zu aggressiv, er ist auf uns zugerannt!“ Ich versuche, mir die Szene vorzustellen. „Es muss etwas Übernatürliches gewesen sein, sonst hätte Justo keine Aura gespürt.“

„Was kann das bedeuten?“, überlegt Piper laut.

Andy sieht aus, als ob er ihr gern eine beruhigende Antwort geben würde. Aber er meint: „Auf jeden Fall müssen wir die Augen offenhalten!“

Ich fühle mich schuldig und überlege, ob ich irgendeinen Hinweis übersehen oder verdrängt haben könnte, aber mir fällt nichts ein. Fast kann ich es nicht glauben. Ist es tatsächlich noch nicht vorbei?

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