Читать книгу Heimkehr des Dr. Karl Gottfried Semper von seinen ethnologischen Studien auf den Palau-Inseln im Stillen Ozean - Jürgen Ruszkowski - Страница 5

Rückkehr von Corror

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Das Regenwetter hielt mit geringen Unterbrechungen auch noch am nächsten Tage an und die Unfreundlichkeit der Bewohner gegen mich und meine Leute nahm zusehends zu. Arakalulk musste, wo er hinkam, schlimme Worte hören: was wir Männer von Aibukit hier in Coröre wollten, wir sollten machen, wieder in unser Dorf zu kommen, ja, wenn Doktor nicht wäre, so würden er und Arungul sicherlich ihren Kopf verlieren. Ich sah es seinen täglich finsterer werdenden Zügen an, wie sehr er sich Gewalt antun musste; als er nun gar am dritten Tage mir anzeigte, dass in der vergangenen Nacht von böswilliger Hand - auf wessen Veranlassung wohl? - ein Loch in den Boden seines Amlais gestoßen war, da kostete es mir große Mühe, ihn vor übereilten Schritten zurückzuhalten. Mir selbst ging es nicht viel besser. Der König wie Aituro nahmen so gut wie gar keine Notiz von mir, obschon ich in des erstem Hause wohnte. Armlimui's Fürst hatte mir meinen Besuch gar nicht erwidert, und Ebadul kam am 4. November nicht mehr wie gewöhnlich, um seinen Morgenimbiss einzunehmen, in seine Wohnung. Als ich ihn suchte, fand ich ihn frühstückend im Hause feines Sohnes. Meine Bitte, mir da mein eigenes Amlai beschädigt sei, ein anderes zu leihen, um den Kokeal besuchen zu können, schob er ohne im mindesten den Anstand zu verletzen, recht vornehm königlich beiseite. Während ich die Unterhaltung mit seinem Sohne fortführte, stand Ebadul auf und ging fort, ohne mich weiter eines Wortes zu würdigen; als ich später selbst nach Aidil kam, fand ich ihn dort im lebhaftesten Gespräch sitzen. Meine Ankunft verscheuchte ihn wieder. Selbst seine Frau, die immer freundlich gegen mich gewesen war, ließ nach in ihrer Sorge um mein Wohlergehen; Bananen, die ich hatte Ebadul essen sehen, bekam ich trotz meiner Bitten keine mehr.

Am 5. November fand endlich der Tanz statt. Es war der würdige Beschluss eines seit zwei Monaten dauernden Krankenfestes, festes das Aituro dem Kalid von Coröre gab, um durch seine Gebete die Heilung seiner kranken Frau zu erlangen. Ein großer Teil der täglich auf Aituro's Kosten zubereiteten Speisen wurde jenem dargebracht. Das seitlich von Aidil stehende Haus für die Gäste und der bedachte Tanzraum davor war auf seine Kosten erbaut. - Schon früh am Morgen sammelte sich das Volk auf dem Platze vor Aidil. Voran, den Gräbersteinen der Ahnen Ebadul's zunächst, setzen sich die Frauen hin, in ihrer Mitte die aus königlichem Geblüte; in zweiter Reihe die jungen Mädchen des Dorfs. Seitwärts aber, halb in den Büschen versteckt. oder in dem Düster des Hauses verbergen sich die Männer. Nun hört man schon das Rauschen der Blätterkleider, die im Takt von den in langer Reihe einher ziehenden Tänzerinnen geschwungen werden. Ihre Schürzen sind von der feinsten geflochtenen Sorte; ihr nackter Körper aber ist phantastisch und willkürlich mit rotgelber Farbe bemalt. In der einen Hand einige hölzerne kurze Instrumente, - sie schienen Waffen bedeuten zu sollen - in der andern einen Stab mit einer aus großen weißen Holzspänen kunstvoll verfertigten und an den Spitzen rot bemalten Büschelkrone daran: so treten sie in einfacher Reihe auf die erhöhte Plattform, deren Dach sie gegen den zu starken Brand der Sonne schützt.

Nun beginnt der Tanz. Eine Vorsängerin singt eine Strophe vor, ohne Bewegung; dann wiederholt sie der ganze Chor mit begleitendem Blätterrauschen ihrer Kleider und leichten wie in die Ferne deutenden Bewegungen der Arme. Bald werden sie lebhafter: das sind offenbar Szenen der Freude, der Begrüßung, die sie ausdrücken wollen. Jetzt ergreifen sie jene hölzernen Instrumente - mein Nachbar bestätigt mir, dass sie Waffen vorstellen -, mit ihren Armen teilen sie in sanft schwingender Bewegung die Luft vor sich her. Der Kriegszug entfernt sich immer weiter vom Orte der Abfahrt. Nun ein lauter Schrei, wilde Bewegungen der Arme, des ganzen Körpers, die heftig gesungenen Strophen und funkelnde Augen drücken die Erwartung des nahenden Kampfes aus. „Freund“, fragte ich meinen Nachbar, was bedeutet dies alles? Kannst du mir sagen, was sie da singen?“ - „O nein, Doktor, das ist nicht möglich, ich verstehe es nicht; das ist ein Tanz der Weiber, den dir nur diese erklären können. Wenn wir Männer unsere Tänze aufführen, so verstehen uns die Frauen auch nicht.“ - „Wahrhaftig, Freund? und warum lachtet ihr denn eben?“ - „Meinst du, ich lüge, Doktor? Das verstehen sie bei euch in Ngirrarth besser. Geh zu Ebadul's Frau, die wird dir wohl erklären, was die Frauen dort singen.“

Immer wilder werden die Gebärden der Tänzerinnen, mit ihren Füßen stampfen sie den Boden, und die bewaffneten Hände schlagen im Rhythmus des Gesanges hier einen Feind nieder, dort einem andern den Kopf ab. Der Sieg ist gewonnen. Sie ergreifen die Stäbe mit den gelb gefärbten Büscheln und in einer geraden Linie erheben sie diese und senken sie wechselsweise nieder auf den Boden. „Was bedeutet dies, Frau Ebadul's?“ fragte ich diese, zu ihr in die verdeckte Reihe der Zuschauerinnen tretend. Das ist der Krieg der Ingleses gegen Aibukit, das sie besiegen; jetzt eben senken sie das Feuer nieder auf die Dörfer. Die gelben Büschel dort sind die Fackeln, mit denen sie die Häuser angezündet haben.“ - „Und ist es denn wahr, dass eure Männer den Gesang der Frauen nicht verstehen, wie mir eben ein junger Bursche sagte?“ - „O nein, Doktor, er scheute sich wohl, die Wahrheit zu sagen; du bist Era Tabatteldil und Rupack von Aibukit. Er fürchtete gewiss, dich zu beleidigen.“ - „Nun, er hätte mich doch kaum zu fürchten gehabt; ich bin ja hier, wie ihr alle wisst, ohne Waffen und ohne Schutz.“ - „Nein, Doktor, du bist ein Rupack, den niemand anzugreifen wagt, und du bist unser Gast hier in Aidil. Wer dir und deinen Brüdern etwas täte, der würde schwere Strafe zahlen müssen an Ebadul. Doch sieh, der Tanz ist aus; komm mit ins Haus und plaudere ein wenig mit uns Frauen.“ - „Nein, ich kann nicht; dort hinten sehe ich Arakalulk kommen; er hat gewiss ein Amlai gefunden. Wir wollen nach dem Kokeal, den ich noch sehen will, ehe ich morgen zurückkehre nach Aibukit.“ (Die Eingeborenen nehmen nie in Worten Abschied voneinander; sie sagen höchstens „ich gehe“)

So war es wirklich. Mit lachendem Gesicht forderte mich Arakalulk auf, mit ihm zu kommen. „Endlich habe ich ein Amlai, mache rasch, damit wir aus diesem abscheulichen Orte fortkommen. Arpes wartet unten schon, und mein Freund ist auch da.“

Bald schaukelten wir uns auf dem Meere, dessen spiegelglatte Fläche meine Freunde mit kräftigem Ruderschlage durchschnitten. In ein Labyrinth von Kanälen und Inseln bogen wir ein. Hier stiegen mannigfach zerklüftete grauschwarze Klippen senkrecht in die Höhe; auf ihren Gipfeln standen Casuarinen, ein dichtes Gestrüpp unschöner Büsche, an ihrem Fuße hatten in Jahrtausenden wohl die Wogen eine Hohlkehle ausgefressen, unter deren überhängendem Rande eine Menge Strandtiere - Schnecken und Krebse - ihr Wesen trieben. Nirgends war auf diesen Kalkfelsen eine Spur bebauten Landes zu finden. Anders die trachytischen Inseln; hier wechselten Wiesen und Wald miteinander ab, ihre sanft ansteigenden Abhänge trugen bis hoch hinauf schlanke Kokospalmen, und zwischen ihnen lugte bald hier, bald dort, das spitze Dach eines bunt geschmückten Bais hervor. So lagen Einöden und kultivierter Boden im schroffsten Gegensatz hart nebeneinander, und um den Kontrast noch mehr zu erhöhen, erblickten wir plötzlich im Hintergrunde einer schönen, nach Osten hin den Blick auf den Ozean öffnenden Bucht zwei Schiffe dicht vor einer kleinen Insel und hoch oben auf dem Gipfel derselben ein europäisches Haus, gebaut im tagalisch-christlichen Stile Manilas.

„Das ist Malakka, Doktor, da droben in dem großen Hause wohnt Cabel Schils.“ Und wahrlich, dem Geschmack des Mannes musste ich recht geben, dass er sich gerade diese Insel zu seinem ersten Eigentum erkoren hatte. Mit freiem Blick auf den Eingang in den Hafen von Malakka wie auf die Kanäle nach Coröre und dem Norden zu, südlich ganz umgeben von einem Halbkreise jener düsteren Kalkinseln mit ihren traurigen Casuarinen, sie selbst prangend im üppig grünen Schmucke ihrer Laubwälder und Kokoshaine, ihrer Wiesen und Zuckerrohr-Plantagen. zu ihren Füßen einen Binnensee, groß genug für eine ganze Flotte - so lag die Insel da, ein köstlicher Schatz für einen Lebensmüden, der sich hier ein idyllisches Lebensende bereiten wollte. Doch ich träume; ist es doch Cheyne, der sich dieses friedlich aussehende Kleinod gekauft hat; Cheyne, der den alten freundlichen Woodin durch alle möglichen Ränke und Listen von hier zu vertreiben suchte; Cheyne, der mit ihrem Besitze den ersten festen Fuß hier auf den Inseln gefasst und schon durch jenen Traktat weitere Übergriffe in das heimische Recht eingeleitet hat. Lebt doch da oben nicht ein Einsiedler im beschaulicher Ruhe, sondern ein moderner Flibustier (Freibeuter - Kaperfahrer), dessen persönlicher Ehrgeiz durch die Erinnerung daran, wie so manche Kolonie seinem Lande gewonnen sein mochte, mächtig gestachelt wird, in dessen nie ruhendem Geiste alle politischen Fäden zusammenlaufen, die seit einem Jahrzehnt hier gesponnen wurden!

So verdeckt die friedlichste Stille der üppigen tropischen Natur das unruhige Geistesleben eines unternehmenden Abenteurers, dessen Plane wohl einen Funken von jenem kühnen und raschen Sinn eines Rajah Brooke erkennen lassen. Aber sein Können hält nicht gleichen Schritt mit seinem Wollen, und alle seine Plane zerstört er selbst wieder, da er glaubt, durch List und Ränke sein Ziel erreichen zu können, wo er es nur durch den unbeugsamen Mut und die strenge Wahrheits- und Gerechtigkeitsliebe eines Sir James Brooke wirklich zu erobern vermöchte.


Nach Dr. Sempers Rückkehr von Corror wurden seine sehnsüchtigen Hoffnungen auf eine Rückkehr nach Manila enttäuscht. Er wurde von Kapitän Woodin mit den Worten empfangen: „Ich habe wieder ein neues Leck gefunden. Vor vierzehn Tagen von heute an segeln wir keinesfalls ab.


hier folgt der 2. Teil des Bandes 105e mit Kapitel X.

Heimkehr des Dr. Karl Gottfried Semper von seinen ethnologischen Studien auf den Palau-Inseln im Stillen Ozean

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