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8. Kapitel

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Es war ein Samstagabend im Mai. Der Himmel war wolkenlos und die Luft warm. Das Gras stand kniehoch, und die Blätter der Bäume glänzten blassgrün. Die Abendsonne tauchte die Landschaft in ein weiches Licht und umgab alles, was ihre Strahlen erfasste, mit langen Schatten. Der Sternmarsch war bestens vorbereitet.

Am Nachmittag zuvor hatte Max den Teilnehmern bei einer kurzen Kundgebung eine wichtige Botschaft mit auf den Weg gegeben: »Geht in euch. Denkt nach! Über die Natur, ihre Schönheit und daran, wie wir diese Schönheit bewahren können. Geht in euch und schweigt.«

Der Marsch wurde von sieben Orten, die auf einen Mittelpunkt zuliefen, gestartet. In langen Reihen gingen die Menschen über Feldwege und schmale Waldpfade durch hügeliges Gelände. Das Wenige, was man hörte, war der gleichmäßige Takt der Schritte, das Rauschen des Grases, wenn Beine vorbeistreiften, und das Knacken von Ästen. Sonst war es vollkommen still. Alle schwiegen. Der Tag neigte sich bereits dem Ende zu, als die Menge eine Wiese und einen grünen Hügel erreichte, auf dem eine 1.000-jährige Eiche stand.

Immer mehr Menschen fanden sich ein und bildeten einen großen mehrreihigen Kreis um den Baum. Inzwischen war es dunkel geworden, erste Windlichter und Fackeln wurden entzündet. Und obwohl sich so viele Personen versammelt hatten, sprach keine von ihnen auch nur ein einziges Wort.

Kamerateams von Regionalsendern hatten sich ebenfalls eingefunden, und einer der Sender übertrug Ausschnitte dieser Mahnwache sogar live.

Am Nachmittag zuvor hatte Max einigen Journalisten Fragen beantwortet und die Beweggründe für diese Aktion genannt. »Wir wollen ein Zeichen setzen, ohne zu sprechen«, hatte er erklärt. »Wir wollen unsere ehrfürchtige Verbundenheit mit diesem Baum zum Ausdruck bringen, der für uns an diesem Abend stellvertretend für die gesamte Natur steht. An eines wollen wir dabei vor allem denken: Wir werden das Erbe unserer Vorfahren bewahren, es schützen und mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen.«

Immer mehr Fackeln brannten. Schließlich trat Max aus dem Kreis und legte zwischen zwei kräftigen Wurzelarmen des Baumes einen Blumenkranz aus roten Rosen nieder. Auf der weißen Binde schimmerte das neue Logo der Familie. Daneben war ein einziges Wort zu lesen: »Change«. Mit gesenktem Kopf stand Max vor dem Baum, faltete die Hände und murmelte ein Gebet.

Die Menschen schwiegen weiterhin. Nur das leise Rauschen der Blätter in der Baumkrone war zu hören. Inzwischen brannte ein ganzes Meer aus Lichtern. Die Flammen zitterten leicht und warfen unruhige Schatten.

Eine Moderatorin hielt sich etwas abseits der Mahnwache und flüsterte in ihr Mikrofon. An den Gesichtern der Teilnehmer, die von der Kamera eingefangen wurden, konnte man ablesen, dass sie felsenfest an ihre Sache glaubten, an die Kraft, die dem Menschen innewohnt, und an die Hoffnung auf eine bessere Welt. »Ich muss zugeben, diese Stille ist beinahe gespenstisch«, erklärte die Moderatorin sichtlich gerührt und sprach so andächtig, als berichte sie von einer Feldmesse. »Schon seit einer Stunde verharren die Naturschützer vor der majestätischen Eiche, die schweigend auf dieses hundertfache Licht aus Kerzen, Fackeln und Laternen blickt und trotzdem so viel zu sagen hat. Eines steht für mich fest: Das hier ist die größte Stille, die ich jemals erlebt habe.« Als die Kamera ihr Gesicht und den Glanz in ihren Augen einfing, wussten die Zuschauer, dass auch sie von diesem Ereignis tief ergriffen war.

Das Wasserkomplott

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