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Staatsbesuch in China

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Den Flug hatte Frieder Bergmann ganz leidlich überstanden und ihm war klar, dass der Tag anstrengend werden würde. Zwar war er in die Fachdiskussionen der Experten beider Länder wegen dem Flughafen nicht eingebunden, aber er hatte ein straffes Tagesprogramm, welches allerdings aus der Besichtigung von Sehenswürdigkeiten und einem gemeinsamen Abendessen mit den Chinesen bestehen würde, und somit ganz entspannend ausfallen könnte. Beim Abendessen sollte Bergmann die Chinesen dann noch rumkriegen, sich mit den deutschen Atomkraftwerken, dem atomaren Müll und der Nord-Süd-Energietrasse zu beschäftigen. Als er die Gangway verließ und den Boden betrat wurde er vom Vorsitzenden Deng Peng Kläng begrüßt, der ihn herzlich in die Arme schloss. Der Mann sagte etwas zu ihm und der Übersetzer erklärte:

„Der Vorsitzende ist noch immer von Ihrem starken Willen beeindruckt, damals in der MiG 29 mitzufliegen. Sie haben den Mut eines Löwen, die Kraft eines Bären und den Weitblick eines Adlers.“

Frieder Bergmann sonderte verlegen einige Höflichkeitsfloskeln ab und bestieg dann mit seiner Mannschaft einen bereitstehenden Bus. Der Vorsitzende winkte ihm freundlich zu, man würde sich am Abend wiedersehen. Es war jetzt gegen 14 Uhr, 19 Uhr sollte das Essen beginnen. Am nächsten Vormittag war eine Pressekonferenz zu den Ergebnissen des Treffens geplant. Frieder Bergmann wollte seine Gastgeber genau wie Anke Meckel ein bisschen an die Einhaltung der Menschenrechte erinnern, es aber nicht übertreiben. Vielmehr stand für ihn zur Debatte, den Chinesen diese unglücksseligen Atomkraftwerke und den strahlenden Müll anzudrehen. Möglicherweise würde ihm das gelingen, wenn er seine Gesprächspartner unter den Tisch trank und sie dann zur Zusage zu den Projekten nötigen könnte. Bergmann wollte die Gelbhäutigen an ihrer Ehre packen, den Ruf zu besitzen, alle Probleme lösen zu können. Aber er konnte momentan nur spekulieren wie der Abend verlaufen würde. Das Besuchsprogramm spulte er routiniert ab, und dann ging es ins Hotel wo das Essen stattfinden sollte.

„Noch ein Hinweis Frieder“ sagte Herbert Büchsenschuss vorher noch zu Bergmann „die chinesischen Tischsitten sind für uns Europäer etwas gewöhnungsbedürftig. Erste Regel: niemals alles was auf dem Teller ist aufessen. Das würde der Gastgeber so interpretieren, dass er zu wenig aufgetafelt hat. Zweite Regel: Geräusche wie Schlürfen und Schmatzen gehören zum Essen dazu. Dritte Regel: du kannst während des Essens gern eine rauchen, sogar gleichzeitig essen und rauchen. Vierte Regel: Schnaps wird gern auf ex getrunken und es wird sofort wieder nachgefüllt. Fünfte Regel: man kann sich bestimmte Gerichte selbst aussuchen, also ich meine noch lebende Tiere. Übrigens, es gibt einige Speisen, die uns wirklich ungewohnt erscheinen wie Schlangen, oder in der Erde vergrabene Eier. Hunde- oder Rattenfleisch. Fischköpfe. Entenfüße. Kuck‘ nich so. So schlimm wird es schon nicht werden, und wenn doch, dann kippe einen Mao Tai, du bist doch jetzt absolut austrainiert.“

Frieder Bergmann klatschte nach der Begrüßungsansprache des Vorsitzenden höflich Beifall. Dann erhob er sich.

„Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Anwesende,

ich bedanke mich ganz herzlich für die Einladung in Ihr schönes und hochinteressantes Land. China hat in den vergangenen Jahren einen weltweit beachteten Aufstieg genommen der in seiner Dynamik beispiellos ist. Sie sind bald in der Elektronik führend, Sie kopieren erfolgreich alle möglichen Produkte, Sie sind Weltmeister in der Umweltverschmutzung. Bei mir zu Hause sagt man „von nichts kommt nichts“, und genau diesen Weg beschreiten Sie erfolgreich. Die paar Dissidenten spielen in Ihrem Riesenreich doch gar keine Rolle. Jedenfalls sind alle von der Entwicklung in Ihrem Land mehr als beeindruckt. Natürlich wird das nicht überall mit Freude gesehen aber man sollte auch bedenken, dass Sie auch was aufzuholen haben. Aber unter Leitung der Partei kann Ihr Weg nur eine Richtung kennen: vorwärts! Ja, wie oft ärgere ich mich über unsere parlamentarische Demokratie. Stellen Sie sich mal vor, Sie wollen eine Stromleitung bauen. Wie läuft das bei Ihnen? Die Leute, die dagegen rumstänkern, werden kurzerhand enteignet und weggejagt! Wie läuft das bei uns? Endlose Diskussionen mit den widerspenstigen Typen. Jahrelang!

Ich möchte Ihnen ein kleines Geheimnis verraten, sehr geehrter Herr Vorsitzender.

Europa ist faul und schlapp geworden, suhlt sich in dekadenten Gedanken. Jeder kann tun und lassen was er will, jeder kann seine Meinung verkünden. Und wenn die noch so schwachsinnig ist! Kein Wunder, dass Sie unsere Märkte bald mit Ihren Autos überfluten werden. Ich möchte mal sehen, wie die Kameraden in Wolfskrug bei Wolfwagen dann kucken werden, wenn die ersten chinesischen Fahrzeuge bei uns erscheinen. Ich werde diesem lustlosen Treiben bei uns ein Ende setzen und das Parlament auflösen. Die Leute die dort uninteressiert rumhocken und sich Kinderpornos ansehen oder Crystal schnupfen sind doch eigentlich vollkommen überflüssig. Da haben Sie es doch deutlich einfacher. Es gibt eine Direktive und alle haben sich daran zu halten. Darüber möchte ich mich mit Ihnen aber dann später noch unter vier Augen austauschen.

„Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Anwesende,

wir hatten ja früher die Russen bei uns im Land und auch dieser Putkinow war bei uns für den russischen Geheimdienst tätig. Die Amis sind heutzutage ja noch viel schlimmer. Ich weiß nicht wie es Ihnen geht, aber diese schamlose Schnüffelei insbesondere der NSA empfinde ich als ausgesprochen widerwärtig. Dass China als aufstrebendes Land ab und an mal einen kleinen Hackerangriff auf diverse Einrichtungen und Organisationen im Ausland unternimmt kann man Ihnen doch weiß Gott nicht zum Vorwurf machen. Sie haben auf diesem Gebiet eben noch großen Nachholbedarf und da ist es durchaus legitim, mal ein bisschen zu üben bis man so gut ist wie die anderen. Aber die ersten Versuche waren ja durchaus vielversprechend. Hut ab: wie sich Ihre Leute in das Raketenabwehrsystem der Israelis gehackt haben war schon ein Husarenstück. Lassen Sie sich auf Ihrem Weg nicht beirren, was denken Sie wie die Amis immer wieder versuchen mein Handy anzuzapfen.

Ob die Amis mich nun abhören oder nicht spielt doch gar keine Rolle mehr. Ganz vertrauliche Dinge werden ohnehin nur in einem wirklich abhörsicheren unterirdischen Raum besprochen. Ich mache mir neuerdings sogar einen Spaß daraus falsche Fährten zu legen. Kürzlich habe ich erst einem meiner Minister am Telefon gesagt, dass ich gedenke eines unserer geheimen U-Boote mit Brennstoffzellenantrieb bis in den Hudson River auszusenden, um dort die amerikanische Seeüberwachung zu testen. Was ist passiert? Die US-Marine ging dort sofort in höchste Alarmbereitschaft. Ist sie auch bis heute noch und sucht weiter nach dem nie ausgelaufenen U-Boot. Lustig war auch, als ich jemandem am Telefon sagte, dass ich ja als ehemaliger Verteidigungsminister eine Menge über unsere streng vertraulichen Rüstungsprojekte weiß und einen Panzer auf einem Luftkissen für die Waffe der Zukunft halte. Was haben unsere Satelliten dann wenig später auf einem amerikanischen Testgelände gefilmt? Einen Panzer auf einem Luftkissen. Das Ding hat genau 2 Minuten gehalten, dann ist es geplatzt. Wie würden Sie reagieren, sehr geehrter Herr Vorsitzender, wenn Sie hören könnten, dass ich an so etwas wie einen Bergmann-Putkinow-Pakt denke, weil ich den Orama für eine absolute Lusche halte, weil der doch nur nach der Pfeife der CIA und der NSA tanzt. Dann habe ich noch eingestreut, dass ich nur so tue, als ob ich mit der Politik vom Putkinow nicht einverstanden wäre, ihn aber in Wirklichkeit für einen tollen Hecht halte, weil der sich von niemandem reinreden lässt.

Als ich dann noch gesagt hatte, dass ich mit ihm mal an der Elbe Angeln gehen will und dabei ein paar geheime Sachen mit ihm besprechen möchte haben bei den Amis die Alarmglocken geklingelt. Seitdem sind deren Leute bei uns in Deutschland ständig dabei den gesamten Elbverlauf zu überwachen. Den gesamten Elbverlauf! Von Děčín bis Hamburg! Hab‘ ich natürlich mit Absicht gemacht. So kriegen die vom Hochwasser gebeutelten Hotels nun auch wieder mehr Gäste, weil die Schnüffler sich ja abwechseln müssen da sie im Schichtbetrieb arbeiten. Na ja, ich will es mal dabei belassen. Jedenfalls habe ich ein paar Projekte mit im Gepäck, die Sie interessieren dürften. Aber darüber reden wir später noch.

„Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Anwesende,

ich habe gehört, dass bei Ihnen gern mal einer getrunken wird, und das finde ich gut. Fangen wir am besten jetzt gleich damit an. Lassen Sie uns das Glas erheben auf die deutsch-chinesische Freundschaft! Ich werde mich für die Etablierung der Achse Berlin Peking stark machen. Jawohl! Sie bringen die nötige Entschlusskraft und ein beachtliches Durchsetzungsvermögen mit, Deutschland hat einige interessante Technologien und Projekte zu bieten. Ich möchte mit Ihnen auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit trinken! Sehr zum Wohl!“

Frieder Bergmann schielte aus den Augenwinkeln wie die Chinesen tranken. Diese kippten den Schnaps mit einer Bewegung hinter und Bergmann tat dergleichen. Dann erhob sich der Vorsitzende.

„Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, sehr geehrte Anwesende,

ich möchte Ihren Verstoß, Herr Bundeskanzler, zum Ausbau der Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern ausdrücklich unterstützen. Noch in diesem Jahr werden wir die USA als stärkste Wirtschaftsmacht der Welt ablösen. Lassen Sie uns zunächst darauf trinken!“

Der nächste Mao Tai wurde gekippt. Frieder Bergmann verspürte ob seines Trainings überhaupt keine Wirkung. Der Vorsitzende gab einen Wink und die Gläser wurden nachgefüllt. Dann gab der Vorsitzende Deng Peng Kläng den herumstehenden Servicekräften ein Zeichen jetzt die Speisen aufzutragen. Bis alles auf den Tischen stand wurde ein weiterer Mao Tai gereicht. Frieder Bergmann sah der Essensauswahl mit Spannung entgegen. Er saß direkt neben dem Vorsitzenden. Die Suppe empfand er als sehr schmackhaft. Wie ihn Herbert Büchsenschuss vorgewarnt hatte erzeugten die Teilnehmer an dem Essen erhebliche Schlürf Geräusche. Der Vorsitzende schaute Bergmann freundlich an und dieser nickte zurück, dann machte er sich selbst laut schlürfend wieder über die Suppe her. Der zweite Gang wurde mit einem Mao Tai eröffnet, dann trugen die Servicekräfte Teller mit eigenartig verschrumpelt aussehenden Fleischstücken auf.

„Rattenfleisch“ erklärte der Dolmetscher „sehr große Delikatesse hier.“

Frieder Bergmann musste schlucken und ließ sich einen Mao Tai nachschenken. Dann machte er sich über die Fleischstücke her. Der Geschmack war nicht schlecht, aber die Vorstellung, was er gerade aß, trieb Bergmann die ersten Schweißtropfen auf die Stirn. Dennoch hielt er tapfer durch und prostete dem Vorsitzenden danach zu. Nach seiner Schätzung hatte er jetzt 6 Gläser Mao Tai getrunken, da es nur kleine Schnäpse gewesen waren machte er sich überhaupt keine Gedanken über sein Durchhaltevermögen, er hatte gerade einmal so um die 120 Milliliter intus und in den letzten Trainingstagen zu Hause war er auf 700 Milliliter gekommen.

Als die Servicekräfte den nächsten Gang auftrugen erfüllte sofort ein bestialischer Gestand den Raum. Frieder Bergmann ahnte Schlimmes auf sich zukommen und trank noch einen Mao Tai. Sein Trinktempo war deutlich höher als das der Chinesen und anerkennende Blicke streiften ihn.

„Chou Doufu“ sagte der Dolmetscher und Bergmann sah, wie dem Mann buchstäblich das Wasser im Mund zusammen lief „das ist fermentierter Tofu. Meinen Sie nicht auch, dass sein Geruch einzigartig ist?“

„Ja“ presste Bergmann heraus und machte sich über das Gericht her.

In einer Schale lagen in einer Soße zwei bräunliche Stücke des Essens, die so einen ekelerregenden Geruch absonderten, dass Bergmann ein Würgen unterdrücken musste. Er biss mutig in ein abgesäbeltes Stück hinein und musste feststellen, dass der stinkende Tofu gar nicht so übel schmeckte. Wenn nur dieser furchtbare und abstoßende Gestand nicht wäre. Der nächste Mao Tai machte seine Nase noch anfälliger für den üblen Pestilenz Geruch. Schlimmer kann es ja bald nicht mehr werden redete er sich ein.

Er schielte ängstlich auf den nächsten aufgetragenen Gang und erkannte Fleischstücke.

„Peking Ente“ sagte der Dolmetscher.

Frieder Bergmann wähnte sich jetzt bald am Ende des Essens angekommen und machte sich mit Appetit über das ganz hervorragend schmeckende Fleisch her. Sein Magen war jetzt bereits erheblich gefüllt, und ohne, dass er es unterdrücken konnte, entfuhr ihm ein laut rollender und kräftiger Rülpser. Der Vorsitzende schaute ihn lächelnd an und sagte etwas zu dem Dolmetscher.

„Der Vorsitzende freut sich sehr, dass es Ihnen so gut schmeckt“ übersetzte der Dolmetscher.

„Sagen Sie ihm bitte, dass es ein ganz phantastisches Menü ist“ antwortete Bergmann laut schmatzend.

Er prostete Deng Peng Kläng grinsend zu, denn die Mao Tai zeigten jetzt erste Wirkung. Bergmann rechnete noch mit zwei Gängen zur Abrundung des Menüs und ging davon aus, dass es etwas Leichtes sein würde.

Er hatte sich nicht geirrt. Auf seinem Teller lagen zwei Eier, und die würde er locker schaffen. Tatendurstig entfernte er am oberen Teil des Eis die Schale und erstarrte im gleichen Moment. Ihn blickte ein Entenembryo an, bei dem Kopf und Hals vollständig ausgebildet waren, auch Schnabel und Federn und der Körper waren deutlich zu erkennen.

„Schlürfen Sie die Flüssigkeit aus“ raunte ihm der Dolmetscher zu „und dann schälen Sie das Ei komplett. So kommen Sie an das köstliche Fleisch heran. Schnabel und Federn können Sie mitessen.“

Frieder Bergmann riss sich zusammen, schlürfte die salzig schmeckende Flüssigkeit aus und legte den Entenembryo vollständig frei. Alle Blicke der Chinesen waren jetzt auf ihn gerichtet. Bergmann schluckte den Embryo in einem Happen hinunter. Dann machte er sich über das zweite Ei her und erlebte eine schlimme Überraschung. Er schaute auf ein grünlich verfärbtes Eigelb, welches von einer bernsteinfarbenen Masse umschlossen war, das ehemalige Eiweiß.

„Das sind tausendjährige Eier“ sagte der Dolmetscher zu Bergmann, und da alle wieder zu ihm herschauten, löffelte er alles tapfer weg.

Dann trank er noch einen Mao Tai.

Jetzt konnte nur noch die Nachspeise kommen.

Auf dem Teller vor Frieder Bergmann lag eine Frucht, die einen derart intensiven Geruch ausströmte, dass ihm bald übel wurde. Er sah, dass eine fleischige und schmierige Masse wohl das Fruchtfleisch bildete. Den Endspurt schaffe ich auch noch sagte er sich und grub den Löffel in die eigenartige Masse. An seinem Gaumen spürte er einen Geschmack von Walnuss und Vanille, aber dieser wurde von einem zwiebelartigen Geschmacksanteil überlagert. Als er alles aufgegessen hatte rekapitulierte Frieder Bergmann das Menü:

Suppe

Rattenfleisch

Übel stinkenden Tofu

Peking Ente

Entenembryo

Tausendjährige grüne Eier

Durian.

Für heute reichte es ihm, und als er den Mao Tai gekippt hatte musste er abermals laut rülpsen, aber auch achtgeben, dass aus seinem Magen nichts nach oben stieg. Der Vorsitzende erhob sich und auch alle anderen Anwesenden standen auf und applaudierten heftig. Deng Peng Kläng sagte etwas zu dem Dolmetscher.

„Herr Bundeskanzler“ übersetzte der Mann „der Vorsitzende ist beeindruckt wie Sie mitgetafelt haben. Vor Ihnen hat das noch kein anderes Staatsoberhaupt geschafft. Außerdem hat er festgestellt, dass Sie bis jetzt zehn Mao Tai getrunken haben, keiner hat je so viel wie Sie zu sich genommen. Es ist für uns eine große Ehre, einen so standhaften Mann als unseren Gast zu begrüßen.“

Frieder Bergmann ließ noch einen Rülpser hören und erwiderte:

„Herr Vorsitzender, verehrte Anwesende,

Ihr schönes Land bietet viel kulinarische Abwechslung und ich bin zutiefst beeindruckt von der Kreativität Ihrer Küche. Sehen Sie, bei mir zu Hause gibt es immer wieder das Gleiche auf den Teller. Bratwurst und Sauerkraut, Schnitzel mit Bratkartoffeln und wieder Bratwurst und Schnitzel. Hier ist das ganz anders! Lassen Sie uns auf die deutsch-chinesische Freundschaft trinken!“

Frieder Bergmann sprach mit absolut klarer Stimme, aber einige der Chinesen waren schon ziemlich angetrunken. Er war spürbar lauter in dem Raum geworden und Frieder Bergmann vermutete, dass jetzt wohl die härteste Phase der Begegnung beginnen würde.

„Es geht um Deutschland“ hatte Herbert Büchsenschuss stets in der Vorbereitungsphase des Staatsbesuches gesagt und damit das Trinktraining Bergmanns begründet.

Ich werde meinem Vaterland bis zum letzten Tropfen Mao Tai treu dienen nahm sich Frieder Bergmann vor und war fest entschlossen dem Vorsitzenden und den Mitgliedern des Politbüros die in Deutschland heftig umstrittenen Projekte aufs Auge zu drücken. Seine Strategie war denkbar einfach und hieß: die Leute abfüllen, und sie in diesem Zustand zu einer Unterschrift zu bewegen. Bergmann hatte drei Verträge vorbereiten lassen.

Sukzessiver Abriss aller Kernkraftwerke und Entsorgung aller strahlenbelasteten Teile

Einrichtung eines atomaren Endlagers auf chinesischem Territorium für die Entsorgung aus den dann noch weiterlaufenden Kraftwerken

Bau der Nord-Süd-Energietrasse

„Es gibt in Deutschland eine recht archaische Trinksitte“ erklärte er jetzt „das Stiefeltrinken. Ein großes Glas wird mit Bier gefüllt, und dann muss man es in einem Zug austrinken. Wollen wir einen Wettbewerb veranstalten wer der Beste ist?“

Freudiges Raunen schlug ihm entgegen nachdem der Dolmetscher übersetzt hatte.

Bergmann verabschiedete sich noch einmal auf die Toilette, wenn er wieder da war, sollte das Kampftrinken beginnen.

In seinem Bauch grummelten die verschiedenen und sehr unterschiedlichen Speisen. Frieder Bergmann schlug sein Wasser ab und wollte sich die Hände waschen. Er war immer noch in Gedanken an das Rattenfleisch, den stinkenden Tofu und das Entenembryo, als ihn eine plötzliche Übelkeit überkam. Er erbrach sich würgend in das Waschbecken, und dieses füllte sich mit den noch nicht vollständig verdauten Speiseresten. Mit fliegenden Händen ließ er Wasser ein, verrührte den übel riechenden Brei, und konnte die Stücke dann durch den Abfluss pressen. Als er damit fertig war verließ er eilig den Sanitärbereich und traf im Gang auf zwei albern kichernde und torkelnde Mitglieder des Politbüros.

Der Vorsitzende hatte mittlerweile die entsprechenden Trinkgefäße heranbringen lassen. Die gut einen halben Liter fassenden Gläser wurden nach Bergmanns Eintreffen dann Rand hoch mit Bier gefüllt. Frieder Bergmann fühlte sich nach der Magenentleerung wieder aufnahmebereit. Auf ein Zeichen des Dolmetschers setzten die Männer die Gläser an. Man hörte nur lautes Schlucken und als erster setzte Bergmann das leere Glas ab. Auch die zweite Runde ging an ihn. Jetzt beschloss er den finalen Schlag zu landen. Er winkte einen Kellner heran und ließ durch den Dolmetscher ausrichten, dass er gern ein Sektglas haben würde. Alle schauten zu ihm hin. Bergmann ließ übersetzen, dass das Sektglas bis oben hin mit Mao Tai gefüllt werden sollte. Die Chinesen tuschelten aufgeregt miteinander, dann bestellten sie die gleiche Ladung.

„Wer als erster ausgetrunken hat ist Sieger des Abends“ erklärte Frieder Bergmann „auf los geht es los.“

„Es geht um Deutschland“ hörte er wieder Herbert Büchsenschuss Stimme.

Frieder Bergmann schaffte die Hälfte des Glases in einem Zug, dann musste er rülpsen. Als er das Glas dann immer höher und schräger hielt trat absolute Stille im Raum ein, so dass nur seine Schluckgeräusche zu hören waren. Bergmann bekam davon nichts, und als er seine Leistung mit einem dröhnenden Rülpser quittiert hatte, klatschten die Chinesen begeistert in die Hände.

„Sie sind der Chef, Herr Bundeskanzler“ ließ der Vorsitzende mit unsicherer Stimme übersetzen „jetzt können wir zum geschäftlichen Teil kommen. Nennen Sie uns Ihre Angebote.“

Frieder Bergmann merkte, dass die Chinesen nicht mehr ganz zurechnungsfähig waren und legte einfach die drei Verträge auf den Tisch. Dann zündete er sich eine Zigarette an und wartete auf das Ergebnis. Es schien eine erregte Diskussion zu geben, aber er konnte feststellen, dass alle voll wie die Haubitzen waren, eine gute Grundlage, die ungeliebten Projekte an die Chinesen loszuwerden. Der Vorsitzende führte mit herrischer Stimme das Wort, aber auch er hatte größte Mühe, sich überhaupt noch zu artikulieren. Dennoch schien er sich durchgesetzt zu haben, denn mit einem Lächeln unterschrieb er alle Verträge und schob sie zu Frieder Bergmann hin. Dieser war ob der Schnelligkeit der Entscheidung vollkommen perplex und unterschrieb ebenfalls.

„Sehr geehrter Herr Bundeskanzler“ sagte der Vorsitzende lächelnd und mit schwerer Zunge „diese Verträge werden wir nach Punkt und Komma erfüllen. Sie werden sehen, dass unsere Unternehmen jegliche Herausforderung annehmen und diese auch bewältigen können. Wir schätzen Sie als unseren Türöffner für Großprojekte in Europa. Wir werden in Deutschland beginnen, und dann gemeinsam mit Ihnen ganz Europa aufrollen. Lassen Sie uns auf diesen historischen Abend trinken!“

Frieder Bergmann wusste dann am nächsten Tag nicht mehr so ganz genau wie der Abend noch weiter verlaufen war, aber das war egal, er ruhte während des Rückflugs zufrieden in seiner Kabine im Flugzeug und bekämpfte seinen üblen Kater und die Flugangst mit Bier und Mao Tai.

„Bundeskanzler Professor Doktor Frieder Bergmann kehrt mit einem Koffer voller Geschenke aus China nach Deutschland zurück“ titelte die BilderZeitung.

„Wie nicht anders zu erwarten war, hat der von uns sehr geschätzte Bundeskanzler bei seinem Staatsbesuch in China Nägel mit Köpfen gemacht und vier Großprojekte vertraglich vereinbart. Das Wichtigste ist der Komplettabriss und Neuaufbau des Flughafens Berlin-Brandenburg innerhalb von 18 Monaten. Während die jetzige Flughafengesellschaft, die der Bundeskanzler gestern nach seiner Rückkehr unverzüglich fristlos entlassen hatte, von einer „eventuellen Fertigstellung im Jahr 2017“ ausging, haben sich die chinesischen Unternehmen verpflichtet, den Flughafen bis zum 31. Dezember 2015 fertigzustellen.

„Diese kleinen und zähen gelben Kerle schaffen das locker“ hatte uns der Bundeskanzler lächelnd gesagt „so, wie die versuchen einen unter den Tisch zu trinken, so hartnäckig sind die auch bei der Arbeit. Was allerdings das Kampftrinken anbetrifft kann ich Ihnen sagen, dass ich dem Vorsitzenden und dem gesamten Politbüro nicht die Spur einer Chance gelassen und die deutsche Fahne ganz hoch gehalten habe. Da müssen die Jungs noch etwas trainieren. Jedenfalls sind vier Verträge zustande gekommen, und da die Chinesen die Projekte vollständig mit eigenen Leuten abwickeln wollen habe ich dem Vorsitzenden die Zusage erteilt, dass am zentralsten Ort, bezogen auf die Standorte aller Projekte, eine chinesische Kolonie errichtet werden kann. Dieser Ort ist Bonn. Bonn hat ja seine Bedeutung ohnehin schon lange verloren und wird von den Chinesen vollständig abgerissen werden weil die Stadt doch schon ziemlich heruntergekommen ist. Die dortigen Bewohner werden ähnlich wie bei einer Tagebauerweiterung umgesiedelt. Vorzugsweise sollen die Einheimischen dann in Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt ihre neue Heimat finden. Da ist noch viel Platz frei.“

Wir halten das für eine gute Idee und fragten den Bundeskanzler nach seinen weiteren Plänen.

„Nun“ sagte er uns „ich bin noch 14 Tage im Dienst, dann fahre ich mit meiner Familie in den Urlaub.“

Auf die Frage wohin, lächelte der Bundeskanzler nur schweigend.

Gute Erholung, Herr Bundeskanzler Professor Doktor Frieder Bergmann.“

Familienurlaub könnte so schön sein, wenn bloß Mutter nicht mit dabei wäre - Band 7

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