Читать книгу Katzen an die Macht II - Juljan Mecklenburg - Страница 4

Urlaubsbeginn

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Man musste kein Superdetektiv sein, um bereits am Abend zuvor zu bemerken, dass dieser Samstag der Tag der Abreise war. Während sie fast pausenlos von irgendwelchen Stränden und dem Meer quasselte, versuchte er mit vollem Körpereinsatz die prall gefüllten Koffer zu schließen. Amy und ich sahen uns das ganze Spektakel vom Kratzbaum aus an und versuchten, nebenher etwas zu dösen. Hätten wir nur damals schon gewusst, was sich hinter dem Wort „Katzenpension“ versteckt, dann hätten wir uns am besten in einem der Koffer versteckt und die beiden Dosenöffner und Bascha auf ihrem Urlaub begleitet. Aber da wir damals noch absolut keine Ahnung hatten, was uns dort erwarten würde, sind wir einfach ganz in Ruhe liegen geblieben.

Als die beiden dann spät in der Nacht fertig waren, bekamen Amy und ich noch einen Kuss auf die Stirn sowie eine ausgiebige Streicheleinheit. Danach stapften sie dann mit müden Schritten die kleine Holztreppe in Richtung Schlafzimmer hoch. Bascha, die mittlerweile auch immer oben im Schlafzimmer unseres Personals auf einem kleinen Bettchen vor deren Ehebett schlief, drückte sich wie immer an beiden auf dem Weg nach oben vorbei. Egal, ob es die Treppe hoch ins Schlafzimmer war oder die Treppe hinunter in den Garten – unsere Hundedame musste immer als Erste am Ziel ankommen. So gut wir uns mittlerweile mit ihr verstanden, dass sie irgendwann ihren Schlafplatz im Schlafzimmer der beiden bekommen hatte, kam Amy und mir ziemlich entgegen. So konnten wir nachts ungestört unsere geschmiedeten Pläne umsetzen und das tun, was wir Katzen nachts eben so tun. Imaginäre Geister jagen, wilde Verfolgungsjagden veranstalten, Regale abräumen, lautstark unsere Krallen am Kratzbaum wetzen oder einfach nur die Sofakissen durch die Gegend schießen. So wie es war, war es schön und noch immer genossen wir jeden Moment in unserem mühsam aufgebauten Königreich. Jeden Morgen erfreuten wir uns erneut an dem herrlichen Blick über das ganze Tal, den wir vom Fensterbrett aus hatten. Zwischen unseren ausgiebigen Schönheitsnickerchen gab es immer noch so viel zu sehen und so viel zu erleben, doch mit Anbruch des nächsten Tages sollte ein neues Kapitel für uns beginnen. Amy und ich befanden uns allerdings rein vom Kopf her noch meilenweit von diesem entfernt. „Glaubst du, ich schaffe es, von einem Koffer zum anderen zu springen, ohne dabei den Boden zu berühren?“, tuschelte Amy in mein linkes Ohr, während sie mich immer wieder anstupste und dadurch etwas ruppig aus dem Schlaf riss. „Amy … Siehst du nicht, dass ich schlafe?“, murmelte ich etwas genervt zurück. „Ja, mag schon sein. Aber denkst du, ich schaffe das?“, quasselte sie weiter. „Amy … Ich …“, begann ich erneut. „Ja, das ist mir schon klar, aber Bounty! Hey Bounty! Glaubst du ich, schaffe das? Ich meine, die stehen schon ziemlich weit voneinander weg und sehen ziemlich wackelig aus“, unterbrach sie mich. „Na toll, nun ist auch der Halbschlaf dahin!“, dachte ich und schlug die Pfoten schützend vor meinem Gesicht zusammen. Anschließend streckte ich mich ausgiebig und setzte mich immer noch leicht genervt neben sie. „Na los. Zeig schon“, murmelte ich und verdrehte leicht die Augen. „Weißt du, sie hätten die Koffer auch stapeln, oder einfach nur waagerecht auf den Boden legen können, aber nein! Nein, Bounty! Siehst du das? Die haben sie hochkant hingestellt. Die haben die Koffer einfach so hochkant hingestellt, als wollten sie mir damit sagen: ,Hier Amy, das ist eine neue Herausforderung für dich’!“, quasselte sie weiter, während sie aufgeregt auf dem Kratzbaum hin- und herlief. „Amy, ich habe doch gerade eben schon gesagt, dass du das jetzt einfach kurz machen sollst, damit ich weiterschlafen kann“, murmelte ich. „Die halbe Nacht habe ich damit verbracht, diesen komischen Fledermäusen da draußen hinterherzuschauen. Ich bin einfach nur müde und du weißt, ich brauche meinen Schönheitsschlaf“, fügte ich mit Nachdruck hinzu. Nach einem kurzen: „Also gut, aber nur, weil du es unbedingt sehen willst!“, sprang sie vom Kratzbaum und landete routiniert auf dem Fensterbrett. Von dort aus setzte sie einen großen Satz auf den Küchentisch nach und von diesem gelangte sie dann über einen der vier Esszimmerstühle nach unten. Während ich, noch immer etwas schlaftrunken, die Augen verdrehte, riss sie ihre weit auf und tapste fröhlich dem ersten großen Koffer und somit dem Startpunkt ihres kleinen Marathons entgegen. Dort angekommen, sprang sie gekonnt auf den ersten Trolley und drehte ihren Kopf zu mir. Mit einem breiten Grinsen schrie sie laut in meine Richtung: „Du zählst runter und dann starte ich!“ Irgendwie war ich selbst noch nicht so wirklich Feuer und Flamme für ihr Vorhaben und so gab ich ihr nur mit einem kurzen „Los!“ das Signal zum Starten. „Nein, nein, nein“ ,murmelte sie und schüttelte den Kopf. „Bounty, du musst so zählen: 3 … 2 … 1 … Uuuuuuuund LOS!“ Dann wandte sie sich wieder von mir ab und machte sich erneut bereit für den Start. Anschließend tänzelte sie mit ihren Pfoten abwechselnd auf der Stelle und blickte fixiert nach vorne auf den nächsten Koffer. Anscheinend nahm sie ihre ganze Idee wirklich ernst und so tat ich ihr den Gefallen und läutete das Startsignal ein. „Katzen und Kater von weit und fern!“, schrie ich mit voluminösem Organ in Richtung in die imaginären Zuschauertribüne. „Halten Sie sich gut fest, denn jetzt wird unsere absolute Top-Athletin den schwierigsten Koffersprung-Wettbewerb aller Zeiten absolvieren!“, brüllte ich weiter. Meine anfangs vorgetäuschte Begeisterung hatte nun allerdings nicht nur meine Schwester übermotiviert, sondern auch mich selbst eingeholt. Nun war auch ich absolut hin und weg von dem Versuch, diesen Parcours zu bestehen. Amy spürte das natürlich und nickte mir zustimmend zu. Mein „3 … 2 … 1 …“ wurde kurzzeitig von ihr selbst angefeuert: „Komm schon, Amy! Komm schon!“ Dann ging ich in die Vollen und nach einem tiefen Atemzug schrie ich so laut ich nur konnte: „Uuuuuuuuuuuuuuuund LOOOOOOSSSSSS!!!!!“ Während ich nach dieser Showeinlage für die imaginäre jubelnde Menge wieder versuchte, Luft zu holen, war Amy bereits wie aus der Pistole geschossen losgesprungen. Den ersten Koffer ließ sie ohne große Probleme hinter sich und im selben Moment, in dem sie auf dem zweiten landete, sprang sie auch schon wieder von diesem in Richtung des nächsten ab. Die Landung auf diesem gestaltete sich dank seiner sehr kleinen Landefläche und des herausstehenden Griffes als etwas komplizierter, aber auch diese meisterte sie mit Bravour. Vor ihr lagen nun nur noch eine kleinere Tasche aus hellgrauem Stoff sowie ein wiederum ziemlich weit von dieser entfernter, großer, schwarzer Hartschalenkoffer. Kurz bevor sie zum entscheidenden Sprung ansetzte, feuerte sie sich nochmals kurz selbst an. Nach einem tiefen Atemzug sprang sie dann mit aller Kraft von dem etwas kleineren Koffer mit dem hervorstehenden Griff ab, so dass dieser leicht hin- und herschaukelte und dadurch fast umkippte. Nach einem kurzen Flug landete sie mit einem dumpfen Geräusch auf der Stofftasche, wo sie mit ihren Krallen nun den richtigen Griff für den finalen Absprung suchen konnte. Als sie mit allen vier Pfoten sicher auf dem weichen und unebenen Untergrund stand, ging sie tief in die Hocke und katapultierte sich mit einem kräftigen Abstoß ihrer Beine in die Luft. Mit weit ausgestreckten Vorderpfoten schoss sie regelrecht wie ein kleiner Kampfjet über die komplette Distanz, wo sie dann Sekundenbruchteile später die ungefähr drei Meter entfernte Kante des Koffers erreichte. Hier fand sie dank ihrer Krallen sofort den nötigen Halt. Anschließend brauchte sie sich nur noch hinaufziehen und schon hatte sie es geschafft. Oben angekommen, jubelte sie sofort los. „Jaaaa! Amy hat es geschafft! Amy ist die Größte!“, schrie sie in alle Richtungen, während sie versuchte, wieder zu Atem zu kommen. „Schon gut! Aber die Größte bist du deswegen noch lange nicht“, zischte ich in ihre Richtung, während ich mich zielstrebig vom Kratzbaum herabbewegte. „Ach, jetzt auf einmal doch Interesse, Herr Bounty?!“, stachelte sie mich an, als ich nach einem kleinen Satz sicher auf dem ersten Koffer gelandet war. „Pfff!“, entgegnete ich, hob die rechte Pfote und warf einen prüfenden Blick auf meine scharfen Krallen, die ich provokant hervorschnellen ließ. „Deine Krallen bringen dir auch nichts, wenn du nicht einmal den letzten Koffer erreichst und auf dem Boden landest“, lachte sie mir entgegen, während sie besagten Koffer mit einem kleinen Sprung auf den Parkettboden wieder verließ. Ich ließ mich natürlich absolut nicht von ihrem Getue beeindrucken und begann lautstark, meine Startsequenz hinunterzuzählen. „Katzen und Kater von weit und fern. Dies ist der Tag der Tage. Ich, König Bounty, werde heute höchstpersönlich diesen Parcours meistern. Außerdem werde ich auch …“, posaunte ich laut in Richtung meiner Schwester, die neben dem letzten Koffer auf dem Boden Platz genommen hatte und leicht die Augen verdrehte „Ja, liebe Zuschauer, außerdem werde ich auch die lächerliche Bestzeit meiner Schwester Amy um Längen unterbieten!“, schrie ich selbstsicher in die imaginäre Menge, die mein Kopf um mich herum im Flur neben den Parcours projizierte. Dann war es soweit und nach einem kurzen „3 … 2 … 1 … Looooooos!“ meiner Schwester, schoss auch ich voller Selbstbewusstsein los. Fast schon spielerisch manövrierte ich meinen Prachtkörper über die aufgestellten Hindernisse und landete schließlich auch auf der grauen Stofftasche, wo ich mich, wie Amy zuvor, zum finalen Sprung vorbereitete. Nachdem auch ich alle vier Pfoten in dieser verankert hatte, presste ich mich tief mit dem Bauch an den weichen Untergrund, um das Maximale an Sprungkraft herauszuholen. Nach einem tiefen Atemzug sprang ich mit fokussiertem Blick ab. Dummerweise verhakte ich mich mit einer der Krallen der rechten hinteren Pfote im Stoff der Tasche, so dass der Absprung mir nicht ganz wie geplant gelang. Etwas unbeholfen flog ich mitsamt der Tasche durch die Luft und drehte mich um die eigene Achse. Im Augenwinkel sah ich, wie Amy vorsichtshalber zur Seite sprang und Deckung suchte. Im Flug gelang es mir dann doch, meine Krallen aus dem Stoff zu ziehen und so schleuderte ich die Tasche in Richtung des letzten Koffers weiter. Als ich ungefähr einen halben Meter vor diesem gerade kurz vor der Landung stand, hörte ich einen dumpfen Aufprall. Die Tasche hatte, im Gegensatz zu mir, den Koffer erreicht und diesen an der oberen Kante so hart getroffen, dass er bedrohlich zu schwanken begann. Als sich die Tasche und ich wieder sicher auf dem Boden befanden, passierte plötzlich das Unausweichliche und der schwere Hartschalenkoffer fiel nach hinten um. Etwas überfordert von dem, was sich hier nun abspielte, suchte auch ich, genau wie meine Schwester, Schutz hinter der kleinen Holzkommode im Flur. Mit einem lauten Pflatsch landete der Koffer auf dem Boden und riss den großen Kleiderständer mit in die Tiefe. Dieser stürzte, wie einer dieser riesigen Bäume in den Baumfäller-Dokumentationen, die ich schon ab und an im Fernseher der Dosenöffner mitangesehen hatte, um. „FÄLLT!“, schrien Amy und ich fast zeitgleich, als wir beobachteten, wie der mächtige Kleiderständer aus Metall in den großen Spiegel einschlug, der an der Tür, die zum Keller hinunterführt. Der Aufprall war so heftig, dass dieser sofort in Tausende Scherbenteile zerschellte und diese mit lautem Klirren großflächig im Flur verteilte. Amy und ich, die das alles aus sicherer Entfernung mitangesehen hatten, eilten schnell zurück zum Kratzbaum. Genau in dieser Sekunde begann Bascha, die durch das laute Geräusch des zerberstenden Spiegels ebenfalls aufgeschreckt wurde, lautstark im Schlafzimmer der Dosenöffner zu bellen. Kurze Zeit später öffnete sich dann die Tür und die drei eilten erschrocken hinunter. Unten angekommen, stoppte Bascha, die wie immer als Erste die Treppe hinter sich gelassen hatte, sofort erschrocken vor dem, nennen wir es mal, Scherben-Kleiderständer-Koffer-Chaos. Vom Kratzbaum aus konnten wir anhand ihres nun leicht schiefen Kopfes sofort erkennen, dass sie diesen Anblick nicht ganz einordnen konnte und lieber auf die Meinung unseres Personals wartete. Deren Ankunft im Flur machte sich sofort durch einen lauten Schrei ihrerseits bemerkbar. „Ich habe dir gesagt, lade die Koffer gleich ins Auto – aber nein, jetzt ist der große umgefallen und jetzt sieht es hier aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen!“, fuhr sie ihn an. „Aber Schatz, ich …“, entgegnete er, doch wirklich zu Wort ließ sie ihn nicht kommen. Amy, die genau neben mir auf der höchsten Ebene des Kratzbaumes lag, stupste mich an und tuschelte grinsend: „Stimmt, etwas wackelig war der große Koffer schon.“ „Ja, ziemlich fahrlässig, so einen wackeligen Koffer da im Flur stehen zu lassen“, entgegnete ich ebenfalls mit einem breiten Grinsen im Gesicht. „Wenn der umfällt, hätte er uns ohne Probleme verletzen können“, fügte ich vor Lachen prustend hinzu. Währenddessen war das Personal mit den Aufräumarbeiten beschäftigt. Besser gesagt, er, da sie nach einem kurzen „Ich helfe dir gleich – ich geh’ nur kurz mit Bascha raus. Die muss sowieso wegen all der Aufregung mal austreten“ zusammen mit Bascha das Haus verließ. Als die beiden kurze Zeit später wieder durch die Haustür zurückkamen, hatte er gerade das Gröbste in Plastiktüten geräumt und den Staubsauger eingesteckt. Nachdem seine Ehefrau damit fertig war, Baschas Pfoten abzuputzen, übergab er ihr den Staubsauger und machte sich daran, die mit Scherben gefüllten Müllsäcke nach draußen zu bringen. Bascha, die den Staubsauger übrigens genauso wenig leiden konnte wie wir, huschte sofort wieder die Treppe zum Schlafzimmer hinauf, um dort in sicherer Entfernung abzuwarten. Amy und ich hatten uns mittlerweile im hintersten Eck der Kratzbaumhöhle versteckt, um ebenfalls dem grausamen Lärm des lästigen Haushaltsgerätes so gut wie möglich zu entgehen. „Bei dem Lärm kann ja auch keiner schlafen“, nörgelte Amy vor sich hin. „Erst die Koffer so ungeschickt hinstellen und dann auch noch mitten in der Nacht staubsaugen. Zustände sind das hier …“, meckerte ich schmunzelnd hinterher. Nachdem die beiden dann irgendwann die Putzaktion abgeschlossen hatten, bekamen Amy und ich noch ein kleines „Betthupferli“, im Sinne einer leckeren Kaustange, für jeden von uns. Diese wurde dann von einem „Tut uns so leid, dass ihr hier unten wegen der blöden Koffer so eine Angst haben musstet“ sowie kurzen, aber herrlich angenehmen Streicheleinheiten begleitet. Während wir beide gekrault wurden und die Kaustangen vertilgten, blickten wir uns kurz an und begannen dann lautstark zu schnurren. Nachdem ich die Kaustange komplett vertilgt hatte, flüsterte ich Amy ins Ohr: „Wir wollen mal nicht so sein“, und verstärkte die Intensität meines Schnurrens. Auch sie tat mir gleich und so erfuhren unsere beiden Dosenöffner wieder einmal erneut, dass sie mit all ihren Problemen natürlich jederzeit zu uns kommen können. Kurze Zeit später wurden wir dann erneut mit „Schlaft gut, ihr Süßen“ verabschiedet und uns unserem Schönheitsschlaf überlassen. Als wir wieder alleine im Wohnzimmer waren und sich auch über uns im Schlafzimmer nicht mehr viel bewegte, konnte ich endlich weiterschlafen. Als ich gerade eingenickt war, riss mich plötzlich meine Schwester erneut aus dem Schlaf. „Bounty! Die Koffer stehen noch hier im Haus. Die sind nun alle vorne da an der Haustür. Meinst du, ich kann auch diesen Parcours meistern?“ Erneut komplett genervt, stand ich sofort auf und schritt, ohne auch nur ein Wort über Amys neues Vorhaben zu verlieren, aus der Kratzbaumhöhle hinaus. Sekunden später legte ich mich dann wieder auf eine der oberen Kratzbaumplattformen nieder und versuchte, erneut in das wunderschöne Land der Träume zu flüchten. Doch leider wurde ich auch hier oben aus meinem Gedöse gerissen. „Bounty! Ich meine das ernst! Glaubst du, ich schaffe das?“, ertönte es zu meiner Linken. Amy hatte nun auch auf der oberen Plattform neben mir Platz genommen und starrte mich mit riesigen Augen an, während sie auf eine Antwort wartete. „Amy“, begann ich genervt, ich sag dir was: Wir spielen jetzt ein ganz anderes Spiel“ – „Achja, wirklich? Wollen wir unsichtbare Gespenster jagen, die Vorhänge hinaufklettern oder ein Wettrennen von Fensterbrett zu Fensterbrett veranstalten?“, entgegnete sie hoffnungsvoll. „Nein! Wir spielen jetzt: WER ZUERST EINSCHLÄFT, HAT GEWONNEN!“, fuhr ich sie an und senkte wieder meinen Kopf, um erneut eine Pfote voll Schlaf zu mir zu nehmen. „Dann eben nicht. Bin sowieso viel zu müde“, quengelte sie etwas enttäuscht vor sich hin. „Aber weißt du was?!“, weckte sie mich erneut. „Aaaaaah! Was denn noch?“, fuhr ich sie an. „Bounty, das Einschlafspiel werde ich auch gewinnen“, schmunzelte sie, senkte den Kopf, schloss ihre Augen und begann binnen kürzester Zeit, leise zu schnarchen. „Das soll mir ja recht sein“, nuschelte ich in das kuschelige Plateau des Kratzbaumes und schlief erneut ein.

Ein paar Stunden später wurden wir dann nicht wie gewohnt von unserem normalen Samstagmorgenhunger geweckt, sondern von den beiden Dosenöffnern und von Bascha, die wieder einmal wild die Treppe, die vom Schlafzimmer ins Wohnzimmer führte, hinunterschoss. Während sie, wie üblich, aufgeregt ein paar Runden um den Esstisch drehte und dabei einige ihrer Spielzeugbälle umherschoss, begannen Amy und ich mit unserer allmorgendlichen Yoga-Einheit im Sinne eines Katzenbuckels. Als wir anschließend jeden Muskel unserer Prachtkörper streckten und dehnten, torkelten auch unsere beiden Dosenöffner noch etwas schlaftrunken die Treppe hinunter. Als auch sie dann endlich das Wohnzimmer erreichten, empfingen Amy und ich die beiden erst einmal mit einem langen Gähnen, das von Baschas wildem Umherspringen untermalt wurde. Während das weibliche Personal zuerst alleine im Bad und dann mit Bascha im Garten verschwand, kümmerte sich der Ghostwriter/Cateringservice um unser leibliches Wohl. So eine Katze von Welt will natürlich gut versorgt sein und so bestätigten wir sein Vorhaben natürlich sofort mit aufgeregtem Miauen. Die etwas kurze Nacht hatte scheinbar ihre Spuren an ihm hinterlassen und so lief er noch recht verpeilt zum Futterschrank, aus dem er das knusprige Trockenfutter holte. Zumindest hatte er dies vor, doch bemerkte er auf der Hälfte zur Strecke zum Kratzbaum, oder, wie ich es gerne zu sagen pflege, zur Spitze der Nahrungskette, dass er nicht unser Frühstücks-Trockenfutter, sondern eine Tüte mit den Häkelsachen seiner Frau in der Hand hielt. Etwas verwirrt musterten seine müden Augen das Ergebnis der Futtersuche. Kopfschüttelnd drehte er wieder um, legte die Häkeltüte zurück und griff dann erneut in den Holzschrank. Endlich hielt er die richtige Packung in der Hand und schon das Rascheln des Trockenfutters machte Amy und mich ganz wuschig. Aufgeregt und wild schreiend liefen wir auf der kuscheligen Kratzbaumfläche hin und her. „Gott, der braucht ja ewig“, schimpfte Amy. Auch mir kamen die drei Meter, die er zu uns zurücklegen musste, ewig vor, und so sprang ich vom Kratzbaum und rannte ihm quengelnd entgegen. „Schneller! Schneller!“, schrie ich auffordernd vom Boden herauf, während ich immer wieder zwischen seine Füßen schlängelte. Als er endlich am Kratzbaum angekommen war und das Futter in den Napf schüttete, kletterte ich, so schnell ich nur konnte, wieder hinauf zur Frühstücksplattform. Da er mir allerdings, müde wie er war, seinen linken Arm derart blöd in den Weg hielt, als er sich am Kratzbaum abstütze, musste ich eben den Weg über diesen, anstatt den darunterliegenden Sisalsäulen, wählen… Egal! Meine Krallen hielten auch in seinem Arm ganz gut. Als er also ziemlich unerwartet einen kurzen Schmerz auf seinem Arm verspürte, schrie er sofort auf. „Dir auch einen guten Morgen, Schlafmütze“, zischte ich über meine rechte Schulter. Amy, die bereits die ersten köstlichen Bissen des Frühstücks herunterschluckte, lachte von oben: „Ja, jetzt ist er wach!“ Während der Ghostwriter sich den Arm rieb und etwas ungläubig auf die Hinterlassenschaften meiner scharfen Krallen starrte, war auch ich auf dem Plateau angekommen, wo sofort damit begonnen wurde, das Frühstück zu mir zu nehmen. Kurze Zeit später war er dann im Bad verschwunden und irgendwann kamen auch die beiden anderen aus dem Garten zurück ins Haus. Bascha hat dann wie gewohnt ihr Frühstück bekommen, das sie natürlich mit aufgeregtem Schwanzwedeln empfing. Während Amy und ich uns wie zwei Mähdrescher durch den Fressnapf arbeiteten, konnte ich im Augenwinkel sehen, wie Bascha brav auf ihrem Popo vor dem chromfarbenen Futternapf saß und dann auf ein kurzes Handzeichen unseres Personals hin sofort mit dem Fressen begann. „Pfff, Hunde“, dachte ich, während ich wieder einmal sah, wie sie unseren beiden Bediensteten aufs Wort gehorchte. Wir Katzen würden niemals vor dem Napf sitzen bleiben und auf irgendein lächerliches Signal warten. Aber gut, wir sind eben auch Könige und kein Fußvolk. Aber schnell fressen kann dieser Hund, dass musste man ihr lassen. Wieder einmal staunten wir nicht schlecht, als sie ihr Frühstück zeitgleich mit uns beendete. Anschließend tänzelte sie zufrieden zur anderen Seite des Wohnzimmers und legte sich in ihr Hundebettchen inmitten all den Spielsachen. Wir Katzen bewegten uns erst einmal nicht, sondern plumpsten mit unseren Popos auf das Kratzbaumplateau, auf dem auch gespeist wird, und begannen, unser Fell zu putzen. Eine ausgiebige Fellpflege ist das A und O, wenn man so toll aussehen möchte wie wir. Ich gebe zu, auch Baschas schwarze Fell glänzt herrlich, aber das ist ja auch viel kürzer als unseres, daher auch ziemlich pflegeleicht. Wir hingegen, mit unserem fast komplett weißen Fell, haben da schon mehr zu tun, aber als absolute Experten der Fellpflege war das natürlich kein Problem für uns. Während wir so dasaßen und unsere Pfoten abschleckten, bemerkten wir auf einmal, dass es draußen mittlerweile zu regnen begann. Dann fiel uns wieder ein für, dass die beiden all die Koffer gepackt hatten und dass uns nun diese Katzenpension und der Abschied von unserem herrlichen Königreich bevorstand. Etwas traurig starrte ich über das verregnete Tal, das natürlich zu solch einem Abschied nicht klischeehafter hätte aussehen können. Klar, was wäre das auch für eine Abreise bei 30 °C im Schatten und dem leckeren Geruch von frisch Gegrilltem in der Luft. Als hätte der große Katzengott gewusst, dass es hier nun um einen Abschied für vier lange Wochen ging, ließ er es immer stärker regnen. Im Nachhinein betrachtet, hatte es ehrlich gesagt für das, was uns bevorstand, viel zu wenig geregnet.

Während der Ghostwriter die Koffer hinaustrug und anschließend einen nach dem anderen im Auto verstaute, stellte seine Frau die Transportbox im Wohnzimmer auf und begann, uns mit freundlichen Rufen auf diese aufmerksam zu machen. Doch Amy und ich wollten eigentlich lieber schlafen und wandten uns sofort wieder von ihr ab. Da dies also nicht wie erhofft klappte, begann sie, um unsere Aufmerksamkeit mit Hilfe einer kleinen Tüte voller Leckerlis zu werben. Was soll ich sagen – wir sind auch nur Katzen. Eine raschelnde Tüte voller Leckerlis – da können wir einfach nicht anders. Hypnotisiert verließen wir den Kratzbaum und liefen zur Tüte, die sie mittlerweile im Inneren der Transportbox ausgeleert hatte. Ohne auch nur irgendwie darüber nachzudenken, was passierte, betrat erst ich und dann Amy die Box. Im hinteren Teil der Kiste angekommen, machten wir uns sofort über die Leckereien her, während wir im Hintergrund wahrnahmen, dass die Gittertür hinter uns schnell geschlossen wurde. Immer noch fleißig bei der Sache, kauten wir fröhlich auf den kleinen Snacks herum, bis nichts mehr von ihnen übrigblieb. Anschließend putzten wir uns erneut und legten uns wortlos auf die kuschelige Decke, die unsere Bediensteten im Inneren der Box ausgebreitet hatten, nieder. Ohne auch nur ein Wort zu verlieren, kuschelten Amy und ich uns aneinander und starrten durch die Gitterstäbe hindurch ins Wohnzimmer. Zugegeben, es war blöd, da hineinzugehen. Aber ändern konnten wir es nun sowieso nicht mehr, also beschlossen wir, die Sache auszusitzen und die Zeit, die wir nun in dieser Transportkiste hatten, mit einem kleinen Erholungsschläfchen zu überbrücken. Eng aneinander gekuschelt, schliefen wir ein und bemerkten überhaupt nicht, wie die Zeit wie im Flug an uns vorbeizog. Irgendwann wurden wir durch eine kleine Erschütterung geweckt. Die Kiste wurde nun vom Ghostwriter getragen. „Kein Grund zur Sorge“, murmelte ich in Amys Fell und schloss erneut die Augen. Während wir sanft hin- und hergeschaukelt wurden, entfernten wir uns immer weiter von unserem wunderschönen Königreich. Kurze Zeit später fiel die Haustür dann zu und als wir kurz aufschreckten, befanden wir uns bereits mitsamt unserer Box auf dem Schoß des Personals. Durch eines der Seitenfenster konnte ich erkennen, wie auch Bacha bereits im hinteren, nennen wir es mal, Hundeabteil des Wagens Platz genommen hatte. Dann startete der Ghostwriter den Motor und die Fahrt konnte beginnen. Irgendwie entspannte uns das leichte Schaukeln des Autos und wir nahmen den kurz unterbrochenen Schlaf wieder auf. Ich kann dir sagen, diese Reise dauerte eine gefühlte Ewigkeit an Schlaf, der nur ab und an durch den etwas stärker werdenden Regen, der beruhigend auf dem Autodach niederschlug, oder eine etwas größere Bodenwelle kurz unterbrochen wurde. Seit wir damals als kleine Kitten mit dem Auto vom Bauernhof, wo wir geboren wurden, in unser Königreich gefahren wurden, hatten wir nie mehr eine solch lange Reise erlebt. Klar, es gab diese Besuche bei der gruseligen Frau im weißen Kittel, die ich bereits im ersten Teil von Katzen an die Macht kurz erwähnt hatte. Auf diesen Kurzreisen waren wir Katzen übrigens alles andere als entspannt. Urgh! Wenn ich nur daran denke, was uns da immer so alles erwartet. Nein, dieses Mal ging es ja definitiv nicht zu unserer Tierärztin und im Gegensatz zu damals, hatten wir auch keine wirkliche Angst. Damals waren wir absolut hilflose kleine, süße Katzenbabys, die sich auf das Abenteuer ihres Lebens begaben. Wir kannten weder unsere beiden Dosenöffner noch das genaue Ziel unserer Reise. Dieses Mal wussten wir wenigstens, wohin es ging und da wir uns alle zusammen im Auto befanden, war die Atmosphäre irgendwie sehr entspannt. Draußen säuselte der Fahrtwind an uns vorbei, Bascha schnarchte lautstark auf einem kleinen Kissen im, durch ein Gitter abgesperrten, hinteren Bereich des Wagens und die beiden Dosenöffner bequasselten fröhlich alles Mögliche über ihren bevorstehenden Urlaub. Das Radio dudelte einen Hit nach dem anderen und der Motor des Autos schnurrte wie ein Kätzchen. Wie gesagt, wir empfanden die komplette Situation irgendwie als ziemlich angenehm und schlummerten glücklich vor uns hin. Dann plötzlich nahm der Wagen eine enge Kurve. Diese schob uns an die linke Seitenwand der Box und da sich dies ziemlich gequetscht anfühlte, robbten wir schnell wieder zurück in die Mitte der Kiste. Dann hielt der Wagen und der Ghostwriter stellte den Motor ab. „Jetzt sind wir endlich da, ihr zwei Süßen“, flüsterte seine Frau mit leicht gesenktem Kopf durch die oberen Gitterstäbe der Box. „Ich gehe kurz rein und kläre alles mit denen ab“, stieg der männliche Teil unseres Personals aus und schloss mit einer kleinen Handbewegung die Wagentür. Durch eines der kleinen Gitterfenster konnten wir beobachten, wie er anschließend hinter einer Hauswand verschwand. „Moment mal“, dachte ich, „dieses Haus kenne ich irgendwoher“, murmelte ich vor mich hin. „Das ist das gleiche Haus wie auf dieser kleinen Broschüre, die vor ein paar Wochen auf dem Esstisch lag“, tuschelte Amy, die mein Selbstgespräch aufgegriffen hatte, vor sich hin, während sie sich aufstellte, um noch mehr von dem Gebäude sehen zu können. Mit großen Augen musterte sie das weiße Haus mit den vielen Fenstern und den grünen Fensterläden. Ebenfalls in grüner Farbe geschrieben, stand irgendetwas in Menschenschrift über der Tür, die sich links vom Haus befand. Als auch ich mich nun aufgerichtet hatte, konnten wir wenig später zusammen beobachten, wie unser Bediensteter aus genau dieser Tür heraustrat und seiner Frau mit einem Handzeichen signalisierte, dass wohl alles in Ordnung sei. Diese reagierte sofort und verließ das Auto mitsamt der Kiste, in der wir uns befanden. Mittlerweile hatte es sogar aufgehört zu regnen, doch schon auf dem Weg zur Eingangstür entdeckten wir durch die Gitterfenster der Box hindurch etwas, das beängstigender als große dunkle Gewitterwolken am Himmel war. Hinter dem obersten Fenster des Hauses saß eine riesengroße, weiße Katze. Diese starrte mit einem kalten und grauenvoll leeren Blick, der dennoch mit einer unangenehm bösen Note zu wirken begann, auf uns nieder. Als wir uns in unserer Box noch weiter in Richtung der Tür, und somit auch näher an das Fenster, bewegten, richtete sich die Katze langsam auf und fauchte mit weit aufgerissenen, gelben Augen bedrohlich. Der Anblick ihres weit aufgerissenen Mauls ließ Amy und mich sofort erstarren. „Warum macht sie das? Wir haben ihr doch gar nichts getan“, schoss es immer wieder durch meinen Kopf. Als ich dann irgendwann endlich soweit war, meine Gedanken in Worte zu fassen, überrumpelte mich Amy bibbernd: „Was war das denn gerade?“ Mit großen Augen starrte ich auf die vorbeiziehende Hofeinfahrt, während ich kaum ein Wort herausbekam: „Ich habe absolut keine Ahnung, Amy.“ Verwirrt und vom bloßen Anblick der Katze eingeschüchtert, zogen wir uns vom Fenster zurück und kuschelten uns eng aneinander. Dann endlich wurde die Situation von einer unbekannten, aber überaus freundlichen Frauenstimme unterbrochen. „Ah, da sind sie ja“, schmunzelte sie in unsere Richtung, als unser Personal die Kiste an die Frau übergab. Diese hatte lange blonde Haare und ein freundliches Gesicht, das perfekt zu ihrer Stimme passte. Ihre bloße Anwesenheit ließ die unangenehme Situation schon wieder verblassen und so widmeten wir uns ganz der Aufmerksamkeit dieser Frau. Sie schob uns sofort zwei Kaustangen durch die Gitterstäbe hindurch und während wir diese mit kräftigen Bissen hinunterschlangen, gab Amy mampfend von sich: „Nettes Personal haben die hier“ – „Stimmt“, entgegnete ich kurz und knapp, um mich schnell wieder meiner Kaustange widmen zu können. Nachdem diese dann in unseren kleinen pelzigen Bäuchen verschwunden waren, wurden wir mitsamt unserer Kiste auf einem kleinen Tisch in einer Art Wartezimmer, das sich gleich hinter der Eingangstür befand, abgestellt. Rechts und links vom Tisch befanden sich ein paar Stühle sowie ein weiterer kleiner Tisch, auf dem sich allerlei Zeitschriften herumlagen und mehrere große Grünpflanzen, die ein angenehmes Flair verbreiteten. Glücklich über den kleinen Snack, kuschelten wir uns wieder aneinander und begannen zu entspannen. Im Hintergrund nahm ich anfangs noch kleine Bruchstücke eines Gespräches zwischen den Dosenöffnern und der netten Dame wahr. Dieses verschwamm allerdings im Laufe unseres nun eintretenden Schönheitsschlafes immer mehr und so schlummerten wir schon wieder wie die Weltmeister vor uns hin.

Kurze Zeit später wurden wir dann erneut von einer kurzen Erschütterung geweckt. Ein Blick durch eines der kleinen Fenster der Transportbox bestätigte etwas, das unser sensibler Gleichgewichtssinn vermutet hatte. Die Box, und somit auch wir, befanden uns erneut in Bewegung. Dieses Mal wurden wir allerdings wieder von unseren eigenen Bediensteten getragen. Der Ghostwriter hielt den Griff der Box sicher in der rechten Hand, während er, zusammen mit seiner besseren Hälfte, der blonden Frau durch den einladenden Eingangsbereich des Hauses folgte. Anschließend ging es eine etwas schmalere Holztreppe hinauf in die nächste Etage. Amy und ich beobachteten sprachlos die vorbeihuschende Umgebung. Wir sahen mehrere etwas abstrakt wirkende Zeichnungen, auf denen Katzen zu sehen waren. Diese hingen im Treppenhaus im Abstand von etwa einem Meter an der weißen Wand und wurden jeweils von einer eigenen kleinen Lampe angestrahlt. Alles in allem machte das Haus noch immer einen sehr guten Eindruck und selbst die etwas schmalere Holztreppe, die unter jedem Schritt ein leises Knarzen von sich gab, wertete das Ganze nicht ab, sondern passte irgendwie ziemlich gut zum Charme des Hauses. Weitere drei Bilder später erreichten wir das Ende der Treppe. Oben angekommen, führte uns die blonde Dame mit einem Handzeichen zu unserer Linken weiter. Nach einem kurzen „Hier entlang“ setzte auch sie ihren Gang fort, bis sie etwa fünf Meter weiter wieder vor einer großen, weißen Tür mit goldenem Türgriff zum Stehen kam. Anschließend zog sie einen großen klimpernden Schlüsselbund aus der Jackentasche. Nach einem kurzen Blick auf diesen, hatte sie bereits den richtigen Schlüssel ausgewählt, den sie dann sofort in das Schloss der Tür steckte. „Hier wären wir“, lächelte sie uns entgegen und sperrte auf. Nachdem die Tür dann mit einem kurzen Knarzen, das genauso gut auch von der Holztreppe hätte kommen können, öffnete, konnten wir endlich den Raum erblicken. Der Anblick zauberte sofort ein breites Grinsen in unsere Gesichter. Im weißen Fliesenboden spiegelten sich vier dunkelrot gestrichene Wände wider. Uns gegenüber befand sich eine große Fensterfront, die einen tollen Blick über den kleinen Ort, dessen Namen wir noch nicht kannten, bot. Genau vor ihnen befand sich eine breite Fensterbank, auf der sich drei in Reihe liegende, dunkelrote Kissen befanden. Links und rechts davon stand jeweils ein großer Kratzbaum, dessen beigefarbene Sisalstangen einzelne dunkelrote Plateaus trugen. In der Mitte des Raumes stand ein kleiner schwarzer Couchtisch, über dem ein großer Kronleuchter an der Decke hing. Dieser warf einen wunderschönen Lichtkreis an die Decke und beleuchtete den Raum in einem warmen Gelbton, während von draußen, bedingt durch den bewölkten Himmel, noch immer nicht viel Sonnenlicht durch die Fenster fiel. Während Amy und mir die Begeisterung ins Gesicht geschrieben war, betraten unsere Dosenöffner nach einem weiteren Handzeichen der Blonden zielstrebig den Raum und stellten uns mitsamt der Box auf dem kleinen Couchtisch ab. Fast im selben Moment schloss die nette Dame die Tür. Anschließend gab uns die Frau des Ghostwriters den Weg in die neue Welt frei. Dann begrüßten unsere Dosenöffner mit einem fast synchron gesprochenem „Herzlich willkommen in der Katzenpension!“, das Amy und ich sofort mit neugierigen Blicken erwiderten. „Lassen sie den Beiden ruhig etwas Zeit. Normalerweise dauert es anfangs immer etwas, bis die Neuankömmlinge die Umgebung erkunden möchten“, sprach die Frau zu unseren Bediensteten, während sie sich uns vieren langsam näherte. „Hast du gehört, Amy?“, flüsterte ich meiner Schwester ins Ohr. „ Normalerweise. Das ist auch wieder so ein typisches Menschenwort. Wir sind nicht normal und wir sind schließlich auch nicht irgendwer!“, flüsterte sie zurück. Wir waren damals, als Heranwachsende, ziemliche Angsthasen. Wir mussten erst einmal uns selbst sowie die Welt um uns herum kennenlernen. Doch seitdem wir in das tolle neue Haus gezogen waren und unser Königreich sich über das gesamte Tal erstreckte, sind wir Könige. Mir ist natürlich klar, dass wir zwar über das gesamte Tal herrschten, dieses aber noch nie betreten hatten. Wie schon gesagt – wir sind Wohnungskatzen. Kannst du dich noch an den „Weg des Stubentigers“ aus dem ersten Teil erinnern? Mir fällt gerade ein, dass das immer noch ein ziemlich cooler Name für einen Ninja-Film ist. Ich muss das wirklich mal aufschreiben und verfilmen lassen. Nun, wo waren wir? Achja: Wir sind Könige. Furchtlos und mit jeder Menge Quatsch im Kopf. Nachdem wir unser eigenes Königreich erschaffen und sogar die Hundedame Bascha gezähmt hatten, konnte uns nichts mehr so schnell erschüttern. Bis auf diese gruselige weiße Katze von vorhin, aber die war, so wie es aussah, nicht hier. Ich murmelte daher „Ich nehm den linken Kratzbaum und du den rechten!?“ vor mich hin. Amy bestätigte meinen Vorschlag mit einem kurzen Nicken. „3 … 2 …“, zählte ich, doch meine Schwester schoss bereits mit den bekannten Hummeln im Popo bei „2“ los. Die drei Bediensteten im Raum waren darüber anscheinend genauso erstaunt wie ich und wichen etwas zurück, als Amy wie eine Rakete mit ausgestreckten Pfoten aus der Box hinausschoss. Etwas genervt zählte ich die übrige „1“ vor mich hin und sprang dann zeitgleich mit einem lauten „Loooooos!“, das sich für das Personal im Raum wie ein „Miauuuu!“ anhörte, ebenfalls mit einem weiten Satz aus der Kiste heraus. Als ich mit einer gekonnten Landung auf dem weißen Fliesenboden aufsetzte, blieb ich kurz für einen Moment stehen. „Hmmmm, Fußbodenheizung“, schwärmte ich in Gedanken, während ich die wohltuende Wärme an meinen Pfoten verspürte. Als ich gerade wieder den Kopf hob und mein Ziel erneut fokussieren wollte, bemerkte ich, dass Amy nicht auf dem rechten, sondern auf dem linken Kratzbaum Platz genommen hatte. „Ey! Du sitzt auf dem falschen Kratzbaum! Das ist meiner!“, schrie ich hinauf. Doch Amy reagierte nicht. Sie ließ sich sogar ganz gemütlich auf der oberen Plattform des Baumes nieder. „Dann komm und erobere ihn doch“, murmelte sie nur leise, das ich dank meiner sehr guten Ohren, die ich extra in ihre Richtung gedreht hatte, trotzdem hören konnte. „PAH!“, schrie ich zurück und schoss erneut los. Zwei Sekunden später konnte das Personal im Raum mitansehen, wie ich den Kratzbaum erreicht hatte und sofort damit begann, eine Plattform nach der anderen hinter mir zu lassen. Hastig schlug ich meine Krallen immer wieder in den Hauptstamm des Baumes und kletterte diesen, so schnell ich nur konnte, nach oben, wo mich bereits meine Schwester mit großen Augen erwartete. Im Hintergrund vernahm ich noch ein frohes „Hui! Das sind aber zwei wilde Racker!“ der blonden Frau, das mich noch mehr in meinem Tun bestätigte und so beschloss ich, die letzten Zentimeter Höhe mit einem abschließenden Sprung gut zu machen. Einen waghalsigen Satz später landete ich, fast schon routiniert, auf der obersten Plattform des Kratzbaumes. Amy legte sofort die Ohren an, drehte ihren Körper leicht auf die Seite und stand mir mit buschigem Schwanz und aufgestellten Nackenhaaren gegenüber. „Du weißt, dass ich mir den Unterschied zwischen links und rechts nie merken kann“, zischte sie mir entgegen. „Tja, dann bist du eben noch ein kleines Baby, das gar nicht so hoch hinaufklettern sollte“, fauchte ich zurück. Dann war plötzlich absolute Stille. Ohne auch nur zu blinzeln, starrten wir uns gegenseitig tief in die Augen. Unsere Herzen pochten und verkündeten, wie die Paukenschläge vor einer großen Schlacht, den bevorstehenden Kampf. Auch das Personal hielt den Atem an und beobachtete still unser Spiel. Zumindest vermutete ich das, denn Beachtung schenkten wir ihnen in diesem Moment sowieso absolut keine. Die Könige des vorübergehenden Königreiches mussten hier etwas miteinander klären. Wir hatten gerade keine Zeit, um uns mit den Dosenöffnern zu beschäftigen. Mit angestrengt ruhiger Atmung und wild pochendem Herzen, blickten wir uns noch immer mitten ins Gesicht. Jeder konnte den warmen Atem des anderen spüren und wartete auf den kleinen Funken, der die komplette Situation eskalieren lassen würde. Nur ein falsches Blinzeln, eine falsche Bewegung oder sonst irgendein Grund und es würde hier gleich richtig zur Sache gehen. Plötzlich riss uns ein lautes „HATSCHIE!“ aus unserer fast schon tranceartigen Angriffshaltung. Die blonde Dame hatte soeben genau im ungeschicktesten Moment genießt und damit sozusagen den Startschuss für unseren Kampf um den Kratzbaum gegeben. Ohne zu zögern, schossen Amy und ich sofort aufeinander los und rollten uns, eng umschlungen, wild auf der beängstigend kleinen Fläche hoch über dem Boden hin und her. Immer wieder gab ich kräftige Tritte in Richtung meiner Schwester ab, die wie immer ihre kleine Körpergröße voll ausnutzte und versuchte, die Situation mit ihrer Wendigkeit für sich zu entscheiden. Immer wieder spürte ich kurze, aber feste Bisse, die sie mit Hilfe ihrer kleinen scharfen Zähnchen auf meinem Körper verteilte. Als sie sich dann wie ein kleiner Vampir an meinem Hals festgebissen hatte, drehte ich mich wild und rollte dabei sogar einmal fast, mitsamt meiner Schwester, vom Kratzbaum. Dann plötzlich gelang es mir mit aller Kraft, trotz ihres festsitzenden Bisses, das Blatt zu wenden. Endlich konnte ich dank meines Körpergewichtes punkten, das ich großflächig auf sie verteilte. Als ich auf ihr saß, lockerte sie sofort ihren Biss und röchelte leicht. „Na, schon genug?“, fragte ich mit ketzerischer Stimme. Amy keuchte mir sofort etwas entgegen, das allerdings dank meiner Sesshaftigkeit recht unverständlich war. Ein paar Sekunden später hielt ich den Kampf für gewonnen und richtete mich wieder auf. Amy lag bewegungslos da und atmete kaum. „Amy?“, flüsterte ich, während ich sie leicht mit der Pfote anstupste. „Ist alles okay?“ Doch noch immer bekam ich von meiner Schwester keinerlei Rückmeldung oder sonst irgendein Lebenszeichen. Als ich gerade begann, Panik zu schieben, sprang sie plötzlich auf und schrie laut „Voll verkohlt!!!“. Da ich ihre plötzliche Reaktion absolut nicht erwartet hatte, sprang ich vor Schreck hoch und streckte reflexartig alle vier Pfoten von mir, während mein Schwanz in der Luft umherpaddelte und damit versuchte, meinen fliegenden Körper gerade zu halten. Dies gelang ihm auch, bloß dummerweise fand ich mich nach diesem Schrecken ungefähr einen halben Meter von der Plattform entfernt in der Luft wieder. Während ich voller Entsetzen in die Tiefe des Abgrundes, der sich nun unter mir auftat, stürzte, konnte ich im Augenwinkel sehen, wie Amy mit einem breiten Grinsen meinen Fall verfolgte. Erst jetzt fiel mir auf, dass sich direkt unter mir ein kleines dunkelrotes Katzensofa befand. Als ich von hoch oben auf dieses herabraste, dachte ich mir noch, dass dieses kleine süße Sofa perfekt zum restlichen Zimmer passte und ich gerade jetzt wirklich froh war, das es genau da stand, wo es eben stand. Dann plötzlich schlug ich, Meteor Bounty, mit voller Wucht in die Mini-Couch ein. Als mein Körpergewicht mich dann so weit nach unten drückte, dass ich neben meinen vier Pfoten auch im wahrsten Sinne des Wortes mit meinem Bauch aufsaß, bemerkte ich außerdem, dass dieses kleine Sofa sogar einen Federkern besaß. Dieser nahm meine Energie sofort auf und schoss mich keine Zehntel Sekunde später wieder mit voller Wucht in die Luft. Dieses Mal wirbelte ich allerdings nicht vertikal, sondern horizontal durch das Zimmer und während Amy und auch die drei Bediensteten meinen Flug mit überraschtem Blick verfolgten, bereitete ich mich schon einmal auf die nächste Landung vor. Diese sollte auf dem ganz linken der drei dunkelroten Kissen, die auf der breiten Fensterbank lagen, stattfinden. Nachdem ich mich erneut gekonnt in der Luft austariert hatte, war ich nun bereit für die Landung. Meine beiden hinteren Pfoten erlangten, dicht gefolgt von den beiden vorderen, den ersten Kontakt mit dem weichen Kissen. Da ich mich allerdings in einem seitlichen Landeanflug genähert hatte, gab es sofort in die entgegengesetzte Seite nach und schlitterte mitsamt meiner Wenigkeit in Richtung der beiden anderen Kissen. Nicht mal einen Lidschlag später schossen wir diese, die sofort wie zwei Pins, die von einer Bowlingkugel getroffen wurden, zur Seite, und setzten unsere rasante Fahrt fort. Voller Panik saß ich nun auf dem dunkelroten Kissen und versuchte, dieses mit dem einen Zipfel, den ich mit allen vier Pfoten fest umklammerte, irgendwie zu lenken. Doch vergebens, denn ich drehte mich wild und flog wenig später mitsamt des Kissens vom Fensterbrett, wo ich dann endlich zum Stoppen kam. Sofort stand ich wieder auf, schüttelte mich und fauchte in Richtung meiner Schwester, die sich auf dem Kratzbaum in der anderen Ecke des Zimmers gemütlich räkelte. Gerade als ich laut losschreien und mir damit selbst den Startschuss für einen erneuten Angriff geben wollte, vernahm ich plötzlich ein überaus vertrautes Geräusch. Sofort stoppte ich mein Vorhaben und begann, dieses zu orten. Die Dosenöffner hatten gerade genau das getan, wonach sie von uns Katzen benannt wurden – sie hatten eine Dose herrlich duftendes Katzenfutter geöffnet und waren gerade dabei, den köstlichen Inhalt in ein keines Schälchen, das neben dem schwarzen Couchtisch auf dem Boden stand, zu geben. „Streit vergessen, hier geht es um etwas viel Wichtigeres“, dachte ich mir und auch Amys Blick verriet mir, dass sie das alles genauso sah. „FUTTER!!!“, schrien wir fast zeitgleich und eilten vor Freude tänzelnd in Richtung unserer Bediensteten. Dort angekommen, begannen wir hastig, die saftigen Brocken in unsere Bäuche zu befördern. Dabei wurden wir von unseren beiden Bediensteten sanft gestreichelt. Während die blonde Dame etwas abseits stand, begannen die beiden nun, sich von uns zu verabschieden. „Wir wünschen euch eine tolle Zeit in der Katzenpension“ und „In vier Wochen sehen wir uns wieder, meine Süßen“, bekamen wir zeitgleich mit den allersanftesten Streicheleinheiten von den beiden mit auf den Weg. Doch Amy und mich interessierte gerade eben nur der Futternapf, der mit jeder Sekunde leerer wurde. Im Hintergrund vernahm ich noch, wie die bessere Hälfte des Ghostwriters zu ihm „Wir müssen los, mein Schatz, sonst kommen wir heute gar nicht mehr an“ flüsterte. Dann hörten auch die Streicheleinheiten auf, mit denen sie uns in den letzten Minuten so herrlich liebkost hatten. Während wir weiterfraßen, bemerkten wir, wie sich beide dann mit leisen Schritten in Richtung Tür entfernten. Dort angekommen, machten sie kehrt und eilten wieder zu uns zurück. Dann überrumpelten sie uns komplett, indem sie uns beide hochhoben und kleine Küsschen auf die Stirn vergaben. Amy versuchte sich derweil umzudrehen und zurück zu den letzten drei Brocken zu gelangen, die sich noch im Napf befanden. Ich selbst war eher damit beschäftigt, mir das leckere Essen nicht nochmals durch den Kopf gehen zu lassen, da ihre menschlichen Hände ganz schön doll auf meinen kleinen pelzigen Bauch drückten. Als der Ghostwriter mir gerade wieder einen kleinen Kuss schenken wollte, konnte ich nicht es nicht mehr zurückhalten und rülpste ihm volle Kanne ins Gesicht. Dieser kniff sofort die Augen zusammen und ließ mich zurück auf den Boden sinken. Amy, die erst etwas später heruntergelassen wurde, musste mitansehen, wie ich die restlichen drei Brocken ihrer Begierde auffraß. „Das ist für vorhin“, schmatzte ich in ihre Richtung. Nach einem erneuten „Wir lieben euch, ihr zwei Süßen! Passt gut aufeinander auf und stellt nicht so viel Quatsch an“, begaben sich die beiden dann erneut zur Tür, die bereits von der blonden Frau aufgehalten wurde. Während wir damit begannen, uns wie gewohnt der Fellpflege zu widmen, verließen sie dann den Raum. Anschließend hörten wir, wie die Tür abgeschlossen wurde und sich die goldene Türklinke einmal prüfend auf- und abbewegte. „Tja Amy, jetzt sind wir also hier auf uns alleine gestellt“, begann ich das Gespräch. „Ja, stimmt“, antwortete sie mit etwas leiserer Stimme. „Wie sieht’s denn aus? Ich bin gleich fertig mit Fellputzen. Wo wollen wir schlafen?“, führte ich die Konversation fort. „Von mir aus auf dem kleinen Sofa, das sieht gemütlich aus. Oder was meinst du? Ich meine, du warst da ja schon einmal für den Bruchteil einer Sekunde drauf“, kicherte sie. „Du Quatschkopf!“, zischte ich zurück. „Aber ja. Ist eine gute Idee, Schwesterherz.“ Und so begaben wir uns schließlich auf das kleine dunkelrote Sofa, wo wir uns sofort aneinander kuschelten und binnen kürzester Zeit einschliefen…

Katzen an die Macht II

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