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Ausbruch

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„Keine Kreuzfahrt!“ stellte ich als erstes klar.

Er nickte.

„Seit Dezember bin ich nicht mehr im Dienst und will mich einfach nur erholen“, ergänzte ich meinen Wunsch.

Er nickte erneut freundlich und beglückwünschte mich zum Ruhestand.

Doch genau das hatte ich ja nicht vor: Ruhestand, Stillstand, rasten und rosten.

„Ich möchte wandern und viel Sonne tanken“, konkretisierte ich meinen Reisewunsch.

„Wann?“

„Jetzt!“

„Verstehe!“

Er war wohl auch ein Mann der klaren Worte.

Ich schaute ihn fragend an.

„Kanarische Inseln!“ lautete sein fachmännisches Urteil.

Zufrieden lehnte er sich in seinem Stuhl zurück.

„Wie fit sind Sie, Herr Meyer?“

„Topfit!“ log ich. Mein Körper hatte genug Pause gemacht. Jetzt war ich wieder an der Reihe: der dynamische, sportliche und charmante Stefan Meyer.

Der freundliche Herr Stein lächelte mich an. Wir waren uns schnell einig. Es gab natürlich nur noch ein paar wenige Restplätze. Ich sollte mich zeitnah entscheiden. Er könne den Flug nur noch bis morgen reservieren – es täte ihm sehr leid. Ermutigend blickte er mich über seine schmale Lesebrille mit Goldrand an. Ich schaute aus dem Schaufenster, vorbei an den bunten Werbeplakaten, nach draußen. Der Wind peitschte den Regen gegen das Fenster und obwohl es erst kurz nach halb fünf Uhr nachmittags war, war es unheilvoll düster da draußen.

Mein Blick fiel auf Lisa, die mich gespannt anstarrte.

Ich nickte und stimmte zu, am 2. Weihnachtsfeiertag nach Teneriffa zu fliegen und anschließend auf eine der kleinen Nachbarinseln zu schippern. Mein Herz hüpfte, dieses Mal vor Freude, als ich Lisa die Hand zum Abschied reichte.

„Wie ist denn dort die ärztliche Versorgung?“ fragte ich beiläufig auf dem Weg zur Türe. Ich wollte keinen Verdacht aufkommen lassen und fügte lapidar hinzu: „In meinem Alter kann man ja nie wissen …“

Herr Stein war aufgesprungen, um für mich die Türe auf zu halten.

„Hervorragend – machen Sie sich keine Sorgen. Mittlerweile ist die medizinische Versorgung auf der Insel sehr gut. Die Hippies werden ja auch nicht jünger!“ Er lachte fröhlich. „Ich selbst war dort noch letztes Jahr in der Klinik, weil ich einen kleinen Schwächeanfall hatte. Hitzschlag – weißt du noch, Lisa?“ Er hatte sich an seine aufmerksam zuhörende Tochter gewandt. Sie nickte grinsend, offensichtlich fiel ihr eine äußerst lustige Szene dazu ein.

„Also, setzten Sie sich am besten immer eine Mütze als Sonnenschutz auf. Wenn Sie mögen, sendet Lisa Ihnen per Mail noch ein paar herrliche Insidertipps für ihren Urlaub.“ Ich nickte zustimmend.

Und dann zählte er auf, wo es den besten Fisch gab, den besten Wein und wo die schönsten Aussichten zu genießen waren. Offensichtlich war er ein großer Fan der kleinen Insel. Seine euphorischen Schilderungen über die atemberaubende Landschaft, das satte Grün, die klare Luft und vor allem die entspannte, gelassene Art der Inselbewohner überschlugen sich. Ich war froh, dass ich das alles noch schriftlich bekommen sollte. Es war unmöglich, sich alles zu behalten. Bis vor wenigen Minuten hatte ich noch nichts von der Existenz dieses Paradieses gewusst. Und nun war es für mich zum Greifen nah.

Beschwingt verließ ich Familie Stein und strebte voller Vorfreude auf meine erste Flugreise seit vielen Jahren, nach Hause.

Es blieb nicht viel Zeit, zu packen. Unterwäsche, ein paar T-Shirts und eine Jeans zum Wechseln mussten reichen. Es war ja nur eine Woche. Ich wollte ja wieder da sein, wenn Tina zurück kam.

Ich rieb mir vor Freude die Hände, als ich auf dem geschlossenen kleinen Koffer saß, den Tina mir geschenkt hatte, als sie mir Schlafanzüge und Zahnbürste in die Klinik gebracht hatte.

Der alte Mann und die Suche nach dem Frühling

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