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KAPITEL 3

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Als die Tür hinter mir ins Schloss fiel, sank ich zusammen. Ich atmete hörbar aus und das, obwohl ich nicht gemerkt hatte, dass ich die Luft angehalten hatte. Was habe ich nur getan? Was soll ich denn jetzt machen? Wo soll ich jetzt hin? Kann ich so einfach gehen? Lasse ich meine Kinder im Stich? All diese Gedanken schwirrten in meinem Kopf und überschlugen sich. Ich musste mich erst einmal sammeln und meine Gedanken ordnen. Aber wie und vor allem wo? Es fiel mir nur ein Platz ein. Ich setzte mich ins Auto und fuhr los. Ich hatte das Gefühl, planlos durch die Gegend zu fahren, doch ich hatte ein festes Ziel. Fast drei Stunden später stand ich vor der mir doch zu vertrauten Werkstatt. Sie wirkte verlassen und war verrammelt. Überall auf dem Parkplatz vor der Werkstatt wucherte das Unkraut. Die wenigen Scheiben waren zerbrochen, vermutlich eingeworfen.

Ich stellte den Motor ab und stieg aus. Langsam sah ich mich um. Vorsichtig schlich ich schon fast an die Werkstatt heran. Ich ertappte mich dabei, wie ich mir immer wieder über die Schulter sah.

Obwohl ich wusste, dass Stefan eingesperrt war, hatte ich nach kurzer Zeit das Gefühl, beobachtet zu werden. Und ich täuschte mich nicht. Hinter einem Baum stand eine Frau, die langsam aus dem Schatten hervortrat.

»Was machst du hier?«, fragte sie mich.

»Das Gleiche könnte ich dich auch fragen, Kerstin.«

Sie kam noch einen weiteren Schritt auf mich zu. »Björn hat mich angerufen, er hat mir gesagt, dass du gegangen bist und da ich weiß, dass dir dieser Ort trotz allem, was hier passiert ist, Frieden bringt ... Na ja, du siehst ja, ich bin hier.« Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.

»Dieser Ort bringt mir keinen Frieden, aber ich kann hier nachdenken. Ich weiß nämlich nicht, wo ich jetzt hingehen soll und was ich jetzt mache.« Ich sah sie an.

»Du kannst zu mir kommen. Ich habe ein Gästezimmer, das du eine Weile benutzen kannst. Natürlich nur, wenn du willst.«

»Das ist wirklich sehr nett von dir, aber ich kann das nicht annehmen.«

»Nein, du hast Recht. Du kannst es nicht annehmen, du wirst es annehmen.« Kerstin lachte laut auf und schon saß ich wieder hinterm Steuer und fuhr ihr hinterher.

Ich hatte mir bisher nie Gedanken darübergemacht, wie Kerstin wohl lebte. Allerdings hatte ich bisher ja auch keinen privaten Kontakt zu ihr. Als Kerstin um eine Ecke bog, sah ich mehrere Reihenhäuser, die sehr idyllisch gelegen waren. Viele Häuser hatten einen sehr gepflegten Vorgarten. Die gesamte Straße wirkte sehr gepflegt. Kerstin hielt vor einem kleinen roten Backsteinhaus und betätigte den Garagenöffner, denn das Garagentor schwang auf, als Kerstin auf die Auffahrt fuhr. Sie deutete mir, dass ich mich vor die Garage stellen sollte.

Nachdem wir die Autos abgestellt hatten, schloss sie die Tür auf und ich betrat ein sehr geräumiges Haus, das sehr stilvoll und zeitlos eingerichtet war. Sämtliche Zimmer waren in hellen Grautönen gehalten, die durch wenige bunte Accessoires aufgehellt wurden. »Du kannst deine Sachen hochbringen. Das Gästezimmer ist erste Etage, links und dann die zweite Tür rechts«, erklärte sie mir. »Zieh´ dich um, du hast ja immer noch deinen Schlafanzug an«.

Ich sah an mir runter und nickte. Als ich die Stufen der Treppe hinaufging, die in die erste Etage führten, wunderte ich mich, dass Kerstin für sich alleine so viel Platz benötigte. Ich wusste, dass Kerstin nicht verheiratet war und für eine Einzelperson war dieses Haus viel zu groß. Vielleicht doch ein Freund? Mir fiel das Bild von ihrem Schreibtisch wieder ein. Er würde auf jeden Fall gut zu ihr passen. Und bei der ganzen anstrengenden Arbeit, die eine gut engagierte Polizistin zu bewältigen hätte, wäre dies eine angenehme Abwechslung. Ich gönnte es ihr.

Nachdem ich die Tür zum Gästezimmer nach zwei Fehlversuchen gefunden hatte und ins Zimmer trat, war ich im ersten Moment etwas geschockt. Das Zimmer wirkte - im Gegensatz zum Rest des Hauses - sehr trostlos. Das ganze Zimmer war in unterschiedlichen Grüntönen gehalten. Als würde hier jemand anderes wohnen. Irgendwie passte dieses Zimmer nicht zum Rest des Hauses. Aber aus Dankbarkeit, sagte ich nichts. Das Gästezimmer hatte ein großes Doppelbett, eine große Kommode und einen Spiegel sowie einen Kleiderschrank mit zwei Türen. Was, wie ich fand, mehr als ausreichend war. Zu meiner Überraschung verfügte das Zimmer auch noch über ein separates Badezimmer mit Dusche und Wanne, Waschbecken und WC.

Nachdem ich meine Sachen in den Schrank verfrachtet hatte, ging ich kurz ins Bad, um mich ein bisschen frisch zu machen. Ich sah kurz in den Spiegel und erschrak. Meine hellbraunen Locken waren eine einige Katastrophe. Ich hatte die Haare nur provisorisch zusammengebunden. Meine Haare waren total zerzaust. Das war jedoch nicht das Schlimmste. Die dunklen Ringe unter meinen grünen Augen zeigten, dass ich nächtelang nicht geschlafen haben musste. Ich sah aus, als hätte ich drei Nächte durchgemacht. Mit viel zu viel Alkohol. Ich wusch mir schnell das Gesicht und bürstete mir die Haare.

Als ich fertig war, konnte ich den angenehmen Duft von Kaffee wahrnehmen. Ich ging die Treppe hinunter und suchte die Küche. Dort angekommen sah ich, dass Kerstin auf einem Hocker saß und gedankenverloren in ihrem Kaffee rührte. Sie zuckte ein wenig zusammen, als sie mich im Türrahmen bemerkte. »Möchtest du auch?«

»Ja, bitte. Nochmals vielen Dank, dass ich ein paar Tage bei dir bleiben kann.«

»Ist doch gar kein Problem. Du kannst solange bleiben, wie du willst. Ich hab` hier genug Platz. Möchtest du mir sagen, was passiert ist?«

Ich setzte mich ihr gegenüber auf den noch freien Hocker. »Ich dachte, Björn hat dich angerufen?«

»Ja schon, aber er lallte furchtbar und sagte mir nur, dass du abgehauen seist und er nicht weiß, wo du bist. Er hat sich Sorgen um dich gemacht.«

Ich erzählte Kerstin die ganze Geschichte und ließ nichts aus. Ich war froh, dass ich jemanden hatte, mit dem ich über die ganze Sache reden konnte. Nachdem ich fertig war, fügte ich hinzu: »Na jedenfalls, weiß ich jetzt eigentlich nicht genau, was ich machen soll. Ich kann ja nicht ewig in deinem Gästezimmer bleiben.«

»Warum nicht? Das Zimmer wird nur selten gebraucht und das Haus ist groß genug. Versuch´ erstmal, wieder einen klaren Kopf zu kriegen. Denn schließlich habe ich dich bei Stefans Werkstatt gefunden. In deinem Schlafanzug. Du warst total verwirrt. Fast schon ein wenig verängstigt. Ich habe mir ebenfalls Sorgen um dich gemacht. Als du auf der Wache aufgetaucht bist, hatte ich das Gefühl, du wolltest, dass ich dich zu Stefan bringe. Du weißt aber doch, dass das nicht möglich ist, oder?«

Ich nickte. Sie sprach weiter. »Franziska, Stefan hält dich für tot und das hat ihn zerbrochen. Nachdem er wegen versuchten Mordes verurteilt worden ist, hat er nicht einmal gezuckt, um es zu revidieren, dass es eigentlich Mord gewesen sei. Er hat es einfach nicht wahrgenommen. Mittlerweile hat er sich aber unter Kontrolle. Und wenn du im Gefängnis auftauchen würdest, könnte es passieren, dass er gegen das Urteil etwas unternimmt und nachher kommt er noch frei. Willst du das? Willst du, dass alles wieder von vorne anfängt?«

»Nein, das will ich nicht. Natürlich nicht. Ich dachte nur …«

Kerstin unterbrach mich: »Und du weißt wirklich nicht, wer »N« ist?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Ich habe Björn auf jeden Fall eine SMS geschickt, dass du hier bist. Dann macht er sich wenigstens keine Sorgen«, bemerkte sie.

»Danke. Ich glaub´, ich versuche ein wenig zu schlafen. Es war alles etwas viel. Gute Nacht«. Ich trank den Kaffee aus und stellte die Tasse in die Spüle. Als ich mich zum Gehen abwendete, sagte Kerstin noch: »Wenn du was brauchst, egal was, mein Schlafzimmer ist genau eine Etage über dir«.

»Danke«.

In meiner vorübergehenden Bleibe angekommen, ging ich kurz ins Bad, um mich erneut zu waschen und mir einen anderen Schlafanzug anzuziehen. Völlig erledigt legte ich mich ins Bett und merkte dann erst, dass das Doppelbett nur eine einzige große Matratze hatte, die sehr weich war. Bei jeder Bewegung musste ich aufpassen, dass ich nicht in die Mitte rollte. Ob das eine gute Nacht geben wird? Über diesen Gedanken war ich jedoch eingeschlafen.

Franziskas Entscheidung

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