Читать книгу Nervöser Orient - Kersten Knipp - Страница 28

Highway of the British Empire

Оглавление

Neben den Lastern widmen sich die Menschen aber vor allem der Arbeit. Und so wird der Suezkanal im November 1869, zehn Jahre nach Baubeginn, endlich fertig. Die Zeitersparnis, die er erlaubt, ist sensationell: London–Bombay in dreißig Tagen! Vor kurzem noch wäre das undenkbar gewesen. Vor dem Bau mussten Reisende zwei bis drei Monate für die Route einkalkulieren. Nun aber geht es schneller, und zwar erheblich: Die Entfernungen schmelzen, die Regionen der Welt rücken einander näher. 19 305 Kilometer trennen Marseille von Bombay, wenn Schiffe die Route um das Kap der Guten Hoffnung nehmen. Durchqueren sie den Kanal, schrumpft die Distanz auf 8432 Kilometer. Auch von London aus ist der Weg durch den „Highway of the British Empire“, wie der Kanal stolz genannt wird, mit einem Mal viel kürzer: Er schrumpft von 19 855 auf 11 593 Kilometer zusammen.

Und weil eben nicht nur die Entfernungen schrumpfen, sondern auch die Technik Fortschritte macht, geht es immer schneller voran. Um 1850 treten die Dampfschiffe ihren endgültigen Siegeszug an. Neuerungen wie die Parsons-Turbine und der Dieselmotor sorgen für weitere Beschleunigung, so dass Segelschiffe in der Gunst der Reeder – besonders auf der Indien-Strecke – immer mehr ins Hintertreffen geraten. Zugleich weitet sich das bestehende Routennetz aus. 1868 prüfen die Direktoren der französische Gesellschaft Messageries impériales den Gedanken, einen regelmäßigen Dienst nach China und Japan einzurichten – und kaum ist der Kanal eröffnet, sind auch die ersten Schiffe der Gesellschaft auf der neuen Route unterwegs.19 Auch die Ocean Steamship Company nimmt 1871 ihren Dienst zwischen Liverpool und Schanghai auf. Ebenso nutzen deutsche Unternehmen den Kanal. Sie steuern neben Japan und China auch Australien an. Unverkennbar steht der Kanal im Dienst des europäischen Kolonialismus: Portugal gründet eine Gesellschaft, die die nationalen Kolonien in Asien schon im Namen trägt: Timor e Macau. Die Spanier hingegen steuern das philippinische Manila an, die Niederlande Indonesien. Wie stark der Kanal die Schiffsunternehmer anzieht, zeigt auch die steigende Zahl der Passagen: Im Jahr 1870 durchqueren 486 Schiffe mit 26 758 Passagieren den Kanal. 1913 sind es 5085 Durchfahrten mit insgesamt 234 320 Reisenden.20 Am Ende des 19. Jahrhunderts trägt auch Ägypten zu jener ungeheuren Mobilität bei, die die Alte Welt wenige Jahrzehnte später demographisch so ungeheuer verändern wird: „Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten sich elf Millionen an den von den Briten kontrollierten Meeresengen niedergelassen. Drei Millionen Italiener und Franzosen lebten in Nordafrika. 300.000 Perser fanden sich in Baku wieder, und vier bis sechs Millionen Muslime waren aus Südosteuropa und Russland ins Osmanische Reich gekommen. Gleichzeitig hatte ein gutes Drittel der Bewohner des Libanon in einer der größten Emigrationswellens in der Geschichte des Landes dieses verlassen.“21

Nervöser Orient

Подняться наверх