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Jeder Anfang ist schwer

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Ferdinand konnte mittlerweile schon auf eine stattliche Anzahl von hinter sich gelassenen Lebensjahren blicken.

Er war ungefähr einunddreißig Jahre jung.

Das kam daher, dass man ihm dieses Alter nicht ansah und es lediglich durch seinen Ausweis zu belegen war.

Er hatte sich wirklich gut gehalten und er gab einen soliden und strammen Junggesellen ab, der weiß was er in seinem Leben will – keine Frau. Nun kann man nicht sagen, Ferdinand hatte keine Beschäftigungen in seiner kostbaren Freizeit. Nein im Gegenteil, da gab es sehr viele.

So saß er zweimal in der Woche bei seinem Stammtisch, füllte sich seine entwicklungsfähige Bierwampe und droscht die Skatblätter, was das Zeug hielt. Dann war da noch sein Aquarium aus der Kinderzeit, wo inzwischen schon das zehnte Guppypärchen seinen gepflegten Lebensraum gefunden hatte. Zu guter Letzt war aber dann noch sein Computer. Nächtelang zockte Ferdi, wie ihn immer ganz fürsorglich seine Mama nannte, an seinen Lieblingsspielen Tetris und Bombermann herum und Ferdi hatte Internet. Er hatte auch jeden Monat eine stattliche Telefonrechnung, was aus dem häufigen interneten zu Stande kam. Sogar im Chat war der begabte Ferdinand schon mal ab und zu gelandet. Bloß hielt es ihn dort nicht sehr lange aus, denn die Weibchen auf der anderen Seite der Leitung machten immer oft so zweideutige Angebote, dass der junge Mann mit hochrotem Kopf sich lieber wieder ausklinkte.

Er brauchte nun wirklich keine Frau, denn er hatte ja für so etwas überhaupt keinen Draht und vor allen Dingen keine Zeit, Außerdem hatte er ja noch die liebe Mutti und die war immer noch sehr besorgt um ihren kleinen großen Jungen.

Sie achtete täglich darauf, dass der Sohnematz immer gut geputzte Beißerchen hatte, seine Schuhe in der Morgensonne blitzten und vor allen Dingen sorgte sie für sein leibliches Wohl. Mutti hatte aber in dieser Beziehung Gott sei dank schon vor ca. achtundzwanzig Jahren von Grießbrei auf Schnitzel umgestellt und so war ihr Ferdi zu einem stattlichen und gut genährten achtzig Kilo-Mann herangewachsen.

Aber auf Grund seiner Jungfräulichkeit hatten ihn die lieben und vor allen Dingen Frauen erfahrenen Arbeitskollegen schon einige Male durch schmutzige Witze und andere Anzüglichkeiten in Richtung Weiblichkeit zu lenken versucht.

Aber vergeblich.

Das hätte außerdem nur seine liebe Mutti geschafft.

Eines Sonntagsnachmittags, als Ferdi gerade das fünfte Stück hausgebackenen Käsekuchen verdrückte, verschluckte er sich an einem Bissen ganz gewaltig. Nachdem Mutti die Überreste des Käsekuchenspuckens vom Wohnzimmertisch entfernt hatte, hörte es Ferdi schon wieder. Mutti hatte es was von alt genug und endlich heiraten geredet. Der durch das Spucken vorerst hochrote Kopf bekam sofort eine vornehme Blässe.

Muttilein hielt einen längeren Fachvortrag von der Notwendigkeit oder so ähnlich und sie erinnerte ihren Weibchen losen Jungen daran, dass er ohne seinen Vater auch nicht auf dieser schönen Internetwelt wäre.

Nachdem Ferdi alles geschluckt hatte, den vielen Bohnenkaffee, die fünf Stück Käsekuchen und die mahnenden Worte der Mami, brachte er seinen leicht verwirrten Kopf durch fünf bis zehn doppelte Weinbrand wieder auf den nötigen Durchblick. Er bat dann schon mit etwas schwerer Zunge um noch etwas Bedenkzeit und die verständnisvolle Versorgerin gewährte ihrem Sohn noch ganze drei Monate.

In der Zwischenzeit wollte sie eine Heiratsanzeige für Ferdinand in die Zeitung setzen, da dieser sich sicherlich nicht auf natürlichem Wege einem weiblichen Wesen auch nur auf drei Meter nähern würde.

So stand dann eine Woche später groß und gut leserlich abgedruckt im hiesigen Tagesblatt:

Jg. Mann, 31, sehr ruhig, gut auss., s. Mngls. Mlk, nettes Mäd., m. häusl. Sinn und müttl. Liebe

Es kamen sogar auch einige Zuschriften und Mutti hatte es sich nicht nehmen lassen, die geschriebenen Texte einer Vorauswahl zu unterziehen. Eine ihr ganz besonders zusagende hatte sie dann heraus gefischt und sie dem Ferdi auf dem Frühstückstisch gelegt.

Mit leicht zitternden Händen hatte der junge Mann diesen Brief dann mindestens zwanzig Mal gelesen und er schlief sogar schon Nachts mit dem Papier unter seinem weichen Kopfkissen. Leider hatte die auserwählte kein Foto mit beigelegt und so musste Ferdi seine Phantasie etwas spielen lassen und die Lady nach dem im Brief beschriebenen Aussehen zusammen basteln.

Mutti hatte ihm dann vorsorglich einen Antwortbrief diktiert und er sich nun schriftlich mit diesem Unheil verabredet. Einige unruhige Nächte und wilde Träume trennten ihn dann noch von dem Chaos.

Nun war der Tag der ersten Verabredung gekommen.

Nachdem ihn die liebste aller Mütter noch mal von oben bis unten durchgecheckt hatte, steckte sie ihrem starken Ritter noch eine rote Nelke an sein Jackett. Das sollte das verabredete Erkennungszeichen sein, damit man sich auch irgendwie aus allem heraus fand. Die Dame sollte ihrerseits im verabredeten Restaurant auf dem von ihr besetzten Tisch eine gut bekannte Illustrierte zu liegen haben. Daran sollte das tapfere Schneiderlein seine Erstausstattung erkennen können.

Mit Pudding-weichen Knien stolzierte Ferdinand obenrum etwas steif gefroren mit einigen weiteren roten Nelken in Form eines Blumenstraußes in der vom Schweiß tropfenden Hand in Richtung seines Verhängnisses. Es kam ihm vor, als ob die Eingangstür zum Retaurant irgendwie zugenagelt war oder aus purem Beton gefertigt worden sein musste. Mit seiner ganzen Bärenkraft stieß er sie schließlich auf und hatte das schwere Teil auch gleich wieder in seinen breiten Rücken. Ferdi atmete etwas kurz und heftig und sein Herzschlag ähnelte dem eines mittleren Schiffsdieselmotors. Die Oberbekleidung bewegte sich seltsam an seinem schlotternden Gliedmaßen und man konnte annehmen, der unerschütterliche stehe in einem leichten bis mittleren Orkan. Der freundliche Ober hatte solche Erscheinungen wahrscheinlich schon öfters erlebt und die Frage nach dem Wunsch des Hierseins beruhigte Ferdi für einige Sekunden.

Ferdi erklärte kurz und sachlich und sogar ohne ins Stottern zu kommen sein Ziel und der nette Ober hatte verstanden. Vielleicht hatte der gute Mann schon unzählige Junggesellen verstanden. Er führte Ferdinand in eine hintere Ecke des Restraurants ,wo ein kleiner runder Tisch mit zwei Stühlen und einer anheimelnden Beleuchtung zu finden war.

Auf diesem kleinen Tisch entdeckten Ferdis nervös zuckenden Augen auch die besagte Zeitung und eine nicht auf diesem befindliche Frau. Nach einer etwas übertriebenen Verbeugung, wie es der junge Anfänger immer im Fernsehen mitbekommen hatte und bei der er sich fast auch noch seine hohe Stirn auf der Tischplatte zerschlug, stellte er sich, wie daheim mit Mutti eingeübt, vor.

Als sich die Lady höflicherweise von ihrem Platz erhoben hatte, konnte Ferdi ihre ganze Mütterlichkeit in voller Größe betrachten. Er sah eine etwas rundliche, gut genährte blondierte Brünette mit sehr weiblichen Vorbau unter der strammen Bluse vor seinem unruhigen Augen.

Etwas verkrampft und kantig ließ sich der junge Rittersmann auf den noch leeren Stuhl nieder und er versuchte seine etwas zittrigen Männerhände irgendwohin zu verstecken. Er bestellte dann mit einem seltsamen Kloß im Hals für sich das erste und für seine Gegenüber das fünfte Stück Sahnetorte und zwei frische Kännchen Bohnenkaffee.

Nun saß er da, war mit seinem drallen Schicksal allein und das erste Mal in seinen einunddreißig Lenzen einem weiblichen Wesen (außer Mutti) näher als knapp sechzig Zentimeter. Der flotten Strammen umgab ein Duft von einer frisch gemähten Sommerwiese und er fühlte sich wie in den Bayrischen Alpen versetzt.

Nun sollte der Knabe aber die nächsten zwei Stunden erst einmal nicht zu Wort kommen, denn Isolde, wie sie sich flötend vorgestellt hatte, erzählte ihre dreißig Bändige Lebensgeschichte. Die bestand in der Hauptsache aus ihren verflossenen fünf Ehemännern, den drei hilflosen Kindern und der wunderschönen Vierzimmerwohnung am Stadtrand.

Ferdi sollte also der sechste werden und ein seltsames Gefühl kroch von den Zehen über den Rücken und machte sich dann unter seiner Schädeldecke seinen Platz. Als die Gute dann noch vom häufigen Kaffeekränzchen und vom Kirchgang zu erzählen anfing, wollte der Ferdinand schon sofort seine lange Beichte ablegen, wobei er dem Pfarrer von seiner Verfehlung im Restraurant erzählen wollte. Die kleine mollige musste ein Tonbandgerät verschluckt haben und sie holte auch bloß aller fünf Minuten einmal neue Luft in die großen Lungenbläschen. Nach zwei Stunden war sie immer noch am quasseln und Ferdinand auf dem fluchtartigen Weg zu Mutti.

Wenn alle weiblichen Wesen so sind – dachte er noch auf dem Nachhauseweg – dann bleibe ich doch lieber beim ruhigen und netten Muttchen.

Die Rechnung über acht Stück Sahnetorte und sechs Kännchen Kaffee wurde ihm dann auch noch nach Haus nachgeschickt.

So blieb Ferdi vorerst bei Mutti und noch ein wenig Junggeselle und wenn er nicht vor Mutti gestorben ist, dann ist er es wahrscheinlich auch noch heute.



Aus dem puren Leben gegriffen Teil 6

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