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I. Einführung: Papstgeschichte des Mittelalters – Chancen, Probleme, Aufgaben

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Dass die römische Kirche vom Herrn allein gegründet worden sei, dass allein der römische Bischof zu Recht als universal bezeichnet werde, dass er allein kaiserliche Insignien benutzen könne, dass es jenem erlaubt sei, Kaiser abzusetzen1 – so lauten einige Sätze über die päpstlichen Rechte (1, 2, 8 und 12), die 1075 in das Register Gregors VII. eingefügt worden sind. Sie markieren einen Höhepunkt päpstlicher Macht, etwa 1000 Jahre nachdem sich das Christentum als Religionsgemeinschaft zu formieren begonnen hatte. Das insgesamt wichtigste Zentrum dieser Gemeinschaft lag nun eindeutig in Rom, dort, wo man die Apostel Petrus und Paulus verehrte. Hatte Gregor VII. als Petri Nachfolger damit nicht konsequent das biblische Vermächtnis erfüllt?

Die Geschichte des Christentums beginnt zwar im Römischen Reich, aber nicht in Rom. Am See Genezareth – nicht weit von Kapharnaum und vom sogenannten Berg der Seligpreisungen entfernt – findet sich die „Primatskapelle“, die um einen Felsen gebaut ist. Hier soll der Apostel Petrus auf die dreifache Frage hin Jesus seiner besonderen Liebe versichert und dann jeweils die Antwort „Weide meine Lämmer“ beziehungsweise „Weide meine Schafe“ erhalten haben. Aufgeschrieben ist dies im Anhang des Johannesevangeliums (vielleicht von einem Schüler des Johannes, Joh. 21, 15–17). Ob dies eine besondere Auszeichnung des Petrus bedeutete oder ob die Bibelstelle eher mit der dreifachen Verleugnung des Petrus korreliert, wird diskutiert. Jedenfalls dient sie zusammen mit einer weiteren Passage oft dazu, die Vorrangstellung des Petrus zu begründen: Neben dem auch bei Markus (9, 27–30) und Lukas (9, 18–21) verzeichneten Messiasbekenntnis des Petrus handelt es sich dabei um die in Rom später häufig zitierten Worte, die Matthäus jenseits des Jordans, in Cäsarea Philippi, ansiedelt:

Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreiches geben, und was du auf Erden binden wirst, das wird im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird im Himmel gelöst sein.

Vor allem mit diesen Worten aus dem Matthäusevangelium (16, 18–19) wird das Papsttum begründet. Wenige biblische Sätze sind so oft zitiert, wenige aber auch so oft kritisiert worden. Bedeuteten diese Worte einen göttlichen Auftrag an Petrus? Oder wird Petrus hier nur als einer von vielen angesprochen, schreiben doch andere Stellen der Bibel allen Aposteln die Binde- und Lösegewalt zu.

Die bis heute unter Theologen anhaltenden Streitigkeiten um die richtige Interpretation der einschlägigen Bibelstellen müssen eine historische Darstellung nicht belasten, denn zweifellos haben die Passagen eine enorme historische Kraft entfaltet; die eingangs zitierten Positionen Gregors VII. entwickelten sich nicht zuletzt auf der Grundlage dieser biblischen Zeugnisse. Allerdings, im Matthäuszitat 16, 18 wird eine Person angesprochen, keine Institution. Seit wann verbindet sich also mit Petrus und seinen Nachfolgern auch die Vorstellung einer fest gefügten Einrichtung? Blicken wir heute nach Rom, so treten uns Person und Institution gleichermaßen gegenüber, wie 2005 eindrücklich in den letzten Tagen der Krankheit und nach dem Tod Johannes Pauls II. deutlich wurde: Auch wenn der damalige Papst nur noch bedingt handlungsfähig schien, so funktionierte doch die Institution mit diplomatischem Apparat, Beratungsinstanzen und anderen Behörden. Längst ist heute im Vatikan die Kontinuität des Papsttums über den Tod des einzelnen Amtsinhabers hinaus gewährleistet. Jedoch bleibt die Frage, seit wann und vor allem wie sich aus der Abfolge einzelner Päpste eine über die Einzelperson hinausweisende Institution bildete.


Das Innere von Alt Sankt Peter auf einem Fresko des 16. Jhs. in der Basilika von San Martino, Rom.

Geschichte des Papsttums im Mittelalter

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