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Einleitung

Seit einigen Jahren erleben wir weltweit zwei fundamental gegenläufige Entwicklungen, die gleichzeitig eine Nivellierung wie Potenzierung der Unterschiede implementieren. Einerseits findet eine Globalisierung der Kommunikations-, Handels-, Produktions- und tendenziell auch Tarifbeziehungen statt, die die Gesellschaften und Wirtschaften der jeweiligen Nationalstaaten grundlegend umgestaltet. Andererseits befinden wir uns spätestens seit dem 11. September 2001 mitten in einem Zusammenstoß der Kulturen, in einem militanter werdenden Aufeinandertreffen von gewachsenen westlichen Werten und sich fundamentalistisch radikalisierenden Teilen des Islam. Asymmetrischer Krieg, Ahmadinedschads Drohungen mit der Bombe in erster Linie gegen Israel, aber auch gegen die Vereinigten Staaten und Europa, der Wahlsieg der terroristischen Hamas in den palästinensischen Autonomiegebieten und jüngst der in weiten Teilen der muslimischen Welt auf die Straßen getragene ‚Karikaturenstreit‘ lauten die aktuellen Stichworte dazu, die bei der derzeitigen rasanten Entwicklung schnell durch neue ergänzt werden dürften.1

Das vorliegende Buch bietet in diesem Konflikt keinerlei Prognostik, sondern will mit Blick auf dessen Vergangenheitsstruktur in Palästina die historische Dimension seiner Entstehung an einem der wichtigsten Schauplätze verfolgen und analysieren. Zugleich unternimmt dieser Band eine Zeitreise zurück in die spezifisch deutsche Historie und untersucht das Verhältnis des Dritten Reiches zur arabisch-islamischen Welt. Der gemeinsame Haß auf den Jischuw (hebräisch für bewohntes Land), die jüdische Minderheit im britischen Mandatsgebiet Palästina, sorgte dabei für ein sich steigerndes Maß an Affinität und bewirkte eine Paradigmenverschiebung der deutschen Außenpolitik, die Ende der 1930er Jahre ihre Schwerpunktsetzung von der Forcierung jüdischer Auswanderung hin zur direkten Unterstützung arabischer Nationalisten verlagerte. Den sich in gemeinsamen Gefährdungsvorstellungen, Bewährungsideen und Errungenschaftsbegriffen verdichtenden ideologischen Übereinstimmungen folgten schon vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges Waffenlieferungen und Finanzspritzen. Mit der Landung des Deutschen Afrikakorps in Libyen im Februar 1941 begann die Phase direkter Intervention im arabischen Raum. Damit waren auf Seiten der Nationalsozialisten weitreichende strategische Planungen zur Eroberung des gesamten Orients verbunden.

Sie mündeten in einer Fülle gemeinsamer deutsch-arabischer Handlungsstränge zur Vertreibung der Briten von ihrer Landbrücke nach Indien und zur Beseitigung der in der Balfour-Deklaration versprochenen jüdisch-nationalen Heimstätte in Palästina. Ihren Gipfelpunkt fanden sie im Sommer 1942, als die begonnene Judenvernichtung in Europa unter tatkräftiger Mithilfe von arabischen Kollaborateuren vor Ort auch auf den Jischuw ausgedehnt werden sollte. Das dazu erforderliche deutsche Personal wartete nur noch auf einen Marschbefehl, der allerdings infolge der verlorenen Schlacht von El Alamein nicht mehr erteilt werden konnte. Mit der militärischen Niederlage in Ägypten war das Zusammenspiel mit den Arabern allerdings noch längst nicht beendet. Es folgten nach der Landung der Achsenmächte in Tunesien im Herbst 1942 Aufstandspläne zur Revolutionierung der Staaten des Maghreb, mittels arabischer Agenten lancierte Infiltrationsversuche des Nahen und Mittleren Ostens und umfassende Rekrutierungen von Muslimen für Wehrmacht und SS. Einzelne arabische Exilanten besaßen Kenntnis von der Ermordung der europäischen Juden und setzten sich persönlich noch angesichts der drohenden Niederlage für eine partielle Ausweitung der Vernichtung ein.

Bislang existiert keine Gesamtstudie, die für die Jahre zwischen 1933 und 1945 die Entwicklung der deutsch-arabischen Beziehungen nachzeichnet, ihre weltanschaulichen Schnittmengen kritisch reflektiert und gemeinsame Handlungsstränge von deutscher und arabischer Seite darstellt. In aller Regel schließen die vorliegenden Untersuchungen mit dem Kriegsbeginn 1939 oder spätestens mit dem achsenfreundlichen Putsch im Irak im Frühjahr 1941 ab und blenden so die entscheidende Phase 1941/42 mit der drohenden Besetzung des Nahen und Mittleren Ostens aus. Zudem tendieren etliche Autoren in eine weitgehend unkritische Richtung, indem sie die Verbindung zwischen arabischen Nationalisten und Nationalsozialisten verharmlosen, antisemitische Propaganda und Tat in der islamischen Welt als Ausdruck kultureller Verschiedenheit abtun und diesbezüglich vor „eurozentrierter“ Sicht warnen. Eine wichtige Ausnahme bildet Matthias Küntzels Untersuchung „Djihad und Judenhaß“. Wenngleich ohne Auswertung archivalischer Quellen verfaßt, gelingt es ihm dort, ideologische Überschneidungen des Nationalsozialismus mit dem politischen Islam überzeugend zu thematisieren.2 Ausdrücklich verwiesen sei auch auf Klaus Gensickes beeindruckende Biographie über Haj Amin el-Husseini, den Mufti von Jerusalem und treuen Parteigänger Hitlers.3 Das die Juden Palästinas existentiell bedrohende Einsatzkommando der Sicherheitspolizei und des SD bei der Panzerarmee Afrika wurde bis vor kurzem von der historischen Forschung gänzlich übersehen.4 Helmut Krausnick, der bis heute als maßgeblicher Experte der Einsatzgruppen gilt,5 war bereits am 1. Januar 1932 als Student der NSDAP beigetreten6 und 1942 dafür trotz aller Kriegsengpässe mit einer zweiten Auflage seiner Dissertation belohnt worden.7 Daß gerade er zu jener Entdeckung nicht unbedingt willens war, liegt aufgrund seines politischen Vorlebens nahe.

Ausdrücklich sei an dieser Stelle betont, daß es den Autoren des Buches keinesfalls darum geht, den Islam als eine der Weltreligionen zu diskreditieren oder die Araber insgesamt unter den Generalverdacht einer Kollaboration mit dem Nationalsozialismus zu stellen. Fraglos hat der Islam auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts reformorientierte Strömungen hervorgebracht, haben innerhalb der arabischen Welt politische Kräfte existiert, die ein zivilisiertes Staatswesen anstrebten und sehr wohl von der Notwendigkeit einer Verständigung mit den Juden Palästinas oder dem Okzident überzeugt waren. Wenn derartige Erscheinungen in diesem Buch keinen vorrangigen Raum einnehmen können, so ist das dem Umstand geschuldet, daß sie gegenüber ihren eher dem Nationalsozialismus zugewandten politischen Gegnern – dem eigentlichen Untersuchungsgegenstand – nicht die Wirkungsmacht entfalten konnten, die ohne Zweifel eigentlich wünschenswert gewesen wäre. Die vorliegende Studie ist darum analytisch den Axiomen der Aufklärung verpflichtet, deren universalistisches Prinzip dem Anspruch nach ja gerade darauf abzielt, Trennungen nach Ethnien, Nationen oder Konfessionen zu überwinden, da sie symbolisch von einer Menschheit ausgeht, um Toleranz, Vielfalt und den Schutz von Minderheiten zu erreichen. Es geht darum, wie Immanuel Kant es 1785 in seinem Werk „Vom ewigen Frieden“ forderte, ein Weltbürgerrecht mit zu gestalten, bei dem „niemand an einem Orte der Erde zu sein mehr Recht hat als der andere“. Die Ringparabel in Lessings „Nathan der Weise“, die eine Versöhnung dreier großer Religionen verspricht, bleibt in diesem Sinne eine Utopie auch für das 21. Jahrhundert.

Wir haben vielen zu danken, die sich um dieses Buch verdient gemacht haben: Die Wissenschaftliche Buchgesellschaft in Darmstadt erklärte sich sofort bereit, den Band in ihr Programm aufzunehmen, und ihr Lektor Daniel Zimmermann betreute dessen Entstehung wieder einmal mustergültig. In allen von uns frequentierten Archiven fanden wir offene Ohren und bereitwillige Hilfe. Bedanken möchten wir uns aber auch bei etlichen Kollegen, die uns mit Ratschlägen, Kritik und Kopien versorgten: Dr. Andrej Angrick (Berlin), Dr. Jochen Böhler (Warschau), Dr. Jürgen Matthäus (Washington D.C.), Prof. Dr. Dan Michman (Ramat-Gan/Jerusalem), Dr. des. Jacek Młynarczyk (Warschau), Prof. Dr. Wolfram Pyta (Stuttgart) und Stephen Tyas (St. Albans). Prof. Dr. Manfred Rommel (Stuttgart) gab uns bereitwillig Auskunft über seinen Vater, den einstigen Oberkommandierenden der Panzerarmee Afrika. Ein ganz besonderer Dank geht jedoch an Heidrun Baur (Ludwigsburg). Monatelang beschaffte sie wahre Berge an Literatur, erfaßte die Texte, las Korrektur, erstellte die Register und tat damit weit mehr, als man von einer Sekretärin unserer Forschungsstelle erwarten könnte.

Widmen aber möchten wir dieses Buch zwei großen jüdischen Historikern, die beide in diesem Jahr einen ‚runden‘ Geburtstag feiern und beide mit dem Geschehen, das wir hier analysieren, lebensgeschichtlich eng verbunden sind: Dr. Arnold Paucker, Direktor des Leo Baeck Institute London von 1959 bis 2001, und Prof. Dr. Yehuda Bauer, Emeritus für Holocauststudien an der Hebräischen Universität Jerusalem und Direktor des International Institute for Holocaust Research an der Gedenkstätte Yad Vashem von 1996 bis 2000. Beide teilten uns freundlicherweise persönliche Impressionen aus dem Palästina der Jahre 1941/42 mit. Paucker, geboren 1921 in Berlin, und Bauer, geboren 1926 in Prag, kamen in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre auf der Flucht vor den Nationalsozialisten nach Palästina. Beide wußten um die fundamentale Gefährdung des Jischuw im Falle eines deutschen Einmarschs, und beide handelten dementsprechend: Paucker meldete sich 1941 freiwillig zur britischen Armee und gehörte in Ägypten und Italien bis zum Kriegsende zu den Royal Engineers. Bauer, 1942 mit 16 Jahren Angehöriger der Haganah, war darauf vorbereitet, sich beim Erscheinen deutscher Truppen in Palästina auf die Karmel-Berge bei Haifa zurückzuziehen, um dort bewaffneten Widerstand zu leisten. Arnold Paucker beging im Januar dieses Jahres seinen 85. Geburtstag, Yehuda Bauer wurde im April 80 Jahre alt. Wir gratulieren beiden von ganzem Herzen und wünschen ihnen noch ein langes Leben.

Halbmond und Hakenkreuz

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