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III. Der Autor in seiner Zeit 1. Zur Zeitgeschichte

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Französische Revolution 1789

Heinrich Heine lebte in einer Zeit des politischen und gesellschaftlichen Umbruchs. Nur wenige Jahre vor seiner Geburt im Jahr 1797 hatte am 14. Juli 1789 mit dem Sturm auf die Bastille die Französische Revolution begonnen. Bereits den Zeitgenossen galt diese Volkserhebung als Signum und sichtbares Zeichen des Zerfalls der feudalen Herrschaftsordnung. Wenige Jahre nach der Geburt Heines hatte dieser Erosionsprozess auch die deutschen Staaten erreicht: Napoléon Bonaparte besetzte mit seinen Armeen weite Teile des Reiches und zwang in der Konsequenz den Habsburger Franz II. am 6. August 1806 zum Verzicht auf die Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. (Mazohl-Wallnig 2005)

Befreiungskriege

Wenngleich jenes Staatsgebilde, das Mitteleuropa für mehr als eintausend Jahre geprägt hatte, damit erloschen war, fanden sich die alten Feudalmächte in den Jahren 1813 bis 1815 in den sogenannten Befreiungskriegen zusammen, um gemeinsam gegen Napoléon und die Hegemonialstellung des revolutionären Frankreichs in Europa zu kämpfen. In der Schlacht bei Waterloo im Juni 1815 gelang der entscheidende Sieg über das letzte napoleonische Heer. Der Kaiser der Franzosen wurde gefangen gesetzt und in die Verbannung auf die abgelegene Insel St. Helena im südlichen Atlantik geschickt. Nachfolgend trafen sich die Vertreter aller europäischen Mächte in Wien, um nach zwei Jahrzehnten des Krieges, während derer nach dem Machtkalkül Napoléons Staaten entstanden und wieder untergegangen waren, Grenzen neu gezogen und wieder aufgehoben worden waren, Monarchen ein- und wieder abgesetzt worden waren, eine stabile und dauerhafte Ordnung auf dem Kontinent zu etablieren.

Wiener Kongress

Die Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress war in erster Linie das Werk des österreichischen Staatskanzlers Clemens Fürst von Metternich. Unter der Ägide dieses konservativen Diplomaten setzte die Friedenskonferenz im Wesentlichen drei Prinzipien um: dasjenige der Restauration, also der Wiederherstellung des politischen Zustandes von 1792 (jener Ordnung, die vor dem Beginn des Ersten Koalitionskrieges bestanden hatte), dasjenige der Legitimität, also die erneute Festschreibung unveränderlicher dynastischer Ansprüche der alten Feudalherrscher, und dasjenige der Solidarität, also die gemeinsame Politik der europäischen Fürsten zur Abwehr von revolutionären Gedanken und Erhebungen.

Deutscher Bund

Für die deutschen Staaten auf dem Gebiet des untergegangenen Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war das entscheidende Ergebnis der Wiener Schlussakte die territoriale Neuordnung und darauf basierend die Gründung des Deutschen Bundes, eines föderalen Zusammenschlusses von 39 auf dem alten Reichsgebiet entstandenen Mitgliedsstaaten mit einem ständigen Gesandtenkongress unter österreichischem Vorsitz in Frankfurt am Main. Zentrale Merkmale dieser politischen Ordnung, welche die deutschen Länder bis zum Krieg des Jahres 1866 bestimmen sollte, waren die völkerrechtliche Unabhängigkeit jedes einzelnen Mitgliedes und die schwache Position der Zentralorgane.

Einerseits gelangte Deutschland mit dieser friedlichen staatlichen Neuorganisation nach langen Jahren des Krieges, der Unruhe und der Unsicherheit zu geordneten politischen Verhältnissen, was von den Zeitgenossen durchaus begrüßt wurde. Andererseits war die neue Ordnung gekennzeichnet durch die verweigerte Teilhabe der Mehrheit der Gesellschaft an politischen Entscheidungen, den restaurierten Primat des Adels sowie das zunehmend repressive Vorgehen der Regierungen gegen als „Demagogen“ verfolgte liberale Gruppierungen, die von den Monarchen Verfassungen, Bürgerrechte, politische Mitbestimmung, das Ende des Partikularismus sowie die Einheit Deutschlands forderten.

Karlsbader Beschlüsse – Exil

Solche liberalen, demokratischen und nationalen Reformerwartungen waren bereits in dem von Studenten aus ganz Deutschland anlässlich der 300. Wiederkehr von Martin Luthers Wittenberger Thesenanschlag und des vierten Jahrestages der sogenannten Völkerschlacht bei Leipzig initiierten Wartburgfest – das in der Verbrennung der zwei Jahre zuvor ratifizierten Bundesakte sowie als reaktionär angesehener Schriften gipfelte – im Jahr 1817 öffentlich geworden. Die politisch motivierte Ermordung des Schriftstellers und zaristisch-russischen Staatsrates August von Kotzebue durch den Jenaer Theologiestudenten Karl Ludwig Sand im März 1819 bot den Regierungen unter Federführung Metternichs in der Folge den äußeren Anlass, aus Gründen der Sicherheit und der Staatsraison Maßnahmen gegen liberale und nationale Bestrebungen zu ergreifen. Auf einer Geheimkonferenz in dem nordböhmischen Kurort Karlsbad verabschiedeten Vertreter der deutschen Bundesstaaten noch im selben Jahr Gesetzesvorlagen, die in der Geschichtsschreibung unter der Bezeichnung Karlsbader Beschlüsse zusammengefasst worden sind. Sie beinhalteten neben der strengen Beaufsichtigung der Universitäten und der Einrichtung einer „Central-Untersuchungs-Commission“ mit Sitz in Mainz, welche die Aufgabe hatte, die nationale und liberale Bewegung zu beobachten, die Einführung von restriktiven Zensurmaßnahmen für Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Flugschriften und alle Druckschriften, die im Gebiet des Deutschen Bundes gedruckt oder vertrieben werden sollten. Obwohl die Behörden diese Vorgaben in den einzelnen Staaten unterschiedlich umsetzten, galten die Zensurgesetze im gesamten Deutschen Bund. Des Weiteren etablierte sich ein ausdifferenziertes Netz von Geheimpolizisten und Spitzeln, das die Aufgabe hatte, revolutionäre Bestrebungen und liberale Gruppen zu unterlaufen und den Behörden zur Anzeige zu bringen. Als Folge dieser Politik wurden zahlreiche oppositionelle Schriftsteller und Intellektuelle verfolgt und verhaftet, während andere ihre deutsche Heimat verließen. Vor allem in der Schweiz, in Frankreich und in Belgien, aber auch in England und den Vereinigten Staaten von Amerika entstanden auf diese Weise größere deutsche Exilgemeinschaften. Die Namen von Heinrich Heine, Ludwig Börne und Karl Marx sind lediglich die prominentesten unter denjenigen zahlreicher in diesen Jahren in das Exil geflüchteter Deutscher. – So lebten beispielsweise in Paris im Jahr 1830, also ein Jahr bevor Heine in die französische Hauptstadt übersiedelte, siebentausend Bürger deutscher Staaten, 1848, im Jahr der Revolution, waren es bereits 62 Tausend.

Trotz der restriktiven staatlichen Maßnahmen und Verfolgungen, die auf die Einschränkung und das Verbot politischer Betätigung zielten, waren die Jahre, die der Revolution im März 1848 vorausgingen und die deshalb als Vormärz charakterisiert worden sind, eine Zeit, in der politische Spannungen keineswegs nur latent, unter der Oberfläche gärten. Insbesondere die französische Juli-Revolution des Jahres 1830 führte zu einem Erstarken des politischen Protests auch in den deutschen Ländern, was unter anderem das als „Nationalfest der Deutschen“ begangene, sogenannte Hambacher Fest im Mai 1832 dokumentiert. Anhänger der Opposition (unter ihnen abermals zahlreiche Studenten) versammelten sich auf der Ruine des Hambacher Schlosses in der damals zu Bayern gehörenden Südpfalz und forderten einen deutschen Nationalstaat, Freiheit und in einer Verfassung kodifizierte Bürgerrechte. Die politische Situation eskalierte in diesen Jahren nicht nur aufgrund des Eindruckes, den die französische Volkserhebung in Deutschland hervorrief. Viele Menschen sahen sich auch in den nach 1815 gegebenen, aber in der Konsequenz nicht eingehaltenen Verfassungsversprechen der deutschen Fürsten getäuscht.

März-Revolution 1848

Gleichwohl konnte die stabile, aber repressive Ordnung auch nach der Revolution des Jahres 1848 ihren Fortbestand sichern. Zwar griffen die Februar-Unruhen in Frankreich im März des Jahres auch auf Deutschland über, zwar kam es in vielen deutschen Staaten zu Volkserhebungen und blutigen Barrikadenkämpfen, der Versuch aber der in der Frankfurter Paulskirche zusammengetretenen Nationalversammlung, die staatliche Einheit Deutschlands und eine Verfassung zu etablieren, misslang, nachdem der preußische König Friedrich Wilhelm IV. die ihm angetragene deutsche Kaiserwürde mit dem Argument ablehnte, er könne keine Krone aus der Hand des Volkes akzeptieren.

Das Scheitern dieser Bestrebungen, das gleichbedeutend ist mit dem Scheitern der März-Revolution von 1848, führte in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts zu einem neuerlichen Erstarken der politischen Restauration und zu einer Konsolidierung der bestehenden Machtstrukturen. Wie viele Schriftsteller und Intellektuelle hat Heine diese Entwicklungen in seiner deutschen Heimat während der letzten Jahre seines Lebens mit Hoffnungslosigkeit und Resignation betrachtet und in seinen Werken literarisch reflektiert.

Seine Schriften thematisieren jedoch nicht nur die Konflikte zwischen Konservativen und Liberalen, Monarchisten und Republikanern, restaurativen und fortschrittlichen Kräften in den deutschen Staaten, sondern auch die politischen Verhältnisse in seiner französischen Wahlheimat. Auch jenseits des Rheins vollzog sich nach dem Wiener Kongress eine Restauration der feudalabsolutistischen Mächte. Im Gegensatz zu den übrigen europäischen Ländern hatte die Revolution des Jahres 1789 jedoch in Frankreich ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass ein Umsturz der politischen Verhältnisse, dass eine Beteiligung weiter Teile der Bevölkerung an der politischen Meinungsbildung möglich ist, weshalb die nach dem Wiener Kongress restaurierte Herrschaft der Bourbonenkönige Ludwig XVIII. und Karl X. in den Jahren bis 1830 zwar für über ein Jahrzehnt Bestand hatte, aber gleichwohl von politischen Unruhen geprägt war.

Juli-Revolution 1830

Die gesellschaftlichen Spannungen entluden sich schließlich in der Juli-Revolution des Jahres 1830, die eine Revision der Verfassung, die Abschaffung des Katholizismus als Staatsreligion, eine Erweiterung des Wahlrechts, eine Kommunalreform und Aufhebung der Pressezensur zur Folge hatte; nicht zuletzt erzwangen die Straßen- und Barrikadenkämpfe die Abdankung des ungeliebten Bourbonen-Königs Karl X. An seine Stelle trat als sogenannter Bürgerkönig Louis-Philippe, Herzog von Orléans, der sich zwar bis zur Februar-Revolution des Jahres 1848 an der Macht behaupten konnte, dessen Regierungszeit jedoch von außenpolitischen und wirtschaftlichen Krisen sowie innenpolitischen Skandalen überschattet war. Vor allem die fortschreitende Industrialisierung führte zu einer Verarmung weiter Bevölkerungsschichten und der Herausbildung eines städtischen Proletariats.

Zweite Republik – Zweites Kaiserreich

Die ca. 860 Tausend Einwohner zählende französische Hauptstadt, in die Heine 1831 übersiedelte, war die größte Stadt auf dem europäischen Kontinent. Indem die Juli-Monarchie unter dem Einfluss von Bankiers, Aktionären und Großindustriellen stand, konnte der deutsche Dichter in Paris exemplarisch die Widersprüche, Umbrüche und Verwerfungen einer Gesellschaftsordnung beobachten, die von kapitalistischen Machtstrukturen beherrscht wurde. (Willms 1988) Die hieraus erwachsenden sozialen Spannungen kulminierten schließlich im Februar 1848 in einer erneuten Volkserhebung, in deren Folge Louis-Philippe seinerseits zur Abdankung gezwungen wurde. Es kam zur Ausrufung der Zweiten Republik als deren erster Präsident ein Neffe Napoléon I. Bonapartes gewählt wurde. Das Scheitern des revolutionären Gedankens, das in Deutschland im Fortbestand des Deutschen Bundes und der reaktionären Politik der Regierungen in den fünfziger Jahren sichtbar wurde, spiegelt sich in Frankreich in dem Staatsstreich vom Dezember 1851 und der Auflösung des Parlaments. Ein Jahr später, im Dezember 1852 begann das Zweite Kaiserreich, an dessen Spitze Napoléon III. stand, als „Kaiser der Franzosen durch die Gnade Gottes und den Willen der Nation“.

Diese bedeutenden und die Geschichte bis weit in das 20. Jahrhundert prägenden politischen Entwicklungen in den ersten fünf Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts sind maßgeblich auch von jenen technischen und ökonomischen Neuerungen und Umwälzungen beeinflusst worden, die ihren Anfang in Großbritannien in der Mitte des 18. Jahrhunderts genommen haben und zunächst Frankreich und phasenverschoben, ab den zwanziger und dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts, auch die deutschen Staaten erreichten. Die Geschichtsschreibung hat diese Modernisierungsprozesse mit dem Begriff Industrielle Revolution gekennzeichnet, womit bereits terminologisch die Radikalität und die die Gesellschaft grundlegend verändernde Dynamik dieser Entwicklung zum Ausdruck kommen.

Industrielle Revolution

Die dampfbetriebenen Arbeitsmaschinen, deren Prinzip der Brite James Watt im Jahr 1769 entwickelt hatte, veränderten alle Bereiche der Produktion. Sie wurden eingesetzt in der Eisen- und Stahlindustrie, für den Kohleabbau (über und unter Tage), in der Textilindustrie (den Spinn- und Webmaschinen), in der Metallverarbeitung, dem Maschinenbau und dem Druckereiwesen. Nicht zuletzt revolutionierte der Dampf auch das Transportwesen. Auf dem europäischen Kontinent entstand, nach britischem Vorbild, ab den dreißiger Jahren ein im Laufe des Jahrhunderts immer dichter werdendes Netz von Eisenbahnverbindungen, das den Transport von Waren und Menschen grundlegend veränderte. Ebenfalls wurden die alten Segel- und Treidelschiffe, die den Warenverkehr auf den Flüssen und dem Meer seit jeher bestimmt hatten, von Dampfschiffen verdrängt.

Nicht nur, dass die Kutschen und Pferdegespanne der schnelleren und deshalb auch kostengünstigeren Konkurrenz weichen mussten, das gesamte Wirtschaftssystem entwickelte sich im Hinblick auf die nunmehr unaufhaltsame Beschleunigung des Verkehrswesens. Dies betraf nicht nur die veränderte Wahrnehmung von Entfernungen und Geschwindigkeiten, die von den Zeitgenossen zum Teil begeistert, zum Teil verstört beschrieben worden ist. Die dampfbetriebenen Lokomotiven erzeugten einen stetig wachsenden Bedarf an Steinkohle, zu deren Abbau weitere Maschinen benötigt wurden, was wiederum den Ausbau des industriell betriebenen Kohlebergbaus (beispielsweise im Ruhrgebiet) und damit verbunden einen radikalen Strukturwandel zur Folge hatte. Dem Ausbau des Schienennetzes gingen hohe Investitionskosten voran, die einzig durch die Gründung von Aktiengesellschaften und die damit einhergehende Kapitalakkumulation bedient werden konnten. Dies wiederum führte zu einem Aufschwung der Börsen, des Aktien- und Warenterminhandels, die von der unaufhörlich wachsenden Industrie und ihrer steten Kapitalnachfrage ihrerseits profitierten.

Strukturwandel

Das Wachstum des industriellen Sektors revolutionierte ab den zwanziger Jahren die Sozialstruktur in Frankreich, ab den dreißiger Jahren auch die in den Ländern des Deutschen Bundes. Hatten bis 1815, dem Jahr des Wiener Kongresses, drei Viertel der Bevölkerung in der Land- und Forstwirtschaft gearbeitet, begannen die Menschen nunmehr in die Städte zu ziehen, um im Bereich der industriellen Fertigung Arbeit und Brot zu finden. Die Städte wiederum suchten durch unterschiedliche Maßnahmen den Zuzug dieser mittel- und arbeitslosen Menschen zu unterbinden. Gleichzeitig trugen technische Verbesserungen im Bereich von Bewirtschaftungsmethoden, neue Düngemittel, die Vergrößerung der Anbauflächen durch Bodenreformen, ein Wachstum des Viehbestandes sowie der Anbau neuer Feldfrüchte bei zu einem grundlegenden Wandel von einer Subsistenzwirtschaft, die noch das gesamte 18. Jahrhundert hindurch die Sozialstruktur der deutschen Länder bestimmt hatte, zu einer Produktionsweise, die an den Erfordernissen des Handels und des Marktes orientiert war.

Impulsgebend für die Ausweitung des Handels war auch die Errichtung des Deutschen Zollvereins im Jahr 1834, der, indem er die unterschiedlichen Zollsysteme in den Staaten des Deutschen Bundes auf eine einheitliche Grundlage stellte, den freien Warenverkehr ermöglichte.

Pauperismus

Parallel zu diesem sich vollziehenden Strukturwandel kam es in den dreißiger und vierziger Jahren in den Staaten des Deutschen Bundes, aufgrund der verbesserten Versorgungslage, zu einem stetigen Wachstum der Bevölkerung. Da die aufkommende Industrie jedoch nur einen kleinen Teil dieser Menschen beschäftigen konnte, zugleich aber traditionelle Handwerks- und Fertigungsbetriebe aufgrund geringerer Produktionskosten in den Bankrott trieb, kam es zu einer Verelendung weiter Bevölkerungsschichten. Bereits die Zeitgenossen haben diese Entwicklung als Pauperismus bezeichnet. Die Massenarmut führte in der Folge nicht nur zu Aufständen, wie dem Hungeraufstand der Weber in Schlesien im Frühsommer des Jahres 1844, den Heinrich Heine in seinem in der Zeit auch als Flugblatt verbreiteten Gedicht Die schlesischen Weber thematisiert, sie trieb auch zahlreiche Menschen auf die Auswanderungsschiffe, die von den großen Hafenstädten an der deutschen Nordseeküste den alten Kontinent in Richtung Amerika und Afrika verließen.

Die Dynamik dieser Prozesse veränderte das Leben der Menschen und die gesellschaftliche Ordnung grundlegend. Teile des Bürgertums profitierten von diesen Entwicklungen, indem sie an der industriellen Fertigung beteiligt waren, diese vorantrieben oder durch den Aktienhandel an den Börsen die entstehenden Gewinne abschöpften. Sie sind als eine kleine Schicht der Wirtschaftsbourgeoisie bezeichnet worden. Der alte Feudaladel, dessen vormaliger Reichtum größtenteils auf Landbesitz gründete, war durch den Niedergang der Forst- und Landwirtschaft ökonomisch geschwächt, zum Teil auch in seiner Existenz bedroht, und die Bauern, Handwerker und Arbeiter wurden zu großen Teilen in die Armut getrieben. Der Adel, dessen politisches Primat in der auf dem Wiener Kongress beschlossenen Nachkriegsordnung restauriert worden war, vermochte seine Vorrangstellung zwar gegenüber dem aufstrebenden Wirtschaftsbürgertum zu behaupten, gleichwohl sind die Jahre zwischen 1815 und 1848 von einer stetig wachsenden Spannung zwischen diesen Schichten geprägt.

Heinrich Heines dichterische Werke wie seine journalistischen Arbeiten sind vor dem Hintergrund dieser politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen zu verstehen. In seinen Schriften wird ein Moment des Prozesshaften und Transitorischen greifbar, werden die Widersprüche und Verwerfungen der zerfallenden feudalen Ordnung mit den Mitteln der Literatur reflektiert. Seine Werke thematisieren jene Dynamik des Wandels, die nicht nur die Politik und Ökonomie, sondern auch die Literatur und das Verständnis, was Dichtung ist und zu leisten vermag, grundlegend verändert hat und die von nachfolgenden Generationen als Moderne benannt worden ist.

Einführung in das Werk Heinrich Heines

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