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Sabrina

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Heute ist Donnerstag, der 14. Mai 2015, ein entscheidender Tag für mich. In einer halben Stunde habe ich ein Bewerbungsgespräch. Ratlos stehe ich vor dem Kleiderschrank, da ich nicht weiß, wie dieses Gespräch ablaufen wird. Wird es anders als in einem Bekleidungsgeschäft oder Supermarkt? Das Sortiment ist auf alle Fälle anders, soviel steht fest. Leicht verwirrt schüttle ich den Kopf. Scheiß egal, du hast keine Zeit mehr. Sage ich zu mir. Ich ziehe meine hautfarbene Strumpfhose, hellblaue Kurzarmbluse und einen dunkelblauen enganliegenden Rock, der eine Hand breit über den Knien endet, an. Schick, keinesfalls zu sexy und doch elegant. Dazu den Lieblings- Blazer und fertig bin ich. Wie man merkt, ist blau meine Lieblingsfarbe. Geschminkt und gestylt bin ich schon. Meine langen blonden Haare fallen mir in leichten Wellen über den Rücken, reichen bis zum Ansatz meines perfekt geformten Hinterns. Ja ich bin stolz auf meine Figur. Ich hoffe, das kommt nicht eingebildet rüber, doch ich achte sehr auf meine Ernährung und treibe viel Sport. Die Pumps stehen in der Garderobe im Flur, in diese schlüpfe ich hinein, betrachte noch einmal das Gesamtbild im Spiegel, nehme die Handtasche und verlasse meine Wohnung. Als ich zehn Minuten später das Geschäft betrete bin ich wahnsinnig aufgeregt, ein paar Kunden schauen sich interessiert um und am Kassentresen sehe ich eine hübsche, schwarzhaarige. Mit einem Lächeln im Gesicht gehe ich auf sie zu, sie bemerkt mich. Sie schaut mich aufmerksam an und ihre Lippen verformen sich zu einem wissenden Lächeln. Ich begrüße sie und erkläre ihr, dass ich ein Vorstellungsgespräch bei Herrn Matthes habe. Sie bittet mich ihr zu folgen, wir gehen durch den Verkaufsraum, den ich mir im Anschluss unbedingt genauer anschauen möchte. Zu neugierig bin ich auf die ganzen Dinge, die hier angeboten werden. Doch jetzt heißt es erst mal: Lächeln, überzeugen, Vertrag unterzeichnen und wieder leben. Die schwarzhaarige die sich als Angie vorstellt, gibt zu verstehen, dass ich einfach am Ende des Ganges an die Tür mit der Aufschrift „Büro“ klopfen soll. Henry erwartet mich schon. Ok, Henry ist dann Herr Matthes, der Eigentümer des Geschäftes. Nachdem ich mich bedankt habe, gehe ich allein weiter. Mein Magen ist unruhig, wie lang ist es her, dass ich zu einem Gespräch eingeladen wurde. Bisher hatte ich immer sofort Absagen per Post bekommen. Das frustriert einen ungemein, nagt am Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein. Einer der Gründe warum ich mich auf jede freie Stelle im Bereich Verkauf beworben habe. Ich habe keine Wahl mehr mir irgendetwas herauszupicken, dass ich für mich als angemessen empfinde. Deshalb war die Überraschung dementsprechend groß als ich das Schreiben mit der Einladung für ein Gespräch bekommen hatte. Nach meinem Klopfen an der Tür, bittet mich eine angenehme Stimme dahinter, einzutreten. „Herein!“ Als ich meine Hand an die Klinke lege, schließe ich die Augen, atme noch einmal tief durch und drücke sie herunter. Mir fällt sofort auf, wie hell das Büro ist, als ich es betrete. Ganz im Gegensatz zu dem Verkaufsraum, in dem gibt es kein Tageslicht. Die ganzen Schaufenster sind mit Folie des Geschäftsnamens „secret desire“ beklebt, sodass man ohne beobachtet zu werden vergnüglich shoppen kann. Wie das in jedem Sex-Shop ist! Ja ihr lest richtig. Ich brauche diese Stelle. Seit zwei Jahren bin ich arbeitslos. Mein größter Wunsch ist es wieder zu leben. Mir etwas leisten können, mich wieder bestätigt, gebraucht fühlen und wieder einen Arbeitsalltag zu haben.

Ich brauche diese verdammte scheiß Stelle im Verkauf!

Im Büro sehe ich einem, ende dreißig, gepflegten, gutaussehenden Mann, ins Gesicht. Er erhebt sich lächelnd aus dem Bürostuhl, kommt auf mich zu. Seine braunen Augen funkeln mich freundlich an, die dunkelbraunen Haare sind akkurat geschnitten. Er sieht sehr attraktiv aus. Kennt ihr das, wenn ihr eine Person seht und die hat eine Anziehungskraft, dass man immer wieder hinschauen muss. Es ist nicht die pure Schönheit, doch irgendwas macht den Menschen aus. „Frau Walter, schön sie kennenzulernen. Setzen sie sich doch!“, sagt Herr Matthes freundlich zu mir, gibt mir die Hand und deutet auf den Stuhl, der vor seinem, sehr ordentlichen Schreibtisch steht. Ein organisierter Chef. Geht es mir sofort durch den Kopf. Wie oft hatte ich schon für Damen und Herren mit einem chaotischen Schreibtisch gearbeitet. Es war jedes Mal ein Wahnsinn. Diese Leute sind von Haus aus zerstreut, verpeilt oder unzuverlässig. Ich möchte jetzt niemanden zu nahetreten, ich kenne den Spruch. –Das Genie beherrscht das Chaos! - Aber für mich ist das nichts und wie gesagt ich habe schon dreimal mit solchen zusammengearbeitet. Nein Danke!

Nachdem ich seine Hand losgelassen habe, setze ich mich. Herr Matthes geht um seinen Schreibtisch herum, setzt sich ebenfalls in einen schwarzen, großen Stuhl, welcher gut zu seiner Statur passt. Ich schätze ihn auf 1,90cm, gut trainiert, hat einen ausdrucksstarken Händedruck. Das mag ich sehr, es gibt nichts Schlimmeres als das Gefühl einer Leiche die Hand zu schütteln. Nicht das ihr denkt ich beginne zu schwärmen, doch er riecht gut! Er ist ein Vorzeige-Exemplar! Ja das ist er, geschmackvoll gekleidet. Huch, wenn es hier um etwas anderes als den so sehr von mir benötigten Job ginge, würde ich mich gern nur von ihm im Verkaufsraum beraten lassen. Puh, mir wird warm. Grade jetzt darf ich nicht solche Gedanken haben, ich schiebe sie schnell beiseite und versuche mich zu konzentrieren. Als ich ihm ins Gesicht schaue, merke ich, wie er mich beobachtet. Oh Gott hat er es mir jetzt angesehen, was ich soeben gedacht habe? Ein kleines Lächeln sitzt auf seinen Lippen. Ich glaube, ich werde rot. Er räuspert sich, schaut auf den Stapel, der rechts von ihm auf seinem Schreibtisch liegt, nimmt meine Bewerbungsmappe in seine Hand, um sie aufzuschlagen. „Frau Walter, ihre Bewerbung gefällt mir sehr gut, deshalb habe ich sie eingeladen. Mir ist es wichtig den Bewerber oder wie in ihrem Fall, die Bewerberin persönlich kennenzulernen.“ Ob ich jetzt auch einen Test machen muss? Was schätzen sie welche Größe brauche ich bei einem Lederstring? Welchen Flogger empfehlen sie mir? Oder mit welchem Analplug haben sie die besten Erfahrungen gemacht? Meinem Kopfkino sei Dank, beginne ich zu schwitzen, habe Angst dem hier nicht gewachsen zu sein. Habe Angst, dass dies hier alles zu schmuddelig für mich ist. Herr Matthes scheint meine Unsicherheit zu spüren.

„Frau Walter, sie brauchen keinesfalls nervös zu sein. Sie sind eine intelligente Frau, das sagt mir schon ihr Lebenslauf und sehen sehr attraktiv aus, wenn ich das sagen darf. Das „secret desire“ ist ein Sex Shop, ja. Aber sauber und niveauvoll. Wie sie bei Angie gesehen haben legen wir Wert auf ein gepflegtes Erscheinungsbild, bei uns ist nichts schmuddelig. Darauf achtet meine Frau genauso wie ich mit Sorgfalt. Wir gehen ordentlich mit unseren Angestellten um, genau das erwarten wir auch von den Kunden. Als Angestellte im Verkauf müssen sie sich natürlich mit der Ware auskennen. Genauso, wie man mich bei den Haushaltsgeräten über einen Schnellkochtopf beraten muss, sollten sie selbstbewusst auf Kunden zugehen, beraten und Fragen beantworten. Wichtig ist, dass sie dem Kunden die Unsicherheit nehmen, viele sind es sobald sie das erste Mal einen Sexshop betreten. Dann gibt es wiederum Stammkundschaften, die nur noch über Neuigkeiten beraten werden wollen. Frau Walter, Sie brauchen nicht unsicher sein. Denn Sex, egal wie jeder ihn praktiziert und auslebt, ist das Normalste von der Welt.“

Als seine Worte mich erreichen, klingt das so normal, bodenständig, dass ich mich entspanne und anfange ihn anzulächeln. „Das stimmt Herr Matthes. Danke!“ Er erwidert mein Lächeln, schaut wieder in meinen Lebenslauf. „Wie ich ihrem Lebenslauf entnehme sind sie seit 2 Jahren arbeitssuchend“, sagt er und schaut mich an. „Ja nachdem das Geschäft wo ich gearbeitet habe, schließen musste bin ich arbeitslos geworden. Leider ist es in der aktuellen Arbeitsmarktsituation sehr schwer eine Stelle im Verkauf zu finden“, gebe ich ehrlich zu. Er nickt und bestätigt damit meine Worte. „Ja da haben sie Recht, genauso schwer ist es jemanden mit Engagement und Zuverlässigkeit zu finden. Aber bei ihnen habe ich ein gutes Gefühl.“ Leicht unsicher und baff schaue ich ihn an. „Frau Walter ich möchte sie gern in meinem Team, natürlich kann ich eine Arbeitsleistung erst beurteilen, wenn man denjenigen arbeiten sieht. Doch da mache ich mir bei ihnen keine Gedanken. In das Sortiment werden sie sich schnell einfinden. Angie, die anderen und auch ich werden ihnen dabei behilflich sein. Wir haben Verkaufsschulungen, genauso wie Produktschulungen. Sie schreiben sie sind lernfähig und wissbegierig. Von dem her sehe ich da keine Probleme. Außerdem denke ich, dass sie weitere Kunden anziehen werden, wenn sich einmal rumspricht was wir für eine bildhübsche neue Angestellte haben. Er schließt die Mappe und schaut mich abwartend an. Ich schaue total überwältigt in sein Gesicht. Räuspere mich und frage unsicher. „War das jetzt ein, ich stelle sie ein?“ Herr Matthes lacht vergnügt, antwortet mir im Aufstehen und reicht mir die Hand. „Ja Frau Walter, willkommen im -secret desire-!“ Mir klappt der Mund auf und ich schaue total perplex auf seine Hand. Er steht immer noch vor mir, der Schreibtisch zwischen uns, schaut mich an und hebt leicht amüsiert und abwartend eine Augenbraue. Ich fange mich wieder, klappe meinen Mund zu, stehe hastig auf und lege meine Hand in seine große starke. „Ich freue mich auf eine Zusammenarbeit!“ Mein Gesicht wird von einem riesigen Lächeln überzogen. „Ich mich erst Herr Matthes.“ Als wir unsere Hände wieder voneinander lösen, deutet er mir mich wieder zu setzen. „Dann bräuchte ich bitte nur noch ihre Sozialversicherungsnummer. Alle anderen Daten habe ich bereits von ihnen. Sind sie einverstanden mit kommendem Montag bei uns anzufangen? Denn dies ist der 18., das würde dann für mich auch gut passen.“ Das ist gerade alles zu viel für mein Hirn, bin total überfordert und doch überaus glücklich, deshalb bin ich mit allem einverstanden. Herr Matthes bespricht mit mir die Urlaubstage, welche Kleidung erwünscht ist, wie die Arbeitszeiten sind. Es gibt zwei Schichten. Jedes zweite Wochenende hat man frei. Ich finde diese Regelung toll. Es gibt Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Spätestens bei dem Satz bin ich kurz vor dem ausflippen. Denn das ist nicht mehr oft in Deutschland heutzutage. Die Angestellten bekommen Personalrabatt, ganze 25%!!! In Gedanken male ich mir aus, was ich schon immer mal ausprobieren wollte. Ob Herr Matthes mir wohl alles erklärt??? Ah stopp er ist ja verheiratet. Wir beenden, das für mich überaus positiv verlaufene Gespräch, mit der Information, dass es für mich am Montag eine Vorstellung der verschiedenen Bereiche im Verkaufsraum gibt. Eine Warenvorstellung und eine Kassenschulung. Wir verabschieden uns am Ende des Flurs, der an den Verkaufsraum grenzt. Herr Matthes wünscht mir noch einen schönen Tag und lässt mich dann allein. Das lief jetzt alles zu glatt für mich, nehme ich die letzten beiden Jahre als Beispiel für völliges Versagen. Erst als Angie vor mir steht, bemerke ich sie so benommen bin ich noch. „Ich kenne Henrys Gesichtsausdruck, wenn er zufrieden ist. Willkommen im Team.“ Heißt sie mich mit einer ausgestreckten Hand willkommen. Diese nehme ich sehr gern entgegen. „Vielen Dank, puh. Entschuldige, doch ich bin überwältigt.“ Gebe ich zu. Angie kichert. „Glaube mir, das ging mir auch so, immerhin ist es ja kein Wurstfachgeschäft. Obwohl, eigentlich schon.“ Gibt sie lachend von sich. „Irgendwann hast du eine andere Einstellung zu dem Ganzen hier, als am Anfang. Es ist das normalste der Welt.“ „Wahrscheinlich hast du recht“, gebe ich mit einem Nicken noch als Bestätigung zurück. „Das Einzige, was am Anfang komisch ist, wenn man es den Eltern sagt.“ Auf einmal habe ich Hitze Attacken, mir rinnt es den Rücken runter. Ach du scheiße, Mama. Denke ich nur noch. Die wird aus den Latschen kippen, nachdem sie sich gefreut hat, dass ich einen neuen Arbeitsplatz habe. Naja nützt nun alles nichts. Da muss ich durch. Wir haben ein gutes Verhältnis. Sehen uns oft, lieber beiße ich jetzt in den sauren Apfel als später. Jeder von euch versteht es jetzt sicherlich, dass ich keinen Kopf mehr dafür frei habe mich im Geschäft umzusehen. Die kurze Strecke von maximal zehn Minuten gehe ich zu Fuß vom Geschäft zu mir nach Hause. Steige in mein Auto und begebe mich auf den Weg von meiner Wohnung in Berlin Schöneberg nach Schmargendorf zu meiner Mutter. Nicht das ihr jetzt denkt ich bin eine kleine reiche verzogene Göre. Nein, dem ist nicht so. Ich bin ohne Vater aufgewachsen. Meine alleinerziehende Mutter hatte das Glück als Haushälterin bei der Familie Steinkamp anzufangen, als ich vier Jahre war. Dazu gehört eine eigene Wohnung, die an deren Villa grenzt. Natürlich nicht uneigennützig von Familie Steinkamp. Meine Mutter war seit meinem vierten Lebensjahr den ganzen Tag über in deren Villa. Mir fehlte es an nichts, wir waren versorgt, sie liebt diesen Job und hat diesen auch jetzt noch. Sie gehört, wie man so schön sagt zum Inventar der Familie. Die Familie Steinkamp gehört seit Jahren zu den reichsten im ganzen Berliner Umkreis. Sie sind DIE Dynastien Familie überhaupt. Richard und Magnolia Steinkamp. Ich habe sie wegen dem Vornamen immer Blümchen genannt. Meine Mutter, Gabriele Walter, hat dann immer gelacht, aber mich auch jedes Mal ermahnt, ich solle aufpassen, dass es niemand hört. Natürlich ist es mir bei meiner Freundin eines Tages rausgerutscht. Meine beste Freundin, seit meinem vierten Lebensjahr. Meine Feen-, Barbie-, Klavier–und Pferde- Freundin, Stella Steinkamp. Wir wuchsen zusammen auf. Leider waren sie und ihr Zwillingsbruder Maximilian ab unserem zehnten Lebensjahr nur noch am Wochenende Daheim, da sie ein Internat besuchen mussten. Doch das tat unserer Freundschaft Abbruch, auch wenn am Anfang Tränen geflossen sind. Bei Stella und auch bei mir. Jeden Freitagnachmittag kamen sie wieder nach Hause, Alfred der Chauffeur der Familie holte sie immer wieder zu mir zurück, naja eigentlich zu den Eltern. Da die aber eh nie da waren und sich für sie interessiert hatten, hat Alfred sie mir wiedergebracht. Zuerst rannten wir in die Stallungen. Stella besaß einen Fuchs namens Star. Ich durfte ihn striegeln, bürsten und habe Stella mit beim Satteln geholfen. Maximilian machte in der Box daneben seinen Schimmel Kantor bereit. Während die beiden in der Halle ihre Pferde ritten saß ich glücklich und zufrieden auf der Tribüne, aß Kaubonbons und sah den beiden zu. Ich mochte Pferde, doch sie waren mir einfach zu groß und ich hatte zu viel Respekt vor ihnen, als das ich auf ihnen reiten wollte. Zu gern beobachtete ich Max, natürlich immer darauf bedacht, dass man dies nicht bemerkt. An einem Tag, ich glaube, wir waren mittlerweile 15 Jahre alt, hat Stella es gesehen. Warum sie es gemerkt hat, weiß ich nicht. Ob es am Lipgloss, den eingedrehten Locken oder dem Push up Bh lag? Nur hat Max mich nicht anders gesehen. Nun ja, irgendwann habe ich es dann aufgegeben. Es gab schließlich auch süße Jungs in meiner Klasse. Je mehr mein Körper immer fraulicher entwickelte, wurde ich für sie interessanter. So nahmen die Dinge ihren Lauf, ich wurde meine Zahnspange los, wegen dieser wurde ich von Max immer aufgezogen. Als ich diese loswurde, probierte ich mit Lars aus meiner Klasse das Küssen auf den Mund aus. Mit Matthias aus der Parallelklasse, den ersten Zungenkuss. Dann gab es noch Lukas. Er sah verdammt gut aus, beim Küssen habe ich dann leider feststellen müssen, dass er von Mundgeruch geplagt war. Deshalb durfte er nur noch eine Etage tiefer küssen. Er hat mir einen riesigen Knutschfleck verpasst. Was mir natürlich einen Anschiss meiner Mutter einbrachte und ich seitdem Tag nur noch Tücher um den Hals tragen musste, bis der gigantische Knutschfleck verschwunden war. Eigentlich hole ich zu weit aus, denn ich habe noch einen schweren Gang vor mir. Mich holen jedes Mal Erinnerungen ein, sobald ich die Einfahrt der Steinkamps entlangfahre. Ich stelle meinen kleinen alten dunkelblauen Opel Corsa ab und atme tief durch. Vermutlich hat meine Mutter das Auto kommen hören, denn sie steht bereits in der Haustür. Erstaunt das ich es bin begrüßt sie mich mit: „Mein Mäuschen, schön dich zu sehen, ist alles in Ordnung?“ Sie nimmt mich in ihre Arme und ich atme ihren vertrauten Geruch ein. Ich glaube es ist egal wie alt ich werde, doch auch jetzt mit meinen 30 Jahren fühle ich mich Daheim, wohl und beschützt. Wir lösen uns voneinander, gehen hinein und ich antworte ihr: „Ja Mama, ich habe gute Neuigkeiten.“ Wir gehen in die Küche, wie immer steht eine Kanne Tee auf dem Tisch, auf dem eine geblümte Landhaustischdecke liegt, bereit. Wir setzen uns jeder auf einen Stuhl, sie nimmt meine Hand und schaut mich erwartungsvoll an. Ich muss daraufhin lächeln. „Mama ich hatte gerade ein Vorstellungsgespräch und ich habe die Stelle.“ Meine Mama atmet tief ein, hält sich die Hand vor den Mund und dann, als sie scheinbar realisiert das es nichts Schlimmes ist. „Ach mein Mäuschen ich freu mich ja so. Herzlichen Glückwunsch.“ „Danke, ich freu mich auch total. Das ist irgendwie alles so unrealistisch.“ Sie holt zwei Teetassen und gießt uns ein. „Ja das glaube ich, zwei Jahre können eine lange Zeit sein. Wann kannst du beginnen?“ „Am Montag. Das ist schon Wahnsinn, erst findet man Ewigkeiten nichts und dann geht es so schnell.“ Sie seufzt und nickt. „Jetzt kannst du nach vorne schauen und das wird dir guttun.“ „Du glaubst gar nicht wie sehr ich mich darauf freue“, sage ich und nehme einen Schluck ihres selbstangebauten Minztees. Als es warm meine Kehle hinunterläuft, beginne ich mich langsam zu entspannen. Meine Ma nippt ebenfalls an ihrem heißen Tee und fragt mich danach: „Kenne ich das Geschäft?“ Die ganze Zeit habe ich darauf gewartet das so eine Frage kommt, doch jetzt sitz ich stocksteif da und habe einen Kloß im Hals. „Hm, ich glaube eher weniger.“ Meine Mutter bekommt große Augen, „So? Dann klär mich auf. Immerhin möchte ich doch mal bei dir einkaufen.“ Daraufhin fang ich an mit Kichern, räuspere mich und schaue meiner Mutter in die Augen. „secret desire“. Sage ich nur und nehme einen großen Schluck. „Was soll das sein?“ „Nun ja, sagen wir mal so, ein Spielzeuggeschäft für Erwachsene?“ Meine Stimme klingt mir so fremd. Als wenn ich etwas zu beichten habe wie ein kleines Kind. Man kann förmlich sehen, wie es im Kopf meiner Mutter arbeitet und dann schaut sie mich an, starrt eher und flüstert als könnte uns jemand in ihrer eigenen Wohnung belauschen. „Du meinst doch nicht etwa den Sex Shop –secret desire-?“ Eigentlich müsstet ihr jetzt hören wie sie es ausspricht –siekrit desirä-. Nun ja so ist das halt in dieser Generation mit Englisch. Bei ihrer Aussprache wäre niemand darauf gekommen, dass sie den Sexshop meint. Schuldbewusst schau ich sie an und nicke nur. Sie zieht erschrocken Luft ein und dann fängt sie an mit lachen. Zuerst denke ich es ist der Schock der von ihr Besitz genommen hat, doch dem ist keineswegs so. Meine Mutter habe ich ganz falsch eingeschätzt. Jetzt lachen wir beide. „Schatz, jede Arbeit muss gemacht werden, ob ich nun den Steinkamps ihr Essen koche, ihre Wäsche wasche oder du ein Spielzeug verkaufst. Mein Gott.“ Mir war schlecht vor diesem Gespräch, doch jetzt bin ich baff, meine Mutter ist lockerer als gedacht. Der krönende Abschluss kommt noch. „Wer weiß vielleicht lernst du da deinen Traummann kennen.“ Gibt sie mit einem Schulterzucken von sich. Jetzt muss ich wirklich lachen. „Puh also einen Mann brauch ich jetzt nicht wirklich, ich bin schon froh wenn ich jetzt wieder ein geregeltes Arbeitsleben führe.“

Wir trinken unseren Tee aus, unterhalten uns noch über andere Dinge. Meine Mutter kann ich nur bewundern. Sie ist Mitte Fünzig, wunderschön mit ihren dunkelblonden schulterlangen Haaren, hat eine tolle Figur, eine Haut zum Dahinknien und strahlt eine wahnsinnige Ruhe aus. Sie ist glücklich, obwohl sie mich allein großgezogen hat und währenddessen noch Vollzeit arbeitete. Wenn ich in ihrem Alter bin, möchte ich genauso ausgeglichen und schön sein. Nach einer kräftigen Umarmung bedanke ich mich bei ihr und verabschiede mich, wie immer mit meinem letzten Satz: „Ich liebe dich Mama.“

Zurück in meiner Wohnung, lasse ich mir ein Bad mit meinem Lieblingsbadezusatz „Pfirsich-Harmonie“ ein. Gönne mir ein Glas Rotkäppchen Sekt und greife nach meinem Handy um Stella zu fragen ob sie morgen Zeit zum quatschen hat, immerhin möchte ich ihr auch von der Neuigkeit erzählen. Während des Bades versuche ich zu entspannen. Lasse den Tag nochmal Revue passieren und bin gespannt wie es weitergeht. Stella schreibt sofort zurück- „Na klar. Gemeinsame Laufrunde. Treffpunkt 10 Uhr bei mir!“ Damit lass ich mich tief ins Wasser gleiten und fange an mich seit Ewigkeiten wieder gut zu fühlen.

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