Читать книгу Lust und Leidenschaft auf Lanzarote - Lisbeth Ritter - Страница 5

Ankunft

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Lisa verstaute die Kamera in ihrem Rucksack, während das Flugzeug langsam ausrollte.

Die Nachmittagssonne schien, und sie hatte tolle Luftaufnahmen von Lanzarote machen können. Der Anblick der Vulkane von Timanfaya hatte ihr ein Lächeln auf die Lippen gezaubert. Sie freute sich, die Insel wiederzusehen, die sie von einem anderen Urlaub her kannte und liebte. Die so unterschiedlichen Strände, die fantastischen Farben, aber vor allem die Vulkane hatten es ihr angetan.

Sie flog schrecklich gerne, liebte den Blick von oben, die ungewohnte Perspektive, das Versprechen grenzenloser Freiheit, aber die Sitzreihen sollten wirklich mehr Abstand bieten. Sie schob sich von ihrem Fensterplatz aus in den Gang, obwohl es nicht vorwärtsging. Sie wollte endlich ihre langen Beine ausstrecken.

Da stand sie nun. Fest entschlossen, so oder so eine schöne Zeit zu verleben.

Um sie herum das übliche, mehr oder weniger überflüssige Telefonieren und hektische Zusammensuchen der Siebensachen, das schleppend langsame Aussteigen, das Warten am Gepäckband: Routine. Sie zog die viel zu warme Jacke aus.

Ihre Gedanken wanderten zurück nach Deutschland. Es war November. Zu Hause versank alles in einem einheitlich trübsinnigen Grau – aber hier war Sommer, Sonne, Licht. Es war jedes Mal wieder erstaunlich, nach nur ein paar Stunden Flug in einer anderen Welt anzukommen.

Sie erschrak bei dem Gedanken daran, dass sie dieses Mal tatsächlich eine völlig andere Welt erwartete.

Die mühsam verdrängte Panik, die sie vor dem Abflug bereits erfasst hatte, stieg wieder in ihr auf. Wie war sie nur auf diese vollkommen absurde Idee gekommen? Und vor allem: Warum zum Teufel hatte sie sich darauf eingelassen, sie in die Tat umzusetzen? Sie sah sich in der Halle um, als ob es irgendwo eine Tür mit der Aufschrift „Ausweg“ geben könnte, lachte kurz nervös auf.

‚Ich könnte ohnmächtig werden und so lange warten, bis er aufgibt und wegfährt, mich in den nächsten Flieger nach Hause setzen‘, schoss es ihr durch den Kopf.

Ihr Koffer kam in Sicht und holte sie zurück auf den Boden der Tatsachen. Sie bemerkte, dass ihre Hand leicht zitterte, als sie ihn vom Band zog. Sein Gewicht und die Kälte des Aluminiums halfen ihr, ihre Fassung wenigstens einigermaßen zurückzugewinnen.

‚Beruhig dich‘, versuchte sie sich Mut zuzusprechen. Schloss kurz die Augen, um sich zu sammeln, atmete ein paar Mal tief durch und ging mehr oder weniger festen Schrittes in Richtung Ausgang, in Richtung Ungewissheit.

Sobald sie die Tür zum äußeren Bereich des Flughafens durchschritten hatte, fiel die gerade mühsam errungene Sicherheit augenblicklich von ihr ab. Ihr Kreislauf brach fast zusammen, alles Blut schien aus ihrem Kopf zu weichen. Sie glaubte doch noch – gänzlich ungeplant – in Ohnmacht zu fallen. Wie in Trance schritt sie zwischen den Wartenden hindurch: Familienangehörige, Freunde, Menschen mit Namensschildern.

Er würde sicher weiter hinten stehen, sie beobachten.

‚Vielleicht habe ich Glück und er verdrückt sich, wenn er mich sieht.‘ Sie begann sich umzuschauen, lief fast in ihn hinein, als er plötzlich vor ihr stand.

Ihre Blicke trafen sich.

Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals, wurde größer. Wieso war es hier so verdammt stickig? Ihre Hand machte sich selbstständig, löste sich vom Koffergriff, versuchte ihr Luft zu verschaffen, indem sie ihren Ausschnitt so weit nach unten zog, wie es ging. Sein Blick gab ihren frei und folgte ihrer Hand zu ihrem Décolleté. Ihr Blick wiederum folgte nun seinem, ihre Brustwarzen zeichneten sich deutlich unter ihrem T-Shirt ab. Hätte sie bloß stattdessen eine weite Bluse angezogen. Die Aufmerksamkeit, die ihnen zuteilwurde, ließ ihre Brustwarzen anschwellen, sodass sie sich noch auffälliger hervorhoben.

‚Auch das noch. Scheiße, das läuft nicht gut. Atme, ATME!‘

Schnell nahm sie ihre Hand weg. Woraufhin er seinen Blick von ihrem Busen löste, ihn zurück zu ihren Augen wandern ließ, sie interessiert musterte. Sie kam sich vor wie ein Kaninchen, das reglos eine Schlange anstarrt in der sicheren Gewissheit, im nächsten Augenblick verschlungen zu werden.

‚Fehlt nur noch, dass du rot wirst‘, schimpfte sie mit sich selbst. ‚Tu was, das ist doch nicht der erste Mann, der dir gegenüber steht. Und nicht der erste, der dich abcheckt und bewertet. – Kein Kaninchen, ein Mungo, ein Mungo vor einer Kobra‘, übermalte sie das Bild in ihrem Kopf. ‚Fifty-fifty.‘ Sie kratzte all ihre Selbstachtung zusammen, drückte den Rücken durch, schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter und wollte gerade etwas sagen, als er ihr seine Hand entgegenstreckte.

Sie schlug ein. ‚Warm und kräftig.‘ Nicht lasch, was sie hasste, aber auch nicht zu fest. Mit genau dem richtigen Druck hielt er ihre Hand in seiner und ließ sie schlagartig ruhiger werden. Wie kam es, dass ihr Puls plötzlich langsam und stabil schlug, ihre Beine ihr nicht mehr vorkamen, als wären sie aus Gummi? Es war, als würde eine angenehm gleichmäßige Energie zu ihr herüberfließen.

„Willkommen. Hattest du einen guten Flug, Lisa?“ Eine ruhige, warme Stimme drang an ihr Ohr. Seine Stimme – zum ersten Mal.

„Ja danke, hallo, Jan.“ Mehr kam fürs Erste nicht über ihre Lippen, auch wenn sie sich inzwischen deutlich besser fühlte und zu dem Schluss kam, den Tag möglicherweise doch in Würde zu Ende bringen zu können.

Es tat ihr fast leid, dass er ihre Hand losließ, um nach ihrem Koffer zu greifen.

„Können wir gehen?“ Sie nickte stumm, folgte ihm ins Parkhaus, wo er ihr die Beifahrertür aufhielt und ihr Gepäck einlud. Sie schmiegte sich in den Ledersitz, dessen angenehme Kühle ihr half, die von Neuem aufsteigende Angst zu unterdrücken, schloss die Augen, träumte sich an ihren Lieblingsstrand, rief sich das sanfte Rauschen der Meeresbrandung ins Gedächtnis und entspannte.

Das gab ihm Gelegenheit, sie in Ruhe zu betrachten. Bisher hatte sie sich ganz gut gehalten, wenn stimmte, was sie sagte, und sie so etwas wirklich noch nie getan hatte. Vielleicht war sie aber auch raffiniert, spielte ihm die Schüchterne nur vor, hatte seinen Blick bewusst auf ihr Décolleté gelenkt. Das wäre zu verstehen, damit konnte sie punkten. Unweigerlich verweilte sein Blick auf ihrem Busen, der sich jetzt gleichmäßig hob und senkte. Nein, er glaubte ihr. Ihre Aufregung war nicht gespielt gewesen.

Bevor sie die Augen öffnete und sah, dass er sie musterte, startete er den Motor und fuhr los.

‚Du wirst wesentlich aufregendere Stunden erleben.‘ Bei dem Gedanken daran, wie er sie aus der Reserve locken würde, huschte ein selbstgefälliges Lächeln über sein Gesicht.

Nach wenigen Minuten Fahrt bog er auf den Parkplatz einer Bar ein. Verwundert sah sie ihn an. Stimmte etwas nicht? War sie zu still gewesen? Hatte er erwartet, dass sie etwas sagte? Ihm schmeichelte? Ach je, das ging ja gut los, sie hatte nicht die geringste Ahnung, was er von ihr erwartete. Und Small Talk lag ihr überhaupt nicht. Tausend Gedanken rasten durch ihren Kopf, ihr Körper versteifte sich.

Ihre Reaktion entging ihm nicht. Was sollte das? Hatte sie etwa Angst? Dachte sie, er würde über sie herfallen? Hier? Er spielte kurz mit dem Gedanken, ihr den Gefallen zu tun, bis ihm klar wurde, dass sie möglicherweise überhaupt keine Ahnung von solchen Spielchen hatte.

„Willst du etwas trinken, bevor wir zum Haus fahren? Zum Essengehen ist es noch ein bisschen früh, aber wenn du Hunger hast … Wir werden fast eine Stunde unterwegs sein.“

Das war alles? Essen? Wusste dieser Idiot eigentlich, was er in ihr auslöste? ‚Beruhig dich‘, schalt sie sich. ‚Er versucht nur nett zu sein.‘ „Nein – nein, wir können direkt zum Haus fahren“, antwortete sie. „Oder ist das nicht üblich?“

Er sah ihren unsicheren Blick. „Ich dachte, du wolltest vielleicht, dass wir uns erst etwas kennenlernen, bevor du dich in die Höhle des Löwen wagst.“

‚Höhle des Löwen? Sehr witzig, denkt er, damit beruhigt er mich? Oder will er mich nervös machen?‘ Ihre Gedanken überschlugen sich.

Er bemerkte, dass seine Worte die falsche Wirkung erzielten, wollte seine Hand beruhigend auf ihren Arm legen. Sie zuckte so heftig zusammen, dass er innehielt und sich in seine Hälfte zurückzog.

„’tschuldigung“, sie schluckte. „Ich bin ein bisschen nervös.“ ‚Lausige Untertreibung‘, dachte sie. ‚Reiß dich endlich zusammen. Du wolltest schließlich hierher kommen.‘ „Kannst du bitte das Fenster aufmachen? Ich brauche frische Luft.“

Er nickte, tat, worum sie ihn gebeten hatte, und wartete.

„Falls du ein Serienmörder bist, der die Polizei bis jetzt hinters Licht geführt hat, werde ich das bei einem Bier wohl kaum aus dir rausbekommen – oder?“ Er sah sie überrascht an, schüttelte den Kopf. Schaute interessiert, damit hatte er nicht gerechnet. „Hast du schon mal eine Frau vergewaltigt?“ Abermaliges Kopfschütteln. ‚Meint sie das ernst?‘ „Quälst du Kinder oder Tiere?“ „Nein.“ Er wusste nicht, ob er lachen oder sich ärgern sollte. War sie verrückt? Erwartete sie tatsächlich eine Antwort?

In todernstem Tonfall kam die nächste Frage: „Lügst du?“ Er konnte sich nicht mehr beherrschen: „Nur wenn es sein muss“, grinste er. Seine Augen blitzten sie fröhlich an. Helles Lachen platzte aus beiden heraus und alle Spannung fiel mit einem Schlag von ihr ab.

Befreit strahlte sie ihn an: „Lass uns fahren.“

Jetzt konnte sie die Fahrt genießen. Streckte erst die Hand, dann den Arm aus dem Fenster, spielte mit dem Gegenwind, ließ ihre Hand durch die Luft segeln, schloss die Augen, spürte dem Wind in ihrem Gesicht nach, der an ihren Haaren zauste, und freute sich, genau hier zu sein.

Es gefiel ihm, dass sie die schnelle Fahrt bei offenem Fenster genoss. Sie schien sich keine Gedanken über ihre Frisur zu machen. Außerdem war sie tatsächlich nicht geschminkt. Das hatte sie zwar geschrieben, aber Mails waren geduldig.

Er mochte es natürlich und unkompliziert. Eigentlich war er diese ganzen Spiele und Maskeraden der letzten Jahre leid. Seine Gedanken schweiften in die Vergangenheit.

Nach einer guten halben Stunde – vorbei an einigen Orten – bog er in einer leeren Landschaft in einen holprigen Privatweg ein, der nach einer Weile wieder ebener wurde. Das Meer tauchte am Horizont auf. Sie hielten genau darauf zu. Ein moderner Bungalow schob sich in ihr Blickfeld. Weiß, kubisch, aber die Lavasteine, die an drei Stellen in die Hauswand eingearbeitet waren, passten ihn perfekt in die Umgebung ein.

Bevor er ihr die Wagentür öffnen konnte, war sie längst ausgestiegen. Er warf ihr einen seltsamen Blick zu. „Du hältst wohl nicht viel davon, dich verwöhnen zu lassen?“

Sie verstand nicht sofort, was er meinte, erwiderte dann: „Nicht wenn es um eine Tür geht. Aber du kannst mein Gepäck nehmen.“ Forsch streckte sie ihm ihre Tasche, ihren Rucksack – „sei bitte vorsichtig, da ist mein Foto drin“ – und ihre dicke Winterjacke entgegen, ging zur Tür und wartete, dass er mit ihrem Koffer nachkam. Er war so überrascht, dass er widerspruchslos folgte. Wie konnte sich jemand so schnell von einem ängstlichen Häschen in eine selbstbewusste Frau verwandeln? Hatte sie ihn doch getäuscht? Er musste besser aufpassen. Auf jeden Fall würde es einiges klarzustellen geben, was ihre Rolle anging.

Er stellte ihre Sachen ab, gab den Code ein, der die Tür öffnete, und trat zur Seite. „Vorne links.“

Ein Kribbeln fuhr ihr in den Bauch als sie – gezwungenermaßen dicht – an ihm vorbeiging.

‚Ich könnte dich ein bisschen aus der Fassung bringen‘, dachte er. ‚Ein kleiner Test, ob du mit mir spielst, eine Klarstellung, wer hier das Sagen hat.‘ Unvermittelt, aber sanft, schob er seine Hand von hinten über ihren Busen, schob ihre Haare mit der anderen zur Seite und küsste ihren Hals. Sie erstarrte, versteifte sich völlig unter seinen Händen, zeigte keinerlei weitere Reaktion, weder eine positive noch eine ablehnende.

‚Sie hat tatsächlich keine Ahnung, was sie tun soll‘, schoss es ihm durch den Kopf. ‚Sie hält sogar vor Schreck den Atem an.‘ Jetzt tat es ihm fast leid, sie so überfallen zu haben.

Aber er machte sich unnötig Sorgen. Sie hatte zwar tatsächlich nicht den Hauch einer Ahnung, was er von ihr erwartete, genoss jedoch nach dem ersten Erschrecken über die unerwartete Berührung seine Nähe, seine Wärme. Ein wohliges Gefühl breitete sich in ihr aus, sie entspannte sich, während sich gleichzeitig eine neue, eine andere Spannung in ihr aufbaute. Als er spürte, dass ihr Körper nachgab, strich er sanft mit beiden Händen von ihren Schultern aus über ihre nackten Arme, und mit den Fingerspitzen langsam wieder nach oben. Sie atmete tief ein, er ging ihr voll unter die Haut. Damit hatte sie nicht gerechnet. Wie kam sie überhaupt dazu, sich von einem Fremden so berühren zu lassen? Reagierte sie so heftig auf ihn, weil es so lange her war, dass ein Mann sie richtig angefasst hatte? Sie seufzte leise, als er sie auf den Hals küsste, seine Zungenspitze leicht über ihre Haut gleiten ließ.

Er reagierte körperlich auf sie, mehr als ihm lieb war. Aber das war besser als andersherum.

‚Ende der ersten Lektion.‘ Er ließ sie so unvermittelt los, wie er sie zuvor angefasst hatte, drehte sich um, holte ihren Koffer und schloss die Tür.

Sie kam sich vor, als hätte sie eine kalte Dusche bekommen. Verwirrt machte sie Platz, folgte ihm zu dem Zimmer, das er ihr zugewiesen hatte, und in das er jetzt ihre Sachen stellte. „Falls du ins Bad willst“, er deutete auf eine Tür, die von ihrem Schlafzimmer abging. „Ich zeig dir dann den Rest.“

Weg war er, die Tür hinter sich ins Schloss ziehend. Einen Schlüssel gab es nicht. Sie setzte sich aufs Bett, rührte sich ein paar Minuten nicht, fragte sich, auf was sie sich da eingelassen hatte.

Was hätte sie getan, wenn er ihr unsympathisch gewesen wäre oder wenn sie Angst vor ihm gehabt hätte? ‚Dann wärst du nicht in sein Auto gestiegen, hättest dir eine Wohnung gesucht und gemütliche, nette – und einsame – Urlaubswochen am Meer verbracht‘, gab sie sich selbst die Antwort. Wäre ihr seine Berührung unangenehm gewesen, hätte sie sich jetzt ein Taxi gerufen und dasselbe getan. Sie hatte sich die Straße gemerkt, die sie genommen hatten, und die Kilometerzahl, bei der sie in den Privatweg eingebogen waren. Ein Fluchtplan.

Aber er gefiel ihr. Mit seinem offenen Grinsen und seinen blitzenden Augen hatte er sie sofort erobert. ‚Mach dir doch nichts vor, es sind seine Finger, seine Zunge auf deiner ausgehungerten Haut. Und er weiß genau, wie er mit dir spielen kann. Er wird sich gerade so lange mit dir vergnügen, wie es ihm Spaß macht, dich dann wie ein altes, langweilig gewordenes Spielzeug weglegen und sich ein neues suchen.‘ Aber das war ihr egal, sie wollte einfach mehr davon. Endlich wieder Sex, Leidenschaft. In ihrer Fantasie glitten seine Hände erneut über ihre Arme, schoben sich über ihre Brüste, massierten sie sanft. Sie erinnerte sich daran, wie sein Blick über ihren Ausschnitt geglitten war. Die Vorstellung, wie er seine Lippen um ihre Brustwarze schloss und sie mit der Zunge liebkoste, ließ sie leise aufstöhnen.

Sie kam zu sich, bemerkte, dass sie feucht geworden war, rief sich zur Ordnung, stand auf und ließ sich im Bad eiskaltes Wasser lange über Handgelenke und Nacken laufen. Wusch sich Hände und Gesicht, trocknete sich ab und betrachtete sich nachdenklich im Spiegel. ‚Es ist wirklich lange her, dass dir ein Mann so unter die Haut ging.‘

Anschließend holte sie ihre Hausschuhe aus dem Koffer und stellte ihr Reise-Necessaire ins Bad. Das war ihr Ritual, einen Ort in Besitz zu nehmen, damit war sie angekommen.

Sie sah sich um. Das geräumige Zimmer war schlicht, aber schön eingerichtet. Stein, Holz, Leinen, nur Naturmaterialien. Zwei große Fenster, die allerdings nach Norden gingen. Schade, sie liebte es, sich von der aufgehenden Sonne wecken zu lassen. Ihr Blick schweifte über die von Vulkanismus geprägte Landschaft, die sie so liebte.

Die Lage des Hauses war herrlich, es gab weit und breit keine Nachbarn, also keinen Lärm, kein Licht. Der Sternenhimmel würde fantastisch sein.

‚Was treibt diese Frau so lange? Räumt sie jede Unterhose einzeln in den Schrank?‘ Er zog die Terrassentür auf, holte sich ein kaltes Bier und wollte sich gerade an den Pool setzen, als er ihre Schritte hinter sich hörte. Vor ihr verborgen, blieb er reglos stehen.

Neugierig schweifte ihr Blick durch den riesigen Raum. Er war Wohnzimmer, Esszimmer und Küche in einem.

Wie in ihrem Zimmer war alles mit Naturmaterialien eingerichtet. An einer Wand hing ein Webteppich, sicher ein traditionelles lanzarotenisches Muster, so gut wie er hierher passte. Links und rechts des Kamins hingen zwei abstrakte Bilder, ein niedriger Tisch und ein großes Ledersofa standen in gebührendem Abstand davor.

Im rechten Winkel dazu standen zwei kleinere Sofas mit den Rücken aneinander. Von dem einen ging der Blick zu einem Fernseher, der an der hinteren Wand hing, darunter stand eine Musikanlage. Sie sah sich nach den Lautsprechern um, sie waren in die Wände integriert. Genau wie das einzige Regal, in dem einige Bücher und CDs standen.

Von dem dritten Sofa aus ging der Blick durch eine, die gesamte Hausbreite einnehmende, Glasfront über die Terrasse hinweg zum Meer. Der mittlere Teil wurde teilweise durch eine offene Küche verdeckt, von der aus man ebenfalls nach draußen sehen konnte. Weiter rechts reichte das Glas wieder bis auf den Boden und gab den Blick auf das Ende eines schmalen Pools frei.

Die schon weit im Westen stehende Sonne schickte ihre Strahlen durch die Scheiben, die sich weiter um die Ecke bis kurz vor die Haustür erstreckten. Ihr Blick wanderte zurück zu dem großen, massiven Holz-Esstisch, der versetzt zur Küchenzeile stand. Dort blieb ihr Blick hängen.

Er beobachtete sie die ganze Zeit über gespannt. Sie trug immer noch dieselben langen Jeans und dasselbe T-Shirt. Wie er war sie barfuß. ‚Was hat sie stundenlang gemacht?‘

Da meinte er zu bemerken, dass ihr Atem sich vertiefte. Was ging gerade in ihrem Kopf vor? Ihr Blick haftete völlig gedankenverloren am Esstisch.

Seine Hände glitten in diesem Moment unter ihrem Rock zwischen ihre Schenkel. Seine Finger schoben sich zielstrebig tiefer, während sie versuchte, Halt zu finden, indem sie sich an die Tischkante klammerte.

Langsam drehte sie den Kopf, als seine Stimme endlich in ihr Bewusstsein drang. „Hmmm?“ Fragend sah sie ihn mit geweiteten Pupillen an.

Er konnte die Zeichen lesen, hatte sich nicht geirrt, was ihren Atem anging, wusste sofort, dass er sie aus einer sexuellen Fantasie gerissen hatte. Der Gedanke, dass sie sich vielleicht vorgestellt hatte, wie er sie auf dem Tisch nahm, erregte ihn augenblicklich. Welche Stellungen sie wohl bevorzugte?

„Ob du auch ein Bier willst, habe ich gefragt – oder lieber etwas anderes?“ „Bier ist gut“, kam ihre Antwort. Sie trafen sich vor dem Kühlschrank, ihre Blicke versenkten sich ineinander. Er stellte sich vor, wie er sie mit seinem Körper hart gegen die Tür pressen und ihre Hände festhalten würde, um dann seine Lippen leidenschaftlich in ihre Halsbeuge zu versenken. Stattdessen griff er an ihr vorbei, öffnete die Tür, zwang sie so näher an sich heran, registrierte genau ihre Reaktion. Er war sich sicher, dass seine Nähe sie feucht werden ließ, so wie sein Glied dummerweise schon wieder begann, sich zu regen.

Aber das reichte fürs Erste. Er gab sie frei, öffnete die Flasche. „Glas?“ „Ja, bitte.“

„Wir sollten die Regeln klären“, sagte er. „Anschließend können wir kochen oder Essengehen, wie du willst.“ Sie nahm das gefüllte Glas, das er ihr reichte, und ging in die Richtung, die er ihr mit einer leichten Kopfbewegung bedeutete. ‚Sie ist aufmerksam, gut.‘ Er hasste es, wenn eine Frau nur auf direkte Ansagen reagierte.

Auf der Terrasse angekommen, rückte er ihr einen Stuhl zurecht, ließ ihr Zeit, sich umzusehen, sich mit allem vertraut zu machen.

Der Pool war L-förmig, in einer Richtung schmal und erstaunlich lang, die kurze Seite endete als Überlaufpool in Richtung Meer. Sie würde bis morgen warten müssen, für ein Bad war es schon zu kalt.

„Das ist ein tolles Haus, es gefällt mir richtig gut.“

Das klang nicht nach einschmeicheln, dafür war sie wohl auch nicht der Typ. „Freut mich, ich hab’s entworfen.“ „Du bist Architekt?“ Er nickte.

„Lebst du hier auf der Insel?“ „Nein, das ist nur ein Ferienhaus.“ „Wo wohnst du?“ ‚Warum will sie das wissen? Wieso müssen alle Frauen einen ausfragen. Ständig reden.‘

„Die Regeln“, lenkte er das Gespräch in die richtige Richtung und hatte ihre Aufmerksamkeit.

Eigentlich hatten sie alles bereits in ihrem Mail-Verkehr festgehalten. Er würde sie zwei Wochen lang verwöhnen und umsorgen, dafür würde sie sich ihm hingeben, vollkommen hingeben, allerdings kein SM, keine Unterwerfung. Sie kümmerte sich um Verhütung, Krankheiten hatten sie ausgeschlossen. Hier auf der Insel war sie sein Gast, ihren Flug hatte sie selbst bezahlt. Ihr richtiges Leben würde kein Thema sein. Alles so weit klar. Er wollte nur die interessanten Punkte wiederholen.

„Ich erwarte von dir, dass du dich passiv verhältst. Du fasst mich nicht unaufgefordert an, keine Provokationen.“

‚Wie er das Wort betont, was bildet er sich ein.‘ Sie runzelte die Stirn.

„Du nimmst, was ich dir gebe“, fuhr er fort. „Genau dann, wenn ich es dir gebe. Du tust genau das, was ich dir sage, und stellst keine Forderungen. Wenn etwas – sagen wir – ungewohnt ist, nimmst du es hin. Wenn dir etwas unangenehm ist, sagst du es mir in einem sachlichen Tonfall. Wenn du willst, dass ich mit etwas aufhöre – sagst du es mir sofort. Aber überleg dir vorher, ob du Nein sagst. Wenn du es zu oft tust, wenn ich das Gefühl habe, dass du mich hinhältst, dass du nicht bereit bist, etwas Neues auszuprobieren, oder bereit, etwas zu riskieren, verliere ich schnell die Lust an diesem Spiel. Dann beende ich das Ganze. Du kannst hier wohnen bleiben oder ich bezahl dir ein Hotel, aber es hat sich mit Sex und Leidenschaft. Sind wir uns einig?“

Mit einem einfachen „Ja“ unterdrückte sie die in ihr aufsteigenden Zweifel.

‚Du kannst das jederzeit abbrechen‘, beruhigte sie sich.

Aber was, wenn ER sich nicht an die Abmachung hielt? Das Haus stand völlig isoliert. ‚Er kann mit dir machen, was er will. Und deine Leiche oder was sonst von dir übrig ist, lässt er im Meer verschwinden.‘

Als hätte er ihre Gedanken gelesen, sagte er mit ruhiger Stimme: „Schon vergessen, dass ich weder Massenmörder noch Vergewaltiger bin. Ach ja, Kinder und Tiere quäle ich auch nicht.“

Sie forschte in seinen Augen, fand aber weder Spott noch Herablassung. ‚Er versucht, dir Sicherheit zu geben.‘ Sie hielt sich daran fest. ‚Vertrau auf deine Menschenkenntnis. Wenn es drauf ankommt, hat sie noch nie versagt.‘

Sie atmete tief ein, brachte ein scheues Lächeln zustande. „Das hatte ich kurz vergessen.“

„Wir sind uns also einig?“, versicherte er sich erneut. Nach einem Nicken ihrerseits fügte er hinzu: „Wenn es irgend etwas gibt, das du nicht magst, irgendeine Stelle, an der ich dich nicht anfassen soll, ein Wort, das du nicht hören kannst, irgendwas in der Art, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt, es zu sagen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Fesseln, ich glaube, fesseln mag ich nicht“, schob sie schnell hinterher. „Was heißt, glaube ich? Du musst dich schon klar ausdrücken. Willst du fesseln ausschließen?“

„Ja … ich …… ich weiß nicht.“ Es war ihr deutlich anzumerken, wie unwohl sie sich in ihrer Haut fühlte. Unsicher und ein bisschen ängstlich sah sie zu ihm hin. „Ich hab keine Ahnung, ich hab so was noch nie gemacht. Du weißt das, ich hab es dir geschrieben“, kam es fast trotzig.

Das stimmte. Jedenfalls wenn sie sich an die Wahrheit gehalten hatte. Laut ihren Mails hatte sie keinerlei Erfahrung, weder mit SM noch mit Fesseln, kannte keine Rollenspiele, hatte kein Sexspielzeug, angeblich besaß sie noch nicht mal einen Dildo. Trug weder Leder noch Latex oder auch nur Reizwäsche (ich bin mehr der natürliche Typ). Eine Handvoll normaler Stellungen und Oralsex waren alles. Es war kaum zu glauben.

Aber irgendwie hatte ihn genau das gereizt. Manchmal hatte er das Gefühl, dass ihn alle diese Spielchen anfingen zu langweilen. Andererseits fing das ständige Ausreizen und Überschreiten immer neuer Grenzen an, ihm auf die Nerven zu gehen. Immer mehr, immer ausgefallener, wie in einem endlosen Wettlauf. Er hatte es satt, verdammt satt. Stress und Machtkämpfe hatte er im Job zur Genüge. In diesem Urlaub wollte er Sonne, Meer und Spaß. Sie war genau die Richtige dafür, einfach zu kontrollieren, ohne große Ansprüche und ständig verfügbar. Er würde sie jeden Tag ein paar Mal ordentlich rannehmen, und sie würde schon auf ihre Kosten kommen. Er würde höchstens zwanzig Prozent seines Repertoires brauchen, alles entspannt. Urlaub.

Plötzlich wurde ihm bewusst, dass sie ihn abwartend ansah. Wo waren sie stehen geblieben? Ach ja, fesseln. Er stand auf, streckte ihr die Hand entgegen. „Komm her.“ Sie erhob sich, legte ihre Hand in seine und blieb dicht vor ihm stehen. Er zog sie näher. „Vertraust du mir?“, drang seine Stimme dunkel direkt in ihr Ohr, bahnte sich ihren Weg tiefer in ihren Körper. Breitete sich weich und warm bis in den letzten Winkel aus, ließ sie leise erschauern. Sein Blick hielt ihren fest, folgte seiner Stimme auf dem Weg durch ihren Körper, wie winzige Blitze.

Ihr war, als würde er ein Netz aus Energie spinnen. Als würden Myriaden feinster Fäden von seiner Hand aus in ihre eindringen und sich mit jeder einzelnen ihrer Nervenzellen verbinden. Wie ein großes Spinnennetz – und sie saß zitternd mittendrin.

‚Gefangen.‘

Sie nickte, völlig gebannt.

„Möchtest du, dass ich das für dich entscheide?“

Erneut nickte sie, ohne sich erinnern zu können, um was es überhaupt ging.

‚Das wird noch leichter als gedacht‘, stellte er mit Genugtuung fest.

Er überlegte, sie an sich zu ziehen. Sie war jetzt schon reif, würde sich an ihn schmiegen, seine Küsse dankbar empfangen, und alles tun, was er wollte. Die Vorstellung, ihre warme, weiche Haut unter seinen Fingern zu spüren, ihre Lippen mit seiner Zunge zu öffnen, ließ sein Glied steif werden. Er hatte mehrere Monate keine Frau gehabt und könnte nach dem Stress der letzten Tage ein bisschen Entspannung gut gebrauchen.

„Lass uns essen“, ging er auf Distanz. Es war zu früh für Sex. Um sie ganz kontrollieren zu können, musste er sie erst einmal aus der Reserve locken, sie verunsichern, ihr Selbstbewusstsein erschüttern. Morgen würde er sie herausfordern, testen, wie weit er gehen konnte, wie weit sie gehen würde. Herausfinden, was sie mochte – und was nicht. Er wollte wissen, was sie richtig wild machte, um sie damit manipulieren, lenken zu können. Sein Spieltrieb war erwacht.

„Zieh dich um, wir gehen auswärts essen. Nichts Besonderes, einfaches Lokal.“

Sie hatte überhaupt keine Lust, noch einmal das Haus zu verlassen, über diese lange Schotterpiste zu fahren. Für heute war sie wirklich lange genug unterwegs gewesen. Aber er hatte sie nicht nach ihrer Meinung gefragt, und da sie nun also beschlossen hatte, sich für die nächsten zwei Wochen an seine Regeln zu halten, zog sie sich um.

Eine andere Jeans, eine Bluse, die ihr super stand. Keine Provokationen, kam ihr in den Sinn, prompt öffnete sie einen Knopf mehr, als sie es sonst tat. Und schnappte sich einen Pullover, falls es kalt würde. Vielleicht fuhren sie ans Meer. Das würde sie versöhnen.

Stattdessen hielten sie an einer einfachen, von Spaniern gut besuchten Bar direkt an der Landstraße. Nach einem netten Essen und einem köstlichen Bienmesabe als Nachtisch nahmen sie noch einen Espresso.

Zurück im Bungalow setzten sie sich mit einer Flasche Wein auf die Terrasse. Als er sah, dass sie fröstelte, holte er ihren Pullover und legte ihn um ihre Schultern. „Danke.“

Bis auf ein kleines Licht im Haus war es dunkel. Sie legte den Kopf in den Nacken. Die Milchstraße war zu erahnen. Einzelne Wolkenfetzen zogen über den Himmel, trotzdem war es ein toller Anblick. Sie war noch dabei, die Sternbilder zu sortieren, als eine Sternschnuppe über den Himmel stob und ihren Blick mitten hinein in ihr Lieblingsbild Orion führte.

‚Ein gutes Omen.‘ Sie lächelte, genoss die frische kühle Luft, freute sich, der Brandung lauschen zu können.

„Ich möchte, dass du dich hier wohlfühlst, Lisa. Du kannst hier im Haus und auf dem Grundstück überall hin, dich in der Küche bedienen, wann immer du willst, Musik hören, den Pool benutzen, auf die Galerie, alles, was du willst. – Aber in mein Zimmer gehst du nur, wenn ich dich dazu auffordere oder wenn ich dich, nachdem du geklopft hast, hereinbitte. Ich werde auch nicht einfach in dein Zimmer gehen. Wenn du etwas brauchst, sag Bescheid. Ich will nicht, dass du mit dem Auto wegfährst.“

Keine Reaktion. „Hörst du mir überhaupt zu?“ „Sicher, ich kann machen, was ich will, solange ich nur hierbleibe.“

Das war nicht ganz das, was er gemeint hatte, aber nun gut.

„Ich bin müde, war ein langer Tag. Was machen wir morgen?“, fragte sie. „Das brauchst du nicht zu wissen. Du musst dich um nichts kümmern.“ „Nur wegen der Uhrzeit, soll ich zu einer bestimmten Zeit fertig sein?“ „Nein, schlaf aus. Wir werden morgen hierbleiben. Ich will dich erst besser kennenlernen.“

‚Was soll das wieder bedeuten?‘ Wollte er wissen, ob sie sich benehmen konnte, ob sie für mehr als eine Bar taugte?

Sie trank aus, stand auf, „Ich gehe schlafen, wenn nichts mehr ist“, wartete kurz und wünschte ihm eine gute Nacht, als kein Widerspruch kam.

„Eins noch“, er stand plötzlich direkt neben ihr, augenblicklich ein Kribbeln auf ihrer Haut auslösend. „Deine Hände bleiben heute Nacht über der Decke. – Keine Selbstbefriedigung“, fügte er hinzu, als er ihren verständnislosen Blick auffing. Sie zuckte ein wenig zurück, als er seine Hand unvermittelt in ihren Schritt legte.

„Für deine Lust“, sein Atem strich warm über ihren Hals, „bin ab heute ausschließlich ich verantwortlich.“

Den Druck erhöhend und sie dann leicht massierend, schob er seine Hand tiefer zwischen ihre Schenkel. Genoss ihre Erregung, die sie nicht vor ihm verbergen konnte, und entließ sie mit einem sanften: „Träum was Schönes.“

Er war sich sicher, dass sie sich, auch falls sie vorher nicht daran gedacht haben sollte, nach dieser Behandlung spätestens wenn sie im Bett lag zwischen die Beine fahren würde, um sich mit schlechtem Gewissen zum Orgasmus zu streicheln.

Von wegen schlechtes Gewissen, er kannte sie schlecht.

Lust und Leidenschaft auf Lanzarote

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