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Ludwig Bechstein. Der kleine Däumling.

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Es war einmal ein armer Korbmacher, dem hatte seine Frau sieben Jungen geschenkt, und einer war immer kleiner als der andere, und der jüngste war bei seiner Geburt nicht viel über Fingers Länge, daher nannte man ihn Däumling. Zwar ist er hernach noch um etwas gewachsen, doch nicht gar zu sehr, und den Namen Däumling hat er behalten. Doch war es ein kluger und pfiffiger Knirps, der an Gewandtheit und Schlauheit seine Brüder in den Sack steckte.

Den Eltern ging es erst gar übel, denn Korbmachen und Strohflechten ist keine so nahrhafte Beschäftigung wie Semmelbacken und Kälberschlachten, und als vollends eine teure Zeit kam, wurde dem Korbmacher und seiner Frau himmelangst, wie sie ihre sieben Würmer sattmachen sollten, die alle mit äusserst gutem Appetit gesegnet waren. Da beratschlagten eines Abends, als die Kinder zu Bette waren, die beiden Eltern miteinander, was sie anfangen wollten, und fassten den Entschluss, die Kinder mit in den Wald zu nehmen, wo die Weiden wachsen, aus denen man Körbe flicht, und sie heimlich zu verlassen. Das alles hörte der Däumling an, der nicht schlief, wie seine Brüder, und schrieb sich die übeln Ratschläge der Eltern hinter die Ohren. Er grübelte auch die ganze Nacht, da er vor Sorgen doch kein Auge zutun konnte, wie er es machen sollte, sich und seinen Brüdern zu helfen.

Frühmorgens lief der Däumling an den Bach, suchte die Kleinen Taschen voll weisser Kiesel und ging wieder heim. Seinen Brüdern sagte er von dem, was er erhorcht hatte, kein Sterbenswörtchen. Nun machten sich die Eltern auf in den Wald, hiessen die Kinder folgen, und der Däumling liess einen Kieselstein nach dem andern auf den Weg fallen, das sah niemand, weil er als der Jüngste, Kleinste und Schwächste stets hintennach trottelte. Das kannten die Eltern schon nicht anders.

Im Walde machten sich die Eltern unvermerkt von den Kindern fort, und auf einmal waren sie weg. Als das die Kinder merkten, erhoben sie allzumal, Däumling ausgenommen, ein Zetergeschrei. Däumling lachte und sprach zu seinen Brüdern: „Heult und schreit nicht so jämmerlich! Wir wollen den Weg schon allein finden.“ Und nun ging Däumling voran und nicht hinterdrein, sichtete sich genau nach den weissen Kieselsteinchen und fand auch den Weg ohne alle Mühe.

Als die Eltern heimkamen, bescherte ihnen Gott Geld ins Haus; eine alte Schuld, auf die sie nicht mehr gehofft hatten, wurde von einem Nachbar an sie abbezahlt, und nun wurden Esswaren gekauft, dass sich der Tisch bog. Aber nun kam auch die Reue, dass die Kinder verstossen worden waren, und die Frau begann, erbärmlich zu schluchzen: „Ach, du lieber, allerliebster Gott! Wenn wir nur die Kinder nicht im Wald gelassen hätten! Ach, jetzt konnten sie sich dicksatt essen, und so haben die Wölfe sie vielleicht schon im Magen! Ach wären nur unsere lieben Kinder da!“ — „Mutter, da sind wir ja!“ sprach da ganz ruhig der kleine Däumling, der bereits mit seinen Brüdern vor der Tür angelangt war und die Wehklage gehört hatte, öffnete die Tür, und herein trippelten die kleinen Korbmacher — eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben. Die Freude war gross, dass die Kinder wieder da waren, und es wurde gelebt, dies ist armer Handarbeiter Gewohnheit.

Nicht gar lange währte es, so war in des Korbmachers Hütte Schmalhans wieder Küchenmeister, und an einem Kellermeister mangelte es überdies, und es erwachte anfs neue der Vorsatz, die Kinder im Walde ihrem Schicksal zu überlassen. Da der Plan wieder als lautes Abendgespräch zwischen Vater und Mutter verhandelt wurde, so hörte auch der kleine Däumling alles, das ganze Gespräch Wort für Wort, und nahm sich’s zu Herzen.

Am andern Morgen wollte Däumling aus dem Häuschen schlüpfen und Kieselsteine auflesen, aber o weh, da war’s verriegelt, und Däumling war viel zu klein, als dass er den Riegel hätte erreichen können; da gedachte er, sich anders zu helfen. Als er fortging zum Walde, steckte Däumling Brot ein und streute davon Krümchen auf den Weg, um ihn dadurch wiederzufinden.

Alles begab sich wie das erstemal, nur mit dem Unterschied, dass Däumling den Weg nicht fand, dieweil die Vögel alle Krümchen rein aufgefressen hatten. Nun war guter Rat teuer; und die Brüder machten ein Geheul in dem Walde, dass es zum Steinerbarmen war. Dabei tappten sie durch den Wald, bis es ganz finster wurde, und fürchteten sich über die Massen, bis auf Däumling, der schrie nicht und fürchtete sich nicht. Unter dem schirmenden Laubdach eines Baumes, auf weichem Moos, schliefen die sieben Brüder, und als es Tag war, stieg Däumling auf einen Baum, die Gegend zu erkunden. Erst sah er nichts als nur Waldbäume, dann aber entdeckte er das Dach eines kleinen Häuschens; merkte sich die Richtung, rutschte vom Baum herab und ging seinen Brüdern tapfer voran. Nach manchem Kampf mit Dickicht, Dornen und Disteln sahen alle das Häuschen durch die Büsche blicken und schritten guten Muts drauflos, klopften auch ganz bescheiden an die Tür an. Da trat eine Frau heraus, und Däumling bat gar schön, sie doch einzulassen, sie hätten sich verirrt und wüssten nicht wohin. Die Frau sagte: „Ach, ihr armen Kinder!“ und liess den Däumling mit seinen Brüdern eintreten, sagte ihnen aber auch gleich, dass sie im Hause des Menschenfressers wären, der besonders gern die kleinen Kinder frässe.

Das war eine schöne Zuversicht! Die Kinder zitterten wie Espenlaub, als sie dies hörten, hätten gerne lieber selbst zu essen gehabt und sollten nun statt dessen gegessen werden. Doch die Frau war gut und mitleidig, verbarg die Kinder und gab ihnen auch etwas zu essen. Bald darauf hörte man Tritte, und es klopfte stark an die Tür; das war kein anderer als der heimkehrende Menschenfresser. Dieser setzte sich an den Tisch zur Mahlzeit, liess Wein auftragen und schnüffelte, als wenn er etwas röche, dann rief er seiner Frau zu: „Ich wittere Menschenfleich!“ Die Frau wollte es ihm ausreden, aber er ging seinem Geruch nach und fand die Kinder. Die waren ganz hin vor Entsetzen. Schon wetzte er sein Messer, um die Kinder zu schlachten, und nur allmählich gab er den Bitten seiner Frau nach, sie noch ein wenig am Leben zu lassen und aufzufüttern, weil sie doch gar zu dürr seien, besonders der kleine Däumling. So liess der böse Mann und Kinderfresser sich endlich beschwichtigen. Die Kinder wurden zu Bett gebracht, und zwar in derselben Kammer, wo ebenfalls in einem grosse Bette Menschenfressers sieben Töchterlein schliefen, die so alt waren wie die sieben Brüder. Sie waren von Angesicht sehr hässlich, jede hatte aber ein goldenes Krönlein auf dem Haupte. Das alles war der Däumling gewahr geworden, machte sich ganz still aus dem Bette, nahm seine und seiner Brüder Nachtmützen, setzte diese Menschenfressers Töchtern auf und deren Krönlein sich und seinen Brüdern.

Der Menschenfresser trank viel Wein, und da kam ihn seine böse Luft wieder an, die Kinder zu morden, nahm sein Messer und schlich sich in die Schlafkammer, wo sie schliefen, um ihnen die Hälse abzuschneiden. Es war aber stockdunkel in der Kammer, und der Menschenfresser tappte blind umher, bis er an ein Bett stiess, da fühlte er nach den Köpfen der darin Schlafenden. Da fühlte er die sprach: „Halt da! Das sind deine Töchter. Bald hättest du, betrunkenes Schaf, einen Eselsstreich gemacht!“

Nun tappte er nach dem andern Bette, fühlte da die Nachtmüssen und schnitt seinen sieben Töchtern die Hälse ab, einer nach der andern. Dann legte er sich nieder und schlief seinen Rausch aus. Als der Däumling ihn schnarchen hörte, weckte er seine Brüder, schlich sich mit ihnen aus dem Hause und suchte das Weite. Aber wie sehr sie auch eilten, so wussten sie doch weder Weg nach Steg und liefen in der Irre herum voll Angst und Sorge, nach wie vor.

Als der Morgen kam, erwachte der Menschenfresser und sprach zu seiner Frau: „Geh und sichte die Krabben zu, die gestrigen!“ Sie meinte, sie solle die Kinder tun wecken und ging voll Angst um sie hinauf in die Kammer. Welch ein Schrecken für die Frau, als sie nun sah, was geschehen war; sie fiel gleich in Ohnmacht über diesen schrecklichen Anblick, den sie hatte. Als sie nun dem Menschenfresser zu lange blieb, ging er selbst hinauf, und da sah er, was er angerichtet hatte. Seine Wut, in die er geriet, ist nicht zu beschreiben. Jetzt zog er die Siebenmeilenstiefel an, die er hatte; das waren Stiefel, wenn man damit sieben Schritte tat, so war man eine Meile gegangen; das war nichts Kleines. Nicht lange, so sahen die sieben Brüder ihn von weitem über Berg und Täler schreiten und waren sehr in Sorgen; doch Däumling versteckte sich mit ihnen in die Höhlung eines grossen Felsens. Als der Menschenfresser an diesen Felsen kam, legte er sich darauf, um ein wenig zu ruhen, weil er müde geworden war, und bald schlief er ein und schnarchte, dass es war, als brause ein Sturmwind. Als der Menschenfresser so schlief und schnarchte, schlich sich Däumling hervor wie ein Mäuschen aus seinem Loch, zog ihm die Meilenstiefel aus und zog sie selber an. Zum Glück hatten diese Stiefel die Eigenschaft, an jeden Fuss zu passen wie angemessen und angegossen. Nun nahm er an jede Hand einen seiner Brüder, diese fassten wieder einander an den Händen, und so ging es, hast du nicht gesehen, mit Siebenmeilenstiefelschritten nach Hause. Da waren sie alle willkommen, Däumling empfahl seinen Eltern, ein sorglich Auge auf die Brüder zu haben, er wolle nun mit Hilfe der Stiefel selbst für sein Fortkommen sorgen, und als er das kaum gesagt, so tat er einen Schritt und war schon weit fort, noch einen, und er stand über eine halbe Stunde weit auf einem Berge, noch einen, und er war den Eltern und Brüdern aus den Augen.

So hat der Däumling mit seinen Siebenmeilenstiefeln sein Glück gemacht und viele grosse und weite Reisen, er hat vielen Herren gedient, und wo es ihm nicht gefallen hat, ist er spornstreichs weitergegangen. Kein Verfolger, zu Fuss noch zu Pferde, konnte ihn einholen, und seine Abenteuer, die er mit Hilfe seiner Stiefel bestand, sind nicht zu beschreiben.

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