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Madame Arroganz

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Schnell merke ich, dass die Partnersuche im Internet auf dem gleichen Grundprinzip beruht wie im Leben offline: Der Mann muss aktiv sein, er muss ansprechen, er muss anschreiben, von Ausnahmen natürlich abgesehen. Immer wieder schildern mir später meine weiblichen Online-Bekanntschaften, dass die Angst vor einer Absage zu groß ist. Sie freuen sich einfach, wenn der Mann den ersten Schritt macht, sie kontaktiert und auch den zweiten Schritt unternimmt, nach dem Date fragt.

Ich lebe zwar in einer Großstadt, aber hätte mir durchaus mehr weibliche Profile für mein Postleitzahlengebiet gewünscht. Profile mit Foto wohlgemerkt - denn nur diese will ich auch anschreiben. Von dieser Einstellung weiche ich später nur ein einziges Mal ab.

Mein erster Kontakt heißt Marina, 28 Jahre alt, sie arbeitet im Logistikbereich. Ihr Profil ist arrogant geschrieben. Sie stuft sich als äußerst attraktiv ein. Sie wünscht sich einen besonderen Mann. So besonders wie sie. „Davon gibt es scheinbar nicht viele“, wie ihrem Profil zu entnehmen ist. Auch sonst ist ihr Profil eine Selbstbeweihräucherung. Ein Typ Frau, den ich sonst nicht anschreiben möchte, aber ich bin nun einmal neugierig, wer diese angebliche Schönheit ist. Ihr Foto will sie nicht freischalten. Stattdessen fordert sie gleich ein Date. Fordern ist hier das richtige Wort, da sie recht dominant schreibt. Sie gibt mir zu verstehen, dass sie nur selten Dates wahrnimmt, aber mein Foto gefalle ihr und ich dürfe mich geschmeichelt fühlen. Die Frau scheint wohl eine kleine überhebliche Königin zu sein, sage ich mir. Gegen ein Treffen ist nichts einzuwenden und kann im Extremfall schnell beendet werden. Vielleicht ist sie ja auch wirklich diese unfassbare Schönheit und im Gespräch sehr nett. Wir verabreden uns für übermorgen. Treffpunkt: ein Café in der Innenstadt. So schnell kommt man also zu einem Date und dann auch noch mit einer vermeintlichen Oberschönheit.

Zwei Tage vergehen und das Date steht an. Mein Büro ist nur ein paar hundert Meter vom Café entfernt. Ich arbeite bis kurz nach 18.00 Uhr, auch um mich ein wenig abzulenken, denn aufgeregt bin ich schon. In einer knappen halben Stunde lerne ich Marina kennen. Ich kontrolliere mein Äußeres wie seit Jahren nicht mehr: Schuhe, Hemdkragen, Fingernägel. Mein letztes Date ist schon lange her. Letzter Check im Fahrstuhlspiegel. Die Haare liegen gut.

Je näher ich dem Café komme, desto schneller schlägt mein Herz. Ich bin etwas zu früh da. Marina hingegen sehe ich nach zehn Minuten immer noch nicht. Zumindest hätte sie eine kurze SMS schreiben oder anrufen können, wenn sie sich verspätet. Vielleicht war sie schon da? Und hat mich aus sicherer Entfernung gecheckt und ist dann gegangen, weil ich nicht ihren hohen Erwartungen entspreche. Vielleicht hat sie bei mir eine typische Männerkrankheit diagnostiziert: eine schlecht sitzende Hose. Oder ihr haben meine Fotos besser gefallen als mein jetziger Anblick.

Doch genau in dem Moment nähert sich mir eine Frau, die Marina sein könnte. Sie hat zwar Fotos in ihr Profil eingestellt, mir diese aber nicht freigeschaltet. Ich tappe ein wenig im Ungewissen. Sie schaut mich an und ich weiß: das ist Marina. Sie trägt eine auffallend reizvolle Netzstrumpfhose mit Schleifenmuster. Dazu schwarze Lederstiefel, Glattleder. Fast Overknees. Das gefällt mir. Ihr Blick aber ist in der Tat arrogant und gelangweilt zugleich. Dass sie äußerst attraktiv sein soll, wie sie sich beschreibt, kann ich beim besten Willen nicht erkennen. Die Strumpfhose ist mit Sicherheit ein Blickfang. Andere Männer werfen Marina Blicke hinterher. Sie schauen aber nur auf ihre Beine. Ich darf mich also freuen, dass ich nun ein Date mit Miss Strumpfhose habe. Ihr Gesicht hingegen verliert spätestens durch die Arroganz alles an Attraktivität, von Sympathie ganz zu schweigen.

Da es mein erstes Date über eine Online-Plattform ist, will ich es auch wahrnehmen. Zur Begrüßung reichen wir uns förmlich die Hand. „Hi. Ich bin Marina“, quält sie sich widerwillig. Draußen ist es kalt. Jetzt ist mir noch kälter. Intuitiv nehmen wir den ersten Tisch am Eingang. Dann sind wir auch schnell wieder draußen. Zumindest als eine Art Trainingslager sehe ich jetzt dieses Date an, denn die Frau meines Lebens wird sie nicht. Gesichtszüge wie ein Kühlschrank sprechen mich nicht an, nur ihre Strumpfhose. Das reicht leider nicht. Ihr Gesicht wirkt maskenartig. Strenge Gesichtszüge. So sehen sonst nur 60-jährige Frauen in Hollywood aus, die mit Botox noch einmal Anfang 20 sein möchten. Wir reden über unsere Jobs, über unsere bisherigen Erfahrungen mit Online-Dates ( wobei mein Bericht entsprechend kurz ausfällt ) und über ihren letzten Urlaub. Den hat sie mit ihrer Mutter verbracht. Es ist ein oberflächliches Gespräch, welches auch nach zwanzig Minuten nicht besser wird. „Meine Mutter ist meine beste Freundin“, sagt sie. Das glaube ich ihr sofort. „Das ist schön, dass du dich so gut mit deiner Mutter verstehst“, ist meine nicht ernst gemeinte Antwort. Das Gespräch interessiert mich überhaupt nicht.

Da wir auf Hockern sitzen und das Café gut beleuchtet ist, habe ich besten Blick auf ihre Beine. Ich nutze den Logenplatz aus. Sie sind das Aufregendste an ihr, was aber eher gegen ihren Charakter als für ihre Attraktivität spricht. Ich überlege, ob die Netzstrumpfhose bei diesen Temperaturen nicht zu kalt ist. Ihre Waden sind ein wenig stramm. Ich habe keine Lust in ihr Gesicht zu schauen. Davon habe ich genug. Ich fasse es nicht, was sie dann von sich gibt: „Ein Mann, der mich bekommen will, muss schon etwas Besonderes sein. Schließlich bin ich auch was Besonderes. Ich kenne meinen Marktwert.“ Ich überlege, ob ich nicht den Krankenwagen rufen soll. Dann erzählt Marina weiter: „Ich gehöre auch nicht zu den Frauen, die unbedingt einen Freund haben müssen und sich mit Männern einlassen, in die sie gar nicht verliebt sind. Lieber bleibe ich Single. Hat die letzten fünf Jahre auch gut funktioniert. Außerdem bin ich müde von den vielen Dates.“ Ich bin müde von den zwanzig Minuten oberflächlichem Gerede und ihrem Kühlschrankgesicht. Wir stellen beide erleichtert fest, dass wir um 19.30 Uhr eine weitere Verabredung haben. Sie mit ihrer Freundin, ich mit einem Kunden. Wir wissen, dass wir soeben gelogen haben, aber so ist das Date schnell und unkompliziert beendet. Nachdem ich die Rechnung bezahlt habe, verabschieden wir uns. „Wir telefonieren dann“, sagen wir zeitgleich, ohne dabei konkret zu sein. Das heißt übersetzt, dass wir uns nicht wiedersehen möchten.

Das war es also: mein erstes Online-Date. Kurz und schmerzlos.

Ich will mir nicht lange Gedanken machen und schreibe am Abend noch eine 28-jährige Stewardess an. Sie wohnt nur ein paar Straßen weiter, stellen wir fest.

Saskia ist ihr Name. Frisch von ihrem nun Ex-Freund getrennt. „Und alles gut verdaut oder trauerst du noch?“, will ich wissen. „Du brauchst dir keine Gedanken zu machen. Was vorbei ist, ist vorbei.“

Sie sieht sehr sympathisch aus. Saskia hat eine natürliche Ausstrahlung und das Lufthansa-Kostüm steht ihr gut. Sie hat blonde lockige Haare, gebräunten Teint. Das gefällt mir. Wir verabreden per E-Mail ein Date. Neue Chance, neues Glück. Bis zum Date sind es noch drei Tage und auf einmal fängt sie an, mich mit Komplimenten zu überschütten. „Du siehst total gut aus. Ich stehe auf große Männer mit dunklen Haaren. Und du bist so nett. Das gibt es doch gar nicht. Ich hätte nicht gedacht, so einen Mann hier zu treffen. Du bist wohl ein Traummann oder?“

Ich fühle mich irgendwie unwohl bei dieser Lobhudelei, sie kennt mich doch gar nicht. Außer ein paar Fotos, einem Profil und den wenigen E-Mails bin ich ein Unbekannter. Ich versuche etwas Euphorie aus der ganzen Sache heraus zu nehmen. „Liebe Saskia, danke für deine Worte. Aber findest du es nicht etwas früh, von einem Traummann zu sprechen? LG, Lukas“ Saskia macht weiter. „Ich habe ein richtig gutes Gefühl mit dir. Und ich irre mich selten.“ Kann sein, dass ich mich jetzt irre. Aber diese Frau will ich nicht treffen. Wir sind erst einmal nichts weiter als Fremde. Ihre E-Mails wirken unpassend. Die Frau scheint Panik zu haben. Ein Partner muss her, aber schnell.

Ich bin froh, dass sie meine Adresse nicht kennt und auch meine Handynummer nicht hat. Ich verabschiede mich per E-Mail, unter einem Vorwand. „Bitte sei mir nicht böse, aber ich sage das Treffen ab. Du bist bestimmt eine attraktive und nette Frau, aber die Partnersuche über das Internet ist nicht mein Fall. Ich wünsche dir noch viel Erfolg und alles Gute. LG, Lukas“ Anschließend lösche ich ihr Profil. Ich bin erleichtert. Auch jetzt gilt, nicht lange überlegen, weitermachen.

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