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Kapitel 2

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Es sind bald drei Wochen vergangen, als ich bei Dylan war. Ich dachte, er würde sich melden, was er allerdings nicht getan hat. Ich war knapp davor meinen Gärtner auszufragen, wollte wissen, ob mit Dylan alles in Ordnung ist. Ob er mit seinem letzten Auftrag noch nicht zu Ende ist und ob das der Grund ist, warum er mich bis heute nicht angerufen hat. Doch das habe ich schließlich bleiben lassen. Ich wollte bei Mr. Moore nicht den Eindruck erwecken, ich würde auf Dylans Anruf warten. Oder gar jeden verdammten Tag an ihn denken.

Denn genau das mache ich. Warum? Gott, wenn ich das doch nur selbst wüsste. Aber es vergeht kaum ein Moment, an dem ich nicht seine wunderschönen braunen Augen, in denen etwas Verletztes schimmert, vor mir sehe. Es vergeht kein Morgen, an dem ich nicht wünsche, seine Stimme zu hören. Es vergeht kein Abend, an dem ich mir überlege, zu ihm zu fahren. Gott sei Dank habe ich noch so viel Verstand und lasse das sein.

Gerade als ich draußen frische Wäsche aufhängen will, kommt mir mein Gärtner entgegen. Er kennt mich schon, seit ich sechzehn war und er für meine Eltern anfing zu arbeiten, trotzdem hat er mich von Anfang an gesiezt.

»Kann ich Ihnen etwas abnehmen?« Er zeigt auf den Wäschekorb unter meinem Arm.

»Nein, nein, das schaffe ich schon.«

»Wenn Sie meinen.« Mr. Moore, ein Mann mit Glatze und einem weißen Rund-um-den-Mund-Bart bückt sich und hebt einen Rechen auf. Er legt sein Werkzeug in einen Schubkarren, der voller geschnittenem Gras ist. »Ich komme morgen wieder und werde mich um die Rosen kümmern.«

Seine grünen Augen warten offensichtlich auf ein Einverständnis von mir. Dabei überlasse ich es ihm, wann er den Rasen mäht, die Blumen tränkt, die Wege wischt oder das Laub zusammennimmt.

»Ich danke Ihnen, Mr. Moore.«

Er schenkt mir ein schwaches Lächeln, ehe er den Schubkarren ergreift. »Wie geht es Ihren Eltern?« Mein Gärtner ist ein ziemlich wortkarger Mann, dennoch fragt er praktisch täglich nach meinen Eltern, was ich unheimlich rührend von ihm finde.

»Sie haben gestern einen Ausflug ins National Aquarium gemacht.«

»Schön, schön«, meint er leicht brummend. »Dann geh ich mal.«

»Haben Sie noch einen schönen Tag.«

»Ihnen auch.«

Eigentlich hat Mr. Moore schon vor Jahren das Rentenalter erreicht, aber irgendwie scheint er es zu lieben, den Garten rund um das Bed and Breakfast instand zu halten und ihn zu pflegen. Und es scheint ihn von seinem Kummer über den Tod seiner Frau hinwegzuhelfen, weshalb ich es nicht über mich bringe, ihm zu kündigen, obwohl ich finde, dass manche Arbeiten zu schwer für ihn sind, besonders, wenn ich ihn wie jetzt mit einem gekrümmten Rücken über den Weg gehen sehe.

Seit dem Tod seiner Frau ist er etwas in sich gekehrt und hat sich von seinen Freunden zurückgezogen, aber er ist ein sehr liebenswürdiger alter Mann. Wie ein Großvater, den ich auch nach zehn Jahr noch mit Sie anrede.

Ich gehe zur Wäscheleine, die sich auf der Rückseite des Blue House Inn befindet. Meine Eltern haben das Bed and Breakfast bei der Eröffnung vor über zwanzig Jahren auf diesen Namen getauft. Er ist passend zur Fassade. Sie ist hellblau wie der Himmel. Die Veranda, die um das gesamte Haus führt und die Säulen, die das Dach über der Veranda halten, sind weiß, sowie auch die Fensterrahmen. Wenn es nach mir ginge, hätte ich dem dreistöckigen Gebäude längst eine andere Farbe verpasst. Aber es gehört nun mal meinen Eltern, sie sind die Chefs. Ich leite das B&B lediglich. Zwar einiges früher als geplant war, was mich im Großen und Ganzen nicht stört, nur hätte der Grund ein anderer sein dürfen.

Ich sehe über den großen Rasen, der zum Grundstück des Blue House Inn gehört. An verschiedenen Stellen haben wir Bänke aufgestellt, damit sich unsere Gäste ungestört unterhalten können - wenn sie das wollen. Es wirkt wie ein kleiner Park.

Vögel zwitschern munter in den Bäumen, die in der Nähe stehen. Ich liebe diese Jahreszeit, in der alles von neuem zu blühen und zu leben beginnt, und es endlich wieder wärmer wird.

Nacheinander hänge ich die Bettlaken auf. Und als mein Korb leer ist, gehe ich wieder hinein. Ich werde noch zwei Zimmer richten müssen, denn in wenigen Stunden erwarte ich vier neue Gäste - zwei Ehepaare. Für die nächsten drei Tage bin ich ausgebucht, was viel Arbeit mit sich bringt. Das ist gut, so komme ich sehr wahrscheinlich weniger dazu, an den ungehobelten Restaurator zu denken.

Im Moment bin ich allein, alle meine Gäste sind unterwegs, was ich begrüße. So kann ich ohne große Unterbrüche meinen Job erledigen. Aufräumen, noch mehr Wäsche waschen, Betten frisch beziehen, für morgen einkaufen, und, und, und. Die Liste ist unendlich lang. Aber bis am Abend werde ich alles erledigt haben und mit meiner engsten Freundin Emily etwas Essen gehen.

Am besten fange ich mit dem an, auf das ich ganz gut verzichten könnte: Toiletten putzen. Eigentlich ist es das Einzige, was mich in meinem Beruf anwidert. Ich hole also die Putzmittel hervor, ziehe Handschuhe an und beginne zu sprühen und zu schruppen. Das Telefon klingelt, als ich gerade eine Kloschüssel bearbeite. Doch ich lasse es einfach weiterläuten. Wenn es wichtig ist, wird dieser Jemand auf den AB sprechen oder es später nochmals versuchen. Ich will das Putzen so schnell wie möglich hinter mich bringen.

Eine gute Stunde später stehe ich im obersten Stock. Hier gibt es zwei Zimmer. Eines davon war mal Moms Kinderzimmer. Das daneben Daniel, meinem Onkel. Nach dem Tod meiner Großmutter hat Mom das Haus geerbt und ihren Wunsch von einem Bed and Breakfast, der später auch zu meinem Traum wurde, in die Tat umgesetzt.

Ich öffne die Fenster, um ein wenig frische Luft hereinzulassen und beziehe ein Bett nach dem anderen mit neuen Laken, ehe ich den Boden sauge. Ich gehe rückwärts aus dem Zimmer, und stoße gegen eine Wand.

Erschrocken drehe ich mich um und gebe einen schrillen Schrei von mir.

Ich starre mit rasendem Herzen auf mein Hindernis.

Dylan beugt sich vor, um den Sauger abzustellen, weil ich es nicht fertigbringe, mich zu bewegen.

Erst als sich mein Puls wieder normalisiert und sich der erste Schock gelegt hat, finde ich meine Stimme wieder. »Was machst du hier?«

»Du solltest abschließen«, meint Dylan anklagend. Er hat die Arme vor der Brust verschränkt und funkelt mich zornig an.

Verdutzt starre ich ihn an. Ich müsste doch diejenige sein, die wütend ist? Schließlich ist er es, der sich an mich rangeschlichen hat.

Ich schlucke meinen Zorn hinunter, dabei reibe ich mir über die Stirn, auf der sich ein kleiner Schweißfilm gebildet hat. »Das ist schwierig in einem B&B.« Am Abend bestehe ich darauf, dass alle Türen verschlossen sind. Aber tagsüber ist das schier unmöglich. »War das nötig?«

»Was?«, fragt er ungerührt.

»Mir einen Schrecken einjagen!«

»Nur so lernt man aus Fehlern.«

Die Wut kriecht langsam wieder hoch. Woher nimmt er sich die Frechheit einfach so ins Haus zu kommen und mich dann noch so von oben herab zu behandeln? »Warum hast du nicht geklingelt?«

»Habe ich, aber du hast nicht aufgemacht.«

»Und dann glaubst du, du könntest so mir nichts dir nichts hereinspazieren?«

Einen Moment sieht er mich schweigsam an. Sein Mund ist zu einer schmalen Linie gepresst. »Ich wollte den Schrank holen. Es hat mich angegurkt, vergebens hierher gekurvt zu sein, also habe ich nachgesehen, ob irgendwo offen ist. Wenn du von jetzt an abschließt, wird es nicht noch einmal passieren, dass ich unangemeldet in deinem Heiligtum stehe.« Damit macht er kehrt und geht.

Verblüfft sehe ich ihm nach, wie er die Treppe runtersteigt. »Du hast gesagt, du würdest anrufen!«, krähe ich ihm nach, nachdem ich mich aus der Starre befreit habe.

»Es läuft nicht immer alles nach Plan, Prinzessin!«

Erst als ich über den Sauger steige und Dylan nach unten folge, spüre ich mein wild hämmerndes Herz. Allein Sawyers Auftauchen ist der Grund dafür. Plötzlich bekomme ich Panik, dass er schon wieder verschwinden könnte. »Wo gehst du hin?«

»Ich hole den Schrank.«

»Du weißt gar nicht, wo er steht«, rufe ich und sehe ihn gerade noch, um die Ecke ins Esszimmer biegen.

»Doch!«, kommt es zurück.

Als ich auch endlich in den ehemaligen Wohnraum komme, der zu einem Esszimmer umfunktioniert wurde, öffnet Dylan gerade die Schranktür. Sie gibt ein lautes Knarren von sich.

»Warum ist der noch voll?« Sichtlich genervt dreht er sich zu mir.

Was er kann, kann ich auch. Alles muss ich mir nicht gefallen lassen. »Wenn du angerufen hättest, hätte ich ihn vorher leerräumen können.« Ich stelle mich zwischen ihn und dem Schrank. »Außerdem bin ich keine Prinzessin«, fauche ich ihn an.

Dylan ignoriert mich geflissentlich und greift hinter mich. »Was ist das denn für Schnickschnack?« Er breitet eine weiße Spitzendtischdecke aus und rümpft die Nase. »Oder das?« Schon hat er eine zweite und eine dritte in der Hand. »Für was brauchst du das alles?«, fragt er und deutet auf den mit Decken und anderen alten Sachen vollgestopften Schrank.

»Das geht dich nichts an.« Ehrlich gesagt, überlege ich mir schon lange, was ich mit all dem Zeug machen soll. Ich finde sie zu altmodisch, als dass ich sie meinen Gästen auflegen würde. Vielleicht sollte ich es Mom überlassen, was sie damit tun will. Schließlich stammen diese Dinger von ihr und meiner Großmutter.

«Wo soll ich sie hinlegen?«

Überrascht sehe ich auf Dylans Hände, in denen er einen Stapel Stoff hält. Jetzt erkenne ich auch das Tattoo, das ich bei unserem ersten Treffen nicht richtig sehen konnte. Eigentlich sind es mehrere, die ineinander verschlungen sind. Ein Frauengesicht, das von stacheligen Ranken umrandet ist. Ich öffne schon den Mund, um ihn zu fragen, wer das ist, stattdessen sage ich: »Was machst du da?«

»Nach was sieht es denn aus?« Er schaut mich abwartend an. Als ich mich weder bewege, noch ihm sage, wo er die Sachen hinpacken soll, hebt er eine Augenbraue. »Also?«

Ich kann nicht anders, meine Mundwinkel verziehen sich zu einem breiten Grinsen.

»Was?«, fragt Dylan verärgert.

Aber seine Stimme klingt nicht so gehässig, wie ich es eigentlich von ihm gewohnt bin. Was mich dazu bringt, in sein Gesicht zu sehen. Zum ersten Mal wirken seine markanten Züge weicher. Mir bleibt fast die Luft weg, als ich seinen Augen begegne. Doch sobald er meinen Blick bemerkt, wird seine Miene wieder hart.

»Nichts, nichts.« Du siehst zum Anbeißen aus.

Solche Gedanken sollte ich nicht haben, ich weiß. Dennoch fühle ich mich zu ihm hingezogen, obwohl er sich eher wie ein Arschloch als ein Kavalier verhält.

»Du kannst sie auf den Tisch hier legen.« Ich nehme ebenfalls einen Berg weißer Deckchen und staple sie auf den uns am nächsten stehenden quadratischen Esstisch. »Aber du brauchst das nicht machen. Ich kann dich anrufen oder eine Nachricht schicken, sobald ich hier fertig bin.« Insgeheim hoffe ich, er möge meinen Vorschlag ablehnen, damit ich noch ein wenig seine Gesellschaft genießen kann.

Andererseits habe ich Angst, einer meiner Brüder könnte auftauchen. Sie wären von Dylans Anwesenheit nicht gerade begeistert. Große Untertreibung. Es würde Ärger geben zwischen ihnen und mir, was ich überhaupt nicht leiden kann.

»Keine Sache, wenn du auch etwas mehr anpacken würdest.«

Erwischt hebe ich ruckartig den Kopf, um nicht weiter auf seinen Bizeps zu starren, der sich, wenn er etwas hochhebt, deutlich unter dem feinen Baumwollstoff seines T-Shirts abzeichnet.

Dylan steht keine zwei Schritte vor mir und sieht mich mit kritischem Ausdruck auf dem Gesicht an.

»Tut mir leid«, entschuldige ich mich schnell und wende mich ab. Meine Wangen fühlen sich warm an. Hoffentlich hat er nicht bemerkt, wie peinlich es mir ist, dass er mich beim Gaffen erwischt hat. »Was glaubst du, wie lange du für die Restauration brauchst?« Ich möchte ihn so viele andere Dinge fragen, wie zum Beispiel: Was hat dich nach Little Pearl geführt? Wie alt bist du? Wo wohnen deine Eltern? Hast du eine Freundin? Allerdings getraue ich mich nicht. Ich bin neugierig aber nicht aufdringlich.

»Eine Woche.«

»Was, nur? Das ist schnell.«

»Nicht wirklich«, sagt er, als er sich bückt und abermals in den Schrank greift. »Ach du meine Fresse«, schnauft Dylan. »Was ist denn hier noch drin?« Er nimmt eine anscheinend schwere Kartonschachtel aus dem Kasten und stellt sie auf den Boden.

»Keine Ahnung«, sage ich und sehe mich im Raum um. »O je.« Ich rolle mit den Augen. Mittlerweile sind neun der zwölf Stühle und alle sechs Tische, die um den Kamin stehen, mit Krams aus dem Schrank belegt. »Wo sollen denn jetzt die Gäste frühstücken?«

Es ist mehr ein Pusten als ein Lachen, das durchs Esszimmer geht. Während ich mir verzweifelt Gedanken über das herrschende Chaos mache, scheint sich Dylan köstlich zu amüsieren, auch wenn in seinem Gesicht nichts von Erheiterung zu lesen ist.

Ich habe ihn noch nie wirklich lachen gehört oder ihn Lächeln sehen. Und mit einem Mal frage ich mich, warum er sich verbietet, glücklich zu sein.

Er klopft sich die Hände an der Hose ab und dreht sich zum Durchgang, der in den Flur führt. »Hab ich Glück, dass das nicht mein Problem ist«, reißt mich Dylan aus meinen Überlegungen. »Ich hole den Hubroller und werde mal das Prachtstück aufladen. Wenn ich mit meiner Arbeit fertig bin, werde ich dir Bescheid geben.«

»Dieses Mal wirst du mich aber erst anrufen, ehe du hier auftauchst«, sage ich bevor Dylan aus dem Raum verschwinden kann.

»Klar, Prinzessin.«

Ich stemme meine Hände in die Hüfte und werfe ihm giftige Pfeile zu. »Ich. Bin. Keine. Prinzessin. Es definiert mich mit etwas, was ich nicht bin. Kapiert?«

Er hebt bloß die Augenbrauen. »Wie du meinst, Clé.«

Verdutzt über den neuen Spitznamen, der sich irgendwie wie ein Kosewort anhört, sehe ich seinem breiten Rücken nach. Normalerweise nennen mich die anderen Cee oder Céc. Na auch egal, Hauptsache er sagt mir nicht mehr Prinzessin.

Ich muss mir unbedingt überlegen, wo ich mit den Sachen aus dem Schrank hinwill. Ich kann wohl schlecht alles liegen lassen. Also hole ich ein paar Kisten aus dem Keller, stopfe sie nacheinander voll und stelle sie im Flur unter die Treppe, wo sie weniger auffallen. Sobald ich Zeit habe, werde ich sie in den Keller verfrachten. Während ich meiner Arbeit nachgehe, kommt Dylan wieder. Vor sich her stoßend einen Transportroller. Gerade als er das Möbelstück befestigt, klingelt das Telefon.

Ich renne in den Flur, wo sich das Haustelefon auf einem Tresen, das gleichzeitig mein Empfangsbereich bildet, befindet und nehme ab. »Blue House Inn, Cécile am Apparat. Was kann ich für Sie tun?« Um in Ruhe telefonieren zu können, gehe ich in die Küche. Bevor ich mich in den angrenzenden Raum begebe, schnappe ich mir noch schnell meinen Kalender.

»Hallo, ich würde gern ein Zimmer buchen«, sagt eine männliche Stimme.

»Da sind Sie bei mir genau richtig. Wann und für wie lange möchten Sie kommen?« Während ich das frage, ziehe ich den Deckel meines Schreibers ab.

»Am achten Juli. Ich weiß, ich bin etwas spät«, fügt er schnell an, »aber ich hoffe, Sie haben dann noch ein Zimmer für mich und meine Freundin.«

»Warten Sie bitte einen kurzen Moment. Ich muss in meiner Agenda nachsehen«, sage ich dem Mann am anderen Ende der Leitung und blättere währenddessen im Kalender. »Sie haben Glück. Ich habe da noch ein Zimmer. Es wird Ihnen gefallen.« Ich lächle in den Hörer, weil nun alle sechs Zimmer für den gesamten Monat vermietet sind. »Für wen darf ich also die Buchung aufnehmen?«

Nachdem mir der Mann seinen Namen und Adresse durchgegeben hat, lege ich auf und gehe grinsend ins Esszimmer, um mit Dylan meine Freude zu teilen, obwohl es ihm wahrscheinlich am Hintern vorbeigeht, dass ich mich freue.

Doch als ich in den Raum trete, ist er leer. Keine Spur von Sawyer, wie auch vom alten Holzschrank nicht.

Ich hatte so sehr damit gerechnet, ihn nochmals zu sehen, ehe er das B&B verlässt. Umso enttäuschter bin ich jetzt, dass er es nicht für nötig gehalten hat, mir tschüss zu sagen. Und weil ich weitere sieben Tage warten muss, bis ich ihn wiedersehen werde.

Und danach? Dann hat er die Arbeit gemacht und wird wieder aus meinem Leben verschwinden. Ich werde ihn nicht mehr sehen oder hören, so wie vor meinem Auftrag. Als hätten wir nie miteinander gesprochen. Dieser Gedanke stimmt mich traurig.

Mit etwas weniger Enthusiasmus räume ich noch den Rest des Durcheinanders weg, das Dylan und ich angerichtet haben. Anschließend hole ich die Wäsche rein, lege sie zusammen und verstaue sie. Ich mache einen Rundgang und sehe nach, ob alle Türen verschlossen sind, bevor ich nach Hause gehe.

Gerade als ich das Blue House Inn verlassen will, kommen meine derzeit ältesten Gäste über die Auffahrt. Mr. und Mrs. Franklin.

»Hatten Sie einen schönen Ausflug?«, frage ich die beiden und halte ihnen die Tür auf.

Mrs. Franklin lächelt mich herzlich an. »Einen schönen Ort haben Sie hier. Wir sind so viel herumgelaufen, haben Gebäude und Geschäfte angesehen, dass mir jetzt die Füße wehtun.«

»Oh, das tut mir leid.«

»Ach Kindchen.« Die Frau über sechzig legt eine Hand auf meinen Arm. »Das braucht Ihnen bestimmt nicht leidtun. Ich bedauere nur, dass wir nicht schon früher hergefunden haben.« Sie lächelt mir zwinkernd zu. »Und dass Sie nicht kochen, denn dann könnten wir unsere müden Knochen etwas ausruhen. Nicht wahr, Harris?«

Der Mann nickt und gibt ein zustimmendes Brummen von sich.

»Glauben Sie mir, meine Kochkünste wollen Sie gar nicht probieren«, sage ich lachend. »Waren Sie schon im Sea Fish, gleich am Meer?«

Beide schütteln zeitgleich den Kopf.

»Ich persönlich finde das Essen da ganz fein. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen einen Tisch reservieren und ein Taxi kommen lassen.«

»Nicht nötig, Liebes, wir schaffen das schon. Sie haben schon genug für uns getan.«

»Wie Sie meinen. Wenn Sie etwas brauchen, wissen Sie ja, wie Sie mich erreichen können. Jederzeit.«

»Machen wir. Aber Sie sind noch jung, also genießen Sie endlich Ihren Feierabend.« Mrs. Franklin lächelt mich abermals an, dann geht sie hinein, gefolgt von ihrem Mann.

Ich habe noch eine gute halbe Stunde, dann erwartet mich Emily im Hometown Diner. Also laufe ich schnell nach Hause und stelle mich rasch unter die Dusche. Mein Haus liegt gleich neben dem Bed and Breakfast. Nur einen kleinen Weg über den Rasen und schon bin ich da.

Ich hätte mir ein Zimmer im B&B einrichten können, aber auch wenn ich meine Gäste mag – jedenfalls die meisten – so brauche ich doch ein Stück Privatsphäre.

Mein Haus ist nichts Weltbewegendes, ein Bungalow mit zwei Zimmer und Küche. Für mich genügt es, da ich die meiste Zeit sowieso drüben bin. Vielleicht ändert sich das ja, wenn ich eine Familie habe. Denn davon träume ich. Ich wünsche mir eine Familie mit mindestens vier Kindern. Allerdings müsste ich dazu erst einmal den Richtigen finden.


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